Prüfungssimulation

Fallschilderung

Ein 68-jähriger Patient wird unter der Vorankündigung eines respiratorischen Problems in der Notaufnahme vorgestellt. Er habe seine Frau bei einem Arzttermin begleitet und sei dort mit akuter Dyspnoe kollabiert. Bei Eintreffen des Rettungsdienstes sei ein schwer atmender Patient mit einer pulsoxymetrischen Sauerstoffsättigung (SpO2) von 87 % angetroffen worden. Die grobblasigen Rasselgeräusche und ein Giemen seien auf Distanz zu hören gewesen und der systolische Blutdruck („systolic blood pressure“, SBP) trotz Anbehandlung mit 5 mg Nitrendipin s. l. durch das Praxispersonal weiterhin über 220 mm Hg. Der Patient sei wach und orientiert gewesen und habe verneint, einen Bewusstseinsverlust, pektanginöse oder sonstige Beschwerden als die akute Luftnot verspürt zu haben. Bis zu diesem erstmaligen derartigen Vorfall sei es ihm gut gegangen. Das unmittelbar geschriebene EKG zeigt einen anamnestisch vorbekannten Linksschenkelblock.

Prüfungsfragen

  • Formulieren Sie ein Leitsymptom. Welche Aspekte möchten Sie noch in der Notfallanamnese erfahren?

  • Nennen Sie ein geeignetes Schema zur strukturierten klinischen Beurteilung des Notfallpatienten und formulieren Sie eine Verdachtsdiagnose. Erläutern Sie Ihre differenzialdiagnostischen Überlegungen und Prioritäten.

  • Nennen Sie mögliche Ursachen einer chronischen und akuten De-novo-Herzinsuffizienz.

  • Nennen Sie typische Auslöser einer akut dekompensierten chronischen Herzinsuffizienz (ADCHI).

  • Nennen Sie klinische Zeichen der Herzinsuffizienz und eine grobe Einteilung, die der schnellen klinischen Beurteilung im Notfall dienlich sein könnte.

  • Nennen Sie typische Manifestationssyndrome der akuten Herzinsuffizienz und ihre Charakteristika.

  • Wann spricht man von einer Herzinsuffizienz, und wie lässt sie sich klassifizieren?

  • Sie übernehmen die weitere Behandlung im geschilderten Fall. Erläutern Sie geeignete Erstmaßnahmen bei Verdacht auf eine akute Herzinsuffizienz und Ihr weiteres Vorgehen in der Notaufnahme. Wie lauten Ihre Behandlungsziele in der Initialphase?

  • Beurteilen Sie die vorliegenden Befunde. Wie lauten Ihre weiteren Schritte?

  • Welche weiteren Maßnahmen sind während der stationären Behandlung indiziert?

Antworten

Formulieren Sie ein Leitsymptom. Welche Aspekte möchten Sie noch in der Notfallanamnese erfahren?

Merke.

Als Gedankenstütze für die in der Notfallanamnese zu erhebenden Informationen kann eine schematische Abfrage, z. B. gemäß dem Akronym (S)AMPLE(RS), hilfreich sein.


  • S: Symptomatik/subjektives Hauptproblem/Leitsymptom.

    • Eruierung durch fokussierte aktuelle Anamnese. Hier: Akute Dyspnoe;

  • A: Allergien;

  • M: Medikamente:

    • Änderungen?

    • Regelmäßige Einnahme?

  • P:Past medical history“ (Vorerkrankungen):

    • Herz- oder Lungenerkrankung bekannt?

    • Ursache des Linksschenkelblocks eruierbar?

    • Kardiale Diagnostik (letzte oder jemals)?

  • L: Letzte Mahlzeit;

  • E: Akutes Ereignis in Bezug auf den Notfall (z. B. ungewöhnliche Belastung, Sturz o. Ä);

  • R: Risikofaktoren (in Bezug auf das jeweilig vermutete Problem);

  • S: Schwangerschaft.

Der Fall.

Allergien seien nicht bekannt. Eine Dauermedikation bestünde mit Acetylsalicylsäure (ASS) und Insulin. Außerdem habe der Hausarzt vor Kurzem eine solche mit Spironolacton wegen Ödemen initiiert und ein Gespräch über erhöhte Nierenwerte führen wollen. Eine Herz- oder Lungenerkrankung sei nicht bekannt, nur ein Diabetes mellitus und arterieller Hypertonus. Eine Koronarangiographie sei einmalig 4 Jahre zuvor ohne eine Intervention erfolgt. An weiteren kardiovaskulären Risikofaktoren (CVRF) ergeben sich eine Adipositas und ehemaliger Nikotinabusus mit 8 pack years.

Nennen Sie ein geeignetes Schema zur strukturierten klinischen Beurteilung des Notfallpatienten und formulieren Sie eine Verdachtsdiagnose. Erläutern Sie Ihre differenzialdiagnostischen Überlegungen und Prioritäten.

  • Zur Beurteilung von Notfallpatienten eignet sich das ABCDE-Schema.

  • Dabei werden die Vitalfunktionen und andere Aspekte in der Reihenfolge ihres Problempotenzials beurteilt und unmittelbar gesichert, wenn lebensbedrohliche Abweichungen festgestellt werden.

Merke.

Es gilt im Notfall immer das Prinzip „Treat first what kills first“.


  • Die im Fall geschilderte Befundkonstellation und Beispiele für Differenzialdiagnosen (DD) sind nach dem oben genannten Prinzip in Tab. 1 aufgeführt.

  • Eine Priorisierung der zahlreichen DD erscheint sinnvoll, nach Häufigkeit (Volkskrankheiten, Pandemie?), klinisch-anamnestischer Wahrscheinlichkeit und dem Problempotenzial (zuerst Ausschluss akut lebensbedrohlicher DD, insbesondere bei therapeutischer Konsequenz).

Tab. 1 Vorliegende Befundkonstellation gemäß dem ABCDE-Schema und Beispiele für Differenzialdiagnosen (DD)

Der Fall.

Verdachtsdiagnose: In der Zusammenschau der oben genannten Befunde, der fulminanten Symptomatik und des kardiovaskulären Risikoprofils besteht der hochgradige Verdacht eines hypertensiven Lungenödems.

Als klinische Manifestationsform der akuten Herzinsuffizienz ergibt sich diese Erst- und weiterzuverfolgende Arbeitsdiagnose. Dabei stellt sich v. a. die Frage nach Auslösern, um eine spezifische Therapie bahnen zu können.

  • Im Folgenden verwendete Bezeichnungen und Abkürzungen:

  • AHI: Akute Herzinsuffizienz (alle Phänotypen)

  • CHI: Chronische Herzinsuffizienz,

  • De novo Akute Herzinsuffizienz (AHI): AHI als Erstdiagnose (ED) ohne CHI (bei akutem Problem),

  • ADHI: Akut dekompensierte Herzinsuffizienz, mit dieser Bezeichnung ist der Phänotyp der AHI mit milder bis moderater Stauung (warm oder kalt und feucht) gemeint, der keinem der folgenden Phänotypen entspricht: akutes (schweres) Lungenödem, isolierte akute Rechtsherzinsuffizienz oder kardiogener Schock,

  • ADCHI: AHI bei (bekannter) CHI ohne Konkretisierung des Phänotyps,

  • ED AHI: AHI als ED einer Herzinsuffizienz. Kann Erstdekompensation einer noch nicht erkannten CHI entsprechen (ADCHI) oder sich de novo bei akutem Problem manifestieren.

Merke.

Die Herzinsuffizienz ist in allen ihren Variationen ein klinisches Syndrom diverser Ätiologie, deren Ursache erkannt werden muss, um eine kausale Therapie einleiten zu können.

Cave.

Einer ED AHI wird eine höhere Inzidenz spezifischer und potenziell lebensbedrohlicher akuter Ursachen und eine schlechtere Prognose (3-fach häufiger kardiogener Schock, 40 % mehr Krankenhausmortalität) als der ADCHI zugeschrieben, sodass eine größere Bedrohung angenommen werden muss [2].


Differenzialdiagnostische Überlegungen und Prioritäten:

Höchste Priorität: Ursachensuche der ED AHI (wahrscheinlichste und bedrohlichste DD).

  • Definitive Ursache: hypertensive Krise.

    • Der präzise Verdacht des hypertensiven Lungenödems impliziert als Spezialfall des kardialen Lungenödems bereits die Hypertension als zugrunde liegende Ursache.

    • Merke. Ein hypertensiv bedingter vital bedrohlicher Organschaden (z. B. Lungenödem, Herzinsuffizienz, instabile Angina, Aortendissektion, Enzephalopathie, Hirn- oder Retinablutung) ist definierend für den hypertensiven Notfall.

    • Als Auslöser beider AHI-Verlaufsformen denkbar (De-novo- oder ADCHI).

  • DD De-novo-AHI bei akutem kardiovaskulärem Ereignis.

    • Sollte aufgrund der höheren Inzidenz bei ED AHI zusätzlich zur Hypertension angenommen und zeitnah ausgeschlossen werden.

    • Hier am ehesten akuter Myokardinfarkt (Typ II; sowohl häufig als auch wahrscheinlich bei bereits vorliegender hypertensiver Komplikation und kardiovaskulärem Risikoprofil), der auch mit atypischer Symptomatik (insbesondere ohne explizit erwähnte Brustschmerzen) auftreten kann.

  • DD ADCHI: Häufig liegt der ED AHI dennoch eine (zuvor nichterkannte) CHI zugrunde. Die möglichen Ursachen der CHI und typischen Auslöser einer Dekompensation sind in Tab. 2 und Abb. 1 aufgeführt.

Tab. 2 Ursachen einer chronischen (CHI) und akuten De-novo-Herzinsuffizienz (De-novo-AHI)
Abb. 1
figure 1

Typische Auslöser einer kardialen Dekompensation bei chronischer Erkrankung (ADCHI). NSAR nichtsteroidale Antirheumatika. aEine Auflistung von Arzneimitteln mit negativer Auswirkung auf eine chronische Herzinsuffizienz ist bei Page et al. [5] zu finden. (Zusammenstellung nach Inhalten der Leitlinie der European Society of Cardiology [3] und der nationalen VersorgungsLeitlinie [4])

Nennen Sie mögliche Ursachen einer chronischen und akuten De-novo-Herzinsuffizienz.

  • Siehe Tab. 1.

Nennen Sie typische Auslöser einer akut dekompensierten chronischen Herzinsuffizienz (ADCHI).

  • Siehe Abb. 1.

Nennen Sie klinische Zeichen der Herzinsuffizienz und eine grobe Einteilung, die der schnellen klinischen Beurteilung im Notfall dienlich sein könnte.

  • Die klinischen Zeichen der Herzinsuffizienz können in die Ausprägungen der Stauung und Hypoperfusion eingeteilt werden (Tab. 3). So ergeben sich vier Kombinationsmöglichkeiten klinischer Manifestationsprofile (Abb. 2).

  • Diese klinische Klassifizierung wird von internationalen Leitlinien zur Beurteilung einer AHI empfohlen, da sie zur schnellen Therapieplanung hilfreich sein kann [4].

Tab. 3 Klinische Zeichen der akuten Herzinsuffizienz. (Mod. nach [1])
Abb. 2
figure 2

Mögliche Manifestationsprofile einer akuten Herzinsuffizienz. (Modifiziert nach der nationalen VersorgungsLeitlinie „Chronische Herzinsuffizienz“ [4])

Nennen Sie typische Manifestationssyndrome der akuten Herzinsuffizienz und ihre Charakteristika.

  • Die häufigsten AHI-Phänotypen (Overlap-Syndrome möglich) und einige ihrer Charakteristika [2, 3] sind in Tab. 4 aufgeführt.

Tab. 4 Typische Manifestationssyndrome der akuten Herzinsuffizienz (AHI). (Mod. nach [1])

Wann spricht man von einer Herzinsuffizienz, und wie lässt sie sich klassifizieren?

Die Definition der Herzinsuffizienz erfolgt über klinische Symptome und Zeichen, die durch Abnormitäten der kardialen Struktur und/oder Funktion mit der Folge reduzierten Auswurfs und/oder erhöhter intrakardialer Drücke in Ruhe oder bei Belastung zustande kommen [3].

Die Klassifizierung der Herzinsuffizienz ist anhand zahlreicher Kriterien möglich, und a.e. relevante sind in Tab. 5 aufgeführt.

Tab. 5 Auswahl der Klassifikationsmöglichkeiten der Herzinsuffizienz. (Mod. nach [1])

Sie übernehmen die weitere Behandlung im geschilderten Fall. Erläutern Sie geeignete Erstmaßnahmen bei Verdacht auf eine akute Herzinsuffizienz und Ihr weiteres Vorgehen in der Notaufnahme. Wie lauten Ihre Behandlungsziele in der Initialphase?

  • Ein möglicher Handlungsalgorithmus für die Initialphase ist in Abb. 3 dargestellt.

  • In der Notaufnahme sollte die Akutversorgung bei Verdacht auf eine kritische Erkrankung (konkret AHI, mindestens aber ein respiratorisches Problem) in einem Raum mit Schockraumstandards erfolgen.

  • Die Initialmaßnahmen sollten auf die folgenden Ziele ausgerichtet sein und möglichst parallel stattfinden:

    1. 1.

      Sicherung der Vitalfunktionen (ABCDE, regelmäßige Reevaluation),

    2. 2.

      weitere Diagnostik zur Diagnosesicherung, gleichzeitig spezifische Ursachensuche und Abklärung wichtiger Differenzialdiagnosen,

    3. 3.

      Akuttherapie (so kausal wie möglich) und Planung der weiteren Versorgung.

Abb. 3
figure 3

Handlungsalgorithmus bei V. a. eine akute Herzinsuffizienz. SBP „systolic blood pressure“ (systolischer Blutdruck), ACS akutes Koronarsyndrom, MCS mechanische Kreislaufunterstützung (Optionen: v‑a-ECMO arteriovenöse extrakorporale Membranoxygenierung, IABP intraaortale Ballonpumpe, (L/R)VAD „(left/right) ventricular assist device“ oder Impella als „Bridge-to-bridge“-, „Bridge-to-decision“-, oder „Bridge-to-recovery“-Therapie), ABCDE Abkürzungserklärung s. Text, AF Atemfrequenz, SO2 Sauerstoffsättigung, cCT kraniale Computertomographie, CRP C-reaktives Protein, PCT Prokalzitonin, TSH thyroidstimulierendes Hormon, NP natriuretische Peptide, hs hochsensitiv, RUSH „rapid ultrasound in shock“, SAMPLERS Erklärung s. Text. (Modifiziert nach Inhalten der Leitlinie der European Society of Cardiology (ESC, [3]) und der nationalen VersorgungsLeitlinie „Chronische Herzinsuffizienz“ [4])

Der Fall.

Bereits der Notarzt vermutet ein hypertensives Lungenödem und hat die Hypertension mit Urapidil und das B‑Problem mit Salbutamol, Sauerstoff und Morphin behandelt. Bei DD eines akuten Koronarsyndroms sei zudem ein Loading mit ASS und unfraktioniertem Heparin i.v. vorgenommen worden. Das präklinische EKG habe 2 Punkte gemäß den Sgarbossa-Kriterien ergeben. Der kritisch kranke Patient wird in den Schockraum der Notaufnahme aufgenommen und nach Umlagerung der erste klinische Eindruck erhoben:

  • A: Kein Problem,

  • B: SpO2 88 % unter 15 l/min O2 via Reservoirmaske, Tachypnoe 35/min und Dyspnoe. Pulmo beidseits mit bronchialem Atemgeräusch und grobblasigen Rasselgeräuschen, Giemen und verlängertem Exspirium,

  • C: Herzfrequenz 105/min, Blutdruck 170/90 mm Hg, Haut kaltschweißig und marmoriert,

  • D: Kein Problem: Glasgow Coma Scale (GCS) 15 Punkte, Körpertemperatur 37 °C.

Die weitere Versorgung nach den in Abb. 3 genannten Prinzipien erbringt folgende Befunde:

  • 12-Kanal-EKG (Abb. 4),

  • Laboruntersuchungen (Tab. 6),

  • Thoraxröntgenuntersuchung (Abb. 6),

  • Notfallechokardiographie (Abb. 7, Zusatzmaterial online: Video): linker Ventrikel und linkes Atrium dilatiert. Hochgradig reduzierte globale systolische Funktion (linksventrikuläre Ejektionsfraktion [LVEF] 23 %) und asynchrone Kontraktionsbewegungen bei Linksschenkelblock mit globaler Hypokinesie und anteroseptaler Akinesie; Geringgradige Mitral‑, Trikuspidal- und Pulmonalklappeninsuffizienz, kein Perikarderguss; Keine Zeichen der Rechtsherzbelastung.

  • Notfallsonographie von Abdomen und Thorax: Nieren beidseits orthotop ohne Harnstau, Blase mäßig gefüllt, keine Pleuraergüsse oder freie intraabdominelle Flüssigkeit. Lungensonographie aufgrund der Priorisierung anderer Maßnahmen bei ausreichender Befundlage nicht erfolgt.

Abb. 4
figure 4

12-Kanal-EKG. Normofrequenter Sinusrhythmus, 77/min, überdrehter Linkslagetyp, PQ 206 ms, QRS 154 ms, QTc 488 ms, R‑Verlust V1–4, weitere Progression verzögert, R/S-Umschlag V5–6, S‑Persistenz. Atrioventrikulärer (AV-)Block I. Grades und Linksschenkelblock mit Erregungsrückbildungsstörungen ohne Signifikanz nach den Sgarbossa-Kriterien (Abb. 5)

Abb. 5
figure 5

EKG-Kriterien für die Diagnose eines ST-Streckenhebungs-Myokardinfarktes bei Linksschenkelblock. Die Erfüllung von 3 Punkten gemäß den originalen Sgarbossa-Kriterien [7] kann auf das Vorliegen eines akuten transmuralen Myokardinfarkts bei Linksschenkelblock hindeuten. Vor allem konkordante ST-Hebungen ≥ 1 mm scheinen gute Indikatoren zu sein. Aufgrund der niedrigen Sensitivität erschienen modifizierte Versionen [8, 9], die ebenfalls aufgeführt sind und hilfreich sein könnten. Die jeweilige Modifikation im Vergleich zu den originalen Kriterien ist in Blockschrift hervorgehoben. Abl. Ableitung

Tab. 6 Laboruntersuchungen. Vom Referenzbereich abweichende Befunde sind in Fettschrift hervorgehoben
Abb. 6
figure 6

Thoraxröntgenuntersuchung (Bedside). Herzschatten grenzwertig groß, Aortensklerose, Zeichen der pulmonalvenösen Stauung, flächige Verschattung im rechten Unterfeld, am ehesten Mischbild aus Dystelektase und Stauung, (begleitende) entzündliche Genese differenzialdiagnostisch möglich. Kein größerer, auslaufender Pleuraerguss, kein Pneumothorax

Abb. 7
figure 7

Auszug aus der Notfallechokardiographie. Darstellung der linksventrikulären globalen longitudinalen Strain-Analyse als „bull’s eye“. Die 17 Kreissegmente spiegeln von zentral nach peripher das je regionale Kontraktionsvermögen von Apex (−3), apikalen (−9 bis 3), mittventrikulären (−11 bis 5) und basalen Myokardsegmenten (−14) in Prozent und farbcodiert wider. Werte negativer als −17 % mit roter Codierung sind normal. Hypokinetische Areale sind heller bis hin zu blauer Codierung bei Akinesie. Hierbei zeigt sich eine globale Hypokinesie mit −6,4 % mit v. a. anteroseptaler Betonung und anteriorer Akinesie. G peak SL global peak systolic longitudinal strain, AVC aortic valve closure, HR heart rate, PSD peak strain dispersion

Beurteilen Sie die vorliegenden Befunde. Wie lauten Ihre weiteren Schritte?

Die bisherige Diagnostik bestätigt den Verdacht der AHI mit dem Phänotyp des akuten Lungenödems und a.e. damit assoziierter respiratorischer Insuffizienz (bei initialem Horowitz-Quotienten von 180 formal einem moderaten „acute respiratory distress syndrome“ [ARDS] entsprechend). Das Manifestationsprofil ist feucht/kalt mit dem echokardiographischen Korrelat einer hochgradig reduzierten LVEF (23 %).

Die Ursachensuche ergibt neben der Hypertension

  • weiterhin die DD der myokardialen Ischämie bei regionaler Wandbewegungsstörung,

  • eine metabolische Azidose und Hyperkaliämie.

    • insofern DD akutes Nierenversagen (ANV),

    • die Hyperkaliämie evtl. iatrogen durch das zuletzt initiierte Spironolacton,

  • eine Hyperglykämie,

  • u. a. ausgeschlossene Diagnosen: „coronavirus disease 2019“ (COVID-19), Pleuraergüsse, Pneumothorax, Lungenarterienembolie, Perikarderguss, vordergründige Infektion.

Es sollte konkret adressiert werden:

  • respiratorische Insuffizienz und Dyspnoe (nach Abb. 3),

  • Bluthochdruck oder ggf. Hypoperfusion (nach Abb. 3),

  • Hyperkaliämie (!), metabolische Azidose und DD ANV,

    • Befundkontrolle, ggf. Kaliumsenkung,

    • Ausschluss eines postrenalen Nierenversagens (ist erfolgt, s. Notfallsonographie),

    • Bilanzierung der Diurese und Urindiagnostik.

  • DD akutes Koronarsyndrom im Sinne einer Troponinverlaufskontrolle (1, 3 h),

  • Stauung (nach Abb. 3) und Therapieerfolgskontrolle anhand Diurese sowie Natriumausscheidung im Urin.

Der Fall.

  • Therapie des hypertensiven Lungenödems:

    • 40 mg Furosemid i.v. und 2 Hübe Nitroglycerin s. l. (Vorlast- und Blutdrucksenkung bei kardialem Lungenödem, (koronare) Vasodilatation auch bei DD ACS nicht ungeeignet);

    • NIV mit PEEP unter supportiver Morphingabe (3 mg i.v.).

  • Befundkontrolle der Hyperkaliämie: Trotz des zuvor applizierten Schleifendiuretikums ist eine Zunahme auf 6,1 mmol/l und eine zunehmende Bradykardie bis 40/min als mögliche Folge dessen zu verzeichnen, darum erfolgt die Anlage eines Notfalldialysekatheters unter folgenden konservativen Maßnahmen:

    • Blasenkatheteranlage und forcierte Diurese,

    • 10 IE Insulin in 250 ml 10 %iger Glucoselösung i.v.,

    • 8,4 %ige Natriumhydrogenkarbonatlösung i.v.,

    • 100 ml 10 %ige Kalziumglukonatlösung i.v.

  • Im Anschluss hat sich der Kaliumspiegel normalisiert, sodass auf die Notfalldialyse verzichtet wird.

  • Der klinische Zustand ist nach den durchgeführten oben genannten Maßnahmen gebessert. Aufgrund der kritischen Gesamtkonstellation werden ein arterieller Zugang mit invasiver Blutruckmessung etabliert und die intensivmedizinische Weiterversorgung geplant. Die dortige Troponinbestimmung im Verlauf zeigt keine signifikante Dynamik. Nach klinischer Stabilisierung erfolgt die Weiterbehandlung auf der kardiologischen Normalstation mit ergänzender Diagnostik (s. unten). Unter anderem wird eine Verlaufsechokardiographie durchgeführt; Diese ergibt keine Befundänderung.

Welche weiteren Maßnahmen sind während der stationären Behandlung indiziert?

Allgemein indiziert im stat. Aufenthalt bei kardialer Dekompensation:

  • Optimierung der Dauertherapie:

    • Prüfung der medikamentösen Therapie auf Anpassungsbedarf an Leitlinien und auf Medikamente, die den klinischen Zustand bei HFrEF negativ beeinflussen können [5],

    • edukative Maßnahmen: körperliche Aktivität und Lifestyle betreffend als nichtmedikamentöse Dauertherapie und Schulung des Selbstmanagements (Dokumentation von Blutdruck, Puls, Gewicht; Erkennung von Warnzeichen; Dosisanpassung der Diuretika).

  • Optimale Behandlung der Stauung (Ausprägung bei Entlassung prognostisch relevant [3]).

  • Evaluierung und Optimierung von Komorbiditäten:

    • Z. B. eines (prognostisch bedeutsamen) Eisenmangels (Serumferritinkonzentration <100 ng/ml oder 100–299 ng/ml mit Transferrinsättigung <20 %) mit Eisencarboxymaltose i.v. für symptomatische Patienten (LVEF <50 %) mit erst kürzlich zurückliegender herzinsuffizienzbedingter Klinikeinweisung [3];

    • Potenzielle Trigger und prädisponierende Faktoren einer Dekompensation wie Hyperthyreose, Elektrolytstörungen, Blutdruckentgleisung, Klappenvitien und Infektion sollten identifiziert und behandelt werden [3].

Im vorliegenden Fall bei Erstdiagnose einer Herzinsuffizienz (im Rahmen des stat. Aufenthalts) indiziert sind:

  • Gemeinsame Entscheidungsfindung bezüglich weiterführender diagnostischer Maßnahmen zur Abklärung der Ätiologie und Prognose sowie Definierung von Therapiezielen.

  • Etablierung einer Herzinsuffizienzmedikation:

    • Traditionelle medikamentöse Stufentherapie der HFrEF nach NYHA [3] in neuer ESC-Leitlinie 2021 vereinfacht und um Empfehlung zu SGLT2-Inhibitor ergänzt: Jeder Patient mit einer HFrEF sollte (Initiierung so schnell und sicher wie möglich, sofern keine Kontraindikation oder Intoleranz) folgende 4 Medikamentenklassen erhalten [3]:

      1. 1

        ACE-Inhibitor o. Angiotensin-Rezeptor-Neprilysin-Inhibitor,

      2. 2

        Blocker,

      3. 3

        Mineralkortikoidrezeptorantagonisten,

      4. 4

        SGLT2-Inhibitor (z. B. Dapagliflozin oder Empagliflozin),

      5. 5

        ggf. Schleifendiuretikum nur bei Stauung.

  • Gegebenenfalls kausale Therapie der verursachenden Erkrankung, hier a.e.:

    • Koronarangiographie bei V. a. eine koronare Herzerkrankung (Abb. 8a,b),

    • Resynchronisationstherapie bei Linksschenkelblock und HFrEF

         – hoher Empfehlungsgrad für CRT‑D (Resynchronisationsschrittmacher und ICD) bei Responder-Konstellation mit Sinusrhythmus und QRS > 150 ms,

         – indiziert, wenn trotz 3 Monaten optimaler medikamentöser Therapie (OMT) immer noch eine symptomatische HFrEF ≤ 35 % bei gutem funktionellem Status (NYHA-Stadien II und III) vorliegt.

  • Prophylaxe des plötzlichen Herztods mit ICD (implantierbarer Kardioverter-Defibrillator) bei anhaltend symptomatischer HFrEF ≤ 35 % ischämischer Genese trotz 3 Monaten OMT (NYHA-Stadien II und III).

  • Empfehlungen für die ambulante Weiterversorgung im vorliegenden Fall:

  • Ambulante klinische und laborchemische Verlaufskontrolle eine bis 2 Wochen nach der Entlassung und regelmäßige weitere Verlaufskontrollen (auch allgemein zutreffend) von/mit:

    • Symptomstatus gemäß NYHA-Klassifikation,

    • BNP/NT-proBNP/MR-proANP, Eisenmangelscreening, Elektrolythaushalt und Nierenfunktion,

    • Gewicht, Volumenstatus,

    • Blutdruck und EKG,

    • Optimierung der Komorbiditäten: Diabetes, Niereninsuffizienz, Hypertonus, Koronarstatus,

    • Medikation,

    • Therapieadhärenz,

    • Alltagsfunktionalität, psychosozialer Status und Lebensqualität,

    • Corona‑, Pneumokokken- und jährliche Influenzaimpfung.

  • Spirometrie zur Abgrenzung eventuell pulmonaler Erkrankung.

Abb. 8
figure 8

Auszug aus der Koronarangiographie. Darstellung des Ramus interventricularis anterior (RIVA) vor und nach der Therapie mit einem Stent und perkutaner transluminaler koronarer Angioplastie (PTCA). a Komplexe, hämodynamisch relevante mediale RIVA-Stenose („diastolic hyperemia-free ratio“, DFR < 0,9) unmittelbar nach Abgang des ersten Diagonalastes (RD), b gutes Ergebnis nach Stent des RIVA und PTCA des Seitenastes (RD-1)

Der Fall.

  • Koronarangiographie (Abb. 8a,b): ED koronare Eingefäßerkrankung bei hämodynamisch relevanter Stenose des Ramus interventricularis anterior (RIVA) und Therapie in Form der Implantation eines medikamentenbeschichteten Stents und perkutaner transluminaler koronarer Angioplastie (PTCA).

  • Es ergeht die Empfehlung einer CRT-Evaluierung im Verlauf; der Patient wird temporär mit einer Defibrillatorweste versorgt.

  • Der Patient erhält folgende Entlassmedikation:

    • Duale Plättchenaggregationshemmung (ASS und Clopidogrel) nach Stent-Implantation,

    • Simvastatin,

    • Metoprolol,

    • Pausierung der Spironolactoneinnahme aufgrund der Hyperkaliämie,

    • Torasemid bedarfsweise bei Ödemen.

    • Empfehlung zur Hinzunahme eines SGLT-2-Inhibitors, wenn sich die Retentionsparameter stabilisieren.