Klonale Hämatopoese

Mit modernsten Technologien der DNA-Sequenzierung konnten Wissenschaftler*innen in den letzten Jahren in aufwendigen Studien für unterschiedlichste Gewebe zeigen, dass es im Laufe des Alterungsprozesses zu einer Ansammlung von Genveränderungen (Mutationen) und chromosomalen Anomalien in Körperzellen (somatische Zellen) kommt [1]. Die Mehrzahl der Veränderungen des Erbguts verhält sich neutral oder führt zum Zelltod. Nur wenn eine Mutation vorteilhaft für das Überleben, die Teilung oder die Fitness einer Zelle ist, wird diese Mutation durch Zellteilung auf die Nachkommen übertragen. Treten solche Mutationen in langlebigen und teilungsfähigen Zellen auf, beispielsweise in Gewebestammzellen, entsteht durch Selektionsdruck langfristig ein Klon an mutierten Zellen. Die Mutationsrate in Gewebezellen bleibt über die gesamte Lebenszeit weitgehend konstant, und der Selektionsprozess benötigt Zeit [2]. Viele unserer Gewebe sind daher Mosaike aus unterschiedlich mutierten Zellklonen, die augenscheinlich keine unmittelbare Auswirkung auf die Funktion der Organe oder des Organismus haben und deren Anzahl und Komplexität mit zunehmendem Alter steigen. Trotzdem legen die Mutationen den Grundstein für die Entstehung maligner Erkrankungen, wenngleich viele weitere Ereignisse stattfinden müssen, damit aus betroffenen Zellen Krebszellen entstehen.

Modernste Sequenziertechnologien decken erworbene Genmutationen im Alter auf

Seit etwa einem Jahrzehnt ist bekannt, dass auch im Blutsystem im Laufe des Alterns bei vielen Menschen somatische Mutationen in Blutstammzellen zur Entstehung von mutierten Zellklonen beitragen. Dieses Phänomen wird als klonale Hämatopoese bezeichnet. Wenn der mutierte Blutzellklon eine Größe von 4 % aller Blutzellen erreicht, was einer Variantenallelfrequenz (VAF) von 2 % entspricht, und keine diagnostizierte hämatologische Erkrankung zugrunde liegt, spricht man von klonaler Hämatopoese von unbestimmtem Potenzial („clonal hematopoiesis of indeterminate potential“ [CHIP]; [3]). CHIP ist weit verbreitet in der Bevölkerung. Mehr als 10 % aller 60-Jährigen haben einen mutierten CHIP-Klon, und die Häufigkeit steigt rapide mit zunehmendem Alter. Bemerkenswert ist, dass ein deutlich höherer Anteil bereits in jüngeren Jahren kleine, mutierte Blutzellklone trägt [4, 5].

Somatische Mutationen in Blutzellen als Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Obwohl somatische Mutationen in Blutzellen bei den meisten Menschen zu keiner Veränderung des Blutbilds führen, ist klonale Hämatopoese medizinisch nicht neutral. So geht CHIP mit einem deutlich erhöhten Risiko einher, an malignen myeloischen Erkrankungen wie myelodysplastischem Syndrom und akuter myeloischer Leukämie zu erkranken (siehe Beitrag von Götze und Lengerke in dieser Ausgabe; [6]). Das verkürzte Gesamtüberleben von CHIP-Trägern erklärt sich allerdings nicht durch die Entstehung myeloischer Neoplasien, sondern durch eine überraschende Assoziation mit Erkrankungen des kardiovaskulären Systems und des Herzens sowie mit weiteren altersbedingten Erkrankungen (Abb. 1). Eine Häufung von Atherosklerose und Schlaganfall wurde bei Personen gefunden, die somatische Mutationen in CHIP-assoziierten Treibergenen in ihren Blutzellen hatten [7].

Abb. 1
figure 1

Nicht-hämatologische Erkrankungen unter dem Einfluss von CHIP. Bisher bekannte klinische Assoziationen von klonaler Hämatopoese mit den dargestellten Erkrankungen. CHIP „clonal hematopoiesis of indeterminate potential“ (klonale Hämatopoese von unbestimmtem Potenzial), COPD chronisch-obstruktive Lungenerkrankung, COVID „coronavirus disease“, HIV „human immunodeficiency virus“. (Die Abbildung wurde mit BioRender erstellt)

Klonale Hämatopoese ist medizinisch nicht neutral

Im Jahr 2017 konnten Siddhartha Jaiswal et al. diese ersten Hinweise in einer eindrucksvollen Studie belegen: Bei 4726 Patient*innen mit koronarer Herzkrankheit und 3529 Kontrollpersonen konnten die Autor*innen zeigen, dass das Vorliegen von CHIP mit einem 1,9-fachen Risiko einhergeht, eine koronare Herzkrankheit zu entwickeln. Retrospektiv konnten sie sogar ein 4‑fach höheres Risiko in dieser Patientenkohorte belegen, einen Herzinfarkt zu erleiden. Kein anderer bekannter Risikofaktor zeigte Unterschiede zwischen Patient*innen mit und ohne CHIP. Mutationen der Gene DNMT3A, TET2, ASXL1 und JAK2 waren die häufigsten Ursachen für CHIP in diesen Kohorten [7, 8]. Eine gesteigerte Verkalkung der Koronararterien wurde bei CHIP-positiven Patient*innen nachgewiesen, ein Anzeichen für koronare Atherosklerose.

Mit diesen Ergebnissen war der Grundstein gelegt für die Annahme, dass CHIP ein bisher unbekannter, unabhängiger und hoher Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist (Abb. 2; [9, 10]). Funktionelle Studien an Mausmodellen für Atherosklerose belegen, dass somatische Mutationen in Blutzellen, die zur Entstehung von CHIP führen, in kausaler Beziehung mit der Progression von Atherosklerose und koronarer Herzkrankheit stehen [8, 11]. Die Anwesenheit myeloischer Blutzellen ohne TET2 (aus TET2-Knock-out-Tieren) – TET2 ist ein häufig mutiertes CHIP-Treibergen – beschleunigte die Entwicklung von Atherosklerose und führte zu einer Erkrankungsverschlechterung. Proinflammatorische Zytokine wie Interleukin(IL)-1β, IL‑6 und IL‑8, die vermehrt von TET2-mutierten Monozyten ausgeschüttet werden, verursachen dabei ein proinflammatorisches Milieu und tragen zur Progression der Erkrankung bei (Abb. 3).

Abb. 2
figure 2

Klonale Hämatopoese als neuer unabhängiger Risikofaktor verbindet kardiovaskuläre bzw. pulmonale Erkrankungen und hämatologische Neoplasien. Patienten mit klonaler Hämatopoese haben ein erhöhtes Risiko, an myeloischen Neoplasien und an Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu erkranken. Klonale Hämatopoese könnte damit einen wichtigen Beitrag zur Kardioonkologie leisten. Gemeinsame Risikofaktoren beeinflussen klonale Hämatopoese, kardiopulmonale Erkrankungen und myeloische Neoplasien. (Die Abbildung wurde teilweise mit BioRender erstellt)

Abb. 3
figure 3

Kreislauf von klonaler Hämatopoese und kardiovaskulären Erkrankungen. Klonale Hämatopoese entsteht aus mutierten Blutstammzellen, die einen Wachstumsvorteil erlangen. CHIP-mutierte Stammzellen differenzieren in mutierte myeloische Zellen (Monozyten, Makrophagen, Neutrophile), die zusammen mit anderen Risikofaktoren ein verändertes, proinflammatorisches Milieu durch gesteigerte Sezernierung unter anderem der Zytokine IL-1β, -6 und -18 und anderer Botenstoffe hervorrufen und andere Immunzellen anziehen. Das Zusammenspiel von zellulärer Infiltration und Zytokinfreisetzung unterstützt die Entstehung und Progression von Atherosklerose, koronarer Herzkrankheit und Dysfunktionen des Herzens nach Schädigung. Proinflammatorische Zytokine aktivieren aber auch die Hämatopoese (Rückkopplung) und unterstützen das Auswachsen des CHIP-mutierten Klons. Dieser Teufelskreis muss durchbrochen werden. CHIP „clonal hematopoiesis of indeterminate potential“ (klonale Hämatopoese von unbestimmtem Potenzial), IL Interleukin. (Die Abbildung wurde teilweise mit BioRender erstellt)

Neben der passiven Ablagerung und Veränderung von Cholesterin im Endothel spielen Monozyten eine wichtige Rolle bei der Bildung atheromatöser Plaques [12]. Leukozyten werden durch die Expression von extrazellulären Proteinen über Integrine und Selektine zur Intima rekrutiert. Monozyten nehmen Fette auf und bilden Schaumzellen, die weitere entzündliche Mediatoren und reaktive Sauerstoffspezies bilden und damit zur Atherosklerose beitragen. Zellen der glatten Gefäßmuskulatur teilen sich rapide, bilden extrazelluläre Matrixmoleküle und verstärken die Kalzifikation, was zur Ausreifung und Veränderung der atherosklerotischen Plaques führt [12].

Assoziation von Mutationen in DNMT3A und TET2 mit Herzinsuffizienz

Nach diesen bahnbrechenden Entdeckungen wurde weltweit intensiv nach Assoziationen zwischen dem Auftreten von CHIP und weiteren Erkrankungen des Herzens gesucht. Ein interdisziplinäres Team aus Kardiolog*innen und Hämatolog*innen in Frankfurt widmete sich der chronischen Herzinsuffizienz nach Infarkt. Es konnte erstmals gezeigt werden, dass CHIP gehäuft bei Patient*innen mit chronischer ischämischer Herzinsuffizienz auftritt [13]. Besonders CHIP-Treibermutationen in den Genen DNMT3A und TET2 waren betroffen. Patient*innen mit Herzinsuffizienz und mutiertem DNMT3A und TET2 verstarben früher an ihrer Erkrankung und wurden häufiger im Krankenhaus behandelt als Patient*innen ohne CHIP oder mit Mutationen in anderen CHIP-Genen. Keine anderen klinischen Basisparameter und Risikofaktoren und auch nicht der Schweregrad der Erkrankung zeigten Unterschiede. Die Größe des mutierten Blutzellklons korreliert mit einem schlechteren Verlauf („Dosisabhängigkeit“). Diese Abhängigkeit weist auf einen kausalen Zusammenhang zwischen dem Vorliegen von Blutzellmutationen in den genannten Genen und einer Herzinsuffizienz hin [13, 14]. Da Mutationen von DNMT3A und TET2 bei Patient*innen mit Herzinsuffizienz häufig gefunden wurden, konnten die Autor*innen zum ersten Mal einen kritischen Wert der relevanten Klongröße für beide Gene bei dieser Erkrankung bestimmen. Der Wert lag deutlich unterhalb der Definitionsgröße von CHIP mit VAF > 2 %. Bereits halb so große Klone (VAF > 1,13 % für DNMT3A und VAF > 0,73 % für TET2) zeigten einen negativen Einfluss auf das Gesamtüberleben [14]. Die Abhängigkeit des Krankheitsverlaufs von der Anzahl mutierter Zellen konnte bereits bei Atherosklerose gezeigt werden [8]. Auch bei der Entwicklung myeloischer Neoplasien spielt die Klongröße eine wichtige Rolle, Personen mit VAF > 10 % besitzen ein deutlich höheres Risiko [15].

Bei Herzinsuffizienz spielen offensichtlich bereits kleine mutierte Blutzellklone eine entscheidende Rolle

Bei Patient*innen mit Herzinsuffizienz spielen offensichtlich bereits kleine mutierte Blutzellklone eine entscheidende Rolle. Außer DNMT3A und TET2 konnten weitere Risikogene für Herzinsuffizienz gefunden werden, die auch zu klonaler Hämatopoese führen [4, 16]. Ultratiefe DNA-Sequenzierung in Blutzellen ermöglichte die akkurate Quantifizierung von Genmutationen mit einer VAF > 0,5 % – weit unter der CHIP-Definitionsgrenze von VAF > 2 % – und zeigte ein Spektrum der Mutationslandschaft in CHIP-Treibergenen bei Patient*innen mit Herzinsuffizienz [4, 16]. In einer Kohorte von 399 Patient*innen wurden kleine mutierte Klone bei nahezu 90 % der Patient*innen gefunden; die hohe Prävalenz klonaler Hämatopoese betraf nahezu alle über 50-jährigen Patient*innen. Viele Patient*innen präsentierten mehr als eine Mutation, manche sogar bis zu 12 Mutationen. Zusätzlich zu den Genen DNMT3A und TET2 konnten Mutationen in sieben Risikogenen (CBL, CEBPA, EZH2, GNB1, PHF6, SRSF2, SMC1A) identifiziert werden, die mit einem kürzeren Gesamtüberleben von Patient*innen mit Herzinsuffizienz assoziiert sind. Dabei traten Mutationen in diesen Genen bereits gehäuft bei jüngeren Patient*innen auf. Die Hazard Ratio betrug 3,1 und war unabhängig von anderen Faktoren [4]. Sonstige klinische Parameter und Risikofaktoren waren unverändert zwischen Patient*innen mit und ohne klonaler Hämatopoese. Der Pathomechanismus bereits kleiner mutierter Blutzellklone ist bisher nicht bekannt und wird experimentell untersucht.

Die Assoziation von CHIP mit Herzinsuffizienz konnte in weiteren, unabhängigen Studien bestätigt werden und trifft auch für Patient*innen mit nichtischämischer Herzinsuffizienz zu [17]. Mausmodelle für Herzinsuffizienz zeigten, dass die Anwesenheit von TET2-mutierten myeloischen Zellen (Monozyten, Makrophagen) zu einer gesteigerten Produktion proinflammatorischer Zytokine (IL-1β, IL-6) führte und die Herzmuskelregeneration und Herzfunktion negativ beeinflusste [18]. Erstaunlich war, dass in einem nichtbestrahlten Mausmodell die bloße Anwesenheit TET2-mutierter myeloischer Zellen spontan zu einer altersabhängigen Herzdysfunktion mit gesteigerter Hypertrophie und Fibrose führte, ohne zusätzliches ischämisches Ereignis oder externen Stimulus [19].

Einfluss von CHIP-Mutationen auf Monozyten und T-Zellen bei Patient*innen mit Aortenklappenstenose

Eine häufige Erkrankung des Herzens ist die Verengung der Aortenklappe (Aortenklappenstenose), für die es in vielen Fällen außer einer Transkatheteraortenklappenimplantation („transcatheter aortic valve implantation“ [TAVI]) keine Behandlungsmöglichkeit gibt. Auch hier spielt die Kalzifikation eine entscheidende Rolle. Patient*innen mit Aortenklappenstenose zeigten eine hohe Prävalenz für CHIP-Mutationen in DNMT3A und TET2 [20]. Betroffene Patient*innen besaßen ein höheres Risiko, trotz TAVI-Behandlung frühzeitig zu versterben. Erste Langzeitbeobachtungen von Patient*innen nach TAVI deuten auf ein ähnliches Bild hin. Im peripheren Blut hatten diese Patient*innen einen erhöhten Anteil an nichtklassischen Monozyten (bei Patient*innen mit TET2-CHIP-Mutationen) und Th17-T-Zellen (bei Patient*innen mit DNMT3A-CHIP-Mutationen), beides proinflammatorische Immunzellen. Die Untersuchung der Monozyten von Patient*innen mit Aortenklappenstenose und DNMT3A- oder TET2-CHIP-Treibermutationen mittels modernster Einzelzell-RNA-Sequenzierung zeigte ein proinflammatorisches Genexpressionsprofil von unterschiedlichsten Zytokinen, Chemokinen und deren Rezeptoren im Vergleich zu Monozyten von Patient*innen ohne diese CHIP-Mutationen [21].

Funktionelle Studien zum Pathomechanismus mutierter Blutzelltypen

Die klinische Assoziation von CHIP mit unterschiedlichen Herz-Kreislauf-Erkrankungen konnte in den letzten Jahren in mehreren unabhängigen Studien unter Einschluss großer Kohorten eindrucksvoll bestätigt werden. Um diese wichtigen Erkenntnisse für die Entwicklung personalisierter und präzisionsmedizinischer Verfahren anwenden zu können, ist ein tief greifendes Verständnis der zugrunde liegenden Pathomechanismen nötig. Klonale Hämatopoese entsteht durch den Erwerb somatischer Mutationen in CHIP-assoziierten Treibergenen von Blutstammzellen im Knochenmark. Während der Regeneration aller Blutzelltypen durch Differenzierung von Stammzellen werden diese Mutationen an alle Tochterzellen weitergegeben. Da die Aufgaben der betroffenen Gene in den unterschiedlichen Differenzierungsstufen und reifen Blutzelltypen unterschiedlich sind, was zelltypspezifische Auswirkungen hat, ist auch der Phänotyp unterschiedlich ausgeprägt. Im Falle von Mutationen epigenetischer Regulatoren, wie DNMT3A oder TET2, die die Methylierung Hunderter Gene und damit ganzer Genexpressionsnetzwerke steuern, ist es nicht verwunderlich, dass unterschiedliche Mechanismen und Phänotypen in unterschiedlichen Zelltypen betroffen sind. Auch die Hämatopoese wird durch das Vorliegen von Mutationen beeinflusst, auch wenn weder die Anzahl noch die Verteilung reifer Blutzellen im peripheren Blut bei Patient*innen mit CHIP merklich verändert sind. Während die Frequenz DNMT3A-mutierter Zellen in allen Blutzelltypen und in Blutstammzellen ähnlich ist, werden TET2-Mutationen vor allem in myeloischen Blutzelllinien gefunden. Dieser Unterschied liegt einerseits an der Steuerung linienspezifischer Differenzierungsgene (Instruktion), andererseits auch an Selektionsmechanismen, die das Reifen bestimmter Blutzelltypen ermöglichen. Diese Vorgänge sind gen- und mutationsspezifisch und bisher nur bei ausgewählten Genen und Hotspot-Mutationen im Detail untersucht. Nichtsdestotrotz ist zu betonen, dass CHIP-Mutationen in Stamm- und Vorläuferzellen andere Wirkmechanismen auslösen als in reifen Zellen des myeloischen und lymphoiden Immunsystems. Letztere sind aber verantwortlich für die Vorgänge im peripheren Gewebe und beeinflussen maßgeblich die Gewebehomöostase und Regeneration nach Schädigung. Daher ist es für die Entschlüsselung des Pathomechanismus von mutierten Blutzellen bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen notwendig, sich vornehmlich auf diese Mediatoren zu konzentrieren.

TET2

In funktionellen Studien wurden Mechanismen charakterisiert, die möglicherweise die Grundlage dafür bilden, wie CHIP-mutierte Blutzellen die Entwicklung kardiovaskulärer und anderer CHIP-assoziierter Erkrankungen beeinflussen (Tab. 1). Studien bei Mensch und Maus erbrachten den funktionellen Beweis für die unterschiedlichen Einflüsse bestimmter Mutationen in CHIP-Treibergenen auf diese Erkrankungen. Diesbezüglich ist TET2 das am besten verstandene Gen. TET2 codiert für eine Methylcytosindioxygenase, die die Umwandlung von 5‑Methylcytosin zu 5‑Hydroxymethylcytosin auf der DNA steuert [22]. TET2 reguliert den DNA-Methylierungs-Zustand und damit die Expression vieler Gene. Der Verlust von TET2 bedingt eine gesteigerte Repopulationsaktivität und Expansion von Blutstammzellen und eine Instruktion zur Differenzierung in myelomonozytäre Zellen [23]. Personen mit TET2-CHIP-Treibermutation zeigten einen 2‑fach erhöhten IL-8-Spiegel [8]. TET2-Mutationen führen zu leicht erhöhten Leukozytenzahlen im Knochenmark und einer erhöhten Anzahl an Stamm- und Vorläuferzellen bei Patient*innen mit Herzinsuffizienz, wohingegen Patient*innen mit DNMT3A-Mutationen diese Veränderungen im Knochenmark nicht präsentierten [24]. Ein wiederkehrender Pathomechanismus wurde in Mausmodellen unterschiedlichster CHIP-assoziierter Erkrankungen bei der genetischen Abschaltung von TET2 in Blutzellen identifiziert: Die Inaktivierung von TET2 führt in Monozyten und Makrophagen zu einer gesteigerten NLRP3-Inflammasom-vermittelten Bildung von IL-1β und zur gesteigerten Expression proinflammatorischer Zytokine (wie IL‑6 und IL-18) und Chemokine (Cxcl1, Cxcl2, Cxcl3; [11, 18, 25]). Regulatorische T‑Zellen nach Abschaltung von TET2 wandeln ihre regulatorische Funktion in eine Effektorfunktion um, was zum proinflammatorischen Phänotyp beiträgt [26].

Tab. 1 Funktionelle Studien zum kausalen Zusammenhang zwischen CHIP-Mutationen und nicht-hämatologischen Erkrankungen in Mausmodellen

DNMT3A

Das mit Abstand am häufigsten mutierte CHIP-Treibergen ist DNMT3A, das vor allem altersassoziiert mit erhöhter Prävalenz auftritt [6, 7]. Die DNA-Methyltransferase DNMT3A steuert die Methylierung von DNA und damit die Expression ganzer Gennetzwerke. Das Fehlen von DNMT3A führt zur Akkumulation von Blutstammzellen und einer gestörten Differenzierung, was im Alter und in hämatologischen Stresssituationen (chronische Entzündung, Transplantation) besonders gesteigert wird [27, 28]. Die Anwesenheit von DNMT3A-mutierten Blutzellen in Mausmodellen für Herzinsuffizienz verursachte eine erhöhte Fehlfunktion des Herzens mit Fibrose durch die Bildung von Cxcl1, Cxcl2, IL‑6 und Ccl5, wobei die IL-1β-Expression nicht verändert war [25]. Die DNMT3A-Defizienz unterstützt einen proatherogenen Phänotyp in Immunzellen, beispielsweise die Aktivierung von Mastzellen und eine Steigerung der Interferon(IFN)-γ-Produktion in T‑Zellen [29,30,31]. Bei Patient*innen mit Aortenklappenstenose und Mutationen in DNMT3A konnte gezeigt werden, dass Mutationen die Polarisierung von T‑Zellen zu einem proinflammatorischen Phänotyp begünstigen, was zur Entstehung von Atherosklerose und kardiovaskulären Erkrankungen beiträgt [21, 32]. Die genaue Rolle von DNMT3A-Mutationen in unterschiedlichen Immunzelltypen bei der Entstehung und Progression kardiovaskulärer Erkrankungen ist Gegenstand intensiver Forschung.

JAK2

JAK2 ist eine Tyrosinkinase, die an unterschiedlichen Signalwegen von Zytokinrezeptoren beteiligt ist und eine zentrale Rolle in der Blutzellproduktion durch Regulation von Zellwachstum und Teilung spielt. Unterschiedliche Studien konnten eine Beteiligung von JAK2 bei der Entwicklung von Atherosklerose zeigen [33, 34]. JAK2 ist bei Personen mit klonaler Hämatopoese relativ häufig mutiert und führt zur Expansion von Blutstammzellen. Frühere Studien zeigten bereits, dass Patient*innen mit der Hotspot-Mutation JAK2 V617F, die zu einer konstitutiv aktiven Kinase führt, ein höheres Risiko für Thrombosen besitzen [35]. Mausstudien demonstrierten eine Differenzierungsdrift durch JAK2 V617F hin zu Monozyten und Granulozyten, zudem eine gesteigerte proinflammatorische Aktivierung dieser Blutzellen. Mausmodelle mit JAK2-V617F-mutierten Blutzellen zeigten eine Beschleunigung der Atherosklerose und Instabilität der Plaques [36, 37].

Mutationen nach Tumortherapie (PPM1D, TP53)

Patient*innen mit Krebserkrankung entwickeln gehäuft therapieabhängige klonale Hämatopoese und myeloische Neoplasien durch Mutationen in Genen, die an DNA-Reparatur-Mechanismen beteiligt sind. Mutationen im Exon 6 der Proteinphosphatase PPM1D führen zu einem Funktionsgewinn durch Stabilisierung des Proteins und zum Auswachsen eines mutierten Klons nach Chemotherapie [38]. Tumortherapien sind auch mit dem Auftreten von Herzfunktionsstörungen assoziiert. Nun konnte ein Herzinsuffizienzmodell der Maus, ausgelöst durch die Infusion von Angiotensin II, mit PPM1D-mutierten Blutzellen eine gestörte Remodellierung des Herzens zeigen [39]. Dabei spielten vor allem PPM1D-mutierte Makrophagen eine zentrale Rolle. Diese Zellen hatten eine gestörte Aktivierung der DNA-Schadensreparatur und bildeten mehr reaktive Sauerstoffspezies und proinflammatorische Zytokine IL-1β und IL-18. Die Verwendung eines NLRP3-Inflammasom-Inhibitors konnte den kardialen Phänotyp, der durch die Anwesenheit von PPM1D-mutierten Blutzellen verstärkt wurde, verbessern.

Eine durch Tumortherapie begünstigte klonale Hämatopoese kann zur kardialen Dysfunktion beitragen

Ein ähnliches Beispiel sind CHIP-Mutationen im Tumorsuppressorgen TP53 [40]. Auch hier finden sich CHIP-Klone gehäuft bei Patient*innen mit Krebserkrankung nach Therapie. Blutstamm- und Vorläuferzellen mit mutiertem TP53 sind besonders resistent gegen genotoxischen Stress, ausgelöst durch die Therapie, und erlangen ihre klonale Dominanz gegenüber nicht-mutierten Stammzellen. CHIP-Mausmodelle mit TP53-mutierten Blutstammzellen zeigten nach Behandlung mit Doxorubicin, dass besonders neutrophile Granulozyten ins Herz einwandern und die durch Doxorubicin verursachte kardiale Toxizität begünstigen. Dies ist verstärkt bei Vorliegen von TP53-CHIP-Mutationen.

Diese funktionalen Daten zeigen, dass die therapieinduzierte klonale Hämatopoese – ausgelöst durch bestimmte Mutationen und begünstigt durch Medikamente bei der Krebstherapie – zur kardialen Dysfunktion beitragen kann, wie sie gehäuft bei Patient*innen mit Krebserkrankung auftritt, und dass hier eine antiinflammatorische Therapie möglicherweise gezielt helfen könnte.

Den Teufelskreis durchbrechen

Bestimmte CHIP-Treibermutationen, beispielsweise in TET2, verursachen ein proinflammatorisches Milieu, ausgelöst durch die gesteigerte Produktion von myeloischen Zellen, die zu Makrophagen differenzieren und vermehrt Zytokine wie IL-1β, IL‑6 und IL-18 sezernieren. Diese proinflammatorischen Zytokine und die mutierten myeloischen Zellen sind nicht nur an der Verstärkung von kardiovaskulären Vorgängen beteiligt, sondern beeinflussen auch die Hämatopoese. Kardiovaskuläre Erkrankungen tragen auch zu einer Aktivierung der Hämatopoese bei [41]. Diese Rückkopplungsmechanismen, ausgelöst durch inflammatorische Signale und CHIP-assoziierte Erkrankungen, führen zu einer Aktivierung von Blutstamm- und Vorläuferzellen und begünstigen unter anderem die klonale Expansion mutierter Blutstammzellen, was zu einer Verstärkung des Effekts der klonalen Hämatopoese führt (Abb. 3). Dieser Kreislauf muss durchbrochen werden, um zukünftig das erhöhte Risiko CHIP-assoziierter Erkrankungen therapeutisch zu unterdrücken [9].

Weitere nicht-hämatologische Erkrankungen unter dem Einfluss von CHIP

Chronisch-obstruktive Lungenerkrankung

Eine kürzlich veröffentlichte Studie zeigte einen Zusammenhang zwischen CHIP und chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung (COPD; [42]). Die COPD ist die weltweit vierthäufigste Todesursache. Ihre pathophysiologischen Ursachen sind vielfältig, auch hier sind Zellen des angeborenen und adaptiven Immunsystems sowie erhöhte Spiegel proinflammatorischer Zytokine entscheidend beteiligt. Die wichtigsten Risikofaktoren Rauchen und Alter tragen maßgeblich zur veränderten entzündlichen Pathophysiologie in der Entstehung und Progression von COPD bei [43]. Diese Risikofaktoren sind auch bei CHIP beteiligt. Personen mit CHIP haben ein 1,6- bzw. 2,2-fach erhöhtes Risiko, eine moderate bis schwere bzw. schwere bis sehr schwere COPD zu entwickeln. Dabei war das Vorliegen von CHIP mit einem ähnlichen Risiko der COPD-Entwicklung verbunden wie Rauchen. Die Autoren konnten in dieser Studie auch einen schwachen, aber signifikanten Zusammenhang zwischen der Menge des Zigarettenkonsums und CHIP ermitteln. Das Fehlen von TET2 in Blutstammzellen zeigte im Mausmodell für COPD eine gesteigerte Lungeninfiltration von Immunzellen, gesteigerte IFN- und reduzierte TGFβ-Signalweitergabe in diesen Immunzellen und eine beschleunigte Emphysementwicklung in der Lunge.

Wir konnten in einer kleinen Kohorte von Patient*innen mit COPD von unterschiedlichem Schweregrad die hohe Inzidenz von CHIP bestätigen, wobei auch in unserer Kohorte DNMT3A das mit Abstand am häufigsten betroffene Gen war [44]. Da CHIP-Treibermutationen in DNMT3A meist zu einem Funktionsverlust führen, zeigte die genetische Abschaltung von DNMT3A in Makrophagen eine gesteigerte Produktion von IL‑6 und Tumor-Nekrose-Faktor α und eine globale Hypomethylierung im Genom. Betroffen waren dabei interessanterweise keine Gene, die für Zytokine und Chemokine codieren, sondern solche für metabolische Regulatoren, wie „phospholipase D family member 5“ (PLD5). Die PLD5-Expression korrelierte mit gesteigertem Glycerophosphocholin, proinflammatorischen Zytokinen und reduzierter Lungenfunktion bei Patient*innen mit COPD [44].

Infektionskrankheiten

CHIP ist nicht nur mit chronischen Erkrankungen des Herzens oder der Lunge assoziiert, sondern auch mit Infektionskrankheiten. Personen mit Human-immunodeficiency-virus(HIV)-Infektion wiesen eine 2‑fach erhöhte Prävalenz für CHIP auf [45, 46]. Interessanterweise sind Mutationen im Gen ASXL1 bei Patient*innen mit HIV-Infektion sehr häufig der Auslöser für CHIP. Auch werden ASXL1- und DNMT3A-Mutationen gehäuft bei HIV-Patient*innen mit myelodysplastischem Syndrom gefunden und gehen mit einer schlechteren Prognose einher [47]. Der Einfluss von CHIP könnte unter anderem erklären, warum Patient*innen mit HIV-Infektion ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen haben.

Erste Hinweise gibt es auch für einen Zusammenhang zwischen CHIP und akuten Infektionen. CHIP-Träger nach Severe-acute-respiratory-syndrome-coronavirus-type-2(SARS-CoV-2)-Infektion hatten öfter einen schweren Krankheitsverlauf [48]. CHIP ist assoziiert mit einem erhöhten Risiko einer Clostridien- oder Streptokokken/Enterokokken-Infektion. Der Zusammenhang von CHIP mit einem schweren Krankheitsverlauf nach SARS-CoV-2-Infektion konnte in einer anderen Studie allerdings nicht bestätigt werden [49]. Weitere Untersuchungen sind nötig, um den Mechanismus zwischen CHIP-mutierten Immunzellen und Infektionen zu verstehen.

Diabetes

Bereits in frühen Studien wurde über ein gehäuftes Auftreten von CHIP und Diabetes mellitus Typ 2 berichtet [7, 8]. Jose Fuster et al. konnten zeigen, dass die alters- und gewichtsabhängige Insulinresistenz in Mäusen durch den Funktionsverlust von TET2 in Blutzellen gesteigert ist. Die metabolische Fehlfunktion geht mit einer erhöhten Expression von IL-1β im weißen Fettgewebe einher und kann durch Inflammasominhibitoren blockiert werden [50].

Auf dem Weg zur personalisierten Medizin

Das Wissen über den CHIP-Status einer Patient*in wird zukünftig die Therapieentscheidungen in Bezug auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen beeinflussen, wie es bereits für andere Risikofaktoren gilt, beispielsweise mit Blick auf die Gabe von Statinen. Wie bereits in der Krebstherapie wird auch bei kardiovaskulären oder pulmonalen Erkrankungen ein genetisches Screening breiten Einzug finden. Die Sequenzierung des Genoms ermöglicht die Evaluation des genetischen Risikos von Keimbahn- und somatischen Varianten. Vererbte genetische Polymorphismen („single nucleotide polymorphisms“ [SNP]) in Zytokinsignalgenen wurden identifiziert, die den Einfluss von CHIP bei Patient*innen mit kardiovaskulären Erkrankungen modulieren [51]. Genetische Assoziationsstudien haben SNP gefunden, die mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen korrelieren, deren biologische Bedeutung aber häufig noch unverstanden ist, da sie in nicht-proteincodierenden Regionen des Genoms auftreten (Übersichtsartikel [52]). Der technologische Fortschritt und die sinkenden Kosten werden die Einbindung und Interpretation von Daten der DNA-Sequenzierung in die Risikostratifizierung von CHIP-assoziierten Erkrankungen ermöglichen.

Ein detailliertes Verständnis des kausalen Wirkmechanismus bestimmter CHIP-Mutationen in unterschiedlichen Immunzellen bei CHIP-assoziierten Erkrankungen ist nötig. Die Beteiligung der inflammasomvermittelten IL-1β-Sezernierung von Makrophagen mit CHIP-Mutationen in TET2 ist ein wiederkehrendes Muster bei unterschiedlichen entzündlichen CHIP-assoziierten Erkrankungen. In der multizentrischen klinischen Studie CANTOS, in der mehr als 10.000 Patient*innen nach Herzinfarkt eingeschlossen waren, wurde die Wirkung von Canakinumab, einem blockierenden Antikörper gegen IL-1β, getestet. In einer Subanalyse der Patient*innen auf das Vorliegen von CHIP stellte sich heraus, dass Patient*innen mit TET2-Mutation ein wesentlich besseres Ansprechen auf die Therapie zeigten als Patient*innen mit anderen CHIP-Mutationen oder ohne Mutation [53]. Da es sich um eine retrospektive Analyse handelt, sollten diese vielversprechenden Daten in zukünftigen Studien bestätigt werden. Sicherlich sind weitere Mechanismen beteiligt, die andere Immunzellen mit spezifischen Mutationen in bestimmten CHIP-Genen einschließen.

Es ist noch keine Therapie etabliert, die den CHIP-mutierten Blutzellklon gezielt angreift

Es gibt noch keine generellen Leitlinien dahingehend, welche Patient*innen mit CHIP von einer Therapie profitieren. Bei kardiovaskulären Erkrankungen wurde gezeigt, dass die Größe des mutierten Klons mit einem erhöhten Risiko korreliert. Auch wurde für einzelne betroffene Gene das Risiko bestimmter Herz-Kreislauf-Erkrankungen ermittelt, eine klare Risikostratifizierung fehlt aber noch. Es gibt auch noch keine Therapie, die den CHIP-mutierten Blutzellklon gezielt angreift. Neueste Studien deuten an, welche Strategien möglicherweise verfolgt werden können. Die Gabe von Vitamin C reduzierte die gesteigerte Selbsterneuerung von TET2-mutierten Blutstammzellen durch die Wiederherstellung der TET2-Funktion [54]. Rapamycin, ein mTOR-Inhibitor, blockierte gezielt die Expansion von ASXL1-mutierten Stammzellen [55]. Auch könnten altersabhängige Veränderungen im Knochenmarksmikromilieu eine Zielstruktur für zukünftige Therapien darstellen [56]. Diese Ansätze könnten auch als präventive Maßnahmen gegen die Entwicklung von Leukämien und kardiovaskulären Erkrankungen eingesetzt werden.

Ausblick und Herausforderungen

Obwohl somatische Mutationen in CHIP-Klonen wiederkehrend bestimmte Gene betreffen und deren Funktion experimentell gut verstanden ist, findet man in 40 % der Fälle von klonaler Hämatopoese keine Mutation in einem bekannten CHIP-Treibergen. Bisher unbekannte CHIP-assoziierte Gene und Mechanismen der klonalen Dominanz sowie deren Beteiligung an CHIP-assoziierten Erkrankungen müssen entschlüsselt werden. Auch tragen Klone mit CHIP-Treibermutation andere Mutationen, die möglicherweise erkrankungsrelevant sind, aber selbst nicht an der Entwicklung des CHIP-Klons beteiligt sind. Wie diese Mutationen assoziierte Erkrankungen beeinflussen, ist unbekannt. Wenig weiß man bisher über CHIP-Klone mit chromosomalen Mosaiken und deren Beteiligung und Auswirkung auf nicht-hämatologische Erkrankungen. Die meisten Gewebe unseres Körpers entwickeln im Alter eine Mosaikstruktur aus unterschiedlich mutierten Klonen. Welche Auswirkungen sie auf die Integrität und Gesundheit des Organismus haben und inwieweit damit Erkrankungen assoziiert sind, die nicht unmittelbar das betroffene Organ betreffen, ist weitgehend unerforscht.

CHIP ist ein hoher Risikofaktor für Alterserkrankungen. Trotzdem entwickeln nur einige Personen mit CHIP hämatologische oder kardiovaskuläre Erkrankungen. Wir brauchen weitere Prädiktoren für CHIP-assoziierte klinische Konsequenzen. Dies würde auch helfen, die mechanistischen Wechselwirkungen zu verstehen. Longitudinale Untersuchungen könnten den Prozess von Mutationsereignis, klonaler Expansion bis zum klinischen Outcome untersuchen. Augenscheinlich ist, dass weitere funktionelle und mechanistische Studien in geeigneten Modellsystemen nötig sind, um die gesundheitsrelevanten Folgen von klonaler Hämatopoese in naher Zukunft therapeutisch angehen zu können.

Fazit für die Praxis

  • Die klonale Hämatopoese von unbestimmtem Potenzial (CHIP) ist mit Atherosklerose und koronarer Herzkrankheit, ischämischer und nicht-ischämischer Herzinsuffizienz sowie Aortenklappenstenose assoziiert.

  • Zudem besteht ein Zusammenhang mit chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung, Infektionskrankheiten und Diabetes.

  • Es gilt, die Rückkopplungsmechanismen unter Beteiligung von CHIP-bedingtem proinflammatorischem Milieu, CHIP-assoziierten Erkrankungen und begünstigter klonaler Expansion mutierter Blutstammzellen zu durchbrechen, um das erhöhte Risiko CHIP-assoziierter Erkrankungen therapeutisch zu unterdrücken.

  • Das Wissen über den CHIP-Status einer Patient*in wird zukünftig die Therapieentscheidungen in Bezug auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen und anderer CHIP-assoziierter Erkrankungen beeinflussen.

  • Aktuell gibt es noch keine generellen Leitlinien dahingehend, welche Patient*innen mit CHIP von einer Therapie profitieren. Eine klare Risikostratifizierung fehlt noch, ebenso eine Therapie, die den CHIP-mutierten Blutzellklon gezielt angreift. Neueste Studien deuten auf mögliche Strategien hin.