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Prüfungssimulation
Fallschilderung
Von der Coronastation entlassen Sie nach 1‑wöchigem Aufenthalt den 61-jährigen Herrn S. mit gut eingestellter HIV-Infektion (vor 3 Wochen: Viruslast <50 cp/ml, CD4-Helferzellen 588/µl, gute Adhärenz bzgl. der antiretroviralen 3‑fach-Therapie mit Emtricitabin/Tenofoviralafenamid/Bictegravir). Als bisher einzige Manifestation der HIV-Infektion trat vor 5 Jahren ein Herpes zoster auf. Vor 10 Jahren erfolgte nach einem Verkehrsunfall eine Splenektomie. Die weitere Medikation besteht in Ramipril 5 mg/Tag bei arterieller Hypertonie und Vitamin D3 20.000 IE/Woche. Der Verlauf der COVID-19-Erkrankung war mild mit nur leichtem Husten und Fieber bis max. 38,3 ºC, es erfolgte lediglich eine symptomatische Therapie.
Prüfungsfragen
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Besteht bei Herrn S. eine Indikation oder Kontraindikation für die Gabe des adjuvantierten Zostertotimpfstoffs?
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Besteht bei Herrn S. eine Indikation oder Kontraindikation für eine Pneumokokkenimpfung?
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Wenn eine Indikation besteht: Welches Präparat bzw. welche Präparate sollte er erhalten? Wenn mehrere indiziert sind: in welcher Abfolge?
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Welche weiteren Impfungen sind bei Herrn S. spezifisch aufgrund der Asplenie indiziert?
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Wann wäre der optimale Zeitpunkt zur ersten Gabe dieser Impfungen (gewesen)?
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Wann sollten Auffrischungsdosen gegeben werden?
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Welche grundsätzlichen Aussagen können Sie zu Impfungen bei Personen mit Immundefizienz treffen, insbesondere zu den Bereichen Indikation, Wirksamkeit sowie Sicherheit/Kontraindikationen?
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Wo finden Sie Informationen zum Thema Impfen bei Immundefizienz?
Antworten
Besteht bei Herrn S. eine Indikation oder Kontraindikation für die Gabe des adjuvantierten Zostertotimpfstoffs?
Bei mindestens einem Viertel aller Deutschen >50 Jahre wird im Verlauf des weiteren Lebens ein Herpes zoster manifest werden. Daher empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) seit 2018 die Verwendung des adjuvantierten Totimpfstoffs ([1, 2]; Tab. 1):
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Bei Herrn S. zutreffende Indikationen:
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HIV-Infektion (ab einem Alter >50 Jahre; [3])
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Alter >60 Jahre
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Keine Kontraindikationen stellen dar:
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Zustand nach Herpes zoster: Auch mehrfache Manifestationen einer Zostererkrankung sind möglich, die Impfung bietet auch gegen eine weitere Erkrankungsepisode Schutz.
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Immundefizienz (diese ist vielmehr die wichtigste Indikation)
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Zustand nach Splenektomie
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Das Impfschema beinhaltet 2 Dosen im Abstand von mindestens 2 bis max. 6 Monaten. Allerdings besteht ein anhaltender Versorgungsengpass, was bei der Planung der zweiten Dosis beachtet werden muss. Bei aktueller Zostermanifestation soll die Impfung erst nach Abheilung der Erkrankung erfolgen. Eine serologische Testung bzgl. des Varizella-Zoster-Virus soll (außerhalb des Transplantationssettings) nicht erfolgen.
Besteht bei Herrn S. eine Indikation oder Kontraindikation für eine Pneumokokkenimpfung?
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Bei Herrn S. zutreffende Indikationen für die Pneumokokkenimpfung (Tab. 2):
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Kontraindikationen sind nicht erkennbar.
Wenn eine Indikation besteht: Welches Präparat bzw. welche Präparate sollte er erhalten? Wenn mehrere indiziert sind: in welcher Abfolge?
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Hier anzuwendendes Schema der sequenziellen Impfung bei Immundefizienz, ebenso bei anatomischem Risiko (Cochleaimplantat oder Liquorfistel; [2]; Tab. 3):
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Falls bisher keine Pneumokokkenimpfung erfolgt ist: zuerst 13-valenter Konjugatimpfstoff (PCV13), dann nach (6–)12 Monaten 23-valenter Polysaccharidimpfstoff (PPSV23)
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Falls bisher nur PCV13: nach (6–)12 Monaten PPSV23
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Falls bisher nur PPSV23: nach mindestens 12 Monaten PCV13
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Weitere Gaben von PPSV23 im Abstand von mindestens 6 Jahren
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Schema der Indikationsimpfung bei Erkrankungen des Herzens, der Atemwege, des Stoffwechsels oder des Nervensystems ab 16 Jahren (Tab. 2) oder der Standardimpfung bei sonst gesunden Personen ab 60 Jahren (Tab. 2):
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Einmalig PPSV23
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Mögliche Wiederholungsimpfungen mit PPSV23 im Abstand von mindestens 6 Jahren nur bei medizinischer Indikation (Kategorie I)
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Einige Fachgesellschaften und Experten favorisieren auch hier (ggf. zusätzlich) PCV13, maßgeblich für die Kostenübernahme der Impfung ist aber die STIKO-Empfehlung
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Merke.
Die Erwachsenenimpfung gegen Pneumokokken erfolgt gemäß STIKO-Empfehlungen bei Immundefizienz und/oder anatomischem Risiko (I) als sequenzielle Gabe von PCV13 und PPSV23, bei sonstigen chronischen Erkrankungen (I) oder Alter >60 Jahre (S) nur mittels PPSV23. Bei medizinischer Indikation (I) soll die Gabe von PPSV23 nach mindestens 6 Jahren wiederholt werden, die Standardimpfung (S) wird nicht wiederholt.
Welche weiteren Impfungen sind bei Herrn S. aufgrund der Asplenie indiziert?
Bei Asplenie besteht ein erhöhtes Risiko für schwere Infektionen insbesondere durch bekapselte Bakterien (bis zur Manifestation eines „overwhelming post splenectomy syndrome“ [OPSI]). Daher besteht bei Asplenie (auch bei Hyposplenie oder funktioneller Asplenie) neben der Empfehlung für alle ohnehin gemäß STIKO empfohlenen Impfungen eine spezifische Indikation (Tab. 4) für die Impfung gegen
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Pneumokokken (sequenzielle Impfung mit PCV13 und PPSV23, s. oben),
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Haemophilus influenzae Typ b,
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Meningokokken und außerdem
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Influenza.
Wann wäre der optimale Zeitpunkt zur ersten Gabe dieser Impfungen (gewesen)?
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Der optimale Zeitpunkt für die Erstgaben ist bis spätestens 2 Wochen vor einer geplanten Splenektomie, falls nicht möglich, dann innerhalb von 4 Wochen danach.
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Falls die Impfungen primär nicht erfolgt sind, sind sie aber auch jederzeit später indiziert.
Wann sollten Auffrischungsdosen gegeben werden?
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Haemophilus influenzae Typ b (Hib): einmalige Gabe (Tab. 4; für Erwachsene muss der Einzelkonjugatimpfstoff aus dem Ausland importiert werden)
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Meningokokken-Serogruppen A, C, W und Y (MenACWY) sowie Serogruppe B (MenB; Tab. 4):
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MenACWY: 2 Dosen im Abstand von 4 bis 8 Wochen, Auffrischung alle 5 Jahre erwägen.
(Beides entspricht nicht der aktuellen allgemeinen STIKO-Empfehlung, daher ggf. Kostenübernahme klären. Die Möglichkeit der Übernahme dieser Expertenempfehlungen in die STIKO-Empfehlungen wird derzeit geprüft.)
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MenB: 2 Dosen (Abstand 2 oder 6 Monate, je nach Präparat).
Auffrischung alle 5 Jahre erwägen (Auffrischung entspricht nicht der STIKO-Empfehlung)
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Influenza (Tab. 4): jährlich.
Diese Impfung ist bei Herrn S. auch aufgrund des Alters und der HIV-Infektion indiziert und ohnehin in Anbetracht der SARS-CoV-2-Pandemie allgemein dringend zu empfehlen.
Welche grundsätzlichen Aussagen können Sie zu Impfungen bei Personen mit Immundefizienz treffen, insbesondere zu den Bereichen Indikation, Wirksamkeit sowie Sicherheit/Kontraindikationen?
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Indikation: Menschen mit Immundefizienz sind stärker durch Infektionserkrankungen gefährdet, bei Ihnen ist ein umfassender Impfschutz daher besonders wichtig.
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Wirksamkeit: Eine Kompromittierung des Immunsystems kann bei bestimmten Impfstoffen zu einer geringeren Wirksamkeit führen. Für besondere Situationen sind daher ggf. besondere Impfschemata zu beachten. Eine mögliche Reduktion der Wirksamkeit ist aber kein genereller Grund, auf eine Impfung zu verzichten.
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Sicherheit/Kontraindikationen: Totimpfstoffe können generell unabhängig vom Immunstatus ohne erhöhtes Risiko gegeben werden. Lebendimpfstoffe sind bei relevanter Immundefizienz (z. B. HIV-Infektion mit CD4-Helferzellen von <200/µl) oder Immunsuppression (z. B. Prednisolon ≥10 mg/Tag für ≥2 Wochen, Rituximab, antineoplastische Therapie, Immunsuppression nach solider Organtransplantation) generell kontraindiziert.
Wo finden Sie Informationen zum Thema Impfen bei Immundefizienz?
Informationsquelle:
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Die STIKO hat Expertenkommissionen mit der Zusammenstellung von Handlungsempfehlungen zum Thema Impfen bei Immundefizienz beauftragt. Diese vier Publikationen [3,4,5,6] enthalten detaillierte und einfach umsetzbare Informationen und sind frei verfügbar (https://www.rki.de/DE/Content/Kommissionen/STIKO/Empfehlungen/STIKO_Weitere/Tabelle_Immundefizienz.html).
Merke.
Für Menschen mit Immundefizienz/-suppression ist ein möglichst kompletter Impfschutz besonders wichtig. Totimpfstoffe sind teilweise weniger wirksam, aber generell unbedenklich und daher in den allermeisten Fällen indiziert.
Cave.
Bei relevanter Immundefizienz/-suppression sind Lebendimpfstoffe primär kontraindiziert und nur in speziellen Situationen möglich.
Merke.
Zum Thema Impfen bei Immundefizienz sind detaillierte und konkrete Handlungsanweisungen auf der Website des Robert Koch-Instituts frei zugänglich.
Literatur
Robert Koch-Institut (2018) Mitteilung der Ständigen Impfkommission (STIKO) am RKI: Wissenschaftliche Begründung zur Empfehlung einer Impfung mit dem Herpes zoster-subunit-Totimpfstoff. Epidemiol Bull 50:541–567
Robert Koch-Institut (2020) Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut – 2020/2021. Epidemiol Bull 34:1–64
Ehl S, Bogdan C, Niehues T et al (2018) Impfen bei Immundefizienz: Anwendungshinweise zu den von der Ständigen Impfkommission empfohlenen Impfungen. (II) Impfen bei 1. Primären Immundefekterkrankungen und 2. HIV-Infektion. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz 61:1034–1051
Laws HJ, Baumann U, Bogdan C et al (2020) Impfen Bei Immundefizienz: Anwendungshinweise zu den von der Ständigen Impfkommission empfohlenen Impfungen. (III) Impfen bei hämatologischen und onkologischen Erkrankungen (Antineoplastische Therapie, Stammzelltransplantation), Organtransplantation und Asplenie. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz 63:588–644
Wagner N, Assmus F, Arendt G et al (2019) Impfen bei Immundefizienz – Anwendungshinweise zu den von der Ständigen Impfkommission empfohlenen Impfungen. (IV) Impfen bei Autoimmunkrankheiten, bei anderen chronisch-entzündlichen Erkrankungen und unter immunmodulatorischer Therapie. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz 62:494–515
Niehues T, Bogdan C, Hecht J, Mertens T, Wiese-Posselt M, Zepp F (2017) Impfen bei Immundefizienz: Anwendungshinweise zu den von der Ständigen Impfkommission empfohlenen Impfungen. (I) Grundlagenpapier. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz 60:674–684
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Interessenkonflikt
U. Seybold: Finanzielle Verbindungen zur Pharmaindustrie und damit potenzielle Interessenkonflikte in den letzten Jahren waren: Vortragstätigkeit: Gilead Sciences GmbH, Bristol Myers Squibb GmbH, MSD Sharp & Dohme GmbH, Janssen-Cilag GmbH; Beratertätigkeit: ViiV Healthcare GmbH, Gilead Sciences GmbH. Alle Beratertätigkeiten erfolgten nicht im Bereich Impfstoffe.
Für diesen Beitrag wurden vom Autor keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien. Für Bildmaterial oder anderweitige Angaben innerhalb des Manuskripts, über die Patienten zu identifizieren sind, liegt von ihnen und/oder ihren gesetzlichen Vertretern eine schriftliche Einwilligung vor.
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U. Seybold, München
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Seybold, U. 61/m, frisch nach Coronainfektion. Internist 62 (Suppl 1), 81–85 (2021). https://doi.org/10.1007/s00108-020-00929-3
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DOI: https://doi.org/10.1007/s00108-020-00929-3