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Chronische Leberentzündungen können zur Leberzirrhose, zum Leberzellkarzinom, zum Tod oder zu einer Lebertransplantation führen. Todesfälle durch die chronischen Virushepatitiden B, C oder D nehmen weltweit zu, vor allem im Vergleich zu anderen Infektionskrankheiten von globaler Bedeutung wie Tuberkulose, Malaria und Human-immunodeficiency-virus(HIV)-Infektion. Leberzellkarzinome als Folge chronischer Leberentzündungen gehören zu den häufigsten tumorbedingten Todesursachen weltweit. Dies ist umso bedauerlicher, als es inzwischen verschiedene Möglichkeiten der Prophylaxe und Therapie gibt, um dieses lebensbedrohliche Endstadium zu verhindern. Neben den chronischen Virushepatitiden stehen im Zentrum dieser Ausgabe der Zeitschrift Die Innere Medizin nichtvirale Infektionen der Leber, autoimmune Lebererkrankungen, aber auch arzneimittelinduzierte Lebererkrankungen, die immer differenzialdiagnostisch bedacht werden müssen.

Die chronische Hepatitis B gehört weltweit zu den häufigsten Ursachen des Leberzellkarzinoms, obwohl es bereits seit 1980 eine Impfung gegen das Hepatitis-B-Virus (HBV) gibt. Seit Jahren stehen auch wirksame Therapien bei chronischer Hepatitis B zur Verfügung, vor allem orale Nukleosid- bzw. Nukleotidanaloga, speziell Entecavir, Tenofovir und bei Niereninsuffizienz Tenofoviralafenamid. Deren Einsatz hängt von der im Blut gemessenen Viruskonzentration und der entzündlichen Aktivität der Lebererkrankung ab. Sie supprimieren effektiv die Virusreplikation in der Leber, müssen aber in der Regel langfristig eingenommen werden. Ziel ist es daher, das im Serum nachgewiesene Hüllprotein des HBV, das Hepatitis-B-Oberflächenantigen (HBsAg), zu eliminieren, was einer funktionellen Heilung gleichkommt. Dann kann die Therapie beendet werden. Häufig und folgenschwer ist die Übertragung des HBV von der Mutter auf das Kind, da wegen des noch nicht ausgebildeten Immunsystems bei Neugeborenen nahezu immer eine chronische Infektion die Folge ist. Aus diesem Grund müssen alle Schwangeren auf Serum-HBsAg getestet werden, um durch Behandlung der Mütter im letzten Trimenon und eine Impfung der Neugeborenen eine Übertragung des Virus verhindern zu können. Eine besondere Herausforderung stellt die chronische Hepatitis D dar – die schwerste Form der Virushepatitis. Erreger ist das Hepatitis-D-Virus, ein RNA-Virus, das nach Koinfektion oder Superinfektion einer Hepatitis B deren Verlauf aggraviert. Es handelt sich immer um eine Hepatitis-B/D-Koinfektion. Seit kurzer Zeit steht neben pegyliertem Interferon mit Bulevirtid ein weiteres Medikament zur Verfügung, welches das Fortschreiten einer chronischen Hepatitis D verhindern kann. Dieses Medikament verhindert die Aufnahme des Virus in die Leberzelle. Eine Heilung der Hepatitis D ist bisher nicht möglich, wenngleich sich mehrere innovative Therapieansätze in verschiedenen Stadien der Entwicklung befinden.

Todesfälle durch die chronischen Virushepatitiden B, C oder D nehmen weltweit zu

Die Entdeckung des Hepatitis-C-Virus (HCV) im Jahr 1989 sowie die Entwicklungen in der Diagnostik und Therapie hin zur nahezu 100 %igen Heilung einer chronischen Hepatitis C durch antivirale Medikamente sind eine einzigartige Erfolgsgeschichte. Die chronische Hepatitis C wurde somit zur ersten heilbaren chronischen Virusinfektion des Menschen. Jetzt gilt es, die Möglichkeiten der Therapie zu nutzen. Deshalb hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Ziele zur weltweiten Elimination dieser Virusinfektion bis zum Jahr 2030 definiert: 90 % diagnostizieren, 80 % behandeln und somit die Mortalität durch Hepatitis C um 50 % reduzieren!

Die chronische Hepatitis C wurde zur ersten heilbaren chronischen Virusinfektion des Menschen

Nichtvirale Infektionen der Leber sind dagegen selten. Sie befallen die Leber entweder bei Menschen mit defektem Immunsystem oder werden im Rahmen von Tropenaufenthalten erworben. Besondere Probleme weltweit entstehen durch die zystische oder alveoläre Echinokokkose. Die Leber ist dabei das am häufigsten betroffene Organ. Vor allem in tropischen Ländern sind auch Leberabszesse durch Amöben weit verbreitet und bedürfen einer frühzeitigen Diagnostik und Therapie.

Autoimmune Lebererkrankungen sind im Verhältnis zu den Virushepatitiden B, C und D selten. Aber auch hier gibt es verschiedene Behandlungsmöglichkeiten, die bei rechtzeitigem Einsatz eine terminale Lebererkrankung verhindern können. Zu den autoimmunen Lebererkrankungen gehören die Autoimmunhepatitis (AIH), die primär biliäre Cholangitis (PBC) und die primär sklerosierende Cholangitis (PSC).

Die AIH, bei der es zu einem Toleranzverlust gegenüber der eigenen Leber kommt, ist durch Immunsuppression mit Kortikosteroiden allein oder in Kombination mit Azathioprin gut behandelbar. Die AIH war die erste Lebererkrankung, bei der nachgewiesen werden konnte, dass eine medikamentöse Therapie das Leben verlängert. Wichtig ist, dass das Therapieziel – eine komplette Normalisierung der Transaminasen und auch der Immunglobuline – erreicht wird, sonst schreitet die Lebererkrankung fort. Wird dieses Therapieziel nicht erreicht, müssen alternative Therapien eingesetzt werden, die sogenannten Zweit- oder Drittlinientherapien. Aktuell kommen verschiedene Biologika zum Einsatz, die gezielt in das Immunsystem eingreifen, beispielsweise Antikörper gegen B‑Lymphozyten wie Rituximab oder Antikörper gegen den Tumornekrosefaktor wie Infliximab. Da bisher keine der Zweit- oder Drittlinientherapien zugelassen ist, sollte ihr Einsatz möglichst im Rahmen klinischer Studien erfolgen.

Bei der PBC richtet sich die Autoimmunerkrankung gegen die kleinen intrahepatischen Gallenwege. Die Erkrankung kann durch den Nachweis der antimitochondrialen Antikörper (AMA) im Serum, vor allem gerichtet gegen die E2-Untereinheit der Pyruvat-Dehydrogenase (E2-PDH), verbunden mit einer histologischen Untersuchung der Leber diagnostiziert werden. Seit vielen Jahren stellt der Einsatz der Ursodesoxycholsäure (UDCA) die Standardtherapie dar. Es ist nachgewiesen, dass durch deren Einsatz Lebertransplantationen verhindert werden können. Auch hier gibt es klare Therapieziele, in deren Zentrum ein signifikanter Abfall der im Serum gemessenen alkalischen Phosphatase steht. Es gibt verschiedene Response-Kriterien, vor allem aber gilt eine Normalisierung der alkalischen Phosphatase nach einem Jahr Therapie als optimal. Lässt sich dieses Ziel nicht erreichen, wird eine Zweitlinientherapie eingesetzt. Hierfür steht zurzeit die Obeticholsäure oder Bezafibrat zur Verfügung. In Zukunft wird es darauf ankommen, früher als nach einem Jahr Therapie zwischen Respondern und Nonrespondern zu unterscheiden, möglichst bereits vor Therapiebeginn durch Hinzuziehen von noch zu definierenden Biomarkern.

Die PSC stellt vielleicht die größte Herausforderung dar. Sie wird auch als „Blackbox der Hepatologie“ bezeichnet. Die Ätiologie ist unbekannt, die Pathogenese kaum verstanden; unklar ist auch, warum bei dieser Erkrankung eine Neigung zu Malignomen besteht, vor allem an Gallenwegen, Kolon und Pankreas. Die Diagnose der PSC wird inzwischen weniger durch endoskopische Verfahren als durch Bildgebung gestellt – vor allem durch die Magnetresonanzcholangiopankreatikographie. Eine große Herausforderung ist die frühzeitige Diagnose des cholangiozellulären Karzinoms (CCC), besser noch die Diagnose höhergradiger Dysplasien verbunden mit relevanten Gallengangsstenosen. Ein CCC tritt vor allem im ersten Jahr nach Diagnose einer PSC auf, oft ist bei Diagnosestellung eine Transplantation nicht mehr möglich, die ansonsten bei der PSC lebensverlängernd wirkt und immer bessere Ergebnisse erzielt. Häufig weist eine Sarkopenie auf die Notwendigkeit zur Listung für eine Transplantation hin. Bisher gibt es keine zugelassene medikamentöse Therapie für die PSC, aber mehrere Therapieansätze sind in verschiedenen Phasen der klinischen Entwicklung. In diesem Jahr werden beispielsweise noch die Ergebnisse einer Phase-III-Studie zur Nor-Ursodesoxycholsäure (NCA) erwartet.

Transplantationen bei chronischer Hepatitis B oder C sind deutlich zurückgegangen

Die Lebertransplantation hat sich bereits in den letzten Jahren bei akuten und chronischen Lebererkrankungen zu einem lebensrettenden Routineverfahren entwickelt. Die Ergebnisse konnten bei Leberzirrhosen mit und ohne Leberzellkarzinom als Folge chronischer Leberentzündungen viraler oder autoimmuner Genese deutlich verbessert werden. Eigentlich sollte es bei den gegebenen Möglichkeiten das Ziel internistischer Therapien sein, eine Transplantation zu verhindern. Die Möglichkeiten zur Heilung der chronischen Hepatitis C haben in den letzten Jahren bereits zu einem drastischen Rückgang dieser Indikation für eine Lebertransplantation geführt. Auch Transplantationen als Folge einer chronischen Hepatitis B sind deutlich zurückgegangen. Wichtig ist, dass die erneute Infektion einer transplantierten Leber verhindert wird – vor allem bei Hepatitis-B/D-Koinfektion. Bei den autoimmunen Lebererkrankungen sind die Transplantationsergebnisse inzwischen sehr gut. Problem ist, dass diese Erkrankungen, vor allem AIH und PSC, aber auch die PBC, im transplantierten Organ wiederkehren können. Bei der PSC ist entscheidend, dass eine Indikation zur Transplantation rechtzeitig gestellt wird, bevor ein CCC auftritt. In einem solchen Fall ist eine Transplantation nur im Frühstadium und dann nur im Rahmen klinischer Studien indiziert und möglich. Die Indikation für eine Lebertransplantation bei der PBC ist dagegen nur noch selten erforderlich, wahrscheinlich bedingt durch den breiten Einsatz der UDCA.

Differenzialdiagnostisch muss bei Lebererkrankungen unklarer Ätiologie immer an einen Arzneimittelschaden gedacht werden. Die häufigste Ursache für das Scheitern einer Medikamentenentwicklung oder den Rückzug eines zugelassenen Arzneimittels vom Markt ist eine Lebertoxizität. Es gibt arzneimittelbedingte Leberschäden, die sich direkt, vorhersehbar und dosisabhängig entwickeln, etwa bei Paracetamol. Davon abzugrenzen sind sogenannte idiosynkratische Leberschäden, die allergischer Genese, dosisunabhängig und nicht vorhersehbar sind. Der breite Einsatz der Checkpointinhibitoren (CPI) in der Onkologie hat zu einem Krankheitsbild geführt, das der idiopathischen AIH ähnelt. Diese Arzneimittelschädigung wird als „drug-induced autoimmune-like hepatitis“ (DI-ALH) bezeichnet. Die DI-ALH ist schwer von einer idiopathischen AIH zu unterscheiden, weder klinisch noch labormedizinisch oder histologisch. Es fehlen häufig Autoantikörper oder sie sind niedrigtitrig nachweisbar. Beide Krankheitsbilder, die idiopathische AIH und die DI-ALH, werden mit Kortikosteroiden behandelt. Bei der DI-ALH können die Kortikosteroide im Gegensatz zur idiopathischen AIH in der Regel nach einiger Zeit abgesetzt werden, ohne dass ein Rezidiv auftritt.

In diesem Schwerpunkt von Die Innere Medizin versuchen die Autoren und Herausgeber zu zeigen, welche Möglichkeiten es inzwischen gibt, Lebererkrankungen zu verhindern, im Frühstadium zu erkennen, zu heilen oder zumindest die Progression aufzuhalten. Die European Association for the Study of the Liver (EASL) Lancet Commission on Liver Diseases in Europe (Lancet 2022; 399:61–116) hat darauf hingewiesen, dass es einen gesundheitspolitischen Strategiewechsel hin zur Prophylaxe, Früherkennung und Frühtherapie geben muss. Nur so kann die Mortalität durch Leberentzündungen und deren Folgen entscheidend reduziert werden. Die Autoren und Herausgeber dieser Ausgabe von Die Innere Medizin wünschen den Leserinnen und Lesern viel Freude beim Studium der verschiedenen neuen Möglichkeiten, Lebererkrankungen frühzeitig zu erkennen und erfolgreich zu behandeln. So sollte es möglich werden, immer häufiger Endstadien chronischer Leberentzündungen und somit auch Indikationen für eine Lebertransplantation zu verhindern und gleichzeitig einen Beitrag zur Linderung des Organmangels in der Transplantationsmedizin zu leisten.