Altersprofil der Granulomatose mit Polyangiitis und mikroskopischer Polyangiitis
Nach der Identifizierung von GPA- und MPA-Patienten aus einer Kohorte von etwa 3 Mio. Personen, die repräsentativ für die deutsche Allgemeinbevölkerung ist (GKV-Durchschnittspopulation), wurde die Altersverteilung dieser Patienten untersucht (Abb. S1 im Online-Zusatzmaterial). Prävalenz und Inzidenz von GPA und MPA nahmen mit dem Alter zu und erreichten in der beobachteten Patientenkohorte bei einem Alter von 70 bis 79 Jahren ein Maximum. Das geschätzte mediane Patientenalter einer inzidenten sowie prävalenten GPA-Erkrankung lag in der Gruppe der 60- bis 69-jährigen Patienten, wobei dies für MPA aufgrund der geringen Patientenzahl nicht ermittelt werden konnte.
Assoziation von AAV mit vielfältigen Komorbiditäten
Zur Abschätzung der Krankheitslast von AAV-Patienten wurden anhand der Versorgungsdaten die 20 am häufigsten auftretenden begleitenden Morbiditäten bei inzidenten GPA- und MPA-Patienten anhand der ICD-10-Codierung ermittelt (Abb. 1). Die bei GPA- und MPA-Patienten festgestellten Morbiditäten waren zur Hälfte identisch. Die vorherrschenden begleitenden Morbiditäten waren Hypertonie (I10) bei 81 % bzw. 87 % der GPA- und MPA-Patienten, Nierenerkrankungen (chronische Nierenerkrankung N18 bei 55 % bzw. 78 % der Patienten, Niereninsuffizienz N19, nephritisches Syndrom N05, glomeruläre Störungen N08 oder sonstige Krankheiten des Harnsystems N39) und pulmonale Erkrankungen (Infektion der oberen Atemwege J06, Pneumonie J18, Bronchitis J40 oder respiratorische Insuffizienz J96), die mit bekannten Begleiterscheinungen der AAV übereinstimmen. Des Weiteren traten bei 75 % bzw. 65 % der GPA- und MPA-Patienten Augenerkrankungen (H52) und bei 65 % bzw. 70 % der Patienten Rückenschmerzen (M54) auf, wobei sich unter anderem auch Störungen des Lipoproteinstoffwechsels (E78) und Krankheiten der Arterien und Arteriolen (I77) vermehrt zeigten.
AAV und schwere Nierenerkrankungen
Nach Identifizierung der häufigsten begleitenden Morbiditäten bei AAV-Patienten wurden das Vorkommen und die Auswirkungen einer Nierenschädigung genauer untersucht. Wie aus Abb. 2a ersichtlich, trat eine schwere Nierenerkrankung, definiert als chronische Nierenerkrankung im Stadium III, IV bzw. V oder Nierenersatztherapie, bei 11,6 % der inzidenten GPA- und 24,3 % der inzidenten MPA-Patienten innerhalb von 15 Quartalen nach Diagnose auf. Das Vorkommen war in der Induktionsphase besonders ausgeprägt, wobei die MPA (19 %) eine höhere Wahrscheinlichkeit für schwere Nierenschäden zeigte als die GPA (12 %). In den 3 Folgejahren sanken diese Werte jedoch kontinuierlich auf ein Niveau, das dem vor der Diagnose entsprach. Diese Daten belegen, dass die AAV häufig und vor allem zu Anfang nach der Diagnose mit der Entwicklung einer schweren Nierenbeteiligung assoziiert ist.
Eine Nierenersatztherapie war im Indexjahr bei 7,0 % der GPA- und 13,2 % der MPA-Patienten (insgesamt 8,0 %) notwendig (Abb. 2b). Zudem wurden innerhalb des Beobachtungszeitraums von 3 Jahren nach Diagnose 0,8 % der GPA- und 2,5 % der MPA-Patienten (insgesamt 1,1 %) einer Nierentransplantation unterzogen (Abb. 2c). Dies zeigt erneut, dass MPA- im Vergleich zu GPA-Patienten stärker von einer Nierenbeteiligung betroffen sind.
AAV und schwere Infektionen
Wie in Abb. 3 gezeigt, entwickelte in der Induktionsphase der AAV-Therapie etwa ein Drittel aller inzidenten Patienten eine schwere Infektion (s. oben, beispielsweise Sepsis oder Atemwegserkrankungen), die eine stationäre Behandlung erforderte oder während des Krankenhausaufenthalts auftrat. In den Folgejahren sank die Häufigkeit schwerer Infektionen mit stationärer Aufnahme auf ca. 10 %. Insgesamt betrachtet hatten GPA- und MPA-Patienten mit 40 % bzw. 49 % ein ähnliches Risiko, innerhalb des gesamten Beobachtungszeitraums eine schwere Infektion zu entwickeln.
Häufigkeit schwerer AAV-Rezidive
Schwere Rezidive der AAV stellen eine lebensbedrohliche Situation dar und werden wie die akute Erkrankung in der Induktionsphase therapiert. Um die Rate schwerer Rezidive zu ermitteln, wurde die vorübergehende Verschreibung hoch dosierter Glukokortikoide (>60 mg/Tag) in Kombination mit Cyclophosphamid oder Rituximab im Anschluss an eine Phase der Erhaltungstherapie (Gabe niedrig dosierter Glukokortikoide) analysiert (Abb. S2A im Online-Zusatzmaterial). Die Erhebung eines schweren Rezidivs lehnt sich somit an dessen gebräuchliche Definition an, wie sie auch in der S1-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie der AAV zu finden ist [18]. Insgesamt hatten 11–12 % der inzidenten Patienten mit GPA und MPA innerhalb von 3 Folgejahren (5–8 % pro Jahr) nach der Induktionsphase ein schweres Rezidiv (Abb. S2B im Online-Zusatzmaterial). Innerhalb der gesamten Beobachtungsphase waren die Raten schwerer Rezidive bei GPA und MPA nahezu vergleichbar.
Mortalitätsrate von Patienten mit AAV
Schließlich wurde die Mortalitätsrate von Patienten mit AAV im Zusammenhang mit begleitenden Morbiditäten untersucht (Abb. 4). Pro Quartal verstarben in der Kohorte durchschnittlich 3,6 % der GPA- und MPA-Patienten, die eine Nierenerkrankung entwickelten (jährliche Mortalität 14,4 %). Somit war eine Nierenbeteiligung der stärkste Faktor in Verbindung mit der Sterblichkeit von Patienten mit AAV. Darüber hinaus wiesen Patienten mit Infektionen sowie einer pulmonalen Beteiligung eine Mortalitätsrate von 1,4 % bzw. 0,5 % pro Quartal auf (jährliche Mortalität 5,6 % bzw. 2,0 %).