Mutuo ista fiunt, et homines dum docent discunt.

[Fortschritte zu machen] ist ein zweiseitiger Prozess, beim Lehren lernen die Menschen. [6]

Die Notwendigkeit, sich mit innovativen Methoden der akademischen Lehre auseinanderzusetzen, ist überall in Deutschland spürbar. An vielen Standorten sind die Vorgaben der neuen Approbationsordnung für Ärzte von 2002 [2] nun formell umgesetzt. Die darin geforderte – und in den neuen Curricula gewollte – praxisnähere Gestaltung des Unterrichts, sowie die Aufwertung der Vermittlung von Fertigkeiten und Haltungen stellen sich jedoch bei der konkreten Planung und Durchführung problematischer dar als gedacht. An den meisten Universitäten reift daher die Erkenntnis, dass eine Professionalisierung der pädiatrischen Lehre notwendig ist.

Hochwertige Forschungsergebnisse zur Ausbildung in der Kinderheilkunde sind bislang selten

Primäres Ziel der medizinischen Ausbildung ist der handwerklich gute, zur Weiterbildung befähigte Mediziner, der darüber hinaus in der Lage ist, wissenschaftlich zu arbeiten. Mit diesem Heft wollen die Herausgeber über wichtige neue Entwicklungen zur pädiatrischen Lehre in Deutschland informieren und interessierten Lehrenden sowie Curriculumsplanern und Entscheidungsträgern einige Anregungen zu Lehrplanung und -gestaltung geben. Hierbei möchten wir unterstreichen, dass es auch für die Lehre gute, wissenschaftlich fundierte Evidenz dazu gibt, wie bestimmte Methoden mit Erfolg einzusetzen sind. Hochwertige Forschungsergebnisse zur Ausbildung im Fach Kinderheilkunde sind bisher jedoch selten. Viele Neuerungen sind Übertragungen aus anderen Bereichen der medizinischen Ausbildung. Die beschriebene Praxis belegt ihren Nutzen im Sinne externer Evidenz.

Im ersten Beitrag stellen 4 Standorte exemplarisch ihre derzeitigen Curricula für den Pädiatrieunterricht vor. In den Beiträgen von Schatz et al. aus München und von Bosse et al. aus Heidelberg werden die dortigen modularen Reformcurricula mit vielen Innovationen in Lehre und Prüfungen dargestellt: in München ein Konzept, das traditionelle Lehrformen mit problemorientierten Lehransätzen verbindet, im Heidelberger Curriculum ein Kern- und ein Wahlpflichtcurriculum. Krüger et al. aus Freiburg stellen dar, wie innerhalb eines „traditionellen“ Curriculums viele innovative Ansätze verwirklicht werden konnten. Schließlich beschreiben Gaedicke et al., wie in Berlin die Erfahrungen aus einem Reformstudiengang und einem Regelstudiengang in einem neuen Modellstudiengang vereint werden sollen und welche Implikationen sie für weitere Reformen im Kontext des Bologna-Prozesses ableiten.

Die neue Approbationsordnung legt gesetzlich fest, dass im Rahmen des klinischen Medizinstudiums gegenstandsbezogene Studiengruppen eigenständig, problemorientiert und an Fallbeispielen arbeiten müssen. Die Lehrform des problemorientierten Lernens (POL) wird hierfür an vielen Standorten seit langem und mit guter Akzeptanz und Erfolg bei den Studenten eingesetzt. Skelin et al. geben in ihrem Artikel einen Überblick zur Methode und hilfreiche Anregungen zur Umsetzung. Schnabel und Müller stellen in ihrem Beitrag ein Spektrum effektiver Möglichkeiten vor, wie im Sinne einer besseren Vorbereitung auf die ärztliche Tätigkeit in der Pädiatrie praktische Fertigkeiten vermittelt werden können. Im „elektronischen Zeitalter“ kommt E-Learning eine zentrale Bedeutung zu. Dabei sind uns Lehrenden die Studierenden technisch meist weit überlegen. Huwendiek et al. beschreiben unterschiedliche Formen des E-Learnings, wie es klassischen Unterricht sinnvoll ergänzt und bereichert („blended learning“), und sie zeigen auf, wie diese Elemente konkret in unsere Lehrpläne integriert werden können.

Durch den Wegfall der Zeit als Arzt im Praktikum beginnt unmittelbar nach dem Studium die eigenverantwortliche ärztliche Tätigkeit. Forster beschreibt die notwendigen Bedingungen für eine erfolgreiche Gestaltung des berufsvorbereitenden und häufig prägenden Praktischen Jahres.

Aussagekräftige Prüfungen passend zu den neuen Lehrmethoden gehören zu den größten Herausforderungen für die Lehre

Lernziele, Unterricht, Lernen sowie Prüfungen müssen als eine Einheit angesehen und fein aufeinander abgestimmt werden („constructive alignment“ [1]). Wir wissen sehr gut, dass Prüfungen die Motivation und den Lernaufwand der Studierenden in den vorausgehenden Studiumsabschnitten in erheblichem Maß steuern. Das gilt umso mehr, seit 2002 neben den Noten der Staatsexamina die Noten aus den Leistungsnachweisen zu allen Fächern in den Abschlusszeugnissen der Studierenden dokumentiert werden. Die Durchführung aussagekräftiger und damit gerechter Prüfungen, die an die neuen Lehrmethoden angepasst sind, stellt daher eine der größten Herausforderungen für diejenigen dar, die heute die Lehre im Fach Pädiatrie gestalten. Bosse et al. stellen traditionelle und innovative Prüfungsmethoden einander gegenüber und beschreiben, inwiefern diese Ansätze dazu geeignet sind, den Lernerfolg unserer Studierenden bei der Anwendung neuer Unterrichtsmethoden zu überprüfen.

Der Bologna-Prozess wird in Deutschland kontrovers und meist reduziert auf den Aspekt der Bachelor- und Master-Abschlüsse beurteilt [4, 5]. Inhaltlich müssen wir uns im Bereich der Lehre und der Prüfungen dem europäischen Vergleich stellen [3]. Bisher sind wir diesem qualitativ meist (noch) nicht gewachsen. Es fehlt besonders an operationalisierten Lernzielen, passenden Lehrmethoden und kongruenten Formaten der Leistungsnachweise. Eine Anerkennung von Publikationen zur Lehrforschung im Rahmen des Habilitationsverfahrens wäre ein nahe liegender und wichtiger Schritt zur Förderung hochqualitativer, peer-reviewter Lehrforschung, die dabei helfen könnte, die bisherigen Defizite zu beheben.

Vielerorts haben die gesetzlichen Vorgaben zu einem neuen Stellenwert der universitären Lehre geführt

Die Herausgeber haben die Erfahrung gemacht, dass die neuen gesetzlichen Vorgaben an vielen Standorten Deutschlands bereits zu einer grundlegenden Reformierung und gleichzeitig – auch in der Pädiatrie – zu einem neuen Stellenwert des universitären Unterrichts geführt haben. Hierbei handelt es sich nicht um einen abgeschlossenen Vorgang, sondern um einen Prozess, der sich stetig weiter entwickelt. Wir verstehen dieses Heft und das elektronisch abgelegte Anschauungsmaterial als Einladung dazu, gemeinsam und im Austausch miteinander die pädiatrische Ausbildung in Deutschland weiter zu gestalten. Diese kann in das Curriculum vor Ort integriert werden und Vorbildcharakter für die Unterrichtsplanung in anderen Fächern haben. Ansätze, die Bewährtes erhalten und Innovatives erfolgreich einführen, sind nach den bisherigen Erfahrungen am besten dazu geeignet, nicht nur für den Studierenden eine fundierte Ausbildung zu gewährleisten, sondern auch bei den Lehrenden für ein hohes Maß an Zufriedenheit und Freude an der akademischen Lehre zu sorgen.

Dr. H.M. Bosse

Prof. Dr. J. Forster

Prof. Dr. A.C. Muntau