Anamnese

Im November 2020 erfolgte die erstmalige Vorstellung einer 50-jährigen Patientin. Vorbekannt war ein effektiv therapierter Morbus Basedow und eine rezidivierende AV-Knoten-Reentry-Tachykardie (AVNRT) mit klinisch erfolgreicher Ablation. Die Patientin gab an, nie geraucht zu haben.

Befund

Seit 8 Wochen bestanden rasch progrediente Hautveränderungen im Sinne eines Erythems im Bereich des Dekolletés mit Juckreiz, rötlich-lividen Hautveränderungen im Bereich der Streck-/und Beugeseiten mehrerer Finger sowie papulösen Veränderungen der Handinnenflächen (Abb. 12 und 3). Klinisch zeigten sich orale Aphthen, Arthralgien der Handgelenke beidseits, rezidivierendes Fieber bis 39 °C und ein ungewollter Gewichtsverlust von 5 kg in 6 Wochen sowie eine neu aufgetretene Belastungsdyspnoe.

Abb. 1
figure 1

Hautveränderungen des Dekolletés (V-Zeichen), zervikal (Schal-Zeichen) und der Oberlider/periorbital (heliotropes Exanthem)

Abb. 2
figure 2

Hautveränderungen der Beugeseiten mehrerer Finger vor der Therapie mit MMF

Abb. 3
figure 3

Ulzera der Streckseiten mehrerer Finger vor der Therapie mit MMF

Diagnose

Laborchemisch bestanden keine relevant erhöhten Entzündungszeichen und normale Werte der Kreatinkinasen (CK). Es erfolgte eine umfangreiche Diagnostik ohne Hinweis auf eine infektiöse oder maligne Genese der Symptomatik. Initial zeigten sich in der Computertomographie (CT) des Thorax beginnende subpleural, peribronchial und basal betonte Konsolidierungen (Abb. 4). Lungenfunktionell zeigten sich eine restriktive Ventilationsstörung und eine Diffusionsstörung (Tab. 1). In der erweiterten Labordiagnostik ergaben sich der Nachweis von antinukleären Antikörpern (ANA) mit einem Titer von 1:100, positive Anti-Ro-52-Antikörper sowie gegen das Melanom-Differenzierungsantigen 5 gerichtete Antikörper (Anti-MDA5-Antikörper). Hinweise auf ein Sjögren-Syndrom wie eine Sicca-Symptomatik oder ein positiver Schirmer-Test bestanden zu diesem Zeitpunkt nicht. Wir stellten die Diagnose einer amyopathischen MDA5-positiven Dermatomyositis.

Abb. 4
figure 4

CT-Thorax mit geringen subpleural, peribronchial und basal betonten Konsolidierungen bei Symptombeginn

Tab. 1 Verlauf der Lungenfunktionsparameter

Therapie und Verlauf

Es erfolgte eine Therapie mit Prednisolon (1 mg/kgKG) und Azathioprin (150 mg/Tag) über 4 Monate. Unter der Predisolon-Reduktion bis 20 mg/Tag zeigten sich rezidivierende Gottron-Papeln, ein erneutes heliotropes Exanthem sowie eine beginnende Muskelschwäche der proximalen Extremitäten. Bei klinisch deutlich progredienter Belastungsdyspnoe und auskultatorischem Knisterrasseln zeigten sich im CT-Thorax ebenfalls progrediente Konsolidierungen, sodass eine Therapie mit Cyclophosphamid (dreimalige Gabe von 1000 mg) erfolgte (Abb. 5). Die geplante Gabe von 6 Infusionen à 1000 mg Cyclophosphamid wurde aufgrund der rasch progredienten Verschlechterung der respiratorischen und kutanen Manifestationen somit zugunsten eines Wechsels der Therapiestrategie unterbrochen. Bei einem Therapieversagen von Cyclophosphamid und weiter progredienter Lungenbeteiligung in der CT nach 4 Monaten erfolgte eine zweimalige Gabe von 1000 mg Rituximab (im Abstand von 2 Wochen). Nach einem weiteren Intervall von 4 Monaten war keine Prednisolon-Reduktion unter eine Tagesdosis von 30 mg möglich. Es erfolgte bei weiter progredienter Belastungsdyspnoe eine Umstellung der Basistherapie auf Mycophenolat-Mofetil (MMF), 2 g/Tag.

Abb. 5
figure 5

CT-Thorax mit progredienten Konsolidierungen 8 Monate nach Symptombeginn und vor der Therapie mit Mycophenolat-Mofetil (MMF)

Erstmalig war es nach 3 Monaten unter der Therapie mit MMF zu einer klinischen Besserung gekommen. Sowohl die Hautveränderungen als auch die Arthralgien/Myalgien und die Belastungsdyspnoe zeigten sich deutlich gebessert (Abb. 6 und 7). Zu Fieberschüben ist es nicht mehr gekommen. Nach 5 Monaten war eine Dosisreduktion der Prednisolon-Therapie auf 7,5 mg/Tag möglich.

Abb. 6
figure 6

Regrediente Hautveränderungen der Beugeseiten nach Therapie mit Mycophenolat-Mofetil (MMF)

Abb. 7
figure 7

Regrediente Hautveränderungen der Streckseiten nach Therapie mit Mycophenolat-Mofetil (MMF)

In der Computertomographie (CT) des Thorax zeigte sich nach 8 Monaten Therapie mit MMF eine Größenregredienz der subpleural, peribronchial und basal betonten Konsolidierungen (Abb. 8). Lungenfunktionell zeigte sich im Verlauf von 6 Monaten eine Besserung der restriktiven Ventilationsstörung sowie der Diffusionsstörung (Tab. 1). Somit konnte ein positiver Verlauf unter MMF bei therapierefraktärer MDA5-assoziierter Dermatomyositis mit rasch progredienter Lungenbeteiligung gezeigt werden (Abb. 9).

Abb. 8
figure 8

CT-Thorax mit regredienten Konsolidierungen unter 8‑monatiger Therapie mit Mycophenolat-Mofetil (MMF)

Abb. 9
figure 9

Zeitlicher Verlauf der Diagnostik (CT-Thorax und Lungenfunktion) und Therapie (FVCex forcierte exspiratorische Vitalkapazität)

Diskussion

Die interstitiellen Lungenveränderungen bei amyopathischer MDA5-Antikörper-positiver Dermatomyositis bestimmen maßgeblich die Morbidität und die Mortalität dieser Patientengruppe [1]. Aufgrund der Seltenheit der Erkrankung ist die Evidenz zur Etablierung von Handlungsempfehlungen begrenzt. Die in der Literatur beschriebene 6‑Monats-Überlebensrate liegt bei 40 % [2]. Aufgrund der hohen Mortalität wird häufig auch eine aggressive Kombination von immunmodulierenden Therapien eingesetzt [1]. Die Therapie mit MMF in Kombination mit Prednisolon tritt somit bei den Therapieoptionen häufig in den Hintergrund. Einige Fallberichte beschreiben eine Verbesserung der interstitiellen Lungenveränderungen unter der Therapie mit Rituximab nach Versagen anderer immunsuppressiver Therapien wie Cyclophosphamid [3, 4]. Dieser Verlauf ließ sich in unserem Fall nicht bestätigen. Der positive Effekt der Therapie mit MMF konnte allerdings in anderen Fallberichten auch in der Erstlinientherapie bestätigt werden [5].

In der Literatur konnte ein positiver Nutzen eines kombinierten Therapieschemas aus hoch dosierten systemischen Glukokortikoiden und anderen Immunsuppressiva wie Calcineurin-Inhibitoren und/oder Cyclophosphamid gezeigt werden [6]. In dem von uns berichteten Fall wurde zum Zeitpunkt der Therapie mit Cyclophosphamid von einer Ergänzung der Therapie um einen Calcineurin-Inhibitor aufgrund der möglichen unerwünschten Nebenwirkung einer zeitgleichen Medikation und der bestehenden Therapiealternativen vorerst abgesehen.

In unserem Fall erfolgte eine sequenzielle Therapie. Dennoch wäre auch ein verzögertes Therapieansprechen auf Rituximab und somit eventuell auch eine synergistische Wirkung von Rituximab und MMF möglich. [7].

Auch wenn die Literatur weitere vielversprechende Therapieoption mit neuen Substanzen wie JAK-Inhibitoren (z. B. Tofacitinib) bietet [8], sollte MMF in die Entscheidung des individualisierten Therapieregimes von Patienten mit MDA5-positiver Dermatomyositis mit Lungenbeteiligung eingeschlossen werden.

Fazit für die Praxis

Mycophenolat-Mofetil stellt eine relevante Therapiealternative bei therapierefraktärer amyopathischer MDA5-positiver Dermatomyositis mit Lungenbeteiligung dar.