Zusammenfassung
Es wird über den Fall eines 28-jährigen Patienten mit einem Niereninfarkt aufgrund eines embolisierenden Aneurysmas nach traumatischer Dissektion einer Nierensegmentarterie berichtet. Er stellte sich 1,5 Jahre nach einem Motorradunfall mit Abdominal- und Flankenschmerzen vor. C‑reaktives Protein und Laktat-Dehydrogenase waren erhöht. Die Diagnose wurde mittels computertomographischer Angiographie gestellt. Weitere Ursachen eines Niereninfarkts wurden ausgeschlossen. Nach interdisziplinärer Besprechung entschieden wir uns bei jungem und sportlich aktivem Patienten für ein interventionelles Coiling, um eine langfristige Antikoagulation zu vermeiden.
Abstract
This article presents the case of a 28-year-old male patient with a renal infarction due to an embolizing traumatic postdissection aneurysm of a renal segmental artery. He presented with abdominal and flank pain 1.5 years after a motorcycle accident. The C‑reactive protein (CRP) and lactate dehydrogenase (LDH) levels were elevated and the diagnosis was made by computed tomography (CT) angiography. Other causes of renal infarction were excluded. After an interdisciplinary discussion we decided to use interventional coiling in this young and athletically active patient in order to avoid long-term anticoagulation.
Der Niereninfarkt ist eine vaskuläre Störung, die zu einem irreversiblen Nierenschaden führen kann, und stellt eine seltene Ursache von Abdominal- und Flankenschmerzen dar. Die Routinediagnostik mit Blut- und Urinanalyse sowie nicht kontrastverstärktem Ultraschall ist oft unspezifisch, erst die kontrastverstärkte Bildgebung erlaubt eine sichere Diagnosestellung. Die Ätiologie des Niereninfarkts ist mannigfaltig. Therapeutisch steht der Erhalt des Nierenparenchyms im Vordergrund.
Anamnese
Ein 28-jähriger Mann stellte sich notfallmäßig mit akuten rechtsseitigen nicht kolikartigen Flankenschmerzen und Nausea vor. Vorerkrankungen, insbesondere eine arterielle Hypertonie, Drogenkonsum und in der Familie gehäuft vorkommende Erkrankungen, bestanden anamnestisch nicht. Eineinhalb Jahre zuvor war es bei einem Motorradunfall zu einer Kontusion mit Hämatomausbildung der rechten Flanke gekommen, gefolgt von einer prolongierten Schmerzsymptomatik. Eine ärztliche Konsultation war nicht erfolgt.
Befund
Es präsentierte sich ein normotoner, normokarder und afebriler Patient mit einer Druckdolenz im rechten Mittelbauch und klopfdolenter rechter Nierenloge. In der Laboruntersuchung waren die neutrophilen Granulozyten mit 6,3 ∙ 109/l (Referenz 1,5–5,7 ∙ 109/l), das C‑reaktive Protein (CRP) mit 41,8 mg/l (<5,1 mg/l) und die Laktat-Dehydrogenase (LDH) mit 446 U/l (125–220 U/l) erhöht. Die Nierenretentionswerte waren normwertig mit einem Kreatininspiegel von 91 µmol/l (geschätzte glomeruläre Filtrationsrate nach Chronic-Kidney-Disease-Epidemiology-Collaboration[CKD-EPI]-Formel >90 ml/min pro 1,73 m2) und einem Harnstoffwert von 3,3 mmol/l (3,2–7,4 mmol/l). Der Urinstatus war unauffällig. Die Abdomensonographie im B‑Bild zeigte eine unauffällige Appendix und unauffällige Nieren beidseits, ohne Stauung oder Nephrolithiasis. Aufgrund von persistierenden Beschwerden erfolgte eine Computertomographie mit nativer und venöser Phase, die eine dreiecksförmige Hypodensität des rechten Nierenunterpols mit perifokaler ödematöser Imbibition zeigte.
Weiterführende Diagnostik
Bei Infarkt des rechten Nierenunterpols wurde der Patient stationär aufgenommen und eine intravenöse Antikoagulation mit Heparin begonnen. Der Severe-acute-respiratory-syndrome-coronavirus-2(SARS-CoV-2)-Abstrich fiel negativ aus. In der ergänzenden computertomographischen Angiographie (CTA) zeigte sich ein 11 mm großes teilthrombosiertes Nierenarterienaneurysma (NAA) einer segmentalen Nierenarterie rechts (Abb. 1). Die kardiologische Diagnostik zeigte normwertige Befunde in der transthorakalen Echokardiographie und im 24 Stunden Langzeit-Elektrokardiogramm. Die Gerinnungsdiagnostik war unauffällig, ebenso die Diagnostik auf Hepatitiden und Vaskulitiden sowie die serologische Untersuchung auf weitere Erkrankungen des rheumatologischen Formenkreises. Bildgebend konnten kein aortaler Thrombus als Emboliequelle und keine weiteren Aneurysmen (aortal, viszeral, zerebral) nachgewiesen werden. Aufgrund des Traumas in der Vorgeschichte gingen wir von einem embolisierenden Aneurysma nach traumatischer Dissektion der Nierensegmentarterie aus.
Diagnose
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Embolisierendes Aneurysma nach traumatischer Dissektion der Nierensegmentarterie
Therapie und Verlauf
Die selektive diagnostische Angiographie bestätigte die Diagnose. Es zeigten sich zwei kräftige Nierensegmentarterien ausgehend aus dem Aneurysma, die etwa 20 % des Nierenparenchyms der rechten Seite versorgten (Abb. 2a). Nach interdisziplinärer Besprechung führten wir ein perkutanes selektives Coiling des Nierensegmentarterienaneurysmas und der zwei daraus abgehenden Äste durch (Terumo AZUR® Pushable 18, 4 mm helikal, verschiedene Längen, Terumo Corp., Shibuya, Tokio, Japan; Abb. 2b). Der periinterventionelle Verlauf war komplikationslos. Der Patient war beschwerdefrei, normoton und die Nierenfunktion blieb normal. Die Antikoagulation wurde beendet. Einen Monat später zeigte sich in der CTA ein komplett thrombosiertes Aneurysma. Der Patient war weiterhin beschwerdefrei und befand sich in gutem Allgemeinzustand.
Diskussion
Der Niereninfarkt ist eine seltene Ursache von Abdominal- oder Flankenschmerzen auf der Notfallstation mit einer Inzidenz von 4 bis 7 pro 1000 Personen. Laboranalytisch sind LDH und CRP in 80 % der Fälle erhöht, die Nierenretentionswerte in 40 % [1]. Kardiovaskuläre und idiopathische Ursachen des Niereninfarkts sind am häufigsten, insbesondere bei älteren Patienten. Patienten mit Hyperkoagulabilität oder Trauma als Ursache des Niereninfarkts sind mit 45 Jahren im Schnitt um 10–15 Jahre jünger [1].
Zwischen lebenslanger Antikoagulation und einer Intervention wird individuell abgewogen
In unserem Fall lag ein embolisierendes Aneurysma vor, sehr wahrscheinlich nach traumatisch bedingter Dissektion, am ehesten nach oben genanntem Motorradunfall mit Flankenhämatom. Dabei kommt es nach Einriss der Intima durch Blutstrom zwischen die Wandschichten zu einer Schwächung der Wand und zur Bildung eines Aneurysmas. Dieses kann thrombosieren und embolisieren, was bei 8–11 % der Nierenarterienaneurysmen (NAA) auftritt [2]. Diagnostik der Wahl ist die CTA oder Magnetresonanzangiographie (MRA; [3]). Zur besseren Darstellbarkeit wird in ausgewählten Fällen die selektive Angiographie empfohlen [2].
Grundsätzlich wird bei Patienten mit NAA eine Thrombozytenaggregation und ab einer Aneurysmagröße von 3 cm die operative Sanierung empfohlen [2]. Im vorliegenden Fall handelte es sich um ein embolisierendes NAA. Dabei müssen individuell die Vor- und Nachtteile einer lebenslangen Antikoagulation und regelmäßigen radiologischen Nachkontrolle mittels CTA/MRA gegen die Vor- und Nachtteile einer Intervention abgewogen werden [2]. In unserem Fall betreibt der Patient eine Kontaktsportart und ist regelmäßig im Ausland im Außendiensteinsatz, sodass wir uns für ein aktives Vorgehen entschieden. Dabei stellt das interventionelle Coiling die Therapie der Wahl für distale NAA dar [2]. Der dabei induzierte Niereninfarkt wurde auf 20 % des rechten Nierenparenchyms geschätzt und führte bei unserem jungen Patienten zu keiner Veränderung der Nierenfunktion und zu keiner arteriellen Hypertonie. Bei komplett thrombosiertem Aneurysma in der Verlaufs-CTA ist die Therapie abgeschlossen und keine weitere Nachkontrolle nötig.
Fazit für die Praxis
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Leitsymptom des Niereninfarkts sind Abdominal- und Flankenschmerzen.
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C‑reaktives Protein und Laktat-Dehydrogenase sind in über 80 % der Fälle erhöht, die Nierenfunktion in 40 % eingeschränkt.
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Die altersabhängige Ursachenverteilung mit kardiovaskulären und idiopathischen Ursachen bei älteren Patienten sowie Hyperkoagulabilität und Trauma bei Jüngeren sollte bekannt sein und die Diagnostik interdisziplinär erfolgen.
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Im Vordergrund der Therapie stehen der Erhalt der restlichen Nierenperfusion sowie die Prävention der Aneurysmaruptur.
Literatur
Bourgault M, Grimbert P, Verret C, Pourrat J, Herody M, Halimi JM et al (2013) Acute renal infarction: a case series. Clin J Am Soc Nephrol 8(3):392–398
Chaer RA, Abularrage CJ, Coleman DM, Eslami MH, Kashyap VS, Rockman C et al (2020) The Society for Vascular Surgery clinical practice guidelines on the management of visceral aneurysms. J Vasc Surg 72(1):3S–39S
Jha A, Afari M, Koulouridis I, Bhat T, Garcia L (2020) Isolated renal artery dissection: a systematic review of case reports. Cureus 12(2):e6960
Danksagung
Die Autoren bedanken sich beim Institut für Medizinische Radiologie (IMR) der Solothurner Spitäler für das radiologische Bildmaterial.
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Interessenkonflikt
D.D. Papazoglou, S. Weiss und P. Kissling geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autoren keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien. Für Bildmaterial oder anderweitige Angaben innerhalb des Manuskripts, über die Patienten zu identifizieren sind, liegt von ihnen und/oder ihren gesetzlichen Vertretern eine schriftliche Einwilligung vor.
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Redaktion
H. Haller, Hannover (Schriftleitung)
B. Salzberger, Regensburg
C.C. Sieber, Nürnberg
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Papazoglou, D.D., Weiss, S. & Kissling, P. Niereninfarkt seltener Ursache bei einem 28-jährigen Patienten. Internist 63, 221–223 (2022). https://doi.org/10.1007/s00108-021-01186-8
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DOI: https://doi.org/10.1007/s00108-021-01186-8
Schlüsselwörter
- Traumatische Nierenarteriendissektion
- Nierenarterienaneurysma
- Embolie
- Interventionelles Coiling
- Computertomographische Angiographie