Lernziele

Im Teil 1 dieses CME-Beitrags wurden bereits die wichtigsten physiologischen Grundlagen der Gerinnungsdiagnostik vermittelt. Nach der Lektüre des vorliegenden Teil 2

  • kennen Sie die korrekte Anwendung von Labortesten zur Überwachung von Antikoagulanzientherapien.

  • interpretieren Sie zuverlässig die entsprechenden Laborbefunde.

  • führen Sie sicher die notwendigen Schritte zur Differenzierung von Thrombozytopenien aus.

  • können Sie die differenzierte Anwendung der Thrombophiliediagnostik einordnen.

Vorbemerkung

Der CME-Beitrag „Gerinnungsdiagnostik im klinischen Alltag“ wird in 2 Teilen veröffentlicht; diese behandeln 5 häufige klinische Szenarien, in denen die Gerinnungsdiagnostik einen essenziellen Beitrag leistet. Teil 1 beschäftigt sich mit der Diagnostik vor invasiven Eingriffen und zur Abklärung einer Blutungsneigung. Der vorliegende Teil 2 behandelt die Überwachung von Antikoagulanzientherapien, die neu aufgetretene Thrombozytopenie und die Thrombophilie.

Einleitung

Die Gerinnungsdiagnostik hat in der klinischen Routine ihren festen Stellenwert. Ziel des vorliegenden CME-Beitrags ist es, die Indikationsstellung zur Bestimmung von Gerinnungsparametern sowie deren Anwendung und Interpretation zu vermitteln. Darüber hinaus wird auf relevante physiologische und methodische Grundlagen eingegangen.

Indikationen

Häufige klinische Situationen, in denen eine Gerinnungsdiagnostik indiziert ist, sind

  • Diagnostik vor Operationen oder Interventionen (s. Teil 1 des CME-Beitrags),

  • Diagnostik bei klinischem Verdacht auf eine Blutungsneigung (s. Teil 1 des CME-Beitrags),

  • Überwachung von Antikoagulanzientherapien,

  • neu aufgetretene Thrombozytopenie,

  • Thrombophilie.

Bezüglich der physiologischen Grundlagen von Gerinnungstests wird auf Teil 1 dieses CME-Beitrags verwiesen.

Überwachung von Antikoagulanzientherapien

Orale Antikoagulanzien

Vitamin-K-Antagonisten

Vitamin-K-Antagonisten (VKA) hemmen die Carboxylierung der Gerinnungsfaktoren II, VII, IX und X sowie der Proteine C und S, wodurch ihre enzymatische Aktivierung verhindert wird. Die Wirkung von VKA unterliegt starken inter- und interindividuellen Schwankungen. Die Therapieüberwachung erfolgt seit über 50 Jahren mithilfe des Quick-Werts. Weil die Testverfahren der einzelnen Hersteller Quick-Werte mit bis zu 30- bis 50 %igen Abweichungen ermitteln [1], wird zur Standardisierung zwischen verschiedenen Laboren die International Normalized Ratio (INR) genutzt. Die INR setzt den aus dem Plasma des Patienten ermittelten Quick-Wert in Relation zum Quick-Wert eines standardisierten Normalplasmas. Da die INR dezidiert zur Standardisierung der VKA-Überwachung entwickelt und validiert wurde, sollte diese auch nur in diesem Kontext angewendet werden. Die Zielbereiche richten sich nach der klinischen Indikation.

Direkte orale Antikoagulanzien

Aktuell stehen 2 Wirkmechanismen zur Verfügung, um die Fibrinbildung effizient zu hemmen: mit Dabigatran ein direkter Thrombin- bzw. Faktor-IIa-Inhibitor sowie die Faktor-Xa-Inhibitoren Apixaban, Rivaroxaban und Edoxaban. Im Gegensatz zur kontinuierlichen Gerinnungshemmung bei VKA haben die DOAK eine pulsatile Wirkung: (1) schneller Wirkeintritt innerhalb von 2–4 h und (2) eine kurze Halbwertszeit (ca. 9–12 h). Der maximale gerinnungshemmende Effekt ist nach 2–4 h bereits vorhanden. Eine Therapieüberwachung ist im Gegensatz zu VKA aufgrund der gut vorhersagbaren Pharmakokinetik nicht vorgesehen [2, 3]. Einen Überblick über pharmakologische Eigenschaften der Wirkstoffe gibt Tab. 1. In ausgewählten klinischen Szenarien ist eine Therapieüberwachung jedoch hilfreich (Tab. 2). Die Befunde der Globalteste Quick-Wert und aktivierte partielle Thromboplastinzeit („activated partial thromboplastin time“, aPTT) können unter dem Einfluss von DOAK in Relation zum Einnahmezeitpunkt verändert oder normal sein. Die Veränderung der Werte lässt keinen Rückschluss auf den Plasmaspiegel des DOAK oder die Intensität der Antikoagulation zu [4]. Normale Befunde schließen – abhängig vom verwendeten Reagens und dem DOAK – die Einnahme nicht aus; sogar im DOAK-Spitzenspiegel kann ein normaler Quick‑/aPTT-Wert vorliegen [5, 6]. Blutungsrisiken können anhand von Quick-Wert/aPTT nicht korrekt eingeschätzt werden [7]. Allerdings können pathologische Befunde einen Hinweis auf eine mögliche Überdosierung von Faktor-Xa-Inhibitoren bzw. dem Faktor-IIa-Inhibitor sein. Das kann bei eingeschränkter Verfügbarkeit der erweiterten Labordiagnostik im Einzelfall hilfreich sein.

Tab. 1 Pharmakologische Kenndaten der direkten oralen Antikoagulanzien (aktuelle Fachinformationen)
Tab. 2 Indikationen zur Überwachung einer Therapie mit direkten oralen Antikoagulanzien [2, 3, 8, 9]

Cave

Mithilfe von Quick-Wert und aPTT können relevante DOAK-Konzentrationen weder sicher erfasst noch ausgeschlossen werden.

Merke

Ein Routine-Monitoring der DOAK-Anwendung ist herstellerseitig nicht vorgesehen, jedoch in ausgewählten Fällen sinnvoll.

Aus diesem Grund wurde der Plasmaspiegel (Tal- oder Spitzenspiegel) als standardmäßige Zielgröße für das DOAK-Therapie-Monitoring gewählt [10]. Sehr genau, aber in der klinischen Routine kaum verfügbar, ist die direkte Konzentrationsbestimmung über die Massenspektrometrie. Als Alternative wurde die indirekte Konzentrationsbestimmung über Gerinnungstests etabliert; diese wurden anhand von Plasmen mit bekannten DOAK-Konzentrationen kalibriert. Deshalb muss dem Labor immer das vom Patienten angewendete Antikoagulans mitgeteilt werden, damit die korrekte substanzspezifische Eichkurve ausgewählt werden kann. Überwiegend werden sog. konzentrationskalibrierte chromogene Faktor-Xa-Teste und für Dabigatran Faktor-IIa-Teste über eine verdünnte Thrombinzeit oder Ecarin-Clotting-Time verwendet [11].

Beispiel: Das Plasma eines mit DOAK behandelten Patienten wird mit Faktor Xa inkubiert, der wiederum ein chromogenes Substrat umsetzt; dieses wird optisch gemessen (Trübungsmessung) und lässt einen Rückschluss auf die DOAK-Konzentration zu [12, 13]. Die gemessenen Faktor-Xa-Resultate werden anhand einer Kalibrierungskurve in den Plasmaspiegel in Nanogramm pro Milliliter (ng/ml) umgerechnet.

Weiterhin sind zunehmend Point-of-care-Assays, die in den Notfallsituationen (z. B. Thrombolyse, Blutung) ein schnelles Ergebnis liefern sollen, verfügbar [8]. Einen Überblick über häufig angewandte Testmethoden, deren Funktionsweise und Normbereiche bietet Tab. 3. Mithilfe des Talspiegels, der direkt vor der DOAK-Einnahme bestimmt wird, kann der Abbau des Medikaments beurteilt werden (z. B. Kumulationsneigung bei Niereninsuffizienz, Medikamenteninteraktion). Die Bestimmung des Spitzenspiegels (3 h nach DOAK-Einnahme bzw. 2 h im Fall von Edoxaban) erlaubt durch die Einordnung in den Bereich der zu erwartenden DOAK-Konzentrationen (Tab. 3) eine Aussage darüber, ob die Substanz korrekt resorbiert wurde. Die Spitzenspiegel schwanken interindividuell teilweise um den Faktor 5–10, deswegen stellen die in Tab. 3 angegebenen Konzentrationen lediglich Orientierungswerte dar. Eine direkte Wirkstärke ist nicht ableitbar. Die Plasmaspiegel verschiedener DOAK sind untereinander nicht vergleichbar [14].

Tab. 3 Bestimmung der DOAK-Spiegel [3, 8, 11, 15]

Fallbeispiel

Ein 61-jähriger Patient mit der Eigenanamnese Hypertonie und Vorhofflimmern sowie einer Medikation, bestehend aus Apixaban, Candesartan und Amlodipin, wird mit akutem Nierenversagen (glomeruläre Filtrationsrate [GFR] 6 ml/min, Harnstoffkonzentration 60 mmol/l bzw. 360,36 mg/dl [Umrechnung: mmol/l • 6,006=mg/dl]) aufgenommen. Der Quick-Wert beträgt 18 %. Die Anlage eines Dialysekatheters ist geplant. Die Anti-Xa-basierte Spiegelbestimmung ergibt einen Apixabanwert von 642 ng/ml und somit eine relevante Kumulation des Apixabans bei akutem Nierenversagen. Aufgrund der klinischen Stabilität des Patienten ohne Hinweis auf eine Hypervolämie und Störungen des Säure-Basen-Haushalts wird die Anlage eines Dialysekatheters zunächst zurückgestellt.

Parenterale Antikoagulanzien

Die in der Routine verfügbaren Laborparameter wie Quick, aPTT oder Anti-Xa-Bestimmung erlauben nur eine indirekte Abschätzung der biologischen Wirkung des jeweiligen Antikoagulans. Es besteht keine gute Korrelation mit der eigentlichen In-vivo-Wirkung, da sich die komplexen Interaktionen der Gerinnungsproteine mit den zellulären Bestandteilen (Thrombozyten, Endothelzellen) nicht auf einen Gerinnungswert reduzieren lassen. Die angegebenen „Zielbereiche“ stellen somit lediglich einen Erwartungskorridor zur Abschätzung der Frage, ob die verwendete Dosis korrekt ist, dar [16].

Unfraktioniertes Heparin

Unfraktioniertes Heparin (UFH) führt über eine 100- bis 1000fache Wirkverstärkung des Antithrombins zu einer Hemmung der Faktoren Xa und IIa [17]. Die Therapieüberwachung bei kontinuierlicher Gabe erfolgt mithilfe der aPTT. Als Zielbereich für eine therapeutische Antikoagulation ist eine 1,5- bis 2,5fache Verlängerung der Ausgangs-aPTT akzeptiert. Diese Angabe geht auf eine Kohortenstudie mit 234 Patienten zurück, in der beobachtet wurde, dass bei einer aPTT-Veränderung > 1,5 der Ausgangszeit weniger Thromboembolien auftraten [18]. Große randomisierte Untersuchungen fehlen. Aufgrund des Einsatzes unterschiedlicher Reagenzien in den verschiedenen Laboren variieren die aPTT-Werte, weshalb die Ausgangszeit der aPTT als Referenz für die angestrebte Verlängerung sinnvoll erscheint. Nachteil der ubiquitär etablierten aPTT ist Abhängigkeit von Akut-Phase-Reaktionen [19], insbesondere der Faktor-VIII-Konzentration [20].

Fallbeispiel

Ein 76-jähriger, dialysepflichtiger Patient erleidet eine Lungenembolie. Trotz einer Ausgangs-aPTT von 22 s wird ein Zielbereich > 80 s angestrebt. In der Folge tritt bei einer aPTT von 81 s eine retroperitoneale Blutung auf. Korrekt wäre das Anstreben eines Zielbereichs von 33–55 s gewesen.

Als Alternative zur aPTT kann über eine UFH-spezifische Eichkurve die Anti-Xa-Aktivität bestimmt werden. Diese ist z. B. hilfreich, wenn die aPTT durch ein Lupusantikoagulans verlängert ist. Der akzeptierte Zielbereich beträgt 0,3–0,7 IE/ml, bezogen auf einen chromogenen Anti-Xa-Test [19] – pragmatisch > 0,5 IE/ml. Jedoch stimmen aPTT und Anti-Xa-Werte nur in ca. 60 % der Fälle im Therapiebereich überein [21]. Die Anti-Xa-Bestimmung ist weniger störanfällig und zunehmend in der klinischen Routine akzeptiert. Im Gegensatz zur aPTT liegen klinische Daten zur Verhinderung von Blutungskomplikationen vor [22].

Unabhängig vom verwendeten Labortest ist die Anwendung von Nomogrammen zur Adjustierung der Dosis bzw. Laufrate bei kontinuierlicher Gabe mit einem kürzeren Zeiteintritt bis zum Erreichen des therapeutischen Bereiches verbunden (Tab. 4). Präanalytisch ist zu beachten, dass die Blutentnahme nicht an dem Arm des Patienten, in dem die Verweilkanüle des Heparinperfusors einliegt, durchgeführt wird (falsch-hohe Werte).

Tab. 4 Empfehlungen zur Dosisanpassung für unfraktioniertes Heparin. (Nach Guervil et al. [23] sowie Raschke et al. [24])

Therapie mit unfraktioniertem Heparin bei extremem Körpergewicht (≥ 120 kg).

Retrospektive Untersuchungen zeigen, dass adipöse Patienten den Zielbereich der aPTT langsamer erreichen [25, 26]. Pragmatische Dosierungen von beispielsweise „1000 IE/h“ führen bei ca. 30 % der Patienten zu keiner therapeutischen Heparinisierung [25]. Bezogen auf das Körpergewicht benötigen diese Patienten eine ca. 10 % geringere Dosis im Vergleich zu nichtadipösen Patienten (Tab. 5; [25, 27]).

Tab. 5 Empfehlungen zur Dosisanpassung für unfraktioniertes Heparin bei Patienten mit Adipositas (Körpergewicht ≥120kg). (Modifiziert nach Riney et al. [28] sowie Shin und Harthan [29])

Merke

Die Anwendung von Nomogrammen zur Dosisanpassung bei kontinuierlicher Gabe von UFH führt zum schnelleren Erreichen des therapeutischen Bereiches und erfordert weniger Dosisanpassungen.

Heparinresistenz.

Das Phänomen der Heparinresistenz ist über 70 Jahre alt und nicht exakt definiert (z. B. > 35.000 IE UFH/Tag ohne aPTT-Verlängerung, [30, 31]). Die Bioverfügbarkeit von UFH wird u. a. durch starke Bindungen an Plasmaproteine, Plättchenfaktor 4, Makrophagen sowie Fibrinogen und Endothelzellen beeinflusst [32]. Damit ist sie stark vom physiologischen Aktivierungszustand (z. B. schwere Infektion, postoperative Zustände mit Inflammation, Polytrauma) des Patienten abhängig. Häufig ist eine kontinuierliche Dosissteigerung bis zum Erreichen einer therapeutischen aPTT-Verlängerung die einfachste Lösung. Die Bestimmung von Antithrombin und dessen Substitution wird – ausgenommen bei angeborenem Mangel – aufgrund unzureichender Studienlage nicht empfohlen [33].

Activated Clotting Time.

Der lineare Zusammenhang zwischen aPTT und UFH-Konzentration endet reagensabhängig bei einer Gerinnungszeitverlängerung auf > 100 s. Hochdosierte UFH-Gaben, wie sie im Rahmen von kardiochirurgischen Operationen oder Koronarintervention erfolgen, können nicht mithilfe der aPTT überwacht werden. Daher wird als Point-of-care-Methode die Bestimmung der Activated Clotting Time (ACT) aus Vollblut genutzt; diese weist im Bereich zwischen 50 und 1000 s einen linearen Verlauf auf [34]. Der ACT-Referenzbereich für nichtantikoaguliertes Blut beträgt 60–140 s. Eine Standardisierung der Methode existiert nicht; die Qualitätskontrolle ist herstellerabhängig.

Subkutane Gabe von unfraktioniertem Heparin.

Im Gegensatz zur kontinuierlichen Gabe ist bei einer s.c.-Applikation eine Therapieüberwachung (z. B. Maximum ca. 3–4 h nach Gabe) aufgrund einer starken intra- und interindividuellen Schwankungsbreite mit einem Variationskoeffizienten > 50 % nicht sinnvoll [35, 36].

Niedermolekulare Heparine

Niedermolekulare Heparine (NMH) inhibieren die Faktoren IIa und Xa in einem substanzspezifischen Verhältnis. Eine routinemäßige Therapieüberwachung ist nicht empfohlen, da in Studien keine Korrelation der Anti-Xa-Spiegel mit der antithrombotischen Wirkung oder mit Blutungskomplikationen dargelegt werden konnte [37]. In bestimmten klinischen Situationen ist diese jedoch sinnvoll (Tab. 6).

Tab. 6 Erwartungsbereiche zur Überwachung einer Therapie mit parenteralen Antikoagulanzien (anhand aktueller Fachinformationen)

Ein Steady State tritt bei NMH ca. 3 bis 4 Tage nach Beginn oder Dosisänderung ein, was den Zeitpunkt für die Blutentnahme definiert [38, 39, 41]. Die Blutentnahme sollte ca. 4h nach der s.c.-Gabe erfolgen, da dann der maximale Anti-Xa-Effekt zu erwarten ist [43]. Ein Talspiegel vor der nächsten Gabe kann eine Kumulation aufdecken. Für die Bestimmung werden meist chromogene Anti-Faktor-Xa-Tests mit einer NMH-spezifischen Eichkurve verwendet. Aufgrund des hohen Variationskoeffizienten sind Schwankungen > 20 % möglich [35]. Dosis- und substanzabhängig verlängern NMH die aPTT, was jedoch nicht mit der Wirkung korreliert. Eine Kumulation tritt bei grenzwertiger Nierenfunktion meist erst nach 4 bis 7 Tagen auf [44]. Bei Patienten mit Leberzirrhose ist die Überwachung aufgrund der schwankenden Verteilungsvolumina sehr unzuverlässig [39].

Merke

  • Die Blutentnahme zur Bestimmung der Anti-Xa-Aktivität bei NMH-Anwendung sollte ca. 4 h nach der s.c.-Gabe erfolgen.

  • Bei nichtkonklusiven Werten ist ein Fehler der Abnahmezeit in Relation zur Gabe die häufigste Ursache.

Zur Überwachung einer Therapie mit UFH und NMH gehört auch die Kontrolle der Thrombozytenzahlen zur Detektion einer heparininduzierten Thrombozytopenie (HIT) in den ersten 21 Tagen nach dem Therapiebeginn [45].

Fallbeispiel

Ein 56-jähriger Patient mit einem Nierenzellkarzinom und paraneoplastischer Zwei-Etagen-Thrombose erhält eine Therapie mit 16.000 IE Tinzaparin. Vier Wochen nach dem Therapiebeginn wird sonographisch ein Progress der Thrombose bis in die distale V. cava inferior festgestellt. Eine Anti-Xa-Bestimmung 4 h nach der Gabe ergibt einen Anti-Xa-Spiegel von 0,45 IE/ml. Daraufhin wird die Tinzaparindosis um 25 % auf 20.000 IE erhöht. Die Kontrolle des Anti-Xa-Spiegel ergibt nun 0,78 IE/ml, und die Thrombose ist sonographisch regredient [46].

Fondaparinux

Fondaparinux verstärkt antithrombinvermittelt selektiv die Faktor-Xa-Hemmung um den Faktor 300. Eine routinemäßige Therapieüberwachung wird nicht empfohlen, kann aber im Einzelfall, insbesondere aufgrund der langen Halbwertszeit von 17–21 h, hilfreich sein (z. B. Kumulation bei Niereninsuffizienz, [42]). Die Quantifizierung erfolgt über die mithilfe einer chromogenen Reaktion gemessene Anti-Xa-Aktivität mit spezifischer Eichkurve und wird in Mikrogramm pro Milliliter (µg/ml) angegeben. Die Blutentnahme sollte ca. 2 h nach der Gabe erfolgen (Spitzenspiegel); der Variationskoeffizient schwankt um ca. 20–30 % [42]. Angaben zum Bereich der zu erwartenden Anti-Xa-Aktivität finden sich in Tab. 6. Eine Kumulationsneigung tritt meist nicht vor dem 4. Tag, aber bis 14 Tage nach Applikationsbeginn auf [47].

Merke

  • Die Anti-Xa-Werte verschiedener Substanzen sind nicht vergleichbar.

  • Damit die korrekte Eichkurve für den Anti-Xa-Test ausgewählt werden kann, ist dem Labor immer das angewendete Antikoagulans mitzuteilen.

Argatroban

Der direkte Thrombinantagonist Argatroban wird zur alternativen Antikoagulation bei heparininduzierter Thrombozytopenie verabreicht. Entsprechend der Fachinformation soll das Therapie-Monitoring über die aPTT-Bestimmung erfolgen, beginnend 2 h nach dem Infusionsbeginn [48], mit dem Ziel der 1,5- bis 3fachen aPTT-Verlängerung. Diese sollte 100 s nicht überschreiten.

Merke

Argatroban reduziert den Quick-Wert, daher ist dieser unter Therapie nicht zu verwerten.

Danaparoid

Das Heparinoid kommt seit der Zulassung von Argatroban 2005 und aufgrund der Kreuzreaktion mit Plättchenfaktor-4-Antikörpern kaum mehr zum Einsatz. Ursprünglich wurde Danaparoid alternativ zu Heparin bei vorliegender HIT verabreicht. Neben dem Einsatz zur Prophylaxe einer tiefen Venenthrombose in einer Dosis von 2‑ bis 3‑mal 750 IE kommt die kontinuierliche Gabe zur Behandlung einer akuter Thrombose infrage. Die Therapieüberwachung ist über einen Anti-Xa-Aktivität-Test möglich. Der Steady-State-Zustand wird erst nach 4 bis 5 Tagen erreicht [49].

Neu aufgetretene Thrombozytopenie

Im Rahmen einer stationären Behandlung stellt eine neu aufgetretene Thrombozytopenie ein häufiges klinisches Problem dar. Die Ursachen sind vielfältig, können jedoch mithilfe eines Stufenschemas, basierend auf klinischen Merkmalen und pathophysiologischen Überlegungen, oft eingegrenzt werden. Bei Patienten ohne maligne Grunderkrankung sind häufige Ursachen die Sepsis bzw. schwere Infektion, akute Blutungen, postoperative Zustände und die Anwendung neuer Medikamente. Die HIT hingegen ist eher selten (ca. 1–2 % der Thrombozytopenien, [50]). Für die Immunthrombozytopenie wird lediglich eine Inzidenz von 1,6–3,9/100.000 Patientenjahre angegeben [51]. Bei Patienten mit fortgeschrittenen Tumoren bzw. hämatologischen Neoplasien sollte neben der eigentlichen Grunderkrankung auch die Chemotherapie als häufige Ursache einer Thrombozytopenie in Betracht gezogen werden.

Diagnostische Schritte

Nach dem Ausschluss einer EDTA-vermittelten Pseudothrombozytopenie durch die Bestimmung der Thrombozytenzahl im Zitratblut helfen die folgenden 5 Schritte bei der Diagnosestellung weiter:

Schritt 1 – Tag des Auftretens in Relation zum Akutereignis (z. B. akute Infektion, Operation).

Die HIT beruht pathophysiologisch auf der Bildung von IgG-Antikörpern gegen Plättchenfaktor-4-Heparin-Komplexe und tritt nicht vor dem 5. Tag nach der Heparinexposition auf (Ausnahme: hyperakute Form bei präformierten Antikörpern und Heparinexposition < 3 Monaten). Daher spielen meist andere Ursachen eine Rolle. Im operativen Bereich sind v. a. postoperative Thrombozytopenien häufig (Nadir meist nach 48 h, Regeneration nach ca. 4 Tagen, meist kein Abfall der Thrombozytenzahl < 150 Gpt/l, selbstlimitierend, [52]). Dieser Verlauf findet sich auch Patienten mit akuten Infektionen, wobei die Regeneration bei schwerer Sepsis meist länger als 96 h dauert (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Typischer Verlauf einer postoperativen Thrombozytopenie. (Mod. nach Greinacher und Selleng [52])

Schritt 2 – Dynamik des Thrombozytenzahlabfalls.

Fällt die Thrombozytenzahl langsam über mehrere Tage ab, ist entweder eine neue Bildungsstörung durch z. B. myelotoxische Medikamente oder ein Verbrauch infolge einer Blutung wahrscheinlich. Fällt die Thrombozytenzahl jedoch schlagartig innerhalb von 24–48 h auf einen sehr niedrigen Wert ab, ist meist eine medikamenteninduzierte, immunologisch-vermittelte Destruktion die Ursache, da die Thrombozyten üblicherweise eine Lebensdauer von ca. 7 Tagen haben. Das genaue Aktenstudium hinsichtlich der Anwendung neuer Medikamente ist essenziell und bildet später die Grundlage der Substanzvermeidung. Im Einzelfall helfen die Fachinformationen der Medikamente weiter, da viele Substanzen Thrombozytopenien verursachen können.

Schritt 3 – Ausprägung des Thrombozytenzahlabfalls und Blutungsneigung.

Der Nadir gibt einen weiteren Hinweis auf die Genese der Thrombozytopenie. Patienten mit einer HIT weisen – unter der Voraussetzung eines intakten Knochenmarks – selten eine Thrombozytenzahl < 20 Gpt/l auf. Ein noch niedrigerer Wert macht eine medikamenteninduzierte, immunologisch-vermittelte Ursache wahrscheinlich („drug-induced immune-mediated thrombocytopenia“). Differenzialdiagnostisch ist auch die thrombotische Mikroangiopathie zu bedenken, die zwar selten ist, aber doch lebensbedrohliche Konsequenzen haben kann. Auch eine Blutungsneigung ist für HIT-Patienten ungewöhnlich (prothrombogenes Krankheitsbild mit Ausbildung von Thrombosen). Patienten mit einer anderen medikamentösen Ursache der schweren Thrombozytopenie neigen eher zu Blutungen (Abb. 2; [53]).

Abb. 2
figure 2

Nadir der Thrombozytenwerte und Blutungskomplikationen in Abhängigkeit von der Genese der Thrombozytopenie. (Mod. nach Warkentin [53])

Schritt 4 – Zusammenhang mit Heparin.

Prüfung s. Abschn. „Heparininduzierte Thrombozytopenie“.

Schritt 5 – andere Ursachen.

Nach der Betrachtung von Akutzuständen, die mit einer neuen Thrombozytopenie einhergehen (v. a. die akute Infektion, Operation etc.) und der Medikamentenprüfung müssen weitere Ursachen interdisziplinär aufgeklärt werden: Myelosuppression (z. B. maligne Grunderkrankung, Chemotherapie), Immunthrombozytopenie, Mikroangiopathien, virale Infektionen etc. Eine Sonderform ist die sog. vakzininduzierte prothrombotische Immunthrombozytopenie (VIPIT), die als sehr seltene Nebenwirkung ca. 5 bis 30 Tage nach der Verabreichung von adenoviralen Vektorimpfstoffen auftritt und mit lebensbedrohlichen arteriellen und venösen Thrombosen assoziiert ist.

Fallbeispiel

Eine 79-jährige Patientin bekommt im Rahmen eines Nicht-ST-Hebungsinfarkts einen Stent in den R. circumflexus implantiert. Dabei erhält sie u. a. unfraktioniertes Heparin und den Glykoprotein(GP)IIb/IIIa-Rezeptor-Hemmer Tirofiban. Zwei Tage nach der Stent-Implantation kommt es zu einer Einblutung an der Leistenpunktionsstelle; die Thrombozytenzahl ist von 278 Gpt/l auf 2 Gpt/l abgefallen. Eine 3 Tage nach der Heparinexposition auftretende HIT ist unwahrscheinlich. Die Dynamik des Thrombozytenzahlabfalls macht eine medikamentöse, immunologisch vermittelte Destruktion wahrscheinlich, in diesem Fall am ehesten durch das Tirofiban ausgelöst. Nach 4 Tagen setzt die Regeneration der Thrombozyten ein.

Heparininduzierte Thrombozytopenie

Die HIT, früher HIT Typ II, ist eine unerwünschte Arzneimittelwirkung nach Gabe von Heparin. Durch Bildung von IgG-Antikörpern gegen den Plättchenfaktor-4(PF4)-Heparin-Komplex kommt es zu einer starken intravasalen Thrombozytenaktivierung mit Ausbildung von arteriellen und/oder venösen Thrombosen sowie folglich zum gesteigerten Thrombozytenverbrauch. Unbehandelt kann eine HIT infolge der Thrombosen mit einer hohen Mortalität assoziiert sein. Die Anamnese ist der Schlüssel zur Diagnosestellung, da es charakteristische Zusammenhänge zwischen dem Beginn der Heparingabe und dem Auftreten einer Thrombozytopenie gibt. Der 4T-Score fasst diese anamnestischen Merkmale zusammen und erlaubt eine Vorhersage der Diagnosewahrscheinlichkeit, die dann eine Labordiagnostik triggert [54]. Die Verwendung des Scores erspart unnötige Labordiagnostik. Bei 0 bis 3 Punkten liegt eine niedrige Wahrscheinlichkeit für eine HIT vor, und eine Labordiagnostik ist nicht sinnvoll. Der negativ-prädiktive Wert beträgt 0,99 [54] bzw. das Restrisiko, eine HIT zu übersehen, < 2 %. Der Erhebung des 4T-Scores stellt immer den ersten Schritt einer HIT-Diagnostik dar (Abb. 3; Tab. 7).

Abb. 3
figure 3

Algorithmus zur Diagnostik einer heparininduzierten Thrombozytopenie (HIT) entsprechend den „American Society of Hematology 2018 guidelines for management of venous thromboembolism: heparin-induced thrombocytopenia“. ELISA „enzyme-linked immunosorbent assay“, HIPA „heparin induced platelet aggregation“. (Mod. nach Cuker et al. [45])

Tab. 7 4T-Score zur Einschätzung der Vortestwahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer HIT. (Aus Cuker et al. [54])

Merke

Bei deutlichem Abfall der Thrombozytenzahl zwischen den Tagen 5 und 10 nach der Heparinexposition ist bis zum Beweis des Gegenteils von einer HIT auszugehen.

Liegt eine erhöhte Vortestwahrscheinlichkeit (≥ 4 Punkte) vor, sind das Absetzen von Heparin und eine Labordiagnostik indiziert. Mit dem Absetzen des Heparins und dem Beginn einer alternativen Antikoagulation wird der pathophysiologische Vorgang der immunvermittelten Thrombozytenaktivierung unterbrochen, und die Thrombozytenzahl sollte innerhalb von 48 h ansteigen. Heparin verursacht häufiger eine Immunantwort gegen PF4, aber nur wenige PF4-Antikörper verursachen das klinische Krankheitsbild einer HIT. Die Labordiagnostik besteht daher aus zwei Stufen: einem sehr sensitiven, aber unspezifischen PF4-Antikörper-Suchtest (ELISA), der bei positivem Testergebnis einen Funktionstest (z. B. „Heparin-induced-platelet-aggregation“[HIPA]-Test, „serotonin release assay“ [SRA]) nach sich zieht. Standard ist der methodisch relativ aufwendige HIPA-Test, der das Vorhalten von Spenderthrombozyten voraussetzt. Deshalb muss immer ein Suchtest vorgeschaltet sein.

Fallbeispiel

Ein 71-jähriger Patient mit einer Ausgangsthrombozytenzahl von 380 Gpt/l, dessen gedeckt rupturiertes abdominelles Aortenaneurysma operativ versorgt wurde, weist am 2. postoperativen Tag einen Thrombozytenzahlabfall auf 230 Gpt/l auf, am Tag 4 steigt die Thrombozytenzahl auf 310 Gpt/l an. Schließlich wird am Tag 8 ein Wert von 180 Gpt/l gemessen. Der Patient erleidet einen Schlaganfall. Der 4T-Score beträgt 6 Punkte, sodass ein PF4-Antikörper-Suchtest veranlasst wird und eine Umstellung der Antikoagulation auf Argatroban erfolgt. Der Suchtest ergibt einen positiven Befund, ebenso der folgende HIPA-Test. Bei nachgewiesener HIT erfolgt eine therapeutische Antikoagulation für 3 Monate.

Thrombophilie nach venöser Thromboembolie

Zu den wichtigen Thrombophilien im Zusammenhang mit einer venösen Thromboembolie (VTE) zählen der Mangel an Protein C oder Protein S sowie Antithrombin, die Faktor-V-Leiden-Mutation (R506Q), die Prothrombin-Genmutation (G20210A) und insbesondere das Antiphospholipidsyndrom (APS) [55, 56]. Es existieren keine einheitlichen Empfehlungen zur Thrombophilietestung. Ein generelles Screening wird nicht empfohlen [57, 58, 59]. Klinische Endpunkte wie die Mortalität, das Rezidivrisiko oder die Therapieart und -dauer werden – mit Ausnahme des APS und seltener schwerer bzw. kombinierter Thrombophilien – durch das Testergebnis kaum beeinflusst [58, 60]. Ein negatives Testergebnis schließt ein erhöhtes Risiko für eine VTE nicht aus [61]. Ein positives Ergebnis ohne klinisches Korrelat kann Verunsicherung und Angst aufseiten des Patienten und seiner Familie sowie Unsicherheit der behandelnden Ärzte auslösen [57, 58].

Bei klar provozierten Ereignissen besteht meist keine Indikation für eine Testung [57, 59]. Besteht aufgrund der Anamnese der Verdacht auf eine Thrombophilie, ist eine Diagnostik dann zu erwägen, wenn ein positives Testergebnis Konsequenzen für das therapeutische Management nach sich zieht (Tab. 8; [59]). Der Thrombophiliestatus soll im Idealfall einen essenziellen Baustein für die Entscheidungsfindung, ob eine Antikoagulationstherapie fortgesetzt werden soll, darstellen.

Tab. 8 Klinische Faktoren, die nach durchgemachter venöser Thromboembolie (VTE) auf eine Thrombophilie hinweisen. (Mod. nach Connors [58])

Merke

  • Eine routinemäßige Thrombophilietestung ist in den meisten Fällen nicht indiziert.

  • Die Wertigkeit der Diagnostik in Bezug auf das Therapiemanagement sollte bedacht werden.

Thrombophilietestung

Patientenselektion.

Einen Überblick über die Selektion von Patienten für eine Testung anhand der klinischen Fragestellung gibt Abb. 4; in Tab. 9 sind die wichtigsten Risikofaktoren zusammengefasst.

  1. 1.

    Venöse Thromboembolie mit Risikofaktor: Die korrekte Einordnung zwischen einem provozierten und unprovozierten Ereignis (mit oder ohne definierten Risikofaktor) ist essenziell für die Bewertung des Rezidivrisikos [59]. Bei klar provoziertem Ereignis (z. B. VTE nach Operation mit Immobilisation) ist das Rezidivrisiko gering und unabhängig vom Thrombophiliestatus (keine Testung, [60, 62]).

  2. 2.

    Venöse Thromboembolie ohne Risikofaktor: Unprovozierte Ereignisse (ohne Risikofaktor) gehen mit einem erhöhtes Rezidivrisiko einher (kumulatives 5‑Jahres-Risiko ca. 30–40 % ohne verlängerte Antikoagulation, [62, 63]). Somit ist unabhängig vom Thrombophiliestatus eine verlängerte Erhaltungstherapie vertretbar [59]. Eine Beeinflussung klinischer Endpunkte durch den Thrombophiliestatus konnte in diesem Patientenkollektiv nicht gezeigt werden [58, 62], sodass eine Indikation zur Testung nicht generell gegeben ist [59, 62]. Vielmehr ist die Mitbehandlung in einer hämostaseologischen Spezialsprechstunde zur Entscheidung über eine Testung und den resultierenden Modus der Antikoagulation (Substanz, Dosierung) empfohlen.

  3. 3.

    Screening von Verwandten 1. Grades: Nach der Diagnose einer hereditären Thrombophilie nach VTE stellt sich die Frage der Notwendigkeit einer Testung der Angehörigen. Eine Konsequenz wäre die mögliche Anpassung des Risikoverhaltens zur Vermeidung einer VTE (z. B. orale Kontrazeption, Rauchen). Da die Studienlage nicht einheitlich ist und ein positives Testergebnis auch zur Verunsicherung beitragen kann, sollte die Indikation zur Testung mit genetischer Beratung Spezialsprechstunden vorbehalten sein.

Abb. 4
figure 4

Empfehlung zur Thrombophilietestung gemäß der klinischen Situation. APS Antiphospholipidsyndrom, FVL Faktor-V-Leiden-Mutation, MPN myeloproliferative Neoplasie, PNH paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie, PTM Prothrombinmutation, VTE venöse Thromboembolie. (Mod. nach Connors [58])

Tab. 9 Risikofaktoren für eine venöse Thromboembolie (VTE) mit Angabe der „odds ratio“ (OR) nach den aktuellen Guidelines der European Society of Cardiology. (Nach Konstantinides et al. [59])

Testzeitpunkt – präanalytische Fallstricke.

In der akuten Phase einer VTE steht die Therapie im Vordergrund [59]. Testergebnisse können verfälscht sein (z. B. Verbrauch von Protein C, Antithrombin, [58, 62]). Es sollte zunächst eine 3‑monatige Therapiephase unter therapeutischer Antikoagulation abgewartet werden [57, 58, 62]. Eine Testung unter Antikoagulanzienanwendung ist problematisch (z. B. VKA verändern Protein-C-/Protein-S-Spiegel, DOAK stören die Messung von Antithrombin, anwesendes Lupusantikoagulans). Somit ist meist eine Pausierung erforderlich (VKA ca. 2 Wochen, DOAK ca. 3 bis 5 Tage bei normaler Nierenfunktion, [58]).

Eine moderne Alternative ist Neutralisation des DOAK mithilfe von Aktivkohle. Diese Maßnahme ermöglicht die Prüfung auf ein Lupusantikoagulans (sonst falsch-positiv) und Antithrombin (sonst falsch-erhöht) [64].

Merke

Aufgrund falsch-positiver Ergebnisse wird das Testen während der akuten Phase nicht empfohlen (Ausnahme Verdacht auf APS), sondern erst nach einem Intervall von mindestens 3 Monaten.

Antiphospholipidsyndrom

Hierbei handelt es sich um ein Syndrom, das mit der Bildung von Antikörpern gegen Phospholipide einhergeht. Es bestehen eine Korrelation mit anderen Autoimmunerkrankungen [65] und ein teilweise hohes thrombembolisches Risiko. Nach der aktuellen Leitlinie der European Society of Cardiology (ESC) ist das Antiphospholipidsyndrom (APS) gemeinsam mit dokumentierten Rezidivereignissen und einer aktiven Tumorerkrankung ein starker Prädiktor für ein thrombembolisches Rezidiv [59]. Labordiagnostisch werden 3 Aspekte untersucht: das Lupusantikoagulans sowie Antikörper gegen Cardiolipin und β2-Glykoprotein (IgG und IgM) mithilfe von ELISA-Tests. Einen guten Überblick bietet die ausführliche Übersichtsarbeit von Garcia und Erkan [65]. Der labormedizinische Nachweis ist für die Wahl der Antikoagulation relevant. Rivaroxaban war bei Patienten mit Triple-positivem APS gegenüber VKA mit einer Übersterblichkeit assoziiert [66], für die anderen DOAK ist die Studienlage diesbezüglich bislang noch unzureichend. Somit stellen die VKA bei Triple-positivem APS weiterhin die Standardtherapie dar.

Fazit für die Praxis

  • Direkte orale Antikoagulanzien (DOAK) können den Quick-Wert und die aktivierte partielle Thromboplastinzeit (aPTT) beeinflussen, jedoch ist kein Rückschluss auf ihre exakte Restaktivität möglich.

  • Über die Messung des Plasma-Tal- und Plasma-Spitzen-Spiegel können DOAK-Therapien überwacht werden.

  • Für eine Anti-Xa-Aktivität-Bestimmung muss dem Labor das zu messende Antikoagulans mitgeteilt werden, damit die richtige Eichkurve zugrunde gelegt wird.

  • Bei Verdacht auf eine heparininduzierte Thrombozytopenie fasst der 4T-Score wesentliche anamnestische und klinische Merkmale zusammen und sollte der Labordiagnostik vorgeschaltet sein.

  • Eine Thrombophilietestung hat mit Ausnahme eines vorliegenden Antiphospholipidsyndroms meist keine therapeutische Konsequenz und muss sorgfältig abgewogen werden.

  • Die Thrombophilietestung kann unter Nutzung von Aktivkohle auch während der Anwendung von DOAK erfolgen.