Anamnese

Ein männlicher 81-jähriger Patient wurde vom Notarzt unter dem Verdacht eines akuten zerebralen Geschehens in den Schockraum gebracht.

Am Vorabend hatte der letzte Kontakt mit den Angehörigen stattgefunden, er wurde in den Morgenstunden liegend am Boden vorgefunden.

Der Patient bot klinisch einen Herdblick nach links sowie eine Hemiplegie links, der GCS lag bei 5, der Blutzucker im Normbereich. Vom Notarzt wurde der Verdacht auf eine Hirnblutung gestellt. Zusätzlich wurde präklinisch ein EKG geschrieben, in welchem ST-Strecken-Hebungen greifbar waren. Es erfolgte präklinisch kein „loading“ mit einer plättchenhemmenden Substanz unter dem Gesichtspunkt einer möglichen intrazerebralen Blutung als Ursache.

Da der Pat. so weit suffizient atmete, wurde eine Intubation nicht vorgenommen und dem schnellen Transport in den Schockraum Vorrang gegeben, um eine Diagnostik rasch zu ermöglichen.

Befund

Beim Eintreffen im Schockraum zeigte sich der Pat. nicht ansprechbar, der Herdblick nach links weiterhin vorhanden sowie die schlaffe Hemiparese links.

Zusätzlich fiel ein pathologisches Atemmuster auf, der Pat. wurde mit einem invasiven Blutdruckmonitoring versehen.

Die erste BGA zeigte eine metabolische Azidose mit einem pH von 7,2, Laktat bei 9 mmol/l liegend, die Elektrolyte ausgeglichen, die Oxygenierung geringgradig eingeschränkt, es wurden 2 l O2 verabreicht.

Der Blutdruck war gering hypoton, die Glukosewerte normal, die Herzfrequenz mäßig tachykard um 110/min. In Zusammenschau zeigte sich ein im beginnenden Schock befindlicher Pat. mit einer Insultsymptomatik sowie einer Oxygenierungsstörung. Eine weitere Anamnese mit dem Pat. bzgl. Vorerkrankungen war aufgrund des Zustands des Pat. nicht möglich. Soweit es durch die Angehörigen erhebbar war, dürfte der Pat. noch eingeschränkt mobil gewesen sein, bevor ihn die akute Erkrankung ereilte.

Diagnose

  • Es wurde der diensthabende Neurologe beigezogen und eine rasche zerebrale Bildgebung mittels CCT und zerebraler Angiographie organisiert.

  • Aufgrund der im EKG auffallenden ST-Strecken-Hebungen in II, III, aVF sowie V2–V6 (Abb. 1, EKG 1 und 2) bei zugrunde liegendem Vorhofflimmern wurde ein Bedside-Echo durchgeführt.

  • In diesem fand sich eine hochgradig reduzierte globale Pumpfunktion mit Hypokinesie der mittleren bis distalen septalen sowie apikalen und der distalen inferioren Wandabschnitte.

  • Als jedoch hervorstechendster Befund war eine ausgeprägte linksatriale Thrombusmasse, die bei Öffnung der Mitralklappe durch diese migrierte und dem linken Vorhof anhaftete, darstellbar (Abb. 2 und 3 Echo, Echo1, Echo Video, Video 2).

  • In der CCT mit CTA fanden sich mehrere keilförmige Ischämieareale im ACM-Stromgebiet, links mehr als rechts, links großteils bereits mit aufgehobener Rindenmarkdifferenzierung (Abb. 4).

  • Im Lungenröntgen zeigten sich in beiden Lungenoberlappen atypische Infiltrate.

  • Vonseiten der Labordiagnostik waren deutlich erhöhte Infektwerte mit einem CRP von 16 mg/dl sowie einer Leukozytose von 14,5 G/l auffallend.

  • Zusätzlich fand sich ein D-Dimer jenseits des bestimmbaren Maximalwerts von über 20 mg/dl, ein Fibrinogen von 500 mg/dl sowie eine Lymphopenie (0,78 G/l), die Troponin-T-Hs-Werte bei erster Bestimmung bei 400 pg/ml liegend.

  • Differenzialdiagnostisch kam für eine massive Embolie in mehreren Kompartimenten bei einem Pat. dieses Alters eine hämatoonkologische Grunderkrankung oder eine fulminante Beinvenenthrombose mit gekreuzter Embolie durch ein PFO als Ursache infrage.

  • Die Befundlage mit ausgeprägten Infektwerten, massiver Aktivierung des Gerinnungssystems sowie einer im Blutbild vorhandenen Lymphopenie lenkte den Verdacht auf eine Infektion mit COVID-19.

  • Diese Infektion konnte mittels PCR-Schnelltest verifiziert werden, es ließen sich keine klinischen Anzeichen einer Infektion in den Tagen davor erheben.

    Abb. 1
    figure 1

    EKG mit Grundrhythmus VHF und ausgeprägten ST-Strecken-Hebungen in a II, III, aVF und b V2–V6

    Abb. 2
    figure 2

    Fünfkammerblick von apikal mit die Mitralklappe durchwandernder Thrombusmasse

    Abb. 3
    figure 3

    Dreikammerblick von apikal mit die Mitralklappe durchwandernder Thrombusmasse

    Abb. 4
    figure 4

    CCT mit Perfusion/Diffusion mit mehreren bihemisphärischen Insulten, durch die Pfeile markiert

Therapie und Verlauf

Die Befunde wurden mit dem diensthabenden interventionellen Kardiologen und den Kollegen der Intensivmedizin sowie den interventionellen Radiologen ausführlich besprochen.

Aufgrund des Alters und der schweren, bereits demarkierten Insulte sowie der schlechten Prognose bei einer Affektion mehrerer Organsysteme durch die Embolien und die zugrunde liegende COVID-19-Infektion wurde von einer Intubation und einer weiteren Therapieintensivierung Abstand genommen.

Der Pat. wurde schließlich auf eine COVID-Normalstation verlegt und im Sinne einer „best supportive care“ behandelt; er verstarb in weiterer Folge.

Diskussion

Mehrere Arbeiten [1,2,3] diskutierten bereits das erhöhte Thromboserisiko im Rahmen von COVID-19-Infektionen, das Risiko für arterielle Embolien liegt bei bis zu 4 % bei schweren COVID-19-Erkrankungen.

Ebenso scheint die Stentthromboserate bei COVID-19-Patienten mit einem STEMI gegenüber einem normalen Kollektiv deutlich höher zu sein [4].

Der hier präsentierte Fall zeigt ein massives thromboembolisches Geschehen im Rahmen einer COVID-19-Infektion, welches sowohl bilaterale Insulte als auch einen ausgeprägten Myokardinfarkt zur Folge hatte und welches mittels Echokardiographie ebenfalls detektiert werden konnte.

Differenzialdiagnostisch wurde eine Aortendissektion als Ursache in der CTA ausgeschlossen, ebenso konnte bei der transthorakalen Echokardiographie kein atrialer Tumor oder eine Endokarditis nachgewiesen werden.

Laborchemisch war eine ausgeprägte Aktivierung des Gerinnungssystems mit dtl. erhöhtem Fibrinogen und D‑Dimer auffällig.

Ein PFO konnte durch eine rein transthorakale Untersuchung nicht detektiert werden.

Weiters kam auch eine fulminante Embolie im Rahmen einer neoplastischen Erkrankung durchaus infrage, diese konnte aber im Akutsetting nicht weiter abgeklärt werden.

Das bei dem Patienten als zugrunde liegender Grundrhythmus bestehende Vorhofflimmern kann als zusätzlicher Faktor bei der Thrombusentstehung gesehen werden, wobei die COVID-19-Infektion jedoch die im Vordergrund stehende Pathologie darstellt. Die überschießende Immunantwort sowie die Affektion des Komplementsystems und des Gerinnungssystems und eine Mitbeteiligung des vaskulären Endothels lassen bei COVID-19-Infektionen die venösen und arteriellen embolischen Ereignisse deutlich ansteigen.

Es werden in der Literatur unterschiedliche Raten von Beinvenenthrombosen berichtet [5], diese waren gerade am Anfang der Pandemie noch deutlich häufiger als im momentanen Umfeld, es konnte gerade im Bereich des Gerinnungsmanagements viel dazugelernt werden.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass gerade bei ausgeprägten, nicht erklärbaren thromboembolischen Ereignissen auch an eine COVID-19-Infektion als mögliche Ursache gedacht werden sollte.

Fazit für die Praxis

  • Eine Echokardiographie sollte bei Embolien, welche mehrere Organe betreffen, immer erfolgen.

  • Bei ausgeprägten thromboembolischen Ereignissen sollte auch zeitnah eine Testung auf das SARS-CoV-2-Virus erfolgen.