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Zu Anfang der Coronavirus-disease-2019(COVID-19)-Pandemie war das Abbremsen der ersten Welle einer neuen, sich rasch ausbreitenden Infektionskrankheit, gegen die es keine wirksame Therapie oder Prophylaxe gab, die vorherrschende Herausforderung an die Medizin. Ohne die ergriffenen Gegenmaßnahmen wäre unser Gesundheitssystem rasch überlastet gewesen. Klinisch waren die akuten Komplikationen der Infektion damals im Vordergrund, man hatte kaum Zeit oder Fantasie, um mögliche Langzeitschäden zu bedenken. Zwei Jahre später, nach Entwicklung wirksamer Vakzinen und Therapeutika, hat sich diese Perspektive drastisch gewandelt. Die akuten Folgen der Infektion lassen sich mittlerweile besser begrenzen, die Langzeitfolgen von COVID-19 dagegen stellen uns vor ganz neue Aufgaben.

Viele Patienten berichten Wochen oder Monate nach einer überstandenen Infektion mit dem „severe acute respiratory syndrome coronavirus type 2“ (SARS-CoV-2) über persistierende Beschwerden, die eine hohe Krankheitslast verursachen. Das Spektrum, die Häufigkeit und Hypothesen zur Pathogenese werden im Beitrag von Pink u. Welte [1] dargestellt. Die Vielfalt der Symptome und die bisher nicht verstandene Pathogenese zeigen uns deutlich, dass wir die Genese von Long-COVID bisher kaum verstanden haben.

Die Langzeitfolgen von COVID-19 stellen uns vor ganz neue Aufgaben

Symptome nach einer überstandenen COVID-19-Erkrankung können durch Organ- bzw. Organsystemschädigungen im Verlauf der Infektion oder durch persistierende inflammatorische Vorgänge mit Autoimmunphänomenen bedingt sein. Auch hier können wir bisher nicht entscheiden, welche Folgesymptome spezifisch einer SARS-CoV-2-Infektion zuzuordnen sind (beispielsweise Anosmie oder Ageusie) und welche allgemein auf eine schwere Erkrankung mit intensivmedizinischer Therapie zurückgehen, wie etwa eine Polyneuropathie oder psychische bzw psychiatrische Folgeerscheinungen. Die organspezifischen Folgen von COVID-19 an Atemwegen und Lunge werden im Beitrag von Sommer u. Schmeck präsentiert [2]. Hier wird eindrücklich klar, wie weitreichend pulmonale Folgeerscheinungen nach COVID-19 sein können, aber auch wie groß der Bedarf an weiteren grundlagenwissenschaftlichen klinischen Forschungsaktivitäten ist, um Pathomechanismen und mögliche therapeutische Optionen aufzudecken.

Ein vermutlich unspezifisches, aber in dieser Häufigkeit und Schwere sehr selten bei anderen Infektionskrankheiten auftretendes Symptom ist der schwere Erschöpfungszustand (Fatigue). Vielen Ärztinnen und Ärzten wird dieses Symptom bereits begegnet sein, beispielsweise nach einer Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus. Der aktuelle Stand zu diesem Symptomkomplex sowie die Hypothesen zu Pathogenese und Verlauf werden im Beitrag von Renz-Polster u. Scheibenbogen [3] diskutiert.

Die Impfung ist weiterhin sehr wirksam in der Vermeidung schwerer Verläufe, auch bei den aktuell zirkulierenden Varianten mit zunehmendem Immun-Escape. Bisher fehlten aber Daten zur Rolle der Impfung in der Vermeidung von Folgeerscheinungen wie dem Long-COVID-Syndrom. Nun wird durch zunehmende Evidenz klar, dass sie auch das Risiko von Langzeitfolgen der COVID-19-Erkrankung reduziert. Die aktuellen Daten werden im Beitrag von Bauernfeind u. Schmidt [4] zusammengefasst.

Die Häufigkeit und Schwere von Long-COVID verursacht sicherlich eine hohe Krankheitslast. Die sehr aktuellen Beiträge zeigen, dass wir innerhalb kurzer Zeit viel über das Phänomen Long-COVID gelernt haben – aber auch, dass unser Wissen über die Folgen einer SARS-CoV-2-Infektion noch sehr lückenhaft ist. Die Beiträge zeigen jedoch Wege auf, diese Lücken zu schließen, und sie weisen auf mögliche präventive und therapeutische Strategien hin. Wird dies eine der letzten Herausforderungen im Lauf der Pandemie sein? Vermutlich nicht, aber wie den vorigen Herausforderungen sollten wir uns auch dieser rasch stellen. Intensive Forschungsaktivitäten zu den Pathomechanismen werden eine bessere Typisierung des heterogenen Krankheitsbilds Long-COVID erlauben und therapeutische Zielstrukturen aufdecken – perspektivisch werden sie auch wichtige Erkenntnisse über ähnliche, bisher unverstandene Folgeerscheinungen akuter Infektionskrankheiten liefern.