Prof. Dr. med. Tobias Welte (Abb. 1) ist am 10. März 2024 nach kurzer Krankheit im Alter von nur 64 Jahren verstorben. Er war voller Tatendrang und hatte noch große Pläne. Man kann wohl behaupten, dass er jemand war, der seine Zeit genutzt hat.

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Prof. Dr. med. Tobias Welte 07.07.1959–10.03.2024 (© MHH/Tom Figiel)

Nach dem Studium der Humanmedizin begann er seinen beruflichen Weg zunächst am Krankenhaus Lehrte und wechselte dann an die MHH. Dort erwarb er die Qualifikationen für Innere Medizin, Pneumologie, Intensivmedizin und Infektiologie. Habilitation im Jahr 2000. 2004 Ruf auf eine W3-Stelle in Verbindung mit der Leitung der Klinik für Pneumologie und Infektiologie der MHH.

Seither hat sich diese Klinik zu einer der führenden akademischen Einrichtungen in Europa entwickelt mit einer herausragenden klinischen und wissenschaftlichen Expertise in jedem Teilgebiet der Pneumologie, der internistischen Intensivmedizin und der klinischen Infektiologie. Prof. Welte wurden eine Vielzahl von Ehrungen zuteil. Davon genannt seien die Funktion als Mitglied des Direktoriums des Deutschen Zentrums für Lungenforschung (DZL) und die Leitung des Standorts Hannover (BREATH), Ernennungen zum Präsidenten der Deutschen Sepsis-Gesellschaft, der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP), der European Respiratory Society (ERS) und des Forum of International Respiratory Societies (FIRS), die Funktion als Chairman des Board of Trustees der Deutschen Sepsis- und der Deutschen Lungenstiftung. 2019 wurde er mit dem hochrenommierten Balzan-Preis für Medizin, 2023 mit dem Sadoul Award der ERS ausgezeichnet. Mitgliedschaft in der Leopoldina, mehr als 1100 Publikationen und mehr als 100 Mio. € eingeworbene Drittmittel.

Prof. Welte hat sich aber nicht primär und nur als Vertreter von Spezialdisziplinen verstanden. Vielmehr sah er sich als Internist mit speziellen Kenntnissen. Vor diesem Hintergrund hat er sich auch in der DGIM intensiv engagiert. Er war Mitglied der Kommission Transition, der Ständigen Programmkommission der Jahrestagung der DGIM, der Task Force Infektiologie und Vorsitzender der Task Force Internistische Intensiv- und Notfallmedizin.

Prof. Welte hat national und international in vielen Zeitschriften und Büchern bei Springer Nature und Springer Medizin aktiv mitgewirkt. Er hatte einen publikatorischen Gestaltungswillen, der über den Impact in der Scientific Community hinausging. Er wollte gesichertes und fundiertes Wissen auch in die ärztliche Praxis bringen und war so in vielen deutschsprachigen Zeitschriften von Springer Medizin aktiv, z. B. Zeitschrift für Pneumologie, Pneumo News, Medizinische Klinik – Intensiv- und Notfallmedizin und nicht zuletzt Die Innere Medizin.

Aber mit all diesen Attributen und Fakten wird man der Person Tobias Welte nur zum Teil gerecht. Er war viel mehr. Gestatten Sie dem Verfasser dieser Zeilen, im Folgenden etwas aus der Perspektive eines langjährigen Wegbegleiters und engen Freunds zu schreiben: Er hat Entscheidungen getroffen, die von manchen belächelt wurden, die aber wesentlich zur Entwicklung seiner Person beigetragen haben. So hat er vor der Übernahme der Position an der MHH eine Stelle als Leiter der Pneumologie an der Universitätsklinik Magdeburg bekleidet, was zum damaligen Zeitpunkt eine große Aufgabe war. Er wurde unterschätzt. Für die W3-Stelle an der MHH war er nicht die erste Wahl. Das Weitere siehe oben. Er war ein begnadeter Netzwerker, der praktisch jede/jeden kannte, die/der in der akademischen Medizin eine Rolle spielte; er hat sich politisch eingebracht, insbesondere während der Coronaepidemie, und hat dort auch Positionen vertreten, die nicht nur positive Reaktionen ausgelöst haben. Er war ein großartiger Vortragsredner, der praktisch immer beste Bewertungen erhielt und als Folge davon eine treue „Fangemeinde“ generierte. Er hat sich als Förderer von Talenten verstanden. Während seiner Zeit an der MHH haben sich eine ganze Reihe von Mitarbeiter*innen in ihren jeweiligen Gebieten zu national und international anerkannten Experten entwickelt. Er war unkonventionell. So hielt er Krawatten schon in Zeiten, als diese unter Professoren nahezu noch Pflicht waren, für Instrumente zur Selbststrangulation. Er war zu Multitasking befähigt. Er konnte scheinbar sehr vertieft an einem Vortrag oder einer Publikation arbeiten und plötzlich eine sehr kluge Frage zu einem laufenden Vortrag stellen. Er war vielseitig interessiert – nicht nur an Medizin und Wissenschaft. Er kannte praktisch jedes relevante Sportresultat und konnte erschöpfend darüber Auskunft geben, warum es so gekommen war. Auch war er ein großer Filmfan; er hatte Humor. Klassisches Zitat aus einem seiner Vorträge, bei dem es um eine Studie mit COPD-Patienten ging, die mit einem bestimmten Medikament, das als Nebenwirkung Übelkeit verursachen kann, weniger Exazerbationen hatten: „… den Patienten war von dem Medikament so schlecht, dass sie die Exazerbationen nicht mehr wahrgenommen haben …“. Er war – und das über allem – ein liebenswürdiger und liebenswerter Mensch … Du fehlst!

Unser Mitgefühl gilt der Familie, insbesondere seiner Ehefrau Brigitte und den Kindern.