Ein abdominelles Aortenaneurysma (AAA) wächst meist über Jahre unentdeckt. Als Notfall wird es oftmals erst im Rahmen von Ruptur oder Embolisation klinisch relevant. Wie im Folgenden berichtet, kann sich ein AAA jedoch auch mit eher ungewöhnlicher Symptomatik präsentieren.

Falldarstellung

Anamnese

Ein 70-jähriger Patient stellte sich mit einer progredienten beidseitigen Beinschwellung seit drei Monaten in der interdisziplinären Notaufnahme vor. Als Vorerkrankungen bestanden eine Adipositas Grad III (BMI 46,7 kg/m2), ein Asthma bronchiale, eine arterielle Hypertonie sowie eine linksseitige Gonarthrose. Ein aktuell sistierter Nikotinabusus wurde mit kumulativ 30 „pack years“ angegeben. Die Dauermedikation bestand aus Furosemid, Spironolacton, Tiotropiumbromid und Beclometason/Formoterol und wurde um Novaminsulfon ergänzt. Erkrankungen des oberflächlichen oder tiefen Venensystems waren bisher nicht diagnostiziert worden.

Klinischer Befund

Klinisch zeigte sich eine ausgeprägte ödematöse Schwellung beider Beine mit livider Verfärbung, begleitet von starkem Druckschmerz und Überwärmung. Der Wells-Score lag bei 3. Zudem waren bereits trophische Veränderungen an den Unterschenkeln im Sinne einer Dermatosklerose sowie Atrophie blanche vorhanden (Abb. 1). Bezüglich des peripheren Pulsstatus waren Leistenpulse tastbar und die Fußpulse beidseits dopplerbar. Der Knöchel-Arm-Index war schmerzbedingt nicht zu erheben. Abdominelle Schmerzen bestanden nicht, ebenso kein Fieber. Im Rahmen der differenzialdiagnostischen Überlegungen bestand keine respiratorische Insuffizienz, Einflussstauung oder akute Verschlechterung der körperlichen Belastbarkeit. Ferner fanden sich keine Leberhautzeichen und keine Proteinurie oder sonstige Urinauffälligkeiten.

Abb. 1
figure 1

Beidseitige trophische Veränderungen der dorsalen unteren Extremitäten mit Atrophie blanche und Dermatoliposklerose als kutane Manifestationen der venösen Insuffizienz

Diagnose

  • In der farbcodierten Duplexsonographie (FKDS) ergab sich der Nachweis einer tiefen Beinvenenthrombose (TVT) mit Beteiligung der distalen Beckenetagen beidseits. Weiter proximal gelegene Abschnitte waren aufgrund der Adipositas nicht einsehbar. Die klinischen Zeichen der chronisch venösen Insuffizienz (CVI) wurden als postthrombotisches Syndrom (PTS) gewertet. Es erfolgte die stationäre angiologische Aufnahme mit gewichtsadaptierter Vollantikoagulation und Kompressionstherapie zur Phlebographie in Rekanalisationsbereitschaft. Im Rahmen der durchgeführten Intervention ließ sich die V. cava inferior (VCI) bei Verlegung des Lumens weder phlebographisch darstellen noch endovenös passieren. Nach Abbruch der Intervention erfolgte zur weiteren Diagnostik eine computertomographische Angiographie (CTA) des Abdomens. Hierbei zeigte sich der überraschende Zufallsbefund eines sehr großen infrarenalen AAA mit einem Maximaldurchmesser von 15 cm, welches die VCI vollständig komprimierte (Abb. 2). Zudem bestätigte sich die Thrombose der distal gelegenen Venen mit ausgeprägter variköser Kollateralisierung betont pelvin und im Unterbauch.

    Abb. 2
    figure 2

    Koronarschnitt der CT-Angiographie des Abdomens mit Darstellung des infrarenalen AAA (roter Pfeil) mit vollständiger Kompression der VCI (weißer Pfeil)

    Abb. 3
    figure 3

    Intraoperative Darstellung des AAA (gestrichelte Linie) mit infrarenaler Klemmzone (weißer Pfeil) und lokaler Wandausstülpung als mögliches Zeichen einer drohenden Ruptur (blauer Pfeil)

Therapie und Verlauf

Im Rahmen einer konsiliarischen gefäßchirurgischen Vorstellung wurde die Indikation zur dringlichen offen-operativen Aneurysmaausschaltung gestellt. Das AAA wurde aufgrund der VCI-Kompression mit resultierender TVT als symptomatisch gewertet. Die Indikationsstellung erfolgte somit sowohl leitliniengerecht zur Rupturprophylaxe als auch zur venösen Dekompression. Die operative Versorgung (Abb. 3) erfolgte mittels aortoaortaler Rohrprotheseninterposition.

Nach dreitätiger intensivmedizinischer Überwachung wurde der Patient auf die Normalstation rückverlegt. Hier konnte eine frühe Mobilisation erreicht werden. Leitliniengerecht wurde die Therapie der CVI (CEAP-Klassifikation: C4b) um intermittierende pneumatische Kompression (IPK) ergänzt. Der Patient konnte am elften postoperativen Tag mit oraler Vollantikoagulation (Apixaban 5 mg 1‑0-1) entlassen werden. An diesem Tag zeigten sich in der FKDS teilrekanalisierte Beckenvenen (Vv. iliacae communes et externae). Von einem weiteren interventionellen Rekanalisationsversuch des tiefen Venensystems wurde abgesehen.

Diskussion

Die vorliegende Kasuistik beschreibt eine ausgeprägte beidseitige Mehr-Etagen-Thrombose als Primärsymptom eines großen abdominellen Aortenaneurysmas.

Die AAA-Prävalenz beträgt bei 70-jährigen Männern 2,4 % [9]. Hierbei sind betroffene Patienten meist asymptomatisch. Als Symptomatik werden klassischerweise persistierende abdominelle Schmerzen oder Flanken- bzw. Rückenschmerzen (im Sinne eines drohenden Rupturzeichens) sowie eine arterielle Embolisation mit konsekutiver peripherer Minderperfusion definiert. Im Falle einer Symptomatik ist eine dringliche, ggf. notfallmäßige Aneurysmaausschaltung indiziert.

Im vorliegenden Fall ergab sich der akute Handlungsbedarf aus zwei Aspekten. Vordergründig bestand bei dem Patienten eine ausgeprägte TVT mit Schmerzen und trophischen Störungen beider Beine, bedingt durch das große AAA. Im Sinne einer adäquaten Schmerzreduktion wurde eine kausale Therapie – die Dekompression der VCI – indiziert. Zum anderen lag der AAA-Durchmesser bei 15 cm. Leitliniengerecht ist die Indikation zur operativen Ausschaltung im Sinne der Rupturprophylaxe bei männlichen Patienten ab 5,5 cm Durchmesser gegeben. Das erwartete Rupturrisiko bei 15 cm Durchmesser kann aus der aktuellen Studienlage nicht ermittelt werden. Ab 7 cm liegt dieses jedoch bei 32,5 % pro Jahr [3].

Das Phänomen einer vollständigen Kompression der VCI durch ein AAA mit resultierender TVT ist sehr selten und nur in Einzelfällen beschrieben [1, 2, 6, 8]. Die angewandten Therapieverfahren umfassen neben offenen auch endovaskuläre Aneurysmaausschaltungen (EVAR), wobei Letzteres aufgrund der verzögerten Aneurysmasackregredienz zur Dekompression ungeeignet ist. Die Diagnose erfolgt mittels CTA oder Magnetresonanzangiographie (MRA). Begleitaneurysmen der Iliakalarterien können ein zusätzliches venöses Abflusshindernis darstellen [8]. Ebenfalls ist ein Fall von einseitiger Beinschwellung durch ein AAA mit aortokavaler Fistel beschrieben [10]. Im Vergleich zur gesunden Allgemeinbevölkerung haben Patienten mit Aortenaneurysmen ein 1,88-fach erhöhtes Risiko für eine TVT, wobei eine abdominelle Aneurysmamanifestation im Gegensatz zur thorakalen das Risiko noch weiter erhöht [4].

Der diagnostische Goldstandard zur Erkennung eines AAA ist die Abdomensonographie. Die Genauigkeit dieser Untersuchung kann bei adipösen Patienten allerdings eingeschränkt sein [5]. Demzufolge sollte eine frühzeitige Eskalation der diagnostischen Maßnahmen im Sinne einer Schnittbildgebung bei entsprechenden Patienten evaluiert werden. Wenngleich selten ursächlich für eine TVT, sollten abdominelle Raumforderungen differenzialdiagnostisch miterfasst werden. Die Lagebeziehung zur VCI lässt aortale Pathologien hierbei in den Fokus rücken.

Neben der seltenen Ursache des venösen Kompressionssyndroms sollten Differenzialdiagnosen der beidseitigen Beinschwellung berücksichtigt werden. Im Sinne einer akuten Erkrankung stehen hierbei die TVT und die kardiale Dekompensation im Vordergrund. Zu chronischen Ursachen gehören u. a. die CVI, das Lymphödem, eine Hepato- oder Nephropathie und die Rechtsherzinsuffizienz. Im vorliegenden Fall ergab sich aus dem klinischen Befund der Verdacht auf eine TVT. Zur genaueren Eingrenzung sollte eine gezielte laborchemische und apparative Diagnostik ergänzt werden. Hierzu zählen zum Ausschluss einer kardialen Genese ein Elektrokardiogramm und eine Echokardiographie. Bei potenziell medikamentös bedingten Ödemen sollte eine kritische Analyse der Dauermedikation erfolgen.

Die konservativen Maßnahmen des PTS umfassen Kompressionstherapie, IPK, Gehtraining und Krankengymnastik mit begleitender Antikoagulation. Nach Ausschöpfen dieser Behandlungsmethoden sollte zunächst endovaskulär (z. B. Stentangioplastie) therapiert werden. Bei ausbleibendem Erfolg sind offen-chirurgische Therapien wie venöse Bypassanlagen angezeigt [7]. Im vorliegenden Fall kann bei deutlicher Abnahme der Beschwerden vorerst auf eskalierende Maßnahmen verzichtet werden. Genannte konservative Maßnahmen sind obligat in der weiteren ambulanten Behandlung.

Fazit für die Praxis

  • Ein AAA kann in seltenen Fällen eine tiefe Becken‑/Beinvenenthrombose verursachen.

  • Intraabdominelle Raumforderungen sollten insbesondere bei beidseitiger 4‑Etagen-TVT differenzialdiagnostisch in Betracht gezogen werden.

  • Die Indikation zur Schnittbildgebung sollte großzügig und frühzeitig gestellt werden.

  • Ein AAA (>5,5 cm) ist bei Cava-Kompression mit TVT als symptomatisch einzustufen und bedarf dringlicher Therapie, wobei die offen-chirurgische Ausschaltung zur Dekompression endovaskulären Verfahren (EVAR) prinzipiell vorzuziehen ist.