Die Prävalenz der Adipositas im Kindes- und Jugendalter hat in den Jahren 1975–2016 um das 8‑ bis 8,7-Fache zugenommen. In Europa ist eines von drei 11-jährigen Kindern übergewichtig oder adipös [5]. Damit verbunden ist eine steigende Prävalenz der assoziierten „nichtübertragbaren Krankheiten“, die ein erhöhtes und frühzeitiges Mortalitätsrisiko mit sich bringen. Umfassende Strategien zur Prävention und Therapie von Adipositas sind vonnöten und schließen Ansätze zur Modulation des kindlichen Mikrobioms ein.

Hintergrund

„Hypothese des durchlässigen Darms“

Ein erhöhter viszeraler Fettanteil führt zu einer systemischen „Lipotoxizität“ und einer chronischen subklinischen Inflammation [35], die mit Veränderungen im Mikrobiom assoziiert ist. Gemäß der „Hypothese des durchlässigen Darms“ kommt es infolge einer Störung der natürlichen Darmbarriere zur Passage mikrobieller Faktoren und einer konsekutiven Entzündung des viszeralen Fettgewebes, was wiederum die Sekretion proinflammatorischer Signale in andere periphere Gewebe (insbesondere Leber, Muskulatur und das Gefäßsystem) zur Folge hat. Es besteht ein intensiver bidirektionaler Austausch an endokrinen, immunologischen, nervalen Signalen zwischen dem Wirtsorganismus und dem Darmmikrobiom [10].

Adipositasspezifische Signatur des Mikrobioms

Zwei grundlegende Mechanismen, wie das Darmmikrobiom die Entstehung von Adipositas begünstigen kann, werden diskutiert: erstens durch eine erhöhte Energieextraktion aus der Nahrung, zweitens eine veränderte Wirt-Mikrobiom-Interaktion, die zu einer metabolischen Inflammation führt. In den letzten Jahren konnte gezeigt werden, dass die mit Adipositas assoziierten, entzündlichen und metabolischen Veränderungen mit einer charakteristischen und spezifischen Komposition des Mikrobioms einhergehen. Unter dem Begriff der Dysbiose wird eine Imbalance in der taxonomischen Zusammensetzung des Darmmikrobiom verstanden [16]. Für Proteobacteria konnte ein Zusammenhang mit einem erhöhten Risiko der Entstehung und des Fortschreitens eines Typ-2-Diabetes (T2DM) und kardiovaskulärer Erkrankungen gezeigt werden [33]. Verrucomicrobiae hingegen sind mit einem metabolisch günstigen Phänotyp assoziiert [2, 6].

Proteobacteria im Mikrobiom erhöhen das Risiko für T2DM und kardiovaskuläre Erkrankungen

Rezente Forschungsergebnisse legen nahe, dass die Entstehung einer Dysbiose während kritischer Entwicklungsphasen des Menschen von nachhaltiger, prägender Bedeutung für den immunologischen und metabolischen Phänotyp sind. So konnte belegt werden, dass das Darmmikrobiom v. a. in den ersten 3 Lebensjahren äußerst empfindlich auf Umwelteinflüsse wie die maternale Gesundheit und Ernährung während der Schwangerschaft, den Geburtsmodus, die Art der frühkindlichen Ernährung und Antibiotikatherapien reagiert. Nach der Reifung des kindlichen Darmmikrobioms bleibt die Zusammensetzung weitgehend stabil, wird aber durch die Ernährung und Antibiotika beeinflusst [16].

Perinatale und frühkindliche Einflussfaktoren

Pränatale Einflussfaktoren

Entgegen früherer Annahmen ist zwar der fetale Darm intrauterin keineswegs steril, eine bedeutsame Besiedelung findet jedoch erst mit der Geburt statt. Das maternale Darmmikrobiom im ersten Schwangerschaftstrimenon gleicht jener von gesunden, nichtschwangeren Frauen. Bis zum 3. Trimester kommt es allerdings zu intraindividuell unterschiedlich ausgeprägten Veränderungen in der Zusammensetzung, wie sie für insulinresistente Individuen mit Adipositas typisch sind. Die Inokulation von derart verändertem Stuhl hochschwangerer Frauen in keimfreie Mäuse führte bei diesen zu Adipositas und Insulinresistenz [19]. Wenngleich die genaue Bedeutung für den späteren kindlichen Phänotyp unklar ist, machen diese Veränderungen physiologisch grundsätzlich Sinn, da sie die Energiespeicherung im fetalen Fettgewebe und damit das Wachstum des Fetus begünstigen [22]. Eine antibiotische Therapie im 2. und 3. Trimenon resultierte darüber hinaus in einem um 84 % höheren kindlichen Risiko für Adipositas im Alter von 7 Jahren im Vergleich zu nichtexponierten Kindern [25].

Geburtsmodus

Während sich nach vaginaler Entbindung in erster Linie Bakterien der vaginalen Flora und Darmbakterien im neonatalen Darm finden, bilden nach Kaiserschnitt überwiegend Haut- und Krankenhauskeime das primäre Darmmikrobiom. Diese ist auch in weiterer Folge durch eine wesentlich geringere Vielfalt gekennzeichnet. Das Risiko per Kaiserschnitt geborener Kinder für Übergewicht oder Adipositas wurde ~20–30 % höher als jenes von vaginal geborenen Kindern eingeschätzt [20]. Säuglinge, deren Mütter unter T2DM leiden, weisen ein in Bezug auf die taxonomische Zusammensetzung ähnliches Darmmikrobiom wie jenes von Erwachsenen mit T2DM auf.

Ernährung

Der protektive Effekt des Stillens sowie einer ausgewogenen Säuglings- und Kleinkindernährung ist sehr gut belegt [28]. Die Ernährung mit Muttermilch oder Formulanahrung sowie der Zeitpunkt der Beikosteinführung wirken sich kurz- und langfristig unterschiedlich auf das Mikrobiom sowie den Stoffwechsel beim Kind aus und erklären möglicherweise die Vorteile exklusiven Stillens. Muttermilch fördert die Besiedelung und Reifung des kindlichen Mikrobioms auf besondere Art und Weise. Die Zusammensetzung der Muttermilchmikrobiota ändert sich vom initialen Kolostrum zum Zeitpunkt der späten Laktation in Abhängigkeit von Gestationsalter bei Geburt, maternalem Gesundheitsstatus und Geburtsmodus erheblich [24]. Die komplexe Dynamik der Transmission (vaginal/fäkal zur Brust, kindlicher Mund zur Brust, Brust zum kindlichen Mund und Darm) sowie die ortsspezifische Kolonisierung im Kind sind allerdings unklar und Gegenstand aktueller Untersuchungen.

Pro- und Präbiotika sowie Milcholigosaccharide stabilisieren das Darmmikrobiom beim gestillten Kind

Für Formulaernährung wurde andererseits eine Assoziation mit einer erhöhten bakteriellen Diversität, Prävalenz von Clostridium difficile, Bacteroides fragilis und Escherichia coli, sowie erniedrigten Prävalenz von Bifidobakterien im kindlichen Darmmikrobiom gezeigt, wobei bereits kleine Mengen an Zusatz zum Stillen einen Einfluss haben [24]. Muttermilch beinhaltet eine Vielzahl bioaktiver Moleküle. Sowohl in humanen Studien als auch im Mausmodell konnte beispielsweise ein modulatorischer Effekt von Immunglobulin A in der Muttermilch auf die langfristige Zusammensetzung des Mikrobioms der Nachkommen festgestellt werden [31]. Die Synergie von pro- und präbiotischen Komponenten in der Muttermilch gewährleistet bei gestillten Kindern zudem eine stabile und relativ uniforme Zusammensetzung des Darmmikrobiom im Vergleich zu formulaernährten Säuglingen. Durch Supplementierung von Formularnahrung mit Pro- und Präbiotika wird eine Angleichung des Säuglingsdarmmikrobioms an jenes von gestillten Kindern erreicht [9]. Humane Milcholigosaccharide (HMO) fördern das Wachstum spezifischer Bakterien, einschließlich Bifidobakterien. Letztere sind von besonderer Bedeutung für die Inhibition des Wachstums pathogener Organismen, die mit der Störung der oben angeführten mukosalen Barrierefunktion und konsekutiven immunologischen und inflammatorischen Veränderungen einhergehen. Eine höhere HMO-Diversität in der Muttermilch ausschließlich stillender Mütter war in einer rezenten Studie mit einer niedrigeren totalen und prozentuellen Fettmasse der Säuglinge im Alter von einem Monat und 6 Monaten assoziiert [1].

Nach dem Kleinkindalter ändert sich die Zusammensetzung des Darmmikrobioms nur noch eingeschränkt und v. a. abhängig von der Ernährungsform. Vegetarier zeigen eine deutlich größere Mikrobiomvielfalt als Vollköstler. In einer Querschnittsuntersuchung war eine höhere Mikrobiomvielfalt mit einem niedrigeren Body-Mass-Index (BMI) und nach Einführung einer vegetarischen Ernährung mit einer Gewichtsabnahme, Verbesserung metabolischer Parameter und verminderten intestinalen Inflammation in der Gruppe der Vegetarier assoziiert [17].

Argumente für einen kausalen Zusammenhang

Sowohl murine als auch humane Studien weisen auf eine mögliche kausale Rolle des Darmmikrobiom in der Entstehung von Adipositas hin. So konnte gezeigt werden, dass keimfreie Mäuse auch bei fettreicher und energiedichterer Diät weniger Gewicht zunehmen als Mäuse mit erhaltenem Mikrobiom. Bei Letzteren findet sich auch bei einer Nahrungsaufnahme, die der keimfreier Mäuse gleicht, eine erhebliche Gewichtszunahme; diese ist durch die erhöhte Aufnahme von Monosacchariden aus dem Darm und eine gesteigerte Lipogenese bedingt [3]. Studien von Turnbaugh et al. an eineiigen Zwillingen, die diskordant oder konkordant für Adipositas waren, stellten von einem „gemeinsamen Kernmikrobiom“ abweichende Anteile fest, die sich zwischen den beiden Gruppen erheblich unterschieden. Zwillinge mit Adipositas wiesen demnach eine funktionelle Einschränkung und verminderte Vielfalt auf. Der Transfer von Stuhl adipöser Zwillinge in keimfreie Mäuse löste bei diesen eine deutliche Gewichtszunahme aus. Mäuse, die Fäzes von schlanken Zwillingen erhalten hatten, blieben hingegen schlank [30, 36]. Diese Daten stehen in Übereinstimmung mit humanen Querschnittsstudien. Die Mikrobiota von schlanken Erwachsenen unterschieden sich beispielsweise in einer Untersuchung von jenen Adipöser durch eine erhöhte Population der Bacteroidetes zulasten von Firmicutes [34]. Eine Untersuchung an belgischen Kindern mit Adipositas belegte ebenfalls eine erhöhte Firmicutes-Bacteroidetes-Ratio, darüber hinaus eine vermehrte Anzahl an Lactobacillus- und Staphylococcus-Spezies, was mit einem erhöhten Inflammationsniveau im Vergleich zu normalgewichtigen Kindern einherging (C-reaktives Protein, [4]). Des Weiteren wurde gezeigt, dass eine eingeschränkte Mikrobiomvielfalt bereits bei Kindern mit Adipositas mit Insulinresistenz, nichtalkoholischer Fettlebererkrankung („nonalcoholic fatty liver disease“, NAFLD) und subklinischer Inflammation einhergeht [23].

Bakterielle Metaboliten und Adipositas

Kurzkettige Fettsäuren („short-chain fatty acids“, SCFA), v. a. Aceton‑, Butter- und Propionsäure, sind Hauptfermentationsprodukte des Darmmikrobiom. Diese Metaboliten dienen als wesentliche Mediatoren für die Regulation der intestinalen Permeabilität, Entzündungskontrolle, des Gallensäuremetabolismus und assoziierter immunologischer Prozesse. Obwohl SCFA im peripheren Blutkreislauf nur in geringen Konzentrationen vorkommen, sind sie für die Regulation von hormonellen und nervalen Systemen von Bedeutung und stellen zentrale Energiequellen für Kolonepithelzellen dar.

Die erhöhte Produktion bestimmter SCFA im dysbiotischen Mikrobiom führt zur Adipogenese

Als anabole Zellsubstrate sowie Signalmoleküle in unterschiedlichen Zellfunktionen und Gewebetypen sind sie in Cholesterin- und Proteinsynthese, Glukoneogenese, Lipogenese und hypothalamische Appetitregulation involviert. Eine erhöhte Produktion von bestimmten SCFA (v. a. Acetat) durch ein dysbiotisches Mikrobiom führt daher zu einer gesteigerten Energieausbeute und Adipogenese, während für andere SCFA (v. a. Propinat) metabolisch günstige Effekte beschrieben wurden. So wurde beispielsweise gezeigt, dass langkettige Präbiotika wie Inulin und Glucomannan (s. Abschn. „Präbiotika“) über eine gesteigerte Fermentation und SCFA-Synthese im Kolon durch Propionat und Butyrat eine Gruppe von G‑Protein-Rezeptoren aktiviert. Im Mausmodell erhöhte dies den Energieumsatz und verbesserte die Glucosetoleranz [26].

Therapeutische Konsequenzen

Da es, wie oben ausgeführt, plausible Belege für eine kausale Rolle der Mikrobiota bei der Entstehung der Adipositas gibt, wird intensiv an Konzepten zur gezielten therapeutischen Modulation des Darmmikrobiom gearbeitet. Von besonderem Interesse ist, ob metabolische Komorbiditäten durch die individuelle Beeinflussung des Darmmikrobiom behandelt werden können. Unter dem Begriff der „individuellen Bakteriotherapie“ wird einerseits die indirekte Modulation durch Förderung bestimmter Darmbakterienspezies über spezifische Substrate – im Rahmen einer Ernährungsumstellung oder durch Applikation von Präbiotika, oder durch direkte Einführung von Bakterien von außen, z. B. über Probiotika, verstanden [8, 18].

Präbiotika

Präbiotika sind kurz- oder langkettige Zucker, die im Darm die Vermehrung von Bakterien, z. B. von Bifidobakterien und Lactobazillen, fördern. Sie wirken in unterschiedlichen Abschnitten des Gastrointestinaltrakts und beeinflussen die Wirtphysiologie sowie die Darmbarrierefunktion direkt und indirekt. Präbiotika vermitteln ihre Wirkung über folgende Mechanismen (Abb. 1):

  • Veränderung von Nährstoffkinetik und Sättigung durch Verzögerung der Magenentleerung,

  • Hemmung der Cholesterinresorption und Reduktion der Gallensäurereabsorption durch erhöhte intestinale Viskosität,

  • gesteigerte bakterielle Fermentation im Kolon und dadurch Förderung der Replikation gesundheitsfördernder Bakterien, die die molare Ratio von Proprionat zu Acetat und dabei die Integrität der Darmbarriere und den Cholesterinmetabolismus günstig beeinflussen,

  • Hemmung oder Niederregulation hepatischer Lipogenese durch gesteigerte Propionatsynthese,

  • verminderte Translokation von Lipopolysacchariden aus gramnegativen Bakterien und dadurch reduzierte systemische Inflammation sowie

  • gesteigerte SCFA-assoziierte Sekretion gastrointestinaler Inkretine wie „glucagon-like peptide 1“ oder Peptid YY (PYY).

Abb. 1
figure 1

Wirkmechanismen von Präbiotika. LPS Lipopolysaccharide, PYY Peptid YY, SCFA „short‐chain fatty acids“. (aAus [13] iStock.com/magicmine, baus [12] iStock.com/Ugreen, caus [14] iStock.com Dr_Microbe, daus [11], mit freundl. Genehmigung, ©M. Jones, CC BY-SA 3.0)

Der Konsum adäquater Mengen an hochviskösen löslichen Ballaststoffen (z. B. Inulin, Glucomannan) in der Nahrung ist beim Menschen mit niedrigeren Serumtriglyzeridkonzentrationen als bei unzureichendem Verzehr verbunden. Eine Reduktion kardiovaskulärer Risikofaktoren durch Glucomannansupplementation ist unabhängig vom Ausgangsrisikoprofil sowohl für Erwachsene als auch Kinder belegt (2,0–15,1 g/Tag). Für Glucomannan wurde von der Europäischen Union ein gutes Sicherheitsprofil bestätigt, darüber hinaus wurden von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) gesundheitsbezogene Aussagen („health claims“) in Bezug auf eine Gewichtsabnahme sowie die Reduktion postprandialer Hyperglykämie und Blutcholesterinwerte zugelassen. Ähnliche Vorteile, allerdings ohne zugelassenen Health claim, wurden auch in rezenten Metaanalysen für Inulin beschrieben [8].

Eine rezente Übersichtsarbeit, in der ausschließlich randomisierte, kontrollierte klinische Studien (RCT) mit einem Präbiotikum Berücksichtigung fanden, identifizierte allerdings lediglich 2 RCT, in denen ein Präbiotikum bei Kindern mit Adipositas untersucht wurde. Nicolucci et al. [27] randomisierten 7‑ bis 12-Jährige mit Übergewicht oder Adipositas in eine Interventionsgruppe mit Oligofructose-Inulin (n = 22, 8 g/Tag) oder eine isokalorische Maltodextrinplacebogruppe (n = 20). Nach 16 Wochen zeigte sich in der Interventionsgruppe ein signifikanter Unterschied im primären Endpunkt, in der Veränderung im prozentuellen Körperfettanteil (−3,1 %), im Körpergewicht-Z-Score (−2,4 %) und im Stammfettanteil (−3,8 %), zudem bei den Serumtriglyzeriden und Interleukin 6 als subklinischem Entzündungsparameter im Vergleich zur Placebogruppe.

Probiotika

Der Einsatz von lebenden Mikroorganismen, also sog. Probiotika, mit dem Ziel einer Modulation des Darmmikrobioms wird bis dato häufig unkritisch positiv beurteilt [18]. Probiotika vermitteln ihre Wirkung über (Abb. 2):

  1. 1.

    Kompetition mit proinflammatorischen Mikroben um die Adhärenz an der Darmmukosa,

  2. 2.

    Regulation des darmassoziierten Immunsystems,

  3. 3.

    Reduktion der Lipidabsorption und damit Kalorienaufnahme durch Beeinflussung der Gallensäuredekonjugation,

  4. 4.

    Induktion von Lipolyse durch Synthese von Linolensäuren,

  5. 5.

    Steigerung der Sympathikusaktivität über Angiopoietin-like 4 (Proteinlipaseinhibitor),

  6. 6.

    Aktivierung von hepatischen und muskulären β‑Oxidationsgenen,

  7. 7.

    Verbesserung der Insulinsensitivität, Glucosetoleranz und Darmbarriere durch spezifische SCFA-Synthese und

  8. 8.

    Sättigung.

Abb. 2
figure 2

Wirkmechanismen von Probiotika. SCFA „short‐chain fatty acids“. (aAus [14] iStock.com Dr_Microbe)

Für Erwachsene ergibt sich bei der Durchsicht von qualitativ hochwertigen Übersichtsarbeiten über den Effekt bei Adipositas ein sehr widersprüchliches Bild. Diese Unterschiede sind sehr plausibel auf die Tatsache zurückzuführen, dass es nicht nur bakterien- oder genera-, sondern stammspezifische Effekte gibt. Diese Sichtweise wird auch durch Untersuchungen unterstützt, die bei Erwachsenen eine unvorteilhafte Gewichtszunahme bei Probiotikaprodukten mit häufigen Lactobacillus-Stämmen belegen, während für andere Stämme eine BMI-Abnahme und günstige metabolische Wirkungen beschrieben wurden [8].

Probiotika mit spezifischen Bakterienstämmen beeinflussen den BMI und Metabolismus beim Kind positiv

Aktuell gibt es nur wenige belastbare Daten zum Effekt von Probiotika in der Therapie von Adipositas und assoziierten metabolischen Erkrankungen bei Kindern. In einer doppelblinden RCT mit Cross-over-Design wurde kürzlich gezeigt, dass bei Kindern mit Adipositas durch eine Behandlung mit Bifidobacterium breve BMI und Bauchumfang reduziert sowie, damit verbunden, Glucosemetabolismus und subklinische Inflammation verbessert wurden [29]. Vajro et al. [37] berichteten über eine Senkung erhöhter Transaminasenkonzentrationen, unabhängig von Veränderungen des BMI-Z-Score und viszeralen Fettanteils, bei Kindern mit NAFLD (Alter 10,7 ± 2,1 Jahre, n = 22) in einer doppelblinden, placebokontrollierten Pilotstudie mit Lactobacillus rhamnosus. Ähnliche Resultate wurden von Famouri et al. berichtet, die 64 Kinder mit Adipositas und NAFLD doppelblind randomisiert einer Placebo- oder einer Interventionsgruppe zuwiesen (Lactobacillus acidophilus, Bifidobacterium lactis, Bifidobacterium bifidum, Lactobacillus rhamnosus, [7]). Ein günstiger Effekt von mehreren Bakterienstämmen (Lactobacillen und Bifidobakterien) in Kombination mit Fructooligosacchariden auf den BMI-Z-Score und den Bauchumfang („Synbiotikum“) wurde außerdem in einer doppelblinden randomisierten [32] bzw. einer offen randomisierten Studie an Kindern mit Adipositas berichtet [15].

Maternale perinatale Ernährungsintervention

Schwangerschaft und Neonatal- bzw. Säuglingsalter stellen kritische Zeitfenster für gezielte Ernährungsinterventionen, sei es durch Ernährungsumstellung oder Supplementation mit Pro- oder Präbiotika, bei der werdenden bzw. stillenden Mutter dar. Eine Probiotikagabe (Lactobacillus rhamnosus GG und Bifidobacterium lactis) reduzierte das Risiko für Gestationsdiabetes (GDM) bei der Mutter, während eine Ernährungsberatung das Makrosomierisiko des Kindes bei manifestem GDM senkte. Des Weiteren hatte eine perinatale Probiotikagabe (Lactobacillus rhamnosus GG) einen präventiven Effekt auf eine übermäßige kindliche Gewichtszunahme, wobei der Effekt im Alter von 4 Jahren am stärksten ausgeprägt war [21].

Fazit für die Praxis

  • Die Vielfalt und eine spezifische Zusammensetzung des Mikrobioms sind mit Adipositas und metabolischen Komorbiditäten assoziiert.

  • In den ersten 3 Lebensjahren haben Umwelteinflüsse prägende Auswirkungen auf das kindliche Darmmikrobiom.

  • An Konzepten zur gezielten therapeutischen Modulation des Darmmikrobioms durch Prä‑, Pro- und Synbiotika wird gearbeitet.

  • Spezifische Bakterienspezies scheinen sich metabolisch günstig, andere ungünstig auszuwirken.

  • Schwangerschaft und Säuglingsalter stellen attraktive Zeitfenster für eine Modifikation des Darmmikrobioms im Rahmen gezielter Ernährungsinterventionen dar, sei es durch Ernährungsumstellung oder Supplementation mit Pro- oder Präbiotika.

  • Gegenwärtig mangelt es noch an qualitativ hochwertigen Studien mit Kindern, um klare Schlüsse ziehen oder gar Therapieempfehlungen aussprechen zu können.