Im Mai 2012 publizierten die WHO („World Health Organisation“) und UNICEF gemeinsam eine systematische Analyse der weltweiten Mortalität von Kindern unter 5Jahren [1]. Im Jahr 2010 verstarben 7,6Mio. Kinder in den ersten 5Lebensjahren, ungefähr 40% (3,072Mio.) davon bereits in der Perinatalphase. Führende Ursachen für die Mortalität in dieser Altersgruppe waren Komplikationen bei Frühgeburtlichkeit (14,1%), Komplikationen unter der Geburt (9,4%) und neonatale Sepsis oder Meningitis (5,2%). Ein großer Anteil dieser Kinder starb in weniger privilegierten Ländern als unserem, doch auch in Europa stellen Schwangerschaft, Geburt und die ersten Lebenswochen eine risikoreiche Lebenszeit dar.

Die Perinatalphase ist eine komplexe interdisziplinäre Herausforderung, dies gilt ganz besonders für die Geburtshelfer und Neonatologen. Von ihrer engen und guten Zusammenarbeit hängt das Schicksal der werdenden Mütter und ihrer Kinder ab, und viele medizinische Entscheidungen müssen unter Abwägung des Wohles von Mutter und Kind gemeinsam getroffen werden.

In diesem Heft der Monatsschrift Kinderheilkunde widmen sich Geburtshelfer, Neonatologen und pädiatrische Infektiologen gemeinsam den Herausforderungen dieser vulnerablen Lebensphase. Sie berichten über die Vor- und Nachteile einer Sectio vs. eines Spontanpartus, die Risiken von Präeklampsie und Gestationsdiabetes bei der Schwangeren und ihrem Kind, die Möglichkeiten, Risiken und Grenzen der intrauterinen Intervention sowie die richtigen Maßnahmen zur Verhinderung einer intrauterinen HCMV-Infektion (HCMV: humanes Zytomegalievirus) und HIV-Transmission (HIV: „human immunodeficiency virus“).

Die Häufigkeit von Schnittentbindungen nahm in den letzten 20Jahren bundesweit von 10 auf 30% zu, in den USA liegt die Rate der primären Sectiones sogar bereits bei 41%. Viele dieser Schnittentbindungen werden ohne medizinische oder geburtshilfliche Indikation als sog. Wunschkaiserschnitte durchgeführt. Es gibt aber durchaus beachtliche Risiken, die mit einem solchen Wunschkaiserschnitt verbunden sind und über die die werdenden Mütter und Väter vor einer diesbezüglichen Entscheidung aufgeklärt werden müssen. Hierüber berichten C. Poets und H. Abele.

Präeklampsie und Diabetes mellitus treten weltweit bei bis zu 10% aller Schwangerschaften auf und gehören damit neben den Infektionen zu den Hauptursachen neonatologischer Erkrankungen. Sind in einer Schwangerschaft eine Präeklampsie oder ein Gestationsdiabetes aufgetreten, besteht für Folgeschwangerschaften ein hohes Wiederholungsrisiko. Die Präeklampsie kann für die Mutter (und damit auch das Kind) innerhalb kurzer Zeit lebensbedrohlich werden, die einzige kausale Therapie besteht in einer raschen Entbindung. Mehr als die Hälfte der von einer Präeklampsie während der Schwangerschaft betroffenen Frauen entwickeln im Laufe von 15Jahren einen Bluthochdruck. Demgegenüber lassen sich beim Gestationsdiabetes durch Diät, körperliche Bewegung und ggf. Insulingaben mütterlich-kindliche Probleme wie Makrosomie (mit deswegen durchgeführter Sectio) und postnatale Hypoglykämie in vielen Fällen verhindern. Das richtige diagnostische und therapeutische Vorgehen bei diesen Krankheitsbildern ist in dem Artikel von C. Bührer und S. Verlohren zusammengefasst.

Eine große Herausforderung in der Perinatologie stellen der richtige Umgang mit bzw. der Schutz der Schwangeren und ihres ungeborenen Kindes vor Infektionen dar. Große Fortschritte wurden in den letzten Jahren bei der Verhinderung der vertikalen HIV-Transmission erzielt. Ohne jegliche Maßnahme zur Vermeidung der Mutter-Kind-Transmission von HIV1-positiven Müttern werden bis zu 40% der Kinder mit diesem Virus angesteckt. Seit 1994 konnte diese Rate in den entwickelten Ländern auf 1% gesenkt werden. Im vorliegenden Heft finden Sie einen Leitfaden für das richtige Vorgehen zum Schutz des Kindes vor einer HIV-Infektion von B. Buchholz, S. Hien und U. Baumann.

Die HCMV-Infektion stellt die häufigste kongenitale Infektion in unseren Breitengarden dar. Eine Zusammenfassung der Risiken einer fetalen HCMV-Infektion und mögliche Präventionsmaßnahmen werden von R. Goelz und K. Hamprecht beschrieben. Erstmals scheint eine Interventionsoption mit HCMV-Hyperimmunglobulinen nach HCMV-Primärinfektion möglich, wodurch die Bürde dieser Erkrankung in Zukunft hoffentlich weiter reduziert werden kann.

Die verbesserte Ultraschalltechnik und die systematische Ausbildung der Untersucher führen dazu, dass immer mehr Erkrankungen und Fehlbildung des Fetus erkannt werden. Die transplazentare Therapie fetaler Tachyarrhythmien und die intrauterine Erythrozytentransfusion bei fetaler Anämie werden bereits seit Jahren erfolgreich eingesetzt. Die minimalinvasiven Techniken zur Behandlung verschiedener fetaler Krankheitsbilder sind hoch spezialisierten Teams vorbehalten. Sie verfolgen das Ziel, die Mortalität und Langzeitmorbidität der Betroffenen zu reduzieren. Ein erfahrenes multidisziplinäres Team muss die Risiken und Chancen solcher oft schwieriger und riskanter Eingriffe immer sehr sorgfältig abwägen. Einen umfassenden Einblick in diese Thematik haben U. Gembruch et al. für Sie vorbereitet.

Wir hoffen, dass Ihnen die Beiträge in diesem Leitthemenheft zur perinatalen Medizin neue Einblicke in die Risiken und Chancen dieser sensiblen Lebensphase geben, die Sie bei der Betreuung der betroffen Patienten unterstützen.

Gesine Hansen