Zusammenfassung
Die Lungenembolie ist eine häufige kardiovaskuläre Erkrankung mit Abnahme der Mortalität, aber Zunahme der Inzidenz in den letzten Jahren. Dank der Optimierung klinischer Wahrscheinlichkeitsscores und der Interpretation des D‑Dimer-Tests können unnötige computertomographische Untersuchungen im Hinblick auf den Ausschluss einer akuten Lungenembolie vermieden werden – auch bei Schwangeren. Die Einschätzung des rechten Ventrikels trägt zu einer risikoadaptierten Behandlung bei. Die Behandlung besteht in einer Antikoagulation, allein oder in Kombination mit einer Reperfusionsbehandlung wie der systemischen Thrombolyse, aber auch der kathetergestützten oder operativen Therapie. Neben der Akuttherapie der Lungenembolie ist eine adäquate Nachsorge insbesondere zur Früherkennung von Langzeitfolgen wichtig. In diesem Übersichtsbeitrag werden aktuelle Empfehlungen internationaler Leitlinien für Patienten mit Lungenembolie zusammengefasst, durch klinische Fallbeispiele begleitet und kritisch diskutiert.
Abstract
Pulmonary embolism is a frequent cardiovascular disease which in recent years has shown a reduction in the mortality but an increase in the incidence. Due to the optimization of clinical probability scores and the interpretation of the D‑dimer test, unnecessary examinations using computed tomography with respect to the exclusion of an acute pulmonary embolism can be avoided, also in pregnant women. The evaluation of the right ventricle contributes to a risk-adapted treatment. Treatment consists of anticoagulation, alone or in combination with reperfusion treatment, such as systemic thrombolysis and also catheter-assisted or surgical treatment. In addition to acute treatment of pulmonary embolisms, an adequate aftercare is important, particularly for the early detection of long-term sequelae. This review article summarizes the current recommendations of international guidelines for patients with pulmonary embolism, accompanied by clinical case examples and a critical discussion.
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Lernziele
Nach Lektüre dieses Beitrags ...
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wissen Sie um die Bedeutung der lungenemboliebedingten Rechtsherzbelastung für die klinische Symptomatik, die Prognose und das risikoadaptierte Management der akuten Lungenembolie.
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verstehen Sie die Notwendigkeit diagnostischer Algorithmen bestehend aus klinischen, laborchemischen und bildgebenden Untersuchungen.
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kennen Sie die aktuell verfügbaren Möglichkeiten für die Akutbehandlung potenziell lebensgefährlicher Lungenembolien mit hohem und intermediär-hohem Risiko.
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kennen Sie die Bedeutung eines strukturierten Nachsorgeplans für Ihre Patienten mit stattgehabter Lungenembolie, da auf diese Weise Spätfolgen der Lungenembolie rechtzeitig erkannt und behandelt werden können.
Einleitung
Die venöse Thromboembolie (VTE) umfasst die tiefe Beinvenenthrombose (TVT) und die Lungenembolie (LE). Es handelt sich um die dritthäufigste kardiovaskuläre Erkrankung hinter Myokardinfarkt und Schlaganfall. Die akute LE stellt das schwerwiegendste Krankheitsbild einer VTE dar und ist eine Hauptursache für Mortalität, Morbidität und Hospitalisierung.
Fallbeispiel
Eine 64-jährige Patientin stellt sich in der Notaufnahme mit Luftnot und einseitigen Wadenschmerzen nach längerer Autoreise am Vortag vor. Vorerkrankungen sind nicht bekannt; die Patientin nimmt keine Medikamente ein.
Vitalparameter: Herzfrequenz 110/min, Blutdruck 135/70 mm Hg, Atemfrequenz 22/min, Sauerstoffsättigung 85 % bei Raumluft.
In der Laboruntersuchung zeigen sich erhöhte D‑Dimer- und erhöhte Troponinplasmakonzentrationen. Sonst sind keine Auffälligkeiten erkennbar. In der daraufhin durchgeführten computertomographischen Pulmonalisangiographie lässt sich eine beidseitige Lungenembolie nachweisen. In der transthorakalen Echokardiographie (Abb. 1 und 2) finden sich Zeichen einer Rechtsherzbelastung. Für den Simplified Pulmonary Embolism Severity Index (sPESI; Tab. 1) ergibt sich ein Wert von 2 Punkten und ein Hestia-Kriterium (Tab. 1) ist positiv.
Die Patientin wird zur weiteren Überwachung auf die Intensivstation aufgenommen.
Epidemiologie und Symptomatik der Lungenembolie
Die akute LE gilt nach Myokardinfarkt und Schlaganfall als die dritthäufigste kardiovaskuläre Erkrankung mit einer jährlichen Inzidenzrate von 39 bis 115 neuen Fällen pro 100.000 Einwohner [1, 2]. Zwischen 2005 und 2015 wurden an die World Health Organization (WHO) Mortality Database für Deutschland durchschnittlich 8313 LE-assoziierte Todesfälle pro Jahr gemeldet [3]. Zwar ergeben Zeittrendanalysen aus Daten des Statistischen Bundesamts, dass die Sterblichkeitsrate der LE in Deutschland sinkt, für das Jahr 2015 wurde aber immer noch eine Mortalitätsrate von etwa 14 % bei hospitalisierten Patienten mit Diagnose LE festgestellt [4]. Auch wenn die Gesamtzahl der Todesfälle in Verbindung mit einer LE relativ „niedrig“ erscheint, beträgt sie weiterhin > 80 Todesfälle pro 100.000 Einwohner unter älteren Menschen > 80 Jahre. Besonders niedrig erscheint die Gesamtmortalität bei jüngeren Menschen, jedoch sind hier besonders Frauen zwischen 15 und 55 Jahren gefährdet mit etwa 13 von 1000 Todesfällen, die auf eine akute LE zurückzuführen sind [3]. Die Gesamtzunahme der LE-Inzidenz kann neben der älter werdenden Bevölkerung auch auf eine verbesserte Diagnostik mit der Möglichkeit, kleinere LE nachzuweisen, sowie auf die Zunahme an Diagnostik im Allgemeinen zurückzuführen sein.
Das Spektrum des klinischen Erscheinungsbilds der akuten LE reicht von der asymptomatischen Thromboembolie bis hin zum plötzlichen Rechtsherzversagen. Ausgesprochen heterogen ist auch die Sterblichkeit im Kurzzeitverlauf (innerklinisch bzw. in den ersten 30 Tagen), die zwischen 1 % und weit über 85 % schwankt [5]. Dementsprechend hoch ist der Stellenwert eines risikoadaptierten diagnostischen und therapeutischen Vorgehens zum Erreichen eines möglichst effektiven und sicheren Managements der akuten LE. Symptome einer akuten LE können Ausdruck
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einer rechtsventrikulären (RV) Dysfunktion,
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einer pulmonalarteriellen Perfusionsstörung mit Gasaustauschstörung sowie
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assoziierter Komplikationen wie einer Pneumonie oder Pleuritis
sein. Dem rechten Ventrikel ist es im Gegensatz zum linken Ventrikel nur bedingt möglich, über den Frank-Starling-Mechanismus eine Kontraktilitätssteigerung zu erreichen, um einen Abfall des Herzzeitvolumens zu kompensieren [6]. Durch Anstieg der Herzfrequenz kann eine Kompensation erreicht werden; eine Tachykardie ist ein prognostisch relevantes klinisches Zeichen. Dyspnoe stellt das häufigste Symptom dar und Patienten berichten sowohl von akut einsetzender Atemnot als auch von progredienten belastungsabhängigen Beschwerden. Weitere typische Symptome und klinische Zeichen der akuten LE sind
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Zeichen einer TVT:
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unilaterale Schwellung,
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Schmerzen und
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Rötung eines Beins;
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Husten;
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anginöser oder pleuritischer Thoraxschmerz sowie
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Tachypnoe (> 20 Atemzüge/min).
Ursachen und Risikofaktoren für die Entstehung einer Lungenembolie
Neben der physiologischen Hämostase beschrieb Rudolf Virchow erstmals 1856 eine Trias aus pathophysiologischen Faktoren für die Entstehung einer venösen Thrombose, die bis heute noch Gültigkeit besitzt. Demnach sind drei Faktoren entscheidend:
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Stase: Verlangsamung der Blutströmungsgeschwindigkeit
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Endothelalteration: Verletzungen oder Entzündungsprozesse der Gefäßinnenwand
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Hyperkoagulabilität: erhöhte Gerinnungsbereitschaft
Im Großteil der Fälle (70 %) embolisiert eine tiefe Bein- oder Beckenvenenthrombose in die Lungenarterien. Es bestehen verschieden starke prädisponierende Faktoren für die Entstehung einer akuten LE. Die jeweiligen Risikofaktoren werden nach ihrer Bedeutung für die Entwicklung einer VTE betrachtet. Dabei gibt das sogenannte Chancenverhältnis (Odds Ratio) den Zusammenhang zwischen dem Risikofaktor und dem Auftreten einer VTE in einer definierten Population wieder. Es erfolgt eine Einteilung in stark, moderat und schwach prädisponierende Faktoren. Zu den besonders starken Risikofaktoren zählen
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Unterschenkelfrakturen,
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schwere Traumata,
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eine Operation zum Hüft- und Kniegelenkersatz und
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der Krankenhausaufenthalt bei akutem Herzinfarkt, Herzinsuffizienz oder Vorhofflimmern.
Seit Ende 2019 ist noch ein weiterer Risikofaktor hinzugekommen: Die Coronaviruserkrankung 2019 („coronavirus disease 2019“ [COVID-19]) wird durch das „severe acute respiratory syndrome coronavirus type 2“ (SARS-CoV‑2), einen hoch ansteckenden und pathogenen Krankheitserreger, verursacht. Bereits wenige Wochen nach dem erstmaligen Auftreten von COVID-19 wurden thrombotische Ereignisse berichtet [7]. Die SARS-CoV-2-Infektion kann, in Kombination mit der lokalen und generalisierten Immunreaktion des Organismus, alle Komponenten der Virchow-Trias verstärken und somit Thrombosen hervorrufen. Eine Metaanalyse von 102 Studien analysierte insgesamt 64.503 Patienten mit COVID-19 [8]. Darin betrug die gewichtete Häufigkeit von VTE insgesamt 14,7 % (95 %-Konfidenzintervall [KI] 12,1–17,6 %), davon entfielen 11,2 % auf Venenthrombosen und 7,8 % auf LE. Bei schwer erkrankten Patienten, die auf Intensivstationen behandelt wurden, stieg die Häufigkeit auf 23,2 % (95 %-KI 17,5–29,6 %). Nicht nur die Häufigkeit, sondern auch der Einfluss auf das Versterben bei einer COVID-19-Erkrankung muss in diesem Zusammenhang berücksichtigt werden. Eine epidemiologische Studie aus Deutschland berechnete insgesamt ein 3,1-fach erhöhtes Risiko zu versterben für Patienten mit akuter LE bei gleichzeitiger COVID-19-Infektion im Vergleich zu LE-Patienten ohne COVID-19-Infektion [9].
Risikoadaptiertes diagnostisches Vorgehen
Aktuelle Leitlinien empfehlen eine risikoadaptierte Diagnostik. Zunächst muss beim diagnostischen Algorithmus unterschieden werden, ob es sich um einen hämodynamisch instabilen (Abb. 3a) oder stabilen (Abb. 3b) Patienten handelt.
Das Vorliegen eines kardiogenen Schocks bei Aufnahme ist mit einer frühen und hohen Mortalität von bis zu 65 % assoziiert [10]. Die Definitionskriterien einer hämodynamischen Instabilität und damit einer akuten LE mit hohem Risiko wurden in der aktuellen Leitlinie der European Society of Cardiology (ESC) erweitert [11]. Die aktualisierten Kriterien beschreiben die folgenden Parameter:
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Herz-Kreislauf-Stillstand mit Notwendigkeit einer kardiopulmonalen Reanimation
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Obstruktiver Schock (systolischer arterieller Blutdruck < 90 mm Hg oder Bedarf an Vasopressoren, um einen systolischen Blutdruck von ≥ 90 mm Hg zu erhalten)
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Persistierende Hypotonie (systolischer arterieller Blutdruck < 90 mm Hg oder Abfall des systolischen Blutdrucks um ≥ 40 mm Hg für mindestens 15 min), wenn diese nicht durch neu aufgetretene Hypovolämie, Arrhythmie oder Sepsis bedingt ist
Im Falle einer solchen hämodynamischen Instabilität soll zur Diagnosesicherung ein diagnostischer Notfallalgorithmus (Abb. 3a) bei Verdacht auf LE angewendet werden; er zielt auf einen raschen Ausschluss anderer möglicher Ursachen der hämodynamischen Instabilität ab. Dies ermöglicht eine rasche Reperfusionsbehandlung und dadurch sofortige Entlastung des rechten Ventrikels. Aus diesem Grund wird der Stellenwert der transthorakalen Echokardiographie hervorgehoben. Diese kann am Patientenbett ein durch eine „massive“ LE bedingtes RV-Versagen schnell und mit ausreichend großer Sicherheit bestätigen oder ausschließen. Bei Verdacht auf LE mit hämodynamischer Instabilität wird empfohlen, die Antikoagulation mit unfraktioniertem Heparin (UFH) einzuleiten.
Der Großteil der Patienten (> 90 %) mit Verdacht auf eine akute LE präsentiert sich jedoch hämodynamisch stabil (Abb. 3b). In diesem Patientenkollektiv sind die sichere Diagnosestellung und die Wahl adäquater diagnostischer Schritte von hervorgehobener Priorität. Bei stabilen Patienten sollte auf Basis von Symptomatik und klinischen Befunden sowie prädisponierenden Faktoren für VTE die klinische oder Vortestwahrscheinlichkeit eingeschätzt werden. Für die Erfassung der klinischen Wahrscheinlichkeit empfiehlt sich die Anwendung eines standardisierten, explizit validierten klinischen Vorhersagescores wie des vereinfachten Genfer Scores oder des Wells-Scores. Diese stellen die Vortestwahrscheinlichkeit des Vorliegens einer akuten LE entweder zwei- (LE wahrscheinlich vs. unwahrscheinlich) oder dreistufig (geringe, intermediäre oder hohe Wahrscheinlichkeit) dar. Einen Überblick zur Berechnung des vereinfachten Wells- und Genfer Scores bietet Tab. 2.
Risikostratifizierung bei bestätigter Lungenembolie
Eine Risikostratifizierung der Patienten mit akuter LE spielt eine entscheidende Rolle und ist Voraussetzung für die Wahl einer dem klinischen Schweregrad angepassten effektiven und sicheren Diagnostik und Behandlung. Bei Patienten mit bestätigter LE und hämodynamischer Instabilität sind das Fortführen von kreislauf- und ventilationsunterstützenden Maßnahmen und der sofortige Beginn einer therapeutischen Antikoagulation in der Regel noch vor Diagnosesicherung notwendig ([12]; Abb. 4). Diese Patienten benötigen eine (potenziell lebensrettende) primäre reperfundierende Therapie in Form einer systemischen Thrombolyse bzw. alternativ einer kathetergestützten Thrombolyse oder chirurgischen Embolektomie.
Bei allen Patienten mit bestätigter LE und hämodynamischer Stabilität sollten Komorbiditäten und andere verschlimmernde Umstände, die die frühe Prognose ungünstig beeinflussen können, erhoben werden (mittels verschiedener Scores oder Kriterien); zudem sollte das Vorliegen einer RV-Funktionsstörung evaluiert werden. Auf klinischen Parametern basierende Scores, wie der sPESI oder die Hestia-Kriterien, ermöglichen eine valide Prognoseabschätzung über den weiteren Verlauf der ersten 30 Tage nach akuter LE. Bei einem niedrigen sPESI-Score oder keinem erfüllten Hestia-Kriterium sind die Patienten möglicherweise für eine frühe Entlassung und ambulante Therapie geeignet. Diese Empfehlung wurde kürzlich durch die Ergebnisse der Home-Treatment-of-Pulmonary-Embolism(HoT-PE)-Studie unterstützt. Darin war eine frühzeitige Entlassung innerhalb 48 h von Patienten mit „niedrigem Risiko“ (basierend auf den modifizierten Hestia-Kriterien) mit einer niedrigen LE-Rezidiv-Rate assoziiert (3/525; 0,6 %); kein Patient verstarb [13]. In dieser Studie wurde allerdings auch die Evaluation einer RV-Funktionsstörung vorgenommen. In einer publizierten Metaanalyse basierend auf 22 Studien mit 3295 Patienten mit „niedrigem Risiko“ basierend auf klinischen Scores hatten nämlich Patienten mit RV-Dysfunktion in der Bildgebung (Echokardiographie oder computertomographische Pulmonalisangiographie [CTPA]) ein 4,2-fach erhöhtes Risiko, in den ersten 30 Tagen zu versterben [14]. Hat hingegen ein Patient weder einen positiven Prognosescore noch Zeichen einer RV-Funktionsstörung, kann die LE mit sehr hoher Sicherheit als „Niedrigrisiko-LE“ klassifiziert werden und der Patient wäre für eine frühe Entlassung geeignet (Abb. 4).
Liegen bei einem hämodynamisch stabilen Patienten ein erhöhter prognostischer Score (mindestens ein Hestia-Kriterium oder mindestens ein Punkt im sPESI) und/oder Zeichen einer RV-Funktionsstörung vor, wird auch die Bestimmung des kardialen Biomarkers Troponin T oder I empfohlen. Ist das Troponin erhöht, gilt das Frührisiko des Patienten mit LE als „intermediär-hoch“, ist das Troponin dagegen nicht erhöht, als „intermediär-niedrig“. Bei Patienten mit intermediär-hohem Risiko ist ein weiteres Monitoring auf einer Überwachungsstation zu empfehlen und die Therapie mit parenteralem Heparin fortzuführen, um bei einer hämodynamischen Verschlechterung eine Reperfusionstherapie einleiten zu können (Abb. 4).
Therapie bei bestätigter Lungenembolie
Hämodynamische Instabilität
Für Patienten mit bestätigter LE und hämodynamischer Instabilität ist eine frühe und hohe Mortalitätsrate kennzeichnend. Daher ist unter Fortführung von kreislauf- und atmungsunterstützenden Maßnahmen der sofortige Beginn einer therapeutischen Antikoagulation notwendig, in solchen Situationen mit UFH und in der Regel noch vor Diagnosesicherung, zudem eine unverzügliche Reperfusionstherapie in Form einer systemischen Thrombolyse. Bei Kontraindikationen gegen eine systemische Thrombolyse kann alternativ eine kathetergestützte Reperfusion oder eine chirurgische Embolektomie durchgeführt werden [15]. Als unterstützendes Verfahren kann die extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO) eine Option zur Stabilisierung der Hämodynamik bis zur Wirkung der Reperfusionstherapie darstellen [5, 16]. Die therapeutischen Optionen sollten in jedem Krankenhaus in einem interdisziplinären Lungenembolieteam („pulmonary embolism response team“ [PERT]) unter Berücksichtigung möglicher Kontraindikationen und der verfügbaren Ressourcen und Expertise erörtert werden, damit die am besten geeignete Therapie im Konsens gefunden und beschlossen werden kann [17, 18].
Hämodynamische Stabilität
Bei hämodynamisch stabilen Patienten wird aufgrund des hohen Blutungsrisikos eine thrombolytische Therapie nicht routinemäßig empfohlen [19]. In der Pulmonary-Embolism-Thrombolysis(PEITHO)-Studie betrug die Komplikationsrate (Tod oder hämodynamischer Kollaps innerhalb 7 Tagen) bei Patienten mit Nachweis einer RV-Dysfunktion (in der transthorakalen Echokardiographie oder CTPA) und erhöhten Troponinplasmakonzentrationen 5,6 %. Durch eine systemische Thrombolyse konnte eine relative Risikoreduktion von 56 % erreicht werden (Odds Ratio 0,44; 95 %-KI 0,23–0,87; [20]). Allerdings wurde dieser Nutzen durch einen relevanten Anstieg schwerer extrakranieller wie auch intrakranieller Blutungen relativiert. Zur stationären Therapie bei hämodynamisch stabilen Patienten wird deshalb zunächst eine parenterale Antikoagulation mit niedermolekularem Heparin oder Fondaparinux (vor UFH) empfohlen. Nur bei Verschlechterung des Zustands kann eine Eskalation bis hin zur systemischen Thrombolyse erwogen werden. Zur ambulanten Therapie wird eine orale Antikoagulation mit einem neuen oralen Antikoagulans (NOAK; Apixaban, Dabigatran, Edoxaban oder Rivaroxaban) empfohlen und den Vitamin-K-Antagonisten (VKA) vorgezogen [13, 21]. Bei schwerer Nierenfunktionsstörung, dem Vorliegen eines Antiphospholipidsyndroms oder während der Schwangerschaft und Stillzeit wird eine NOAK-Therapie (Apixaban, Dabigatran, Edoxaban oder Rivaroxaban) nicht empfohlen [22]. Hier soll je nach Kontraindikation entweder eine parenterale Antikoagulation mit Heparinen oder eine orale Antikoagulation mit VKA durchgeführt werden. Die minimale empfohlene Dauer der Antikoagulation nach einer akuten LE beträgt drei Monate.
Langzeitfolgen nach stattgehabter Lungenembolie
Der Langzeitverlauf nach LE ist – in Abhängigkeit vom individuellen Risikoprofil und den vorliegenden Grunderkrankungen – gekennzeichnet durch ein erhöhtes Risiko für ein LE-Rezidiv und therapieassoziierte Komplikationen (insbesondere Blutungen unter therapeutischer Antikoagulation) sowie für Folgeerkrankungen, die vom „Post-LE-Syndrom“ mit reduziertem funktionellem Status, persistierenden Symptomen und eingeschränkter Lebensqualität bis hin zur Entwicklung einer chronisch thromboembolischen pulmonalen Hypertonie (CTEPH) reichen können [23]. Verschiedene Studien zeigten, dass Patienten mit akuter LE zwischen 6 Monaten und 3 Jahren über eine Leistungsminderung berichteten [24]. In einer kürzlich veröffentlichten kanadischen Studie wurde darauf hingewiesen, dass bei 47 % der Patienten mit einer akuten LE nach einem Jahr weiterhin eine reduzierte maximale Sauerstoffaufnahme (< 80 %) in einer spiroergometrischen Untersuchung auffiel [25]. Die CTEPH gilt als schwerwiegendste chronische Folge der akuten LE und ist eine Erkrankung, die durch anhaltende Obstruktion der Lungenarterien durch organisierte Thromben verursacht wird und zu einer Umverteilung des Blutflusses sowie zu einem sekundären Umbau (Remodeling) des pulmonalen mikrovaskulären Gefäßbetts führt. Für die CTEPH ist eine kumulative Inzidenz von 2,3 % (Zahl der Neuerkrankungen, die in einem Jahr pro 100.000 Menschen auftreten) in den ersten 2 Jahren nach einem symptomatischen LE-Ereignis anzunehmen [26]. Die Nachsorge von Patienten nach LE stellt eine interdisziplinäre Herausforderung dar. Aktuelle Leitlinien empfehlen eine routinemäßige klinische Untersuchung der Patienten 3–6 Monate nach der akuten LE-Episode.
Fazit für die Praxis
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Die akute Nachlasterhöhung und Druckbelastung des rechten Ventrikels bestimmt die klinische Symptomatik der Lungenembolie und das Sterberisiko in der Akutphase.
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Die fehlende Spezifität der Symptome und klinischen Zeichen macht den Einsatz strukturierter diagnostischer Algorithmen im klinischen Alltag notwendig. Ziel ist die Vermeidung unnötiger Strahlenbelastung.
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Bei hämodynamisch instabilen Patienten liegt der Schwerpunkt im raschen (echokardiographischen) Nachweis des Rechtsherzversagens, um dann eine Reperfusionsbehandlung (Thrombolyse, Katheterintervention, operative Embolektomie) umgehend einzuleiten.
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Ein strukturierter Nachsorgeplan für Patienten mit stattgehabter Lungenembolie dient der regelmäßigen Überwachung der Antikoagulation und ermöglicht die rechtzeitige Erkennung und Behandlung von Spätfolgen wie der chronisch thromboembolischen pulmonalen Hypertonie.
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Welcher ist der korrekte Einsatz der computertomographischen Pulmonalisangiographie (CTPA) in der Lungenembolie(LE)-Diagnostik?
Eine CTPA sollte nur durchgeführt werden, falls die Echokardiographie eine LE nicht ausschließen kann.
Bei einer niedrigen klinischen LE-Wahrscheinlichkeit und einem negativen D‑Dimer-Test soll auf eine CTPA verzichtet werden.
Wenn die CTPA bei einem Patienten mit hoher klinischer Wahrscheinlichkeit unschlüssig ist, sollte als Nächstes eine computertomographische Venographie durchgeführt werden.
Das Ventilations-Perfusions-Szintigramm der Lunge (V/Q-Scan) ist der CTPA hinsichtlich diagnostischer Genauigkeit überlegen.
Angesichts der hohen effektiven Strahlendosis ist die CTPA bei jüngeren Patientinnen und Patienten kontraindiziert.
Bei einem 80-jährigen, hämodynamisch stabilen Mann mit atypischem thorakalem Druckgefühl, Husten und einer Herzfrequenz von 105 Herzschlägen/min ergibt die Berechnung des Wells-Scores eine mittlere klinische Wahrscheinlichkeit für Lungenembolie (LE). Welcher ist der nächste diagnostische Schritt?
Durchführung einer computertomographischen Pulmonalisangiographie, denn sie ist der Goldstandard der LE-Diagnose
Perfusionsszintigraphie (Q-Scan) der Lunge in Kombination mit einer Thoraxröntgenaufnahme, um die Strahlendosis zu minimieren
Kompressionsultrasonographie der Beinvenen, da ein negativer Befund gleichzeitig eine LE ausschließen kann
Selektive Pulmonalisangiographie, da auf diese Weise eine interventionelle Behandlung gleich im Anschluss erfolgen kann, falls eine LE bestätigt wird
D‑Dimer-Test mit altersadjustiertem Cut-off-Wert, in diesem Fall 800 µg/l (0,80 mg/l)
Eine 70-jährige Patientin wurde mit schwerer Luftnot und Verdacht auf akute Lungenembolie (LE) in die Notaufnahme eingeliefert. Initial betrug der arterielle Druck 70/40 mm Hg, nach Kochsalzinfusion (500 ml über 15 min) liegt er jetzt knapp unterhalb 105/70 mm Hg. Herzfrequenz 120 Schläge/min, Sauerstoffsättigung 85 % unter O2-Zufuhr von 8 l/min. Wie sollten wir jetzt diagnostisch vorgehen?
Sorgfältige Ermittlung der klinischen Wahrscheinlichkeit, beispielsweise mittels des Genfer Scores
D‑Dimer-Test, allerdings unter Verwendung eines altersadjustierten Cut-off-Werts
Transösophageales Echokardiogramm, um nach Thromben im Truncus pulmonalis oder in den proximalen Abschnitten der Pulmonalarterien zu suchen
Durchführung einer transthorakalen Echokardiographie; bei Zeichen einer rechtsventrikulären Dysfunktion Vorstellung zur Reperfusionsbehandlung
Sofortiger Transport in die Radiologie zur computertomographischen Angiographie, um parallel zu der vermuteten LE ein akutes Koronarsyndrom und eine akute Aortendissektion nachzuweisen oder auszuschließen
Die Hestia-Kriterien sind etablierte prognostische Kriterien. Was bedeutet es, wenn bei einem Patienten mit bestätigter akuter Lungenembolie (LE) kein Hestia-Kriterium positiv ist?
Dieser Patient hat keine Rechtsherzbelastung und keine rechtsventrikuläre Dysfunktion.
Das LE-Rezidiv-Risiko ist gering.
Es liegt keine hämodynamische Instabilität vor.
Der Patient kann unter Antikoagulation sofort entlassen und ambulant behandelt werden.
Eine Thrombophilie wurde ausgeschlossen.
Welcher der folgenden Befunde definiert eine Lungenembolie mit hohem Risiko?
Ein Simplified Pulmonary Embolism Severity Index (sPESI) von 3 oder höher
Ein positiver Troponin-T-Test
Systolischer arterieller Blutdruck < 90 mm Hg oder Blutdruckabfall um ≥ 40 mm Hg, persistierend über mehr als 15 min
Mindestens ein Hestia-Kriterium erfüllt
Keines der in den anderen Antwortmoglichkeiten genannten Kriterien
Was gehört nicht zu den Aufgaben der multidisziplinären Lungenembolieteams (auch als „pulmonary embolism response teams“ [PERT] bekannt)?
Die Behandlung von Patienten mit hohem Risiko zu optimieren
Eine Behandlung von Lungenembolien mittels extrakorporaler Membranoxygenierung in möglichst vielen Krankenhäusern zu etablieren
Eine drohende Dekompensation bei Patienten mit intermediär-hohem Risiko zu erkennen und eine Eskalation der Therapie rechtzeitig einzuleiten
Rund um die Uhr vor Ort oder virtuell verfügbar zu sein
Die im jeweiligen Krankenhaus vorhandene Infrastruktur und Expertise optimal einzusetzen
Welche ist die minimale empfohlene Dauer der Antikoagulation nach einer akuten Lungenembolie?
Drei Monate
Ein Jahr, da die Rezidivrate in diesem Zeitraum am höchsten ist
10 Jahre, da für diesen Zeitraum belastbare Daten existieren
Lebenslang, vorausgesetzt, dass keine schwere Blutung auftritt
Solange es braucht, bis das Echokardiogram keine rechtsventrikuläre Dysfunktion mehr anzeigt
Was sind die häufigsten Langzeitfolgen nach akuter Lungenembolie (LE)?
Chronisch thromboembolische pulmonale Hypertonie
Intrazerebrale Blutung
LE-Rezidiv
Schwere Depression
Kardiopulmonale Limitation (Post-LE-Syndrom)
Welche Aussage trifft im Zusammenhang mit Verlaufskontrollen nach stattgehabter Lungenembolie(LE)-Diagnostik zu?
Eine Verlaufskontrolle nach einer LE ist frühestens nach 24 Monaten notwendig.
Bei Verdacht auf eine chronisch thromboembolische pulmonale Hypertonie (CTEPH) kann die weitere Diagnostik und Therapie in jedem beliebigen Krankenhaus erfolgen.
Der Nachweis von kardialen Biomarkern reicht aus, um eine chronisch thromboembolische pulmonale Hypertonie (CTEPH) zu diagnostizieren.
Eine Verlaufskontrolle nach einer LE ist nach 3–6 Monaten empfohlen.
Ein Rehabilitationsprogramm bei Patienten mit akuter LE kann zu einem verbesserten Langzeitverlauf führen.
Welches diagnostische Verfahren wird zum Ausschluss einer chronisch thromboembolischen pulmonalen Hypertonie bei persistierender klinischer Symptomatik nach Lungenembolie und suspekten echokardiographischen Befunden empfohlen?
Magnetresonanzangiographie (MRA)
Ventilations-Perfusions-Szintigraphie (V/Q-Scan) oder eine computertomographische Pulmonalisangiographie (CTPA)
N‑terminales natriuretisches Propeptid vom B‑Typ (NT-proBNP)
Transösophageale Echokardiographie
Kardiopulmonaler Belastungstest (Spiroergometrie)
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Hobohm, L., Keller, K. & Konstantinides, S. Lungenembolie. Innere Medizin 64, 40–49 (2023). https://doi.org/10.1007/s00108-022-01460-3
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