Grundlagen

Unter dem Überbegriff neuroendokrine Neoplasien (NEN) wird eine molekular und biologisch sehr heterogene Gruppe von Tumoren zusammengefasst, deren gemeinsames Merkmal der Ursprung aus neuroendokrinen Zellen ist. Anatomisch und zellbiologisch gesehen, entstehen diese Tumoren aus neuroendokrinen Zellverbänden, die in erster Linie in den Lungen, im Gastrointestinaltrakt und im Pankreas vorkommen, seltener auch in distinkten anderen Organ(systemen) wie Thymus, Ovar oder Nebennieren. Die biologische Heterogenität äußert sich in der Sekretion unterschiedlichster Amine und Peptide – wobei diese Sekretion auch typisch für die jeweilige Organmanifestation sein kann. Einteilung und Klassifikation der NEN versuchen, diesen biologischen und damit auch phänotypischen Unterschieden Rechnung zu tragen.

Hinsichtlich ihrer Differenzierung und ihres Wachstumsverhaltens werden die NEN in 2 Hauptgruppen gegliedert: Die erste Gruppe umfasst die gut differenzierten NEN, die neuroendokrinen Tumoren (NET), und die zweite die schlecht differenzierten neuroendokrinen Karzinome (NEC).

Nach ihrer hormonellen Funktionalität, Sekretion und ihrem Phänotyp werden die NEN in funktionelle (aktive) und nichtfunktionelle (oder funktionell inaktive) Tumoren unterteilt, obwohl diese Einteilung heute nicht mehr ganz zeitgemäß ist. Insgesamt kann davon ausgegangen werden, dass etwa zwei Drittel aller NEN funktionell inaktiv sind. Diese Daten sind jedoch nicht gesichert, da die Definition von funktionell aktiv/inaktiv uneindeutig ist. Im Jahr 2008 wurden Daten des US-amerikanischen „surveillance, epidemiology, and end results (SEER) program registry“ veröffentlicht, in denen von 90,8 % funktionell inaktiven pankreatischen NEN ausgegangen wird [35]. Eine weitere wichtige Gruppe der NET bilden die Tumoren, die im Rahmen einer multiplen endokrinen Neoplasie (MEN) vorkommen. Diese können ebenso funktionell aktiv als auch inaktiv sein.

Die Gruppe der gastroenteropankreatischen neuroendokrinen Neoplasien (GEP-NEN) ist ebenfalls sehr heterogen, von allen NEN jedoch die am besten klassifizierte und untersuchte Gruppe. In diesem Übersichtsbeitrag wird sich auf die Darstellung der GEP-NEN beschränkt.

Ziel der Arbeit

Aufgrund der oben ausgeführten Heterogenität einer erst in den vergangenen Jahren zunehmend besser charakterisierten Tumorentität, deren Management erst seit Kurzem Gegenstand von Leitlinien ist, fällt es oft nicht leicht, einen Überblick zu erhalten. Der vorliegende Beitrag bietet eine Systematik zu aktueller Klassifikation, Diagnostik und zu Therapieoptionen von GEP-NEN. Zur besseren Übersicht wurde bewusst darauf verzichtet, nach der Primärlokalisation der Tumoren vorzugehen. Stattdessen wurde eine thematische Gliederung nach Klassifikation, klinischem Phänotyp, Diagnostik und Therapie gewählt.

Material und Methoden

Es wurde eine selektive Literaturrecherche in PubMed für den Zeitraum 2010–2019 mit den Stichwörtern „neuroendocrine tumor“, „neuroendocrine neoplasia“, „GEP-NEN“ und „GEP-NET“ durchgeführt. Besondere Berücksichtigung fanden die Leitlinien der European Neuroendocrine Tumor Society (ENETS [23]), der North American Neuroendocrine Tumor Society (NANETS, [1]) sowie die 2018 veröffentlichte deutsche S2k-Leitlinie „Neuroendokrine Tumore“ [20].

Definition und Epidemiologie

Neuroendokrine Neoplasien betreffen überwiegend Patienten im Alter von 50 bis 70 Jahren bei ausgeglichener Geschlechtsverteilung. Hiervon ausgenommen sind NEN der Appendix, deren Altersgipfel bereits vor dem 40. Lebensjahr liegt, die auch als pädiatrische Tumoren auftreten können und häufiger bei Frauen als bei Männern vorkommen [69].

Die Inzidenz aller GEP-NEN beträgt in Europa 1–2/100.000 Einwohner/Jahr

In den letzten Jahrzehnten hat die Inzidenz der NEN insgesamt stark zugenommen. Laut den amerikanischen SEER-Daten ist sie von 1,09/100.000 Einwohner im Jahr 1973 auf 6,98/100.000 Einwohner in 2012 gestiegen [18]. Dieser Anstieg wird u. a. mit der häufigeren Durchführung von endoskopischen Prozeduren, radiologischen bildgebenden Untersuchungen und der damit einhergehenden Zunahme der Frühdiagnosen kleiner, gut differenzierter NEN erklärt [25].

Die häufigsten Primärlokalisationen aller NEN stellen das gastroenteropankreatische System (GEP-NEN) mit 3,56/100.000 Einwohner, die Lungen mit 1,49/100.000 Einwohner sowie die NEN unklaren Ursprungs mit 0,84/100.000 Einwohner dar [18]. Die Inzidenz aller GEP-NEN beträgt in Europa 1–2/100.000 Einwohner/Jahr [26]. Zu den GEP-NEN zählen Tumoren von Magen, Pankreas (panNEN), Duodenum, proximalem und distalem Jejunum, Ileum, Appendix sowie Kolon/Rektum. Die geschätzte Inzidenz der panNEN wird mit 0,8/100.000 Einwohner angegeben. Es ist allerdings davon auszugehen, dass die Prävalenz der panNEN unterschätzt wird. So werden nicht alle klinisch inapparenten, größenstabilen, pankreatischen Läsionen punktiert und mitunter auch als intraduktale papilläre muzinöse Neoplasien eingestuft (IPMN, [74]).

Klassifikation der World Health Organization

In der aktuellen WHO-Klassifikation [57, 70] werden die GEP-NEN einheitlich in die folgenden 3 Kategorien eingeteilt:

  • neuroendokrine Tumoren (NET) mit den Unterkategorien G1, G2 und G3,

  • neuroendokrine Karzinome (NEC) mit den Unterkategorien klein- und großzellig,

  • sog. gemischte neuroendokrine/nichtneuroendokrine Neoplasien (MiNEN; vormals MANEC).

Die Differenzierung zwischen NET und NEC basiert weiterhin auf den histomorphologischen Kriterien einer erhaltenen geordneten Architektur in NET gegenüber einer ungeordneten Architektur in NEC sowie der Kernmorphologie und der Proliferationsrate (Tab. 1).

Tab. 1 Einteilung der GEP-NEN laut WHO-Klassifikation. (Lloyd et al. [57], Nagtegaal et al. [70])

Die Proliferationsrate wird nach wie vor anhand des Anteils Ki67-positiver Tumorzellen und/oder der Mitoserate bestimmt und definiert die Differenzierungsgrade G1–G3. Mit dem Zusatz „gut differenziert“ werden auch G2- und G3-NET bezeichnet. Mithilfe der Beschreibung einer „niedrigen, mäßigen oder hohen Proliferation“ der gut differenzierten NET kann die spezifische Benennung der G1- bis G3-NET-Unterkategorien erfolgen. Der „Ki67-cut-off“-Wert von 2 % unterscheidet weiterhin gut differenzierte NET mit niedriger Proliferation (G1) von gut differenzierten NET mit mäßiger Proliferation (G2), wobei insbesondere ein Ki67-Proliferationsindex >5 % prognostisch ungünstiger zu sein scheint [75]. Eine entsprechende Cut-off-Anpassung ist aktuell jedoch nicht vorgesehen.

Als wichtigste Neuregelung der WHO-Klassifikation wurde die Unterkategorie der NET G3 etabliert

Als wichtigste Neuregelung wurde bei den NET die Unterkategorie der gut differenzierten neuroendokrinen Tumoren mit hoher Proliferation (NET G3) etabliert [70]. Diese waren in der vorangegangenen WHO-Klassifikation noch in die Kategorie der NEC einzuteilen [7]. Grundlage der Neueinteilung sind die in NET G3 noch erhaltene geordnete Architektur, funktionelle Unterschiede (häufig noch erhaltene Hormonexpression) und genetisch distinkte Alterationen (DAXX und ATRX in NET G3 vs. TP53 und RB1 in NEC; [90]). Die Prognose der NET G3 liegt zwischen gut differenzierten neuroendokrinen Tumoren mit mäßiger Proliferation (NET G2) und NEC. Klinisch relevant ist insbesondere ein deutlich geringeres Ansprechen auf platinhaltige Chemotherapieregime in NET G3 vs. NEC, speziell bei einem Ki67-Proliferationsindex <55 % [82]. Unabhängig von der (jedoch deutlich >50 % betragenden) Proliferationsrate sind die NEC hingegen über ihre ungeordnete Architektur und ihre charakteristische Zellmorphologie definiert sowie in die klein- und großzellige Unterkategorie einzuteilen.

Bei Vorliegen einer assoziierten nichtneuroendokrinen, in erster Linie drüsigen bzw. pankreatisch-exokrinen Komponente sind neuroendokrine Neoplasien als MiNEN zu klassifizieren. Der Terminus MiNEN ist weiter gefasst als der vormalige Terminus MANEC (gemischtes adenoneuroendokrines Karzinom), speziell da nicht beide Komponenten einem Karzinom entsprechen müssen, sondern beispielsweise auch Mischdifferenzierungen aus einem Adenokarzinom und einem NET zu finden sind (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Gemischte neuroendokrine-nichtneuroendokrine Neoplasie (MiNEN) des Colon ascendens (a, HE-Färbung): prädominante, Synaptophysin-positive NET-G3-Komponente sowie in der Bildmitte Synaptophysin-ausgesparte Adenokarzinom-Komponente (b). Überwiegend deutlich >20 % betragende Ki67-Expression in beiden Komponenten (c)

Die Angabe des prozentualen Anteils der beiden Tumorkomponenten einer MiNEN und eine für jeden Anteil separate Angabe des Differenzierungsgrades ist wegweisend für das Vorgehen bei der Therapieplanung.

Klinischer Phänotyp

Die klinische Präsentation einer GEP-NEN ist abhängig von der Tumorlokalisation, dem Tumorstadium und der Funktionalität. Die als funktionell inaktiv charakterisierten NEN sezernieren häufig Peptide/Peptidhormone wie pankreatisches Polypeptid, Chromogranin A (CgA) oder Kalzitonin, deren Hypersekretion allerdings nicht zu spezifischen Symptomen führt [43]. Diese NEN werden zunehmend im asymptomatischen Stadium als Zufallsbefund im Rahmen einer aufgrund anderer Indikationen durchgeführten Diagnostik oder aufgrund von Lokalkomplikationen des Tumors (insbesondere [Sub]Ileus) festgestellt.

Bei den insgesamt selteneren, funktionell aktiven NET wird das klinische Erscheinungsbild durch die Wirkung der jeweiligen Hormonsekretion bestimmt. Das häufigste Hypersekretionssyndrom ist das Karzinoidsyndrom (CS), das durch eine übermäßige Serotoninproduktion und -sekretion gekennzeichnet ist. Auf Basis der US-amerikanischen SEER-Daten wurde bei 19 % der NET-Patienten ein CS nachgewiesen, wobei diese Analyse auf Patienten im Alter >65 Jahre beschränkt war [36]. Die das CS verursachenden NET sind in über 70 % der Fälle im Mitteldarm („midgut NET“) lokalisiert, wobei auch NET der Lungen und des Kolons/Rektums zum Serotoninexzess führen können [40]. Insbesondere bei den am häufigsten mit einem CS einhergehenden jejunalen-ilealen NET treten die Symptome erst nach Auftreten einer hepatischen Metastasierung auf, da die erhöhten Serotoninspiegel zunächst in der Leber abgebaut werden. Dagegen kann ein CS bei bronchopulmonalen und urogenitalen NET aufgrund der Umgehung des portalen Kreislaufs auch ohne Lebermetastasen klinisch manifest werden [20]. Da im gesunden Pankreas keine serotoninproduzierenden Zellen vorkommen, kommt das typische CS in dieser Primärlokalisation mit ~0,8 % der Fälle nur selten vor [36, 40]. Die typischen Symptome des CS sind Diarrhöen (in 58–100 % der Fälle), ein plötzliches, durch bestimmte Nahrungsmittel/Stimuli auslösbares Erröten der Haut (insbesondere im Gesichts- und Sternumbereich; das „flushing“, in 45–96 % der Fälle), asthmaähnliche Symptome (3–18 %) sowie Pellagra-ähnliche Hautveränderungen mit einer Hyperkeratose und Pigmentation (1 %). Zudem finden sich in der Fälle ca. 40 % (Range 11–70 %) kardiale Komplikationen als Folge der Serotoninhypersekretion (Hedinger-Syndrom). Vor allem der rechte Vorhof und Ventrikel sind von einer Endokardfibrose sowie von Herzklappenveränderungen (Trikuspidalklappeninsuffizienz in 90–100 %, Trikuspidalklappenstenose in 40–59 %, Pulmonalklappeninsuffizienz in 50–81 %, Pulmonalklappenstenose in 25–59 %, Mitralklappeninsuffizienz in 40–43 % der Fälle) betroffen. Des Weiteren sind bei bis zu 75 % der Patienten mit einem NET des Dünndarms und CS desmoplastische Veränderungen, insbesondere eine intestinale/mesenteriale, seltener auch eine retroperitoneale Fibrosierung, zu verzeichnen [40].

Die häufigste funktionell aktive panNEN ist das meist gutartige (90 % der Fälle) Insulinom, das durch eine verstärkte Insulinproduktion zur sog. Whipple-Trias führt. Hierunter versteht man das Auftreten von Hypoglykämiesymptomen (Kopfschmerzen, Schwindel, Sehstörungen, übermäßiges Schwitzen, Tremor, Palpitationen etc.) bei gleichzeitigem Nachweis eines erniedrigten Blutzuckerspiegels sowie das Verschwinden der Symptome nach einer Glucosegabe [20]. Diese Beschwerden treten typischerweise in Fastenepisoden oder während körperlicher Aktivität auf, wobei bis zu 18 % der Patienten postprandiale Hypoglykämien aufweisen, die das einzige Symptom sein können [25].

Das in der Mehrzahl der Fälle im Duodenum, seltener auch im Pankreas vorkommende Gastrinom führt durch die verstärkte Gastrinproduktion und hierdurch hervorgerufene Magensäurehypersekretion zum sog. Zollinger-Ellison-Syndrom (ZES). Dieses ist durch abdominelle Schmerzen (in 79–100 % der Fälle, häufig verursacht durch eine Ulkuserkrankung), wässrige Diarrhö (30–75 %) sowie ösophageale Symptome (gastroösophageale Refluxerkrankung; 31–56 %) gekennzeichnet [43]. Da 20 % aller Patienten mit einem Gastrinom von einer MEN Typ 1 betroffen sind, wird bei der Diagnose dieser Erkrankung die entsprechende molekulargenetische Diagnostik empfohlen, und es sollte auf Hinweise für weitere MEN-Typ-1-assoziierte Erkrankungen geachtet werden (insbesondere einen primären Hyperparathyreoidismus bzw. ein Prolaktinom, [20]).

Die Gruppe der seltenen, funktionell aktiven NEN ist groß und nicht in allen Fällen ist ein distinkter klinischer Phänotyp zugeordnet. Zu den häufigeren NEN innerhalb dieser Erkrankungsgruppe gehört das VIPom, bei dem es durch eine gesteigerte Sekretion des vasoaktiven intestinalen Peptids (VIP) zu Diarrhöen, einer Hypokaliämie und einer Dehydratation kommt. Ferner zählen hierzu das ausschließlich im Pankreas lokalisierte Glukagonom, das einen charakteristischen Hautausschlag, eine Glucoseintoleranz und einen Gewichtsverlust hervorruft, sowie das Somatostatinom, das einen Diabetes mellitus, eine Cholelithiasis und ebenfalls Diarrhöen auslösen kann [43].

Diagnostik

Biochemische Verfahren

Die biochemische Diagnostik der NEN beruht auf der Messung der durch die Tumorzellen sezernierten Peptide und Hormone bzw. deren Abbauprodukte und kann darüber hinaus endokrinologische Funktionstests beinhalten, wenn der Verdacht auf eine funktionell aktive NEN besteht. Dem Glykoprotein CgA, das in den Sekretgranula chromaffiner und neuroendokriner Zellen gespeichert und nach Stimulation ausgeschüttet wird, kommt eine besondere Rolle als Tumormarker, insbesondere in der Verlaufsbeurteilung der NEN, zu. Eine Erhöhung der CgA-Konzentration kann u. a. bei funktionell aktiven und inaktiven NEN des Gastrointestinaltrakts und des Pankreas sowie bei Hypophysenadenomen und Phäochromozytomen nachgewiesen werden; deswegen wird die Bestimmung der CgA-Konzentration zumindest einmalig bei allen Patienten mit NEN empfohlen [20]. Als Screeningparameter für NEN ist CgA allerdings nicht geeignet und sollte lediglich bei histologisch gesicherten NEN bestimmt werden [20]. In 30–50 % der NEN (insbesondere bei NET der Appendix, typischen Lungenkarzinoiden und NEC) finden sich normale CgA-Spiegel, was die Sensitivität dieses Markers deutlich einschränkt [20, 61]. Zudem können z. B. bei dem Vorliegen schwerer Allgemeinerkrankungen, einer Niereninsuffizienz oder bei der gleichzeitigen Einnahme von Protonenpumpeninhibitoren (PPI) falsch-positive Werte gemessen werden (Tab. 2). Die Spezifität und Sensitivität von CgA sind u. a. abhängig von der Tumormasse, der Messmethode sowie von Art und Ursprungsort der NEN, wobei sich bei Gastrinomen und NET des Dünndarms sowie bei funktionell inaktiven pankreatischen NET häufig eine Konzentrationserhöhung nachweisen lässt [71]. Im Vergleich zur Messung der neuronenspezifischen Enolase (NSE) oder der 5‑Hydroxyindolylessigsäure (5-HIES) war die CgA-Konzentration sensitiver und spezifischer, insbesondere in der Diagnostik differenzierter NET (zwischen 60 und 90 %). Der Tumormarker NSE ist v. a. bei schlecht differenzierten NEN (u. a. der Lungen oder des Gastrointestinaltrakts) von Bedeutung, da bei 50–70 % aller NEN G3 ein Anstieg der NSE-Konzentration zu verzeichnen ist. Deswegen sollte die NSE-Konzentration bei allen hochproliferativen NET G2/NET G3 und bei allen NEC zusätzlich zur CgA-Konzentration bestimmt werden [20, 50, 71]. Ergänzend wird empfohlen, bei MiNEN das karzinoembryonale Antigen (CEA) zu bestimmen, da dieser Tumormarker eine wichtige Rolle bei zahlreichen Adenokarzinomen spielt [20].

Tab. 2 Gründe für eine NEN-unabhängige Erhöhung der Chromogranin-A-Konzentration. (Mod. nach Rinke et al. [20], Marotta et al. [61])

5‑Hydroxyindolylessigsäure ist ein Abbauprodukt des Serotonins, das insbesondere bei NEN des Mitteldarms vermehrt ausgeschüttet wird und den klinischen Phänotyp des CS (mit)bedingt. Da Serumbestimmungen des Serotonins durch eine große intra- und interindividuelle Variabilität gekennzeichnet sind, werden diese in der Diagnostik des CS nicht routinemäßig eingesetzt. Die Bestimmung von 5‑HIES erfolgt aus dem 24-h-Sammelurin. Weil ein Teil des über die Nahrung aufgenommenen Tryptophans zu Serotonin umgewandelt wird, sollte in den 3 Tagen vor der Urindiagnostik auf bestimmte, tryptophanreiche Lebensmittel verzichtet werden, um falsch-positive Ergebnisse zu vermeiden [71]. Zudem können verschiedene Medikamente (insbesondere Somatostatinanaloga, SSA) die 5‑HIES-Bestimmung beeinflussen, was in der Interpretation des Ergebnisses berücksichtigt werden muss. Bei dem klinischen Verdacht auf ein CS betragen Sensitivität und Spezifität von 5‑HIES im Mittel 70 bzw. 90 %. Bei NEN des Mitteldarm haben wir hier die höchste Sensitivität und Spezifität unter den NEN [40, 71]. Die Korrelation zwischen der Höhe der 5‑HIES-Werte und der klinischen Ausprägung des CS ist aufgrund der schwankenden Serotoninausschüttung aus den Tumorzellen inkonsistent. Da zudem mitunter deutliche intraindividuelle Schwankungen bei der 5‑HIES-Bestimmung beschrieben sind, wird aus diagnostischen Gründen die 2‑malige Messung empfohlen (zur Beurteilung wird der Mittelwert der beiden Messungen verwendet). Dagegen reichen in der Verlaufsbeurteilung einfache Bestimmungen aus [71].

Die biochemische Diagnostik bei funktionell aktiven NEN beinhaltet darüber hinaus endokrinologische Funktionstestungen, die die Diagnose bei Vorliegen eines klinischen Verdachts sichern. Als Goldstandard für die Diagnose eines Insulinoms gilt in diesem Zusammenhang der 72-h-Fastentest, dessen Wirkprinzip auf der endogenen Insulinsuppression während Hypoglykämiephasen beruht, die beim Vorliegen einer autonomen Insulinsekretion beeinträchtigt ist. Eine Verkürzung dieses Funktionstests auf 48 h kann in Einzelfällen erfolgen, ohne die Sensitivität des Verfahrens deutlich zu reduzieren, da 90 % der Patienten innerhalb der ersten 48 h Symptome entwickeln [25]. Eine medikamentös bedingte Hyperinsulinämie sollte durch eine C‑Peptid-Bestimmung sowie durch die Bestimmung von Sulfonylharnstoffmetaboliten im Serum ausgeschlossen werden. Das ZES bzw. Gastrinom kann durch die Kombination aus einer erhöhten Nüchterngastrinkonzentration im Serum und einem niedrigen pH-Wert im Magen (<2) diagnostiziert werden. In manchen Befundkonstellationen, insbesondere wenn die Nüchterngastrinkonzentration den Grenzwert nicht deutlich überschreitet (Konzentrationsanstieg weniger als das 10-Fache des Grenzwerts), wird zur Diagnosesicherung zudem ein Funktionstest durchgeführt. In diesem Fall sollte der Sekretintest angewendet werden (diagnostische Algorithmen für die Diagnostik des Insulinoms und Gastrinoms wurden u. a. durch die ENETS erstellt [25]). Auch können bei manchen Krankheiten, insbesondere einer chronisch-atrophischen Fundusgastritis, einer Helicobacter-pylori-Infektion und einer Niereninsuffizienz, sowie unter laufender PPI-Therapie deutlich erhöhte Gastrinwerte auftreten, die allerdings nicht mit einer entsprechenden Erniedrigung des Magen-pH-Werts einhergehen [20]. Weitere Hormone bzw. Peptide können bei der Verdachtsdiagnose seltener funktionell aktiver NEN von Bedeutung sein (beispielsweise VIP, Glukagon), die in spezialisierten NEN-Zentren diagnostiziert und behandelt werden [73].

Molekulare Heterogenität der gastroenteropankreatischen neuroendokrinen Neoplasien

Die molekulare Heterogenität in der Gruppe der GEP-NEN unter besonderer Berücksichtigung der panNEN und der NEN des Dünndarms („small intestine neuroendocrine neoplasia“; siNEN) wurde in der jüngeren Vergangenheit umfassend untersucht. Bei der Interpretation dieser Daten muss jedoch berücksichtigt werden, dass sich die Mehrzahl der Studien an siNEN auf die weitaus häufigeren NET des Ileums fokussiert haben und es lediglich spärliche Daten zu duodenalen und jejunalen NEN gibt, die jedoch eine deutliche molekulare Überlappung mit panNEN aufzuweisen scheinen. In letzterer Gruppe sind speziell die gastrinexprimierenden duodenalen NEN zu nennen, die sowohl eine wiederkehrende MEN1-Assoziation als auch ein vergleichbares Methylierungsmuster wie pankreatische Gastrinome aufweisen [4, 38, 59].

Bereits mithilfe konventioneller und molekularer Zytogenetik, im Verlauf aber auch mithilfe des „next generation sequencing“ konnten die divergenten Alterationsmuster von panNEN (mit wiederkehrenden genomischen Verlusten auf Chromosom 11) und siNEN (mit Verlusten auf Chromosom 18) gezeigt werden [33, 79].

Die genomische Landschaft der panNEN (mit besonderem Fokus auf nichtfunktionelle G1-/G2-Tumoren) wurde in aktuellen Arbeiten im Wesentlichen durch „Whole-exome“ bzw. „Genome-/whole-transcriptome-“Analysen charakterisiert [79]. Hierbei konnten neben MEN1-, DAXX- und ATRX-Mutationen sowie Inaktivierung von TSC1/TSC2 und PTEN die Deregulation des PI3K/mTOR-Signaltransduktionsweges als zentrales molekulares Motiv identifiziert werden. Überschneidungen mit anderen, primär pankreatischen Malignomen fanden sich bei insgesamt niedriger Tumormutationslast kaum [44, 79]. Darüber hinaus scheinen multiple, in die DNA-Reparatur-Mechanismen involvierte Gene, speziell Teile des Einzelbasenreparaturkomplexes und Elemente des Reparatursystems für Doppelstrangbrüche, wiederholt Mutationen aufzuweisen [79].

Im Unterschied zu panNEN wurden siNEN mit Ausnahme einzelner duodenaler NEN (mit Gastrin- oder Somatostatinexpression) traditionell als sporadische Erkrankungen angesehen, und Fallserien aus der jüngeren Vergangenheit mit familiärer Häufung konnten bis dato noch keine Treibermutation zugeordnet werden [59]. Der weitaus größere Anteil der siNEN jedoch entstammt dem Ileum und dem Zäkum, und die vorliegenden zyto- und molekulargenetischen Daten sind z. T. noch widersprüchlich. Speziell das Fehlen rekurrenter Treibermutationen erschwert die molekulare Charakterisierung. Dies wird überwiegend im Zusammenhang mit der generell niedrigeren Tumormutationslast im Exom von siNEN, verglichen mit panNEN (0,1 vs. 0,3 Mutationen/kodierende Megabase), diskutiert [27, 79]. Diese relativ niedrige Mutationslast scheint in siNEN durch eine gesteigerte Frequenz an amplifizierten Onkogenen kompensiert zu werden.

Sowohl siNEN als auch panNEN lösen eine pathologische Aktivierung des mTOR-Signalwegs aus

Trotz der deutlichen Divergenz auf genomischer Ebene weisen beide Gruppen ähnliche epigenetische Regulationsmuster auf (u. a. Methylierung des RASSF1A-Promotors; [95]). Zudem lösen sowohl siNEN als auch panNEN unter funktionellen Gesichtspunkten eine pathologische Aktivierung des mTOR-Signalwegs aus. Dies wird in beiden Entitäten durch unterschiedliche Aberrationen erreicht. Während panNEN vermehrt inaktivierende Mutationen der mTORC1-Repressorgene aufweisen, finden sich bei siNEN direkte chromosomale Zugewinne des mTOR-Gens und methylierungsinduzierte Deregulierungen der mTOR-, MAPK- und Src-vermittelten Signaltransduktion [59]. Darüber konnten Amplifikationen von EGFR, Her2/Neu und PDGFR als potenzielle Ras‑, PI3K- und Src-vermittelte mTOR-Kooperationspartner identifiziert werden, die in metastasierenden Stadien oftmals durch global-aberrierte Methylierungsmuster in ihrer Rezeptorkinaseaktivität unterstützt werden.

Des Weiteren scheint eine pathologische Aktivierung des Wnt-Signalweges unterschiedlichen Ursprungs in beiden Entitäten zu bestehen. Während eine Induktion von miR-196a in beiden Gruppen vorkommt und in panNEN zusätzlich direkte prognostische Implikationen aufweist, scheint die Modulierung von CTNNB1 und seinen Interaktionspartnern exklusiv in siNEN zu bestehen [59, 97].

Bildgebende Verfahren

Die Aufgaben der bildgebenden Verfahren bezüglich der GEP-NEN sind vielfältig und lassen sich wie folgt charakterisieren:

  1. a)

    Lokalisation des Tumors,

  2. b)

    genaue Bestimmung der lokalen Tumorausdehnung,

  3. c)

    Bestimmung des „imaging phenotype“,

  4. d)

    Klärung, ob eine kurative Operation, Peptid-Rezeptor-Radionuklid-Therapie (PRRT) oder Zytoreduktion möglich ist,

  5. e)

    Nachweis oder Ausschluss von Metastasen.

Da keine bildgebende Methode allein alle Fragen klären kann, sind in den meisten Fällen die Kombination und gemeinsame Beurteilung mehrerer Untersuchungsverfahren erforderlich. Welche Verfahren in welcher Reihenfolge eingesetzt werden, hängt von der Symptomatik des Patienten, der Lokalisation und Größe des Primärtumors, dem Tumortyp und der Tumordifferenzierung ab. Generell ist die Detektion von NEN des Gastrointestinaltrakts eher eine Domäne der Endoskopie/Endosonographie, während die radiologischen/nuklearmedizinischen Verfahren einen hohen Stellenwert in der Diagnostik der panNEN und beim Tumor-Staging haben [45].

Endosonographie

Von allen bildgebenden Verfahren besitzt die Endosonographie in der Hand des erfahrenen Untersuchers die höchste Sensitivität zur Detektion kleiner panNEN. Als Nachteile der Methode müssen allerdings die hohe Untersucherabhängigkeit, die Invasivität und die Notwendigkeit einer Sedierung genannt werden. Das zweitsensitivste Verfahren ist die Magnetresonanztomographie (MRT). Eine aktuelle Metaanalyse gibt die Sensitivitäten der Endosonographie mit 80 % und der MRT mit 66 % an [46].

Computertomographie

Die Computertomographie ist häufig das zuerst angewendete bildgebende Verfahren, insbesondere dann, wenn die Patienten mit einer abdominellen Symptomatik auffällig werden. Vorteile der Methode sind die hohe Verfügbarkeit, die hohe räumliche Auflösung und die Robustheit. Die Untersuchung sollte als multiphasische CT durchgeführt werden. Native Bilder dienen dem Nachweis von Verkalkungen und Einblutungen. In der arteriellen Phase lassen sich die Hyperperfusion der NEN und die Gefäße optimal beurteilen. Die portalvenöse Phase ist insbesondere zur Beurteilung von Organmetastasen und der Lymphknoten wichtig. Die Sensitivität der multiphasischen CT zur Detektion pankreatischer NET wird mit etwa 60–70 % angegeben. Als neue technische Entwicklung kann die spektrale CT, bei der monochromatische, niederenergetische Bilder und joddichte Bilder rekonstruiert werden, die Sensitivität steigern. In einer ersten Pilotstudie konnten 22 von 23 Insulinomen detektiert werden [56]. Geräte, die diese Technik anbieten, sind zunehmend in der klinischen Routine verfügbar; Ergebnisse größerer Studien, die eine zuverlässige Beurteilung der Methode erlauben, liegen aber noch nicht vor.

Magnetresonanztomographie

Das beste radiologische Verfahren zum Nachweis von NEN ist zweifelsfrei die MRT. Das Verfahren besitzt im Vergleich zur CT eine höhere Sensitivität zur Detektion pankreatischer NET und insbesondere zur Detektion von Lebermetastasen. Das MRT-Protokoll sollte sowohl T2-gewichtete Sequenzen als auch dynamische T1-gewichtete Sequenzen nach der i.v.-Gabe von gadoliniumhaltigen Kontrastmitteln beinhalten. Das Protokoll sollte auf jeden Fall auch diffusionsgewichtete Aufnahmen („diffusion weighted imaging“, DWI) vorsehen, die die Detektion kleiner NEN verbessern und die Differenzierung von anderen Tumoren erleichtern [42]. Durch aktuelle technische Entwicklungen, die die MRT-Messzeiten dramatisch verkürzen und Bewegungsartefakte vermeiden, spielen bei den Scannern der modernsten Generation viele der bekannten MRT-Limitationen nur noch eine untergeordnete Rolle [13]. Diese neuen Techniken haben das Potenzial, die diagnostische Genauigkeit der MRT weiter zu verbessern. Größere klinische Studien, die eine abschließende Beurteilung der neuen Methoden erlauben, liegen aber noch nicht vor.

Somatostatinrezeptorszintigraphie

Es exprimieren 70–90 % der gastrointestinalen und 50–80 % der pankreatischen GEP-NEN den Somatostatinrezeptor 2 (SSTR2). Nach radioaktiver Markierung können SSA als Tracer eingesetzt und mithilfe nuklearmedizinischer Methoden nachgewiesen werden. Dieses molekulare bildgebende Verfahren identifiziert über Tumormanifestationen hinaus Patienten als Kandidaten für die Peptid-Rezeptor-Radionuklidtherapie (PRRT).

Als szintigraphische Tracer sind 111Indium-(111In)-DTPAOC (Octreoscan®, Mallinckrodt, Staines-upon-Thames, Irland) und 99mTc-EDDA/HYNIC-TOC (Tektrotyd®, Rotop-Pharmaka, Dresden, Deutschland) verfügbar, die mithilfe einer Gammakamera, einer SPECT oder optimalerweise der SPECT-CT nachgewiesen werden können. Im Vergleich zu 111In-Octreotid geht 99mTc-Tektrotyd mit einem höheren Kontrast zwischen Tumor und Hintergrund, einer besseren Bildqualität und einer gering gesteigerten Sensitivität einher [28].

Positronenemissionstomographie

In der heutigen Zeit stehen zahlreiche PET-Tracer zur Verfügung, die auf unterschiedlichen molekularen Mechanismen beruhen:

Die PET-Tracer, die an SSTR binden, eignen sich insbesondere für den Nachweis gut differenzierter NET mit hoher SSTR-Expression und geringer Proliferationsrate. Einer der etabliertesten Tracer ist 68Gallium (68Ga)-DOTATATE (DOTA-DPhe1, „Tyr3-octreotate“). Sensitivitäten, Spezifitäten, positiv- und negativ-prädiktive Werte sowie die Genauigkeit im Vergleich zu 99mTc-Tektrotyd betragen 100 % vs. 82 %, 85 % vs. 69 %, 97 % vs. 92 %, 100 % vs. 47 % und 97 % vs. 79 % [53]. Diese Daten wurden für die 68Ga-DOTATATE-PET/-CT von Gabriel et al. mit einer Sensitivität von 97 %, Spezifität von 92 % und einer Genauigkeit von 96 % bestätigt [29]. Die 68Ga-DOTATATE-PET/-CT ist der Octreoscan-Szintigraphie insbesondere im Nachweis kleiner skeletaler, Lymphknoten‑, Lungen- und Lebermetastasen überlegen, und der Befund ändert das therapeutische Management in 34 % der Fälle [8, 29, 53].

18F‑Fluordesoxyglucose (18F‑FDG) ist ein Marker des Zuckerstoffwechsels und reichert sich insbesondere bei NET mit deutlich gesteigertem Glucosemetabolismus an. Dies sind v. a. die wenig differenzierten NEN mit hoher Proliferationsrate (G3, [48]). Da bei dieser Entität die SSTR-Expression häufig reduziert ist, werden diese Tumoren im bildgebenden Nachweis der SSTR-Expression weniger gut dargestellt.

Der Aminvorläufer 18F‑L-DOPA wird eingesetzt, um die Aktivität des Enzyms DOPA-Decarboxylase quantitativ abzuschätzen. Die Decarboxylase katalysiert die Umwandlung des Aminpräkursors 3,4-Dihydroxyphenylalanin (DOPA) in das biogene Dopamin. Der PET-Tracer 18F‑DOPA reichert sich daher insbesondere in funktionell aktiven NET an. Während bei gut differenzierten, nichtfunktionellen NET die Sensitivität der 18F‑DOPA-PET/-CT 56 % beträgt [37], können bei funktionell aktiven NET hohe Genauigkeiten von 90 % (allgemein), 88 % (Primärdiagnostik) und 92 % („Restaging“) bei einem positiv- und negativ-prädiktiven Wert von 92 % bzw. 95 % gemessen werden [47].

In der molekularen nuklearmedizinischen bildgebenden Untersuchung ist die Somatostatinrezeptor-PET/-CT der Somatostatinrezeptorszintigraphie im Hinblick auf Effizienz und klinische Praktikabilität überlegen. Beide binden v. a. an gut differenzierte NET mit geringer Proliferationsrate. Bei Entdifferenzierung hingegen nehmen die SSTR-Expression ab und der Glucosestoffwechsel zu. Hier ist der Tracer 18F‑FDG zu favorisieren. Darüber hinaus kann bei funktionell aktiven Tumoren 18F‑DOPA eingesetzt werden.

Therapeutische Möglichkeiten

Die Behandlung der NEN erfolgt multimodal und interdisziplinär. In der Folge werden die am häufigsten eingesetzten Therapiekonzepte vorgestellt.

Biotherapie

Die Biotherapie von NEN ist seit Langem etabliert und besteht heutzutage hauptsächlich aus der Behandlung mit SSA, wohingegen Interferon‑α in den letzten Jahren nur noch selten eingesetzt wird [86]. Die für die Therapie von NEN zugelassenen, lang wirksamen SSA der 1. Generation, Octreotid-LAR („long-acting repeatable“) und Lanreotid-ATG (Autogel), verbessern die Symptome bei Patienten mit funktionell aktiven NEN, weswegen sie initial lediglich zur symptomatischen Behandlung verwendet wurden (s. Abschn. „Symptomatische Therapie“). Vor einigen Jahren konnte allerdings für beide Substanzen ein antiproliferativer Effekt auf GEP-NEN und hierüber eine signifikante Verlängerung des progressionsfreien Überlebens („progression-free survival“, PFS), insbesondere bei funktionell inaktiven GEP-NEN, nachgewiesen werden, wodurch die Indikation für eine SSA-Therapie erweitert wurde [9, 78]. Die antiproliferative Wirkung beruht sowohl auf direkten als auch auf indirekten (u. a. Inhibition der Tumorangiogenese, Unterdrückung tumorstimulierender Wachstumsfaktoren) über die SSTR vermittelten Effekten [63]. So verbesserte Lanreotid in der CLARINET-Studie das PFS von Patienten mit GEP-NEN nach 24 Monaten auf 65,1 % (95 %-Konfidenzintervall [95 %-KI] 54,0 bis 74,1 Monate), verglichen mit 33,0 % (95 %-KI 23,0 bis 43,3 Monate) in der Placebogruppe und zeigte auch langfristig eine gute Tumorkontrolle bei ebenfalls guter Verträglichkeit [9, 10]. In der PROMID-Studie konnte bereits zuvor die Wirksamkeit von Octreotid in der Behandlung von NEN des Mitteldarms nachgewiesen werden, das die Zeit bis zur ersten Dokumentation eines Tumorprogresses auf 14,3 Monate (95 %-KI 11,0 bis 28,8 Monate), verglichen mit 6 Monaten (95 %-KI 3,7 bis 9,4 Monate) in der Placebogruppe, verlängerte [78]. Die Tumorkontrolle mithilfe dieser Substanzen ist v. a. für Patienten mit gut differenzierten NEN (G1 und G2, Ki-67-Index bis 10 %) geeignet, die in den durchgeführten Studien das beste Therapieansprechen zeigten. Für die meisten GEP-NEN-Subgruppen bewirken SSA insbesondere eine Stabilisierung des Tumorwachstums über einen langen Zeitraum und somit eine signifikante Verzögerung des Krankheitsprogresses; für manche NEN (u. a. des Magens) konnte auch eine Tumorregression nachgewiesen werden [63].

Somatostatinanaloga haben einen antiproliferativen Effekt auf GEP-NEN

Die GEP-NEN können verschiedene SSTR exprimieren; in den meisten Fällen dominiert eine SSTR2- (bis zu 90 %) bzw. SSTR5-Expression (bis zu 80 %; [63, 65]). Sowohl Octreotid als auch Lanreotid haben eine hohe Affinität zu SSTR2 und zeigen eine geringere Wirkung auf SSTR5, wobei eine höhere Effektivität der SSA-Therapie im Hinblick auf die antiproliferative Wirkung in NEN mit SSTR2- und SSTR5-Expression, verglichen mit einer alleinigen SSTR2-Expression, festgestellt werden konnte [63]. Bei 100 bzw. 86 % der Teilnehmenden in der CLARINET- bzw. PROMID-Studie konnte eine SSTR-Expression auf den Tumorzellen in einer vor Therapiebeginn durchgeführten SSTR-Szintigraphie festgestellt werden [32]. Der Nachweis von SSTR auf den Tumorzellen (durch immunhistochemische oder nuklearmedizinische Untersuchungsmethoden) vor einem Therapiebeginn mit SSA erscheint daher sinnvoll. Ein Zusammenhang zwischen einem Therapieansprechen und der prätherapeutischen SSTR-Expression wurde bisher allerdings nur in wenigen Studien gefunden [32].

Die Verträglichkeit von Lanreotid und Octreotid ist gut, wobei funktionelle gastrointestinale Beschwerden, die nach wenigen Behandlungswochen sistieren, sowie eine Cholestase zu den häufigsten bzw. Letztere zu den schwerwiegenderen Therapiekomplikationen zählen. Die Applikation der Substanzen erfolgt alle 28 Tage mithilfe der i.m.- (Octreotid) bzw. tiefen s.c.-Injektion (Lanreotid). Sowohl für Lanreotid als auch für Octreotid sind 3 unterschiedliche Wirkstärken verfügbar. Da die Medikation die Korrelation zwischen der Tumormasse und dem Tumormarker CgA einschränkt, sollten CgA-Verlaufskontrollen möglichst immer zum gleichen Zeitpunkt innerhalb des SSA-Injektionsintervalls erfolgen [20].

Mittlerweile gilt die SSA-Gabe als Erstlinientherapie für Patienten mit funktionell aktiven und inaktiven, gut differenzierten GEP-NEN im lokal fortgeschrittenen, metastasierten oder nichtresektablen Zustand. Bei niedriger Tumorlast eines nichtvollständig resektablen, funktionell inaktiven und gut differenzierten NET kann als Alternative zum sofortigen Beginn der SSA-Therapie die „Watch-and-wait“-Strategie diskutiert werden, da die vorliegenden Studienergebnisse zwar Hinweise auf ein besseres Gesamtüberleben („overall-survival“, OS) bei frühem Therapiebeginn (und niedriger Tumorlast) ergaben, ein Überlebensvorteil bisher aber nicht klar nachgewiesen werden konnte [20]. Bei mangelndem bzw. fehlendem Ansprechen auf die SSA-Behandlung kann eine Kombination mit anderen Therapien (beispielsweise zielgerichtete Therapien, PRRT) oder auch eine über die gängigen Schemata hinausgehende Dosierung der SSA erwogen werden, deren Wirksamkeit und Sicherheit derzeit u. a. im Rahmen der Phase-II-Studie CLARINET FORTE überprüft wird [63].

Medikamentöse Therapie

Eine medikamentöse Therapie ist bei gut differenzierten GEP-NEN in metastasierten/inoperablen Erkrankungsstadien indiziert. Die Unterteilung in nichtpankreatische vs. pankreatische Tumoren ist bei der Therapieentscheidung elementar.

Nichtpankreatische GEP-NET sind meist nicht chemosensibel und werden nicht mit klassischen Zytostatika behandelt. Bei Progress steht nach der RADIANT‑4-Studie Everolimus als zielgerichtete Substanz zur Verfügung. Es wurden 302 Patienten mit nichtfunktionellen NET G1/G2 (Lungen und Gastrointestinaltrakt) 2:1 in Behandlungsgruppen mit 10 mg Everolimus- bzw. Placebo randomisiert. Der primäre Endpunkt, das mediane PFS, betrug 11,0 vs. 3,9 Monate zugunsten der Interventionsgruppe („hazard ratio“ [HR] 0,48; 95 %-KI 0,35–0,67; p < 0,001; [91]). In einer Post-hoc-Analyse konnte für die Subgruppe Ileum-NET kein positiver Effekt gezeigt werden (Ileum n = 71: HR = 1,22 [95 %-KI: 0,56–2,65]; NET außerhalb des Ileums n = 141 HR = 0,34 [95%KI: 0,22–0,54]; [80]). Formal besteht eine Therapiezulassung, die Indikation sollte jedoch sehr kritisch gestellt werden.

Für Patienten mit nichtresezierbaren, fortgeschrittenen und/oder metastasierten, gut und mäßig differenzierten panNEN (G1 oder G2) und nachweisbarer Krankheitsprogression innerhalb der letzten 12 Monate stehen 2 molekular-zielgerichtete Therapien zur Verfügung:

Im Jahr 2011 hat Everolimus in einer Dosis von 10 mg/Tag die Zulassung für gut und mäßig differenzierte panNEN aufgrund der Daten der RADIANT-3-Studie erhalten. Primärer Endpunkt dieser multizentrisch, randomisierten Doppelblind-Phase-III-Studie war das PFS einer „Best-supportive-care“(BSC)-Strategie mit Everolimus im Vergleich zu einer BSC und Placebostrategie.

Das mediane PFS konnte von 4,6 auf 11,04 Monate in der Interventionsgruppe verlängert werden (HR = 0,35; 95 %-KI:0,27–0,45; p < 0,0001; [92]).

Als weitere Option steht seit Ende 2010 Sunitinib zur Verfügung, dessen Zulassung auf den Ergebnissen einer multizentrischen, randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Phase-III-Studie beruht. Das Studiendesgin war mit dem der RADIANT-3-Studie vergleichbar. Auch hier wurde eine BSC-Strategie entweder mit Placebo oder Verum verglichen. Sunitinib wurde in einer Dosierung von 37,5 mg/Tag eingesetzt. Eine klinische Überlegenheit zugunsten des Sunitinib mit einer Verdopplung des PFS von 5,5 auf 11,4 Monate führte zur Zulassung der Substanz in dieser Indikation (HR 0,42; 95 %-KI 0,26–0,66; p < 0,001, [77]).

Als einzige der gut differenzierten NEN sind panNET chemosensibel

Die panNET nehmen eine Sonderstellung innerhalb der gut differenzierten NEN ein, da sie als einzige chemosensibel sind. Aufgrund der höheren Ansprechraten sollte die Chemotherapie gegenüber den molekular-zielgerichteten Therapien bevorzugt werden.

Bereits seit den 1980er-Jahren wird Streptozotocin (STZ) in Kombination mit 5‑Fluoruracil bzw. Doxorubicin bei panNEN eingesetzt [67]. Es können Remissionsraten von 28–43 % und „disease control rates“ (DCR) bis zu 90 % erreicht werden. Die mediane Dauer des Ansprechens wird mit 9,3 Monaten angegeben, die Zweijahres-PFS-Rate mit 41 % und die Zweijahres-OS-RATE mit 74 % [52].

Eine weitere, jedoch aktuell nicht zugelassene Therapieoption stellt die Kombination von Capecitabin und Temozolomid (CAPTEM) dar. Das CAPTEM-Schema wird zunehmend bei panNET angewendet. Die Datenlage beruht jedoch ganz überwiegend auf retrospektiven Erhebungen. Es sind Ansprechraten von 14 bis 70 % und ein mPFS von 5 bis 36 Monaten beschrieben [14, 51, 85]. Eine Phase-II-Studie, die Temozolomid in der Mono- vs. der Kombinationstherapie mit Capecitabin prospektiv untersucht, wurde nach einer geplanten Interimsanalyse gestoppt, da nach 144 in die Studie aufgenommenen Patienten eine deutliche Überlegenheit in der Kombinationsgruppe festgestellt wurde. Das mediane PFS betrug 22,7 vs. 14,4 Monate (HR = 0,58, p = 0,023), das mediane OS 38 vs. „not been reached“ (HR = 0,41, p = 0,012). Die endgültigen Daten stehen jedoch noch aus [54].

Grundsätzlich ist eine neo- bzw. adjuvante Therapie gut differenzierter NEN noch nicht etabliert. Es gibt erste Daten, die einen Vorteil einer neoadjuvanten Therapie bei hepatisch metastasierten panNEN zeigen. Die Daten sind jedoch noch limitiert und stellen keinen neuen Standard dar [17]. Bei schlecht differenzierten NEC kann als Einzelfallentscheidung ein neo-/adjuvanter Ansatz als Therapie außerhalb der Leitlinie diskutiert werden.

Peptid-Rezeptor-Radionuklid-Therapien

Peptid-Rezeptor-Radionuklid-Therapien bedienen sich radioaktiv-markierter SSA. Sie sind nebenwirkungsarm und effizient in der Behandlung von Läsionen der NEN, die hoch differenziert sind und SSTR 2 in hoher Dichte exprimieren [55].

Die am häufigsten verabreichten SSA sind „[DOTA0,Tyr3]octreotide“ (DOTATOC) und „[DOTA0,Tyr3]octreotate“ (DOTATATE), wobei als Therapienuklid am häufigsten 177Lutetium (177Lu) eingesetzt wird. Durch Verbindung beider entsteht das Therapiekonjugat. Ganz überwiegend werden 2 bis 4 Zyklen mit jeweils 7,4 GBq verabreicht. Bei Einhalten der Indikationskriterien werden die Kosten von den gesetzlichen Krankenkassen erstattet. Wegen dem Schutz des Pflegepersonals vor zu hoher Strahlenexposition können keine pflegebedürftigen Patienten behandelt werden.

Für die PRRT muss die Knochenmarkreserve des Patienten ausreichend hoch sein

Die Entscheidung zur PRRT sollte innerhalb eines interdisziplinären Tumorboards unter Abwägung der Therapiealternativen erfolgen. Dabei muss eine Behandlungsnotwendigkeit vorliegen, z. B. innerhalb eines Progresses. Prinzipiell geeignet sind Tumoren, die chirurgisch nicht kurativ behandelbar sind und in der Somatostatinrezeptor-PET/-CT oder der Somatostatinrezeptorszintigraphie eine intensive Tracer-Anreicherung in den Tumormanifestationen aufweisen. Die Knochenmarkreserve muss ausreichend hoch sein (Leukozyten >3 × 109/l; Thrombozyten >75 × 109/l; Hämoglobin >5 mmol/l [8 g/dl]; [25]). Absolute Kontraindikationen sind eine fehlende Tracer-Anreicherung therapeutisch relevanter, makroskopisch sichtbarer Tumormanifestationen/Tumoranteile in der PET/CT oder der Szintigraphie sowie eine Schwangerschaft [76]. Als relative Kontraindikationen gelten u. a. rasch proliferierende Tumoren (z. B. Ki-67-Index ≥20 %, [24]), nichtprogrediente Tumoren und eine eingeschränkte Knochenmarkreserve sowie Nierenfunktion.

Die Therapie muss gemäß der Richtlinie „Strahlenschutz in der Medizin – Richtlinie zur Verordnung über den Schutz vor Schäden durch ionisierende Strahlen (Strahlenschutzverordnung – StrlSchV)“ auf einer nuklearmedizinischen Therapiestation mit zumindest 48-stündiger Aufnahme erfolgen. Begleitend werden eine antiemetische Therapie und ein nephroprotektives Infusionsprotokoll angeordnet.

In der größten Studie zur PRRT mit 177Lu-DOTATATE bei GEP-NET wurde ein PFS von 40 Monaten erzielt; die Remissionsrate betrug 30 %, das mediane Überleben 46 Monate. Allerdings wurden in diese Studie nicht nur Patienten eingeschlossen, die eine Krankheitsprogression zeigten [55]. Die Netter-1-Studie als randomisierte, prospektive Studie verglich 4 Zyklen à 7,4 GBq 177Lu-DOTATATE + Octreotid-LAR 30 mg alle 4 Wochen (Interventionsgruppe) vs. Octreotid-LAR 60 mg alle 4 Wochen (Kontrollgruppe) bei 229 Patienten mit gut differenzierten Midgut-NET (Ki-67-Index <20 %), fehlender Operabilität, Progress unter Octreotid und SSTR-positivem Nachweis in der bildgebenden Untersuchung. Es zeigten sich in der Interventions- vs. Kontrollgruppe nach 20 Monaten ein PFS von 65,2 % vs. 10,8 %, Ansprechraten von 18 % vs. 3 % und 14 vs. 26 Todesfälle. Die Hämatotoxizitäten (Neutro‑, Thrombo- und Lymphopenie) waren mit 1 %, 2 % bzw. 9 % in der Interventionsgruppe sowie 0 % in der Kontrollgruppe jeweils gering; Grad-4-Toxizitäten traten nicht auf [84].

In der ENETS Consensus Guideline Update für das Management von Patienten mit funktionellen panNET und nichtfunktionellen panNET wird die PRRT bei fortgeschrittenen NET und Versagen einer medikamentösen Therapie empfohlen [25]. Ebenfalls leitliniengerecht ist die Durchführung einer PRRT bei SSTR-positiven gastroenteropankreatischen Tumoren und NEC [31].

Operation

Die Resektion von NEN bleibt der einzig kurative Therapieansatz. Die Indikation sollte interdisziplinär unter Berücksichtigung von Lokalisation des Primarius, Tumor-Grading, Ki-67-Expression und hormoneller Aktivität gestellt werden. Die Therapiestrategie variiert von Verlaufskontrollen über endoskopische Abtragung und lokale Exzision bis hin zu onkologischen Resektionen mit Lymphadenektomie. Offene chirurgische und laparoskopische Herangehensweisen werden angewendet.

Die Resektionsverfahren, bezogen auf die Tumorlokalisationen, einschließlich Tumorbesonderheiten, in Anlehnung an die aktuelle Leitlinie der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF, [20]) fasst Tab. 3 zusammen.

Tab. 3 Resektionsverfahren, bezogen auf die Tumorlokalisation. (In Anlehnung an Rinke et al. [20])

Kontroversen bestehen bei der operativen Therapie von fortgeschrittenen Tumoren mit Lebermetastasierung sowie G3-NEN und NEC.

Im Laufe ihrer Erkrankung entwickeln 60–90 % der Patienten mit NEN eine Lebermetastasierung [83]. Eine Studie des Jahres 2010 ermittelte eine Rezidivrate bis zu 94 % in den ersten 5 Jahren nach Leberresektion [62]. Eine aktuelle Arbeit von Bagante et al. mit 396 analysierten Leberresektionen zeigte dagegen ein deutlich vielversprechenderes Ergebnis mit einem rezidivfreien Fünfjahresüberleben von 40 %. Entscheidende prognostische Faktoren umfassten gemäß den Autoren die Lokalisation des Primarius, das Tumor-Grading und eine Tumorlast der Leber <50 % [6]. Weitere beschriebene Einflussfaktoren sind das Vorliegen von mehr als 10 Lebermetastasen [60] sowie eine extrahepatische Fernmetastasierung [62].

Eine sinnvolle Ergänzung können lokal-ablative Techniken sein, die allein oder gemeinsam mit chirurgischen Eingriffen (intraoperativ) bei gut differenzierten NET durchgeführt werden können [68]. Eine Radiofrequenzablation wird grundsätzlich nur bei limitierten Lebermetastasen und einer Kontraindikation für die Operation angewendet. Auch intraoperativ kommt diese Methode primär bei einem komplexeren Metastasierungsmuster (z. B. beide Lappen) und größeren Metastasen bis zu 5 cm Durchmesser zum Einsatz [2]. Ein ausreichender Abstand zu „vitalen“ Strukturen (große Gefäße) muss beachtet werden.

Bei diffuser Lebermetastasierung sollte eine intraarterielle (Chemo)Embolisation erwogen werden. Besonders geeignet ist dieses Verfahren bei hypervaskularisierten Metastasen mit einem Tumorvolumen <50 % des Lebervolumens und nach Resektion des Primärtumors. Die primären Indikationen einer solchen zielgerichteten Therapie der Lebermetastasen durch transarterielle Embolisation (TAE), Chemoembolisation (TACE) oder Radioembolisation (TARE) sind G1- und G2-NET, operativ nicht mehr angehbare Tumorprogression und überwiegend hepatische Metastasierung. Kontraindikationen sind Vorliegen einer Portalvenenthrombose, verminderte Lebersyntheseleistung, hochgradig reduzierter Allgemeinzustand und überwiegend extrahepatisches Metastasierungsmuster. Zu den genannten Verfahren liegen keine vergleichenden Studien vor; im klinischen Alltag werden TAE und TACE häufiger durchgeführt.

Im Vergleich zu anderen Tumorentitäten ist der Stellenwert einer neoadjuvanten Therapie umstritten. Eine aktuelle Studie von Cloyd et al. zeigte einen Benefit einer neoadjuvanten Chemotherapie mit Fluoruracil, Doxorubicin und STZ bei panNEN mit Lebermetastasierung [17].

Die Indikationsstellung zum operativen Vorgehen bei Lebermetastasierung sollte auf einem kompletten Staging (Ausmaß der Lebermetastasierung und Tumorlast, Ausschluss von Fernmetastasierung) und Erfassung von individuellen Tumorcharakteristika (Lokalisation des Primarius, Tumorprogress und Tumorbiologie) beruhen. Intraoperativ sollte die Option einer Sonographie (IOUS) und Radiofrequenzablation (RFA) bestehen. Interdisziplinär kann ggf. die Einleitung einer neoadjuvanten Therapie diskutiert werden. Bei der Frage nach der Resektion des Primarius bei nichtresektabler hepatischer Metastasierung zeigte sich in 3 aktuellen Metaanalysen ein Überlebensvorteil für Patienten mit panNEN und Midgut-NEN [3, 89, 96]. Die Fünfjahresüberlebensrate der Patienten nach Resektion im Vergleich zu konservativ therapierten Patienten betrug bei panNEN 57–81 % vs. 21–46 % sowie bei Midgut-NEN 35,7–83 % vs. 5,4–50 % [89, 96].

Im Fall des fortgeschrittenen Tumorleidens besteht die Option eines Tumor-Debulking. Chakedis et al. zeigten in einer aktuellen Studie bei 332 Patienten mit hormoninaktiven GEP-NEN (Lebermetastasierung 61 %, lymphogene Metastasierung 24 %) und palliativ erfolgter Resektion einen Überlebensvorteil durch Tumor-Debulking von 98,2 Monaten vs. 50 Monaten [12]. Darüber hinaus kann eine Reduktion der Tumorlast die Effektivität anderer Therapiemodalitäten, einschließlich PRRT, TAE/TACE und systemischen Therapien, erhöhen [34]. Eine Symptomkontrolle konnte in einer Studie von Kimbrough et al. nur bei 22,7 % der CS-Patienten nach Tumor-Debulking gegenüber 50,7 % nach kurativer Resektion erzielt werden [49]. Symptomatische Erfolge des Debulking werden auch bei selteneren Problemsituationen wie dem therapierefraktären Insulinom, Glukagonom oder VIPom erreicht.

Circa 5 % der NEN zeigen eine G3-Differenzierung mit einem OS von 41 bis 55 Monaten [94]. Bei lokalisiertem oder regional begrenztem GEP-NET G3 und NEC wird ein operatives Vorgehen angestrebt, ggf. mit adjuvanter Therapie [81]. Ausnahme könnten die Ösophagus-NEC darstellen. Hier ergaben kleinere Studien einen Vorteil der Radiochemotherapie [19, 64], wobei aufgrund der geringen Fallzahlen und der mangelnden Berücksichtigung von Patienten mit sog. Kollisionstumoren keine eindeutige Empfehlung zur Bevorzugung der Radiochemotherapie gegenüber der Operation erfolgen kann. Bei fortgeschrittenem oder metastasiertem Befund bleibt die Operation dagegen strittig und die Datenlage überschaubar. Wenn die Erstdiagnose gestellt wird, weisen 88 % der Patienten mit GEP-NEC bereits eine Fernmetastasierung auf [30]. Die NET G3 sollten analog den NEN G2 therapiert werden [81]. Bei hepatisch-metastasiertem panNEC konnte eine aktuelle Studie einen Überlebensvorteil im selektionierten Patientenkollektiv mit erniedrigter Ki-67-Expression zeigen [30]. Generell ist die Indikation zur Operation derzeitig sehr zurückhaltend zu sehen und anderen Therapiemodalitäten der Vorzug zu geben.

Abschließend soll kurz auf die Möglichkeit und Bedeutung der Lebertransplantation eingegangen werden, die in wenigen ausgewählten Fällen als Option infrage kommt. Insbesondere sollten folgende Kriterien erfüllt sein: Ki-67-Index <10 %, junges Alter (als allerdings relativer Begriff), Ausschluss extrahepatischer Metastasierung, Resektion des Primärtumors, hepatische Tumorlast <50 % und „stable disease“ für einen Zeitraum von mindestens 6 Monaten [16].

Symptomatische Therapie

Die symptomatische Behandlung von Patienten mit GEP-NEN fokussiert sich auf die durch Hypersekretionssyndrome verursachten Beschwerden. Als Erstlinientherapie für das CS werden SSA empfohlen, die in 40–60 % der Fälle eine effektive Symptomkontrolle sowie in ca. der Hälfte der Fälle ein biochemisches Ansprechen bewirken [20, 63]. Zum Einsatz kommen, ebenso wie im Fall einer antiproliferativen Therapie, die Erstlinien-SSA Octreotid und Lanreotid, die eine vergleichbare Effektivität und Verträglichkeit aufweisen. Sie inhibieren die Sekretion von Serotonin, aber auch von anderen Peptiden (wie Gastrin, Glukagon, Insulin, VIP), weswegen sie auch in der Behandlung weiterer Hypersekretionssyndrome eingesetzt werden können (s. unten; [63]). Durch die SSA vermittelte Reduktion der Serotoninsekretion kann die Entwicklung von Folgeerkrankungen des CS, beispielsweise von kardialen Komplikationen, verzögert oder im günstigsten Fall sogar aufgehalten werden [65]. Obwohl die Datenlage uneinheitlich ist, wird für Patienten mit bekanntem CS zudem eine perioperative Octreotidprophylaxe empfohlen, um eine Karzinoidkrise zu verhindern [15]. Wenn sich durch die SSA-Behandlung keine ausreichende Symptomkontrolle erreichen lässt, bestehen verschiedene Möglichkeiten der Therapieeskalation. So kann die SSA-Dosis über die übliche Maximalmenge hinaus erhöht werden (entweder durch eine Erhöhung der Dosis pro Applikation oder durch eine Verkürzung der Injektionsintervalle, s. Abschn. „Biotherapie“). Diese Option wird von der aktuellen deutschen S2k-Leitlinie „Neuroendokrine Tumore“ als erste Möglichkeit der Therapieintensivierung vorgeschlagen und ging in den bisher durchgeführten Studien mit einer guten Verträglichkeit einher [20]. Ebenso zeigen die Patienten, die nach initial gutem Therapieansprechen im Verlauf der Behandlung, typischerweise nach 9 bis 12 Monaten, eine erneute Beschwerdezunahme im Sinne einer Tachyphylaxie erleben, zumindest zeitweise eine bessere Symptomkontrolle nach einer Dosiserhöhung.

Interferon‑α ist prinzipiell für die symptomatische Behandlung eines CS zugelassen, hat aber aufgrund der besseren Wirksamkeit und Verträglichkeit alternativer Therapiekonzepte in den vergangenen Jahren an Relevanz verloren. In Fällen eines CS, das durch die Standardtherapie nichtausreichend kontrollierbar ist, und hoher (insbesondere hepatischer) Tumorlast können lokoregionäre Therapieverfahren (TACE, selektive interne Strahlentherapie [SIRT] …), ein chirurgisches Tumor-Debulking oder auch eine PRRT durch die Reduktion der Tumorlast zur Beschwerdebesserung beitragen und sollten im individuellen Fall interdisziplinär im Tumorboard diskutiert werden.

Seit 2017 ist in Deutschland zudem der oral verfügbare Tryptophanhydroxylaseinhibitor Telotristatethyl, der die periphere Serotoninsekretion hemmt, zur Behandlung der SSA-refraktären Diarrhö zugelassen. In 2 randomisierten, placebokontrollierten Phase-III-Studien reduzierte die Einnahme von Telotristatethyl, zusätzlich zur SSA-Standardtherapie, die Stuhlfrequenz signifikant [5]. Die bisher verfügbaren Daten ergaben eine auch in der Langzeitbeobachtung gute Verträglichkeit und Wirksamkeit dieses Medikaments, dessen Einsatz, ergänzend oder alternativ zu konservativen Behandlungsoptionen der SSA-refraktären Diarrhöen (beispielsweise Loperamid), empfohlen wird [20, 86].

Die Behandlung weiterer Hypersekretionssyndrome orientiert sich an der Wirkung der sezernierten Hormone bzw. Peptide und dem Verlauf der Erkrankungen. Zusätzlich zu den oben genannten Therapieoptionen ergeben sich daher spezifische Behandlungsempfehlungen, die interdisziplinär in GEP-NEN-Zentren festgelegt werden sollten. So wird zur Behandlung rezidivierender Hypoglykämien bei fortgeschrittenen Insulinomen als Erstlinientherapie zur Symptomkontrolle die Gabe von Diazoxid empfohlen [20]. Die Behandlung von Gastrinomen sollte initial als Therapie der Wahl die Verabreichung hochdosierter PPI beinhalten, wohingegen SSA eine gute Symptomkontrolle bei bis zu 90 % der Patienten mit VIPomen bzw. Glukagonomen bewirken [15]. Insgesamt sollte allerdings bei allen funktionell aktiven GEP-NET im fortgeschrittenen Stadium in jedem Einzelfall geprüft werden, ob neben den dargestellten medikamentösen Behandlungsoptionen alternative Therapiekonzepte (lokal-ablative, chirurgische oder nuklearmedizinische Verfahren) eine bessere Symptomkontrolle des Hypersekretionssyndroms bewirken können [20].

Interdisziplinäres Tumorboard

Um die optimale Behandlung von Patienten mit GEP-NEN zu ermöglichen und die Prognose der Betroffenen zu verbessern, wird in den verfügbaren Leitlinien eine multidisziplinäre Betreuung der Patienten empfohlen, die der Komplexität und Interdisziplinarität der Erkrankungen gerecht wird [20, 23]. So fordert der europäische ENETS-Verbund von den durch ENETS als Centers of Excellence (CoE) ausgezeichneten GEP-NEN-Zentren den Nachweis von Spezialisten aus den Fachbereichen Endokrinologie, Onkologie, Chirurgie, Pathologie, Radiologie, Nuklearmedizin und Gastroenterologie, die über langjährige Erfahrung in der Betreuung und Behandlung von Patienten mit GEP-NEN verfügen. Zudem sollten assoziierte Partner aus den Bereichen Kardiologie/Kardiochirurgie, Palliativmedizin, Humangenetik, Schmerz- und Labormedizin an den Zentren verfügbar sein, um im Fall bestimmter Fragestellungen die schnelle Versorgung der Patienten zu ermöglichen. Darüber hinaus wird eine enge Zusammenarbeit mit Mitarbeitern des lokalen psychosozialen Teams, mit Ernährungsberatern und mit den regionalen Selbsthilfegruppen empfohlen. Vertreter aus den hauptsächlich in die Behandlung von GEP-NEN-Patienten involvierten Fachdisziplinen treffen sich an den jeweiligen Zentren in regelmäßigen, meistens 7‑ bis 14-tägigen Abständen, um das Management aller an den Zentren behandelten GEP-NEN-Patienten multidisziplinär zu besprechen und festzulegen [22].

Die multidisziplinäre und standardisierte Therapie verbessert langfristig die Prognose der Patienten

Es konnte gezeigt werden, dass ein standardisierter und interdisziplinärer Ansatz eine zuvor unzureichende Befundübereinstimmung der verschiedenen Fachbereiche (u. a. biochemische, histopathologische und radiologische Befunde) reduzieren kann. Zudem kann dieser Ansatz zur Verbesserung des therapeutischen Managements dieser Patientengruppe führen sowie eine leitliniengerechte und somit optimierte Behandlung ermöglichen. Aufgrund der geringen Prävalenz der Erkrankungen können durch einen multidisziplinären Ansatz Kompetenzen gebündelt sowie durch die Optimierung und Standardisierung der Behandlung langfristig auch die Prognose der Patienten verbessert werden [87]. Durch den über ENETS als Dachverband hergestellten Verbund aus CoE besteht zugleich eine Struktur, die eine Zusammenarbeit zwischen GEP-NEN-Spezialisten über nationale Grenzen hinweg erlaubt. Hierüber wird u. a. der Zugang zu nicht an jedem Standort verfügbaren Untersuchungs- und Behandlungstechniken erleichtert. In den jährlichen ENETS-Konferenzen werden neue wissenschaftliche Erkenntnisse und neue Empfehlungen für die Betreuung von GEP-NEN-Patienten vorgestellt und deren Überführung in die Klinik ermöglicht. Das NET-Register der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE), das ebenso wie ENETS Vertreter verschiedener, in die Betreuung von GEP-NEN-Patienten involvierter Fachdisziplinen vereint, erfasst darüber hinaus seit 2004 deutschlandweit retro- und prospektiv patienten- und krankheitsspezifische Informationen über Patienten mit NEN und ermöglicht auch auf nationaler Ebene eine enge und interdisziplinäre Zusammenarbeit der beteiligten Zentren [39]. Für die im europäischen European Reference Network on Rare Endocrine Conditions (EndoERN) organisierten GEP-NEN-Zentren besteht des Weiteren die Möglichkeit, Patienten, die im Rahmen eines familiären Tumorprädispositionssyndroms (insbesondere MEN 1 und Von-Hippel-Lindau-Syndrom) eine NEN entwickeln, in virtuellen, interdisziplinären und transnationalen Fallkonferenzen vorzustellen [21].

Zusammenfassend sind multidisziplinäre Tumorboards, die in den letzten Jahren in der Behandlung onkologischer Patienten mehr und mehr zum Einsatz kommen, insbesondere für Patienten mit seltenen malignen Erkrankungen wie GEP-NEN von zentraler Bedeutung. Die beteiligten Fachdisziplinen sollten das Spektrum in der Diagnostik und Behandlung dieser Patientengruppe abdecken sowie über entsprechende Erfahrung in der Betreuung von GEP-NEN-Patienten verfügen. Durch nationale und internationale Netzwerke wird die lokale Interdisziplinarität erweitert und die optimierte und standardisierte Versorgung dieser Patienten ermöglicht.

Ausblick und Forschungsfragen

Diese Ausführungen sollten v. a. verdeutlichen, dass insbesondere die Therapieentscheidungen bei Patienten mit einem NET nicht nur komplex, sondern auch höchst individuell zu treffen sind. Wie für alle andere solide Tumoren gilt, dass NEN nicht einen homogenen Tumortyp repräsentieren, sondern ein hohes Maß an biochemischer, molekularer und genetischer Heterogenität aufweisen. Eine wesentliche Aufgabe in den zukünftigen Forschungs- und Behandlungsansätzen wird darin liegen, auf der einen Seite valide (personalisierte) Biomarker und auf der anderen Seite (z. T. darauf basierende) Behandlungskonzepte – sowohl medikamentöser als auch operativer Art – zu entwickeln. Aktuell ist es gerade bezüglich der NEN schwierig zu beantworten, welche individuellen Biomarker diese Erwartungen erfüllen. Denn:

  • Aktivierende Mutationen sind selten.

  • Die meisten Tumoren weisen somatische Mutationen in Tumorsuppressorgenen auf (z. B. MEN-1).

  • Die Bedeutung anderer sporadischer Mutationen ist unklar, ebenso die von „copy number“, chromosomaler Instabilität oder „methylation patterns“.

  • Zirkulierende micro(mi)RNA korrelieren nur schwach mit den Gewebs-miRNA und eignen sich aktuell nicht als Biomarker [72].

Der von Modlin et al. entwickelte und publizierte „multianalyte PCR blood test“ [66] ist zum jetzigen Zeitpunkt sämtlichen Monoanalyten überlegen und eignet sich am besten zur Früherkennung (v. a. von Rezidiven) und zur Überprüfung der therapeutischen Effektivität. Für die Festlegung individualisierter Therapiestrategien bietet er sich nicht an, ist hierfür auch nicht entwickelt worden. Wesentliche Aufgaben in der Zukunft werden daher sein, nicht nur dieses „multianalyte panel“ im Hinblick auf frühzeitige Detektion zu verbessern, sondern auch an der Weiterentwicklung neuer und valider Marker zu arbeiten, wie insbesondere auf mRNA- und zirkulierenden Tumorzellen (CTC) basierender „liquid biopsy“. Gerade CTC sind außerordentlich vielversprechende diagnostische Werkzeuge und sollten in großen Kohortenstudien, nicht nur hinsichtlich ihrer prognostischen Bedeutung, sondern auch hinsichtlich der Therapiestratifizierung weiteruntersucht werden [93].

Daneben ist sicher die spannendste Herausforderung, neue Therapiestrategien zu evaluieren, die größtenteils auf der Bewertung neuer Biomarker beruhen werden. Neben der Weiterentwicklung operativer und insbesondere lokal-ablativer Techniken sind es Kombinationstherapien und neue medikamentöse Therapien, die angewendet und bewertet werden müssen. Dies betrifft beispielsweise die Kombination von Radiorezeptortherapien mit einer (radiosensitivierenden) Chemotherapie und v. a. den Einsatz immuntherapeutischer Strategien („checkpoint inhibitors“ u. a.). Insbesondere zum letztgenannten Ansatz werden aktuell zahlreiche Studien durchgeführt, deren Ergebnisse mit Spannung erwartet werden. Diese Forschungsfragen zu Diagnostik und Umsetzung einer personalisierten Therapiestrategie können nur in Konsortialbemühungen beantwortet werden.