Prüfungssimulation

Fallschilderung

Ein 29-jähriger Mann stellt sich mit seit 4 Tagen bestehendem Fieber bis 40 °C sowie starken Kopf- und Gliederschmerzen in der Notaufnahme vor. Intermittierend bestehe ein ausgeprägter Schüttelfrost. Der Patient stammt aus Deutschland, berichtet aber, dass er vor zwei Wochen von einer 4‑wöchigen Rucksackreise durch Kenia und Tansania zurückgekehrt ist. Vorerkrankungen sind nicht bekannt.

Untersuchungsbefund.

Reduzierter Allgemeinzustand, schlanker Ernährungszustand. Temperatur 39,1 °C, Blutdruck 110/70 mm Hg, Puls 90/min, Atemfrequenz 20/min, arterielle Sauerstoffsättigung (SaO2) 98 %. Rachen reizlos, keine palpablen Lymphknotenvergrößerungen, Haut gebräunt, kein Exanthem, kein Sklerenikterus. Cor: rhythmisch, rein, keine pathologischen Geräusche, Pulmo: vesikuläres Atemgeräusch. Abdomen: weich, keine Organomegalie, kein Druckschmerz, keine Resistenzen. Keine peripheren Ödeme

Prüfungsfragen

  • Welche Differenzialdiagnosen ziehen Sie in Betracht?

  • Welche Fragen stellen Sie, um die Diagnose weiter einzugrenzen?

  • Welche diagnostischen Verfahren setzen Sie ein und warum?

  • Welche Kriterien für eine komplizierte Malaria kennen Sie? Welcher Schweregrad liegt im Fallbeispiel vor?

  • Wie gehen Sie in diesem Fall weiter vor?

  • Welche Malariaerreger kennen Sie und was sind deren Besonderheiten?

  • Was sollte der Patient in den nächsten Wochen und Monaten beachten?

  • Was raten Sie ihm vor der nächsten Tropenreise?

Antworten

Welche Differenzialdiagnosen ziehen Sie in Betracht?

  • Bei Fieber nach vorangehendem Aufenthalt in einem Malariaendemiegebiet ist Malaria die wichtigste Differenzialdiagnose. Sie muss ohne Zeitverzug ausgeschlossen werden [1].

  • Daneben sind Dengue-Fieber sowie andere Arbovirosen in Betracht zu ziehen [2].

  • Weitere wichtige Differenzialdiagnosen bei monosymptomatischem Fieber sind Typhus/Paratyphus, Rickettsiosen (in diesem Fall z. B. Afrikanisches Zeckenbissfieber), eine akute Zytomegalievirus(CMV)- und Epstein-Barr-Virus(EBV)-Infektion, eine akute Human-immunodeficiency-virus(HIV)-Infektion und ein Amöbenleberabszess (Tab. 1).

  • Unabhängig von der Reiseanamnese dürfen ubiquitäre Infektionen wie Influenza, Pneumonie oder ein Harnwegsinfekt nicht übersehen werden.

Tab. 1 Differenzialdiagnose von Fieber nach Tropenaufenthalt in Abhängigkeit vom Begleitbefund. (Nach [3])

Drei Aspekte sind von herausragender Relevanz bezüglich der Einengung der Differenzialdiagnose [3]:

  • Vorhandensein von Begleitsymptomen (Tab. 1)

  • Inkubationszeiten (Tab. 2)

  • Dauer der fieberhaften Erkrankung (Tab. 2)

Tab. 2 Inkubationszeiten wichtiger fieberhafter Erkrankungen. (Nach [1, 3])

Welche Fragen stellen Sie, um die Diagnose weiter einzugrenzen?

  • Wurde eine medikamentöse Malariaprophylaxe durchgeführt?

    • Hier ist zu klären, ob es sich um ein geeignetes Präparat handelt und ob dies korrekt eingenommen wurde (Tab. 3). Fälschlicherweise wird das Präparat oftmals direkt bei Rückkehr abgesetzt.

    • Zudem ist zu klären, ob die Medikamente aus einer verlässlichen Bezugsquelle stammen (z. B. Apotheke in Deutschland) oder vor Ort erworben worden sind. In letzterem Fall ist nicht sichergestellt, dass die Präparate von einwandfreier Qualität sind. Artemisinintees schützen entgegen verbreiteter Meinung nicht vor Malaria [4].

Tab. 3 Dosierung von Antimalariamedikamenten bei Erwachsenen. (Nach [10])

Merke.

Die anamnestische Angabe der Einnahme einer Malariaprophylaxe schließt eine Malaria nicht aus.

  • Reiseland, genaue Reiseroute (endemisches Spektrum fieberhafter Erkrankungen inkl. aktueller Ausbruchssituation, Aufenthalt in Malariahochrisikogebieten; [2, 5])

  • Reisedaten zur Abschätzung der Inkubationszeit (s. oben und Tab. 2) und Information bezüglich der Saison (z. B. Regenzeit)

  • Dauer des Fiebers (Tab. 1)

  • Besondere Ereignisse während der Reise (Tierbiss, Risikogeschlechtsverkehr, Süßwasserkontakt)

  • Impfstatus: Impfungen gegen Gelbfieber, Hepatitis A und B geben einen hervorragenden Schutz, eine Typhusimpfung hingegen verleiht nur einen ca. 60- bis 70 %igen Schutz gegen Typhus.

Welche diagnostischen Verfahren setzen Sie ein und warum?

  • Bei jedem fieberhaften Tropenrückkehrer sollte ein Differenzialblutbild angefordert werden, um eine Eosinophilie als wegweisendes Merkmal nicht zu übersehen (Tab. 1).

  • Bakterielle Blutstrominfektionen wie Typhus und Paratyphus gehen mit einer Eosinopenie einher.

  • Bei Malaria findet sich im Blutbild in der Regel eine Thrombopenie, der Hämoglobin(Hb)-Wert kann initial noch normal sein.

  • Die Leukozyten werden bei Malaria nicht spezifisch verändert.

  • Zudem sollten das C‑reaktive Protein (CRP), Transaminasen, Bilirubin, Kreatinin, Blutzucker, Laktat-Dehydrogenase (LDH) und Urinstatus bestimmt sowie Blutkulturen abgenommen werden.

Merke.

Goldstandard der spezifischen Malariadiagnostik ist die Mikroskopie mit „dickem Tropfen“ und Blutausstrich [6]. Das Resultat muss innerhalb weniger Stunden vorliegen.

Merke.

Bei V. a. Malaria ist eine zeitnahe Diagnostik essenziell. Jede Verzögerung des Therapiebeginns verschlechtert die Prognose des Patienten.

  • Die beiden mikroskopischen Verfahren ergänzen sich:

    • Die Sensitivität des dicken Tropfens ist deutlich höher als die eines Blutausstrichs.

    • Der Blutausstrich ist jedoch zur Speziesbestimmung und zur Quantifizierung der Parasitämie notwendig.

  • Ein Malariaantigenschnelltest kann ergänzend hilfreich sein, insbesondere wenn die Mikroskopie nicht in angemessener Zeit und Qualität zur Verfügung steht.

    • Falsch-negative Ergebnisse sind jedoch bei Nicht-Plasmodium-falciparum-Malaria (Tab. 4) häufig.

    • Auch bei sehr niedriger oder sehr hoher Parasitämie können falsch-negative Befunde im Schnelltest auftreten; beides ist jedoch im klinischen Alltag von untergeordneter Bedeutung.

    • Selten können mutierte P.-falciparum-Stämme zu falsch-negativen Befunden führen (Mutation im Gen für „histidine-rich protein 2“, auf dem der Schnelltest basiert).

  • Ein Schnelltest sollte daher immer durch eine Mikroskopie ergänzt werden.

  • Die Malaria-Polymerase-Kettenreaktion (PCR) ist sehr sensitiv und spezifisch.

    • Sie ist jedoch im Vergleich zur Mikroskopie relativ zeitaufwendig und noch nicht weit verfügbar.

    • Zur Abschätzung der Parasitämie oder für eine kurzfristige Verlaufskontrolle ist die PCR nicht geeignet.

  • Eine Bestimmung der Serumantikörper gegen Plasmodien ist zur Akutdiagnostik einer Malaria nicht geeignet [6].

  • Die übrigen genannten Laborparameter sind wichtig, um den Schweregrad der Erkrankung zu ermitteln sowie das weitere Management festzulegen und den Verlauf zu kontrollieren.

Tab. 4 Wichtigste humanpathogene Malariaerreger. (Nach [6])

Cave.

Bei schweren Verläufen sollte immer an die Möglichkeit einer bakteriellen Begleitinfektion gedacht werden.

Der Fall.

In unserem Fallbeispiel ist das CRP mit 70 mg/l erhöht, es besteht eine Thrombozytopenie von 83/nl. Glutamat-Oxalacetat-Transaminase (GOT; 92 U/l) und LDH (280 U/l) sind leicht erhöht, ebenso das Kreatinin (1,4 g/dl). Der Malariaschnelltest ist positiv für P. falciparum. Im Blutausstrich (Abb. 1) lässt sich P. falciparum nachweisen, die Befallsrate beträgt ca. 18 %.

Abb. 1
figure 1

Ringformen von Plasmodium falciparum, Parasitämie ca. 18 %, Giemsa-Färbung, Vergr. 100:1

Welche Kriterien für eine komplizierte Malaria kennen Sie? Welcher Schweregrad liegt im Fallbeispiel vor?

  • Eine komplizierte Malaria liegt vor, wenn klinisch oder laborchemisch eine Beeinträchtigung eines lebenswichtigen Organs vorliegt oder wenn eine Parasitämie von ≥ 5 % besteht (Tab. 5; [7]).

  • Mit einer Befallsrate von 18 % liegt in diesem Fall definitionsgemäß eine komplizierte Malaria tropica vor.

Tab. 5 Kriterien für eine komplizierte Malaria. (Nach [6, 7])

Cave.

Eine komplizierte Malaria ist ein medizinischer Notfall!

Wie gehen Sie in diesem Fall weiter vor?

  • Die Behandlung einer komplizierten Malaria ist zeitkritisch und muss schnellstmöglich eingeleitet werden.

  • Sie soll auf einer Station mit der Möglichkeit eines engmaschigen Patientenmonitorings und mit unmittelbarem Zugang zu einer Intensivstation erfolgen, in Absprache mit einem Tropenmediziner oder mit einer tropenmedizinischen Einrichtung.

  • Mittel der Wahl zur antiparasitären Therapie ist parenterales Artesunat [6, 7].

Der Fall.

Im obigen Fall sollte die Therapie möglichst noch in der Notaufnahme oder nach sofortiger Verlegung auf eine Überwachungsstation eingeleitet werden. Eine vorbestehende QT-Verlängerung sollte vorher mittels Elektrokardiogramm ausgeschlossen werden.

Der Patient wird umgehend auf eine Intensivstation aufgenommen und erhält Artesunat 2,4 mg/kgKG i.v. nach dem üblichen Schema über insgesamt 3 Tage, darunter ist die Parasitämie rasch rückläufig, der Patient entfiebert. Unter vorsichtiger Volumensubstitution (s. unten) normalisiert sich das Kreatinin, weitere Komplikationen treten nicht auf. Nach 3 Tagen erfolgt die Verlegung auf die Normalstation, wo eine orale Anschlussbehandlung mit Atovaquon/Proguanil über weitere 3 Tage erfolgt. Die initial auffälligen Laborwerte normalisieren sich, im Verlauf tritt allerdings eine Anämie bis 9 g/dl auf. Nach einigen Wochen normalisiert sich der Hb-Wert, eine Bluttransfusion ist nicht erforderlich.

Cave.

Eine übermäßige Flüssigkeitszufuhr im Rahmen der Therapie einer Malaria kann die Entwicklung eines Lungenödems auslösen, das mit einer hohen Letalität verbunden ist. Die Flüssigkeitszufuhr muss restriktiver sein, als es die Empfehlungen zur Therapie der bakteriellen Sepsis vorsehen. Auch bei vorübergehender Dialysepflichtigkeit verursacht die Malaria keine Dauerschäden an der Niere. Aggressive Flüssigkeitszufuhr hingegen kann zu nicht beherrschbarer respiratorischer Insuffizienz führen [6].

Welche Malariaerreger kennen Sie und was sind deren Besonderheiten?

Es gibt fünf relevante humanpathogene Plasmodienarten, die unterschiedliche Krankheitsbilder verursachen (Tab. 4).

  • Aus klinischer Sicht ist die Malaria tropica von besonderer Relevanz. Sie ist die häufigste Form der importierten Malaria in Deutschland [8], zudem können bei der Malaria tropica rasch lebensbedrohliche Verläufe auftreten.

  • Die Malaria tertiana verläuft in der Mehrzahl der Fälle ohne lebensbedrohliche Komplikationen. Es können jedoch ausgehend von in der Leber verbleibenden Parasitenstadien (Hypnozoiten) nach mehreren Wochen bis Jahren Rezidive auftreten.

Merke.

Bei Malaria tertiana soll nach Therapie der akuten Infektion eine Behandlung mit Primaquin angeschlossen werden, um Hypnozoiten in der Leber zu eradizieren und so Rezidive zu verhindern. Vor Gabe von Primaquin muss ein Glukose-6-Phosphat-Dehydrogenase-Mangel ausgeschlossen werden, da sonst eine Hämolyse auftreten kann.

  • Die Malaria quartana (P. malariae) ist selten und verläuft im Allgemeinen komplikationslos.

  • In Südostasien kann P. knowlesi, eine zoonotische Plasmodienart, die natürlicherweise bei Makaken vorkommt, auf den Menschen übertragen werden und zu fulminanten Verläufen führen, die dem klinischen Bild einer Malaria tropica ähnlich sind [9].

Was sollte der Patient in den nächsten Wochen und Monaten beachten?

  • Nach Gabe von Artemisininen kann zeitverzögert eine Hämolyse auftreten, wie im Fallbeispiel beobachtet.

    • Im Zeitraum von 7 bis 14 Tagen nach Therapiebeginn sollten Kontrollen des Blutbilds und der Hämolyseparameter erfolgen.

    • Die Postartemisininhämolyse tritt v. a. bei initial hohen Parasitämien auf. Eine spezifische Therapie ist nicht bekannt. Bei Bedarf können Erythrozytenkonzentrate substituiert werden. Der durch die Malaria verursachte Hb-Abfall ist normalerweise bis Tag 28 ausgeglichen.

  • Der Patient muss zudem darauf hingewiesen werden, dass es in sehr seltenen Fällen auch nach leitliniengerechter Therapie einer Malaria zu einer Rekrudeszenz der Erkrankung kommen kann.

Merke.

Bei Wiederauftreten von Fieber, insbesondere in den ersten 6 Monaten nach der Behandlung, muss daher eine erneute Malariadiagnostik erfolgen.

Was raten Sie unserem Patienten vor der nächsten Tropenreise?

Vor der nächsten Reise in ein Malariarisikogebiet (Abb. 2) sollten eine reisemedizinische Beratung hinsichtlich allgemeiner Maßnahmen zum Mückenschutz (helle, langärmelige, evtl. imprägnierte Kleidung, Repellents für die Haut, Moskitonetz) sowie evtl. eine Malariachemoprophylaxe erfolgen (Tab. 3).

Abb. 2
figure 2

Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Tropenmedizin, Reisemedizin und Globale Gesundheit (DTG) zur Malariaprävention – Übersichtskarte. (Nach [10]. Mit freundl. Genehmigung Georg Thieme Verlag KG, alle Rechte vorbehalten)