Paraneoplastische neurologische Syndrome (PNNS) sind tumorassoziierte, akut bis subakut auftretende neurologische Syndrome, die abseits vom Tumorgeschehen durch eine gestörte Immunreaktion ausgelöst werden. Prinzipiell können PNNS mit jeder Neoplasie assoziiert sein, wobei aber die kleinzelligen Lungenkarzinome („small cell lung cancer“ [SCLC]), Mammakarzinome, Ovarialkarzinome und -teratome, Hodentumoren, Thymome und Lymphome am häufigsten sind. Nach klinischen Gesichtspunkten wird zwischen klassischen und nichtklassischen PNNS unterschieden (Tab. 1; [3]).

Tab. 1 Klassische und nichtklassische PNNS

Immunmechanismen

Die Immunmechanismen der antikörperassoziierten Autoimmunenzephalitis wurden anhand zweier großer Krankheitsgruppen untersucht, der klassischen PNNS und der Autoimmunenzephalitis assoziiert mit Oberflächenrezeptorantikörpern (Abb. 1). Beim klassischen PNNS richtet sich die Immunreaktion gegen intrazelluläre neuronale Antigene, sodass eine primär T‑Zell-mediierte Pathogenese vermutet wird. Bei den gleichzeitig nachweisbaren onkoneuronalen Antikörpern handelt es sich wahrscheinlich überwiegend um ein Epiphänomen. Durch die T‑Zell-Attacke kommt es zu irreversiblen Schäden und zum Untergang der Nervenzellen, wodurch das oftmals schlechte Ansprechen auf eine Immuntherapie erklärt werden kann.

Abb. 1
figure 1

Immunmechanismen bei Autoimmunenzephalitis assoziiert mit Oberflächenrezeptorantikörpern und bei klassischem PNNS. PNNS Paraneoplastisches neurologisches Syndrom

Im Gegensatz dazu konnte gezeigt werden, dass die Oberflächenrezeptorantikörper direkt pathogen sind und durch die Interaktion mit ihrem Zielantigen eine neuronale Dysfunktion auslösen. Oberflächenrezeptorantikörper können in Patienten mit wie auch ohne Tumorerkrankung auftreten und sprechen in der Regel gut auf eine Immuntherapie und falls erforderlich Tumortherapie an [2].

Diagnose

Die Diagnose von PNNS beruht auf der klinischen Präsentation, dem Nachweis eines Tumors und der Antikörpertestung, bei gleichzeitigem Ausschluss etwaiger anderer tumor- oder therapiebedingter Ursachen. Eine Auflistung der Hauptmerkmale sowie assoziierter Tumoren der häufigsten PNNS-Erkrankungen findet sich in Tab. 2. Hilfreiche paraklinische Tests sind

  • die Bildgebung (Magnetresonanztomographie [MRT]; „fluid-attenuated inversion recovery“ [FLAIR] und T2-gewichtete Sequenzen),

  • Liquoruntersuchungen (erhöhte Zellzahl, erhöhtes Eiweiß, intrathekale Immunglobulinsynthese) und

  • die Elektroenzephalographie (EEG).

Empfehlungen zum Tumorscreening wurden von der EFNS Task Force zusammengefasst [7]. Um ein neurologisches Syndrom bei fehlendem Nachweis von onkoneuronalen Antikörpern als wahrscheinliches oder definitives PNNS bezeichnen zu können, dürfen definitionsgemäß zwischen Auftreten der neurologischen Symptomatik und Detektion eines Tumors maximal 5 Jahre liegen [3].

Tab. 2 Hauptmerkmale und assoziierte Tumoren der antikörperassoziierten paraneoplastischen neurologischen Syndrome

Da die Labor-Bestimmung spezifischer Antikörper mitunter länger dauern kann, muss die Therapieentscheidung oft noch vor Bestätigung des spezifischen PNNS getroffen werden. Aus diesem Grund wurden klinische Kriterien definiert, welche die Diagnose einer wahrscheinlichen oder definitiven Autoimmunenzephalitis noch vor Eintreffen der Antikörpertestergebnisse ermöglichen [4].

Krankheitsbilder des zentralen Nervensystems

Paraneoplastische Enzephalomyelitis

Die paraneoplastische Enzephalomyelitis (PEM) ist klinisch durch eine akut bis subakut auftretende neurologische Dysfunktion gekennzeichnet, die unterschiedliche Areale des zentralen Nervensystems, die Spinalganglien und das autonome Nervensystem erfassen kann. Am häufigsten sind

  • der Hippocampus,

  • Hirnstamm,

  • Basalganglien,

  • Kleinhirn,

  • Rückenmark,

  • Spinalganglien (sensorische Neuronopathie) und

  • das autonome Nervensystem (z. B. orthostatische Hypotension, gastrointestinale Pseudoobstruktion, Herzrhythmusstörungen)

betroffen. Die Diagnose einer PEM sollte dann erwogen werden, wenn die Hauptsymptomatik aus der Beteiligung von ≥2 der zuvor aufgelisteten Areale resultiert [6].

Die PEM kann mit klassischen onkoneuronalen Antikörpern gegen Hu, Ri, Ma1/2, CV2/CRMP5 und Amphiphysin assoziiert sein, wobei die klinische Präsentation abhängig von der zugrunde liegenden Autoimmunität variieren kann. Zum Beispiel findet sich bei der PEM assoziiert mit Anti-Hu-Antikörpern oftmals eine Beteiligung des unteren Hirnstamms (Pons und Medulla oblongata), weiterhin kann das Spinalganglion oder der Plexus myentericus mitbetroffen sein und eine sensorische Neuronopathie bzw. intestinale Pseudoobstruktion auftreten. Patienten mit Anti-CV2/CRMP5-Antikörpern entwickeln mitunter eine Chorea, Uveitis oder Optikusneuropathie, in manchen Fällen kann auch das periphere Nervensystem beteiligt sein, meist in Form einer sensomotorischen Neuropathie [6].

Die PEM assoziiert mit onkoneuronalen Antikörpern hat eine ungünstige Prognose

Die PEM assoziiert mit onkoneuronalen Antikörpern ist mit einer ungünstigen Prognose vergesellschaftet, da die Patienten meist nur eingeschränkt auf eine Immuntherapie ansprechen. Eine standardisierte Therapie wurde bislang nicht definiert. Kortikosteroide, intravenöse Immunglobuline und Cyclophosphamid kombiniert mit Chemotherapie können helfen, die neurologische Symptomatik zu stabilisieren oder zu verbessern [6].

Symptome einer Enzephalitis können auch in Assoziation mit Oberflächenrezeptorantikörpern wie etwa gegen „contactin-associated protein-like 2“ (CASPR2), den α‑Amino-3-hydroxy-5-hydroxy-5-methyl-4-isoxazolpropionsäure-Rezeptor (AMPAR), „dipeptidyl-peptidase-like protein-6“ (DPPX) oder den γ‑Aminobuttersäure-Rezeptor A (GABAAR) auftreten. Patienten mit GABAAR-Antikörper entwickeln häufig schwere, oftmals therapieresistente epileptische Anfälle. Im Gegensatz zu anderen Autoimmunenzephalitiden finden sich häufig multifokale, unilaterale oder bilaterale kortikosubkortikale T2/FLAIR-MRT-Veränderungen, die oft nur eingeschränkt mit der klinischen Symptomatik korrelieren und reversibel sind [2].

Paraneoplastische zerebelläre Degeneration

Die paraneoplastische zerebelläre Degeneration (PCD) ist klinisch durch ein subakutes Auftreten von Ataxie, Gangstörung, Nystagmus, Dysarthrie, Übelkeit und Erbrechen charakterisiert. Zu Erkrankungsbeginn kann der Liquor entzündliche Veränderungen mit Erhöhung von Zellzahl und Eiweiß sowie intrathekaler Immunglobulinsynthese aufweisen. Die Bildgebung ist zu Beginn meist unauffällig, zeigt jedoch nach Monaten bis Jahren oftmals eine zunehmende diffuse zerebelläre Atrophie [6]. Bei bis zu 60 % der Patienten mit PCD können klassische onkoneuronale Antikörper nachgewiesen werden, wobei die neurologische Präsentation je nach assoziiertem Antikörper variieren kann. Während Patienten mit Yo-Antikörpern typischerweise an einer relativ isolierten zerebellären Degeneration leiden [6], weisen Patienten mit Anti-Hu-Antikörpern häufig zusätzlich eine Enzephalomyelitis und Patienten mit Ri-Antikörpern einen Opsoklonus oder andere Hirnstammsymptome wie Hirnnervenausfälle oder Laryngospasmen auf [6].

Die neurologische Präsentation bei PCD kann je nach assoziiertem Antikörper variieren

Selten können im Rahmen einer PCD auch Oberflächenrezeptorantikörper gefunden werden, wie etwa gegen den „delta/notch-like epidermal growth factor-related receptor“ (Tr/DNER), „P/Q-type voltage-gated calcium channel“ (VGCC) oder γ‑Aminobuttersäure-Rezeptor B (GABABR). Bei Patienten mit VGCC-Antikörper und PCD besteht oftmals eine Assoziation mit SCLC; sie können ein Lambert-Eaton-myasthenisches Syndrom (LEMS) entwickeln. VGCC-Antikörper können jedoch auch bei Patienten mit PCD oder LEMS ohne Tumorerkrankung vorkommen. In unklaren Fällen kann die Bestimmung von SOX1-Antikörpern hilfreich sein, um eine paraneoplastische Ursache nachzuweisen [6].

Generell spricht die PCD assoziiert mit onkoneuronalen Antikörpern nur eingeschränkt auf eine Therapie, einschließlich Tumor- und Immuntherapien, an. Die meisten Patienten zeigen eine progrediente Verschlechterung und werden rollstuhlpflichtig. Anders verhält es sich bei PCD-Patienten mit Tr/DNER-Antikörpern und anderen Oberflächenrezeptorantikörpern. Sie erleiden weniger ausgeprägte Behinderungen und sprechen auf eine Tumor- und/oder Immuntherapie besser an [2, 6].

Limbische Enzephalitis

Die limbische Enzephalitis (LE) ist klinisch durch einen subakuten Kurzzeitgedächtnisverlust, Krampfanfälle, Irritabilität, Depression und kognitiven Abbau gekennzeichnet. In der Bildgebung zeigen sich charakteristischerweise uni- oder bilaterale mesiotemporale FLAIR- oder T2-Hyperintensitäten [2]. Die LE kann sowohl im Rahmen klassischer PNNS als auch mit Oberflächenrezeptorantikörpern auftreten.

Zu den mit LE assoziierten onkoneuronalen Antikörpern gehören Anti-Hu, -Ma2 und -CV2/CRMP5. Die Mehrzahl der Patienten mit Hu-Antikörpern entwickelt im Laufe der Erkrankung weitere Symptome einer diffusen multifokalen Enzephalomyelitis. Patienten mit Anti-CV2/CRMP5-Antikörpern können zusätzlich eine sensomotorische Neuropathie, zerebelläre Ataxie oder Optikusneuropathie entwickeln. Anti-Ma2-Antikörper werden meist bei jungen Männern mit Keimzelltumoren des Hodens gefunden und führen zu LE mit hypothalamischer sowie Hirnstammdysfunktion. Sie können entsprechend Symptome wie Hyperphagie, Hypersomnie, Narkolepsie, Kataplexie oder Endokrinopathien verursachen. Bei älteren Männern und Frauen mit Ma2-Antikörpern sind die häufigsten assoziierten Tumoren nichtkleinzellige Lungenkarzinome („non-small-cell lung cancer“ [NSCLC]). LE assoziiert mit onkoneuronalen Antikörpern sprechen in den meisten Fällen nur eingeschränkt auf eine Immun- bzw. Tumortherapie an. Die Ausnahme ist die LE assoziiert mit Ma2-Antikörpern, die sich bei etwa 30 % der Patienten nach Tumor- und Immuntherapie bessert [6].

Die LE kann auch mit Oberflächenrezeptorantikörpern wie Anti-LGI1, -CASPR2, -GABABR, -AMPAR und -mGluR5 assoziiert sein. Bei all diesen Antikörpern kann eine isolierte LE vorliegen, bei einigen finden sich jedoch noch zusätzliche Symptome, die auf die zugrunde liegende Autoimmunität hinweisen. Beispielsweise findet sich bei LE assoziiert mit LGI1-Antikörpern in 65 % der Fälle eine Hyponatriämie und in 45 % entwickeln sich entweder zu Beginn oder im Laufe der Erkrankung charakteristische faziobrachiale dystone Anfälle [2]. Es konnte gezeigt werden, dass ein signifikanter Teil der idiopathischen, nicht jedoch der paraneoplastischen Fälle von LGI1-Autoimmunenzephalitis mit HLA-DR7 und HLA-DRB4 assoziiert ist, das Fehlen dieses Haplotyps könnte daher den Verdacht auf eine Tumorerkrankung aufwerfen [2]. Bei der LE assoziiert mit Anti-CASPR2-Antikörpern können 34 % zerebelläre Symptome zeigen, etwa ein Drittel der Patienten entwickelt ein Morvan-Syndrom, ein komplexes Krankheitsbild, das durch eine periphere Nervenhyperexzitabilität (Faszikulationen, Myokymien, Myoklonie, Tremor), autonome Störungen (Schwitzen, Tachykardie, Hyperthermie, Bluthochdruck), Schlafstörungen, brennende Schmerzen und Enzephalitis gekennzeichnet ist. Bei etwa 20 % finden sich Tumoren (meist Thymome; [2]). Bei Diagnose einer LE sollte in Zusammenschau mit dem zugrunde liegenden Oberflächenrezeptorantikörper eine gezielte Tumorsuche gestartet und rasch eine Immuntherapie eingeleitet werden [7].

Opsoklonus-Myoklonus-Syndrom

Das Opsoklonus-Myoklonus Syndrom (OMS) ist klinisch durch eine Kombination aus Opsoklonus und arrhythmischem Aktionsmyoklonus, der vor allem den Stamm und die Extremitäten betrifft, charakterisiert [6]. Häufig wird die Erkrankung von Ataxie und Dysarthrie begleitet. In einigen Fällen kann es zu Symptomen einer diffusen Enzephalopathie mit Stupor, Koma und Tod kommen.

Das OMS kann sowohl paraneoplastisch als auch idiopathisch auftreten. Bei Erwachsenen ist das Syndrom in etwa 39 % der Fälle mit Tumoren wie Lungen- (SCLC und NSCLC) oder Mammakarzinomen und Ovarialteratomen assoziiert. In etwa 70 % der Fälle geht das OMS der Tumordiagnose voraus. Patienten mit OMS sind meist älter, mit Ausnahme jener mit Teratomen.

Onkoneuronale Antikörper können etwa bei 11 % der erwachsenen Patienten mit OMS gefunden werden (gegen Ri, Ma2, Zic-4, CV2/CRMP5), Oberflächenrezeptorantikörper bei etwa 17 % (gegen Glycinrezeptor, GABABR, N‑Methyl-D-aspartat-Rezeptor [NMDAR], DPPX, IgM-Antikörper gegen HNK1 und andere), wobei Glycinrezeptor(GlyR)-Antikörper besonders häufig bei Patienten mit Lungenkarzinomen gefunden wurden [1].

Bei jungen Erwachsenen tritt ein OMS meist idiopathisch oder postinfektiös auf

Eine paraneoplastische Genese des OMS sollte insbesondere bei älteren Erwachsenen, die zusätzlich eine Enzephalopathie oder andere atypische Präsentationen entwickeln, erwogen werden. Erwachsene mit paraneoplastischem OMS haben häufiger Rezidive und ein schlechteres Outcome als idiopathische Fälle. Es wird daher eine möglichst frühe Tumortherapie und aggressive Immuntherapie, beispielsweise mit Rituximab oder Cyclophosphamid, empfohlen. Bei jungen Erwachsenen tritt ein OMS meist idiopathisch oder postinfektiös auf und ist mit einer besseren Prognose vergesellschaftet. In dieser Altersgruppe ist es wichtig, ein Teratom auszuschließen, wobei Patienten mit Teratomen häufig zusätzlich Symptome wie Dysautonomie, Verhaltensauffälligkeiten oder Schwindel aufweisen. Meist können hier jedoch keine auslösenden Antikörper identifiziert werden [1].

Stiff-person-Syndrom-Spektrum

Das Stiff-person-Syndrom (SPS) ist klinisch durch fluktuierende Muskelsteifigkeit und schmerzhafte Spasmen charakterisiert, die spontan oder durch verschiedene Stimuli ausgelöst werden. Partielle oder segmentale Formen der Erkrankung wie das Stiff-limb-Syndrom oder auch schwerere Verlaufsformen wie die progressive Enzephalomyelitis assoziiert mit Rigidität und Myoklonien (PERM) werden üblicherweise als Teil des SPS-Spektrums betrachtet. Bei etwa zwei Drittel können zugrunde liegende Autoantikörper gefunden werden, am häufigsten gegen „glutamic acid decarboxylase 65“ (GAD65; 43 %) und GlyR (etwa 20 %), selten gegen andere Antigene wie Amphiphysin, Gephyrin, DPPX oder GABAAR [5]. Nur bei etwa 2–3 % der Patienten handelt es sich dabei um paraneoplastische Formen, dann meist in Assoziation mit Anti-Amphiphysin-Antikörpern bei Patienten mit Mammakarzinomen, Lungenkarzinomen oder seltener Hodgkin-Lymphomen. Anti-GAD65-Antikörper können selten in Assoziation mit Tumoren auftreten, meist der Lunge oder des Thymus. Das Risiko einer paraneoplastischen Genese steigt jedoch bei älteren Patienten, männlichem Geschlecht und wenn zusätzlich Oberflächenrezeptorantikörper wie etwa gegen GABABR auftreten [2]. Patienten mit Anti-GAD65-Antikörpern weisen eine schlechtere Prognose auf als solche mit GlyR-Antikörpern.

Anti-NMDAR-Enzephalitis

Die Anti-NMDAR-Enzephalitis ist nach derzeitigem Wissensstand die häufigste unter den antineuronalen Autoimmunenzephalitiden. In einer Studie mit 577 Patienten wurde bei 38 % (97 % davon weibliche Patienten) eine Tumorerkrankung beobachtet, in den allermeisten Fällen Ovarialteratome (94 %), selten andere Tumoren (extraovarielle Teratome 2 %, andere Tumoren 4 %). Am häufigsten waren Frauen bzw. Mädchen im Alter zwischen 12 und 45 Jahren betroffen [2].

Die Erkrankung zeigt charakteristischerweise einen stadienhaften Verlauf. Zu Beginn entwickeln etwa die Hälfte der Patienten eine Prodromalsymptomatik mit Fieber, Krankheitsgefühl, Kopfschmerzen oder Durchfall. Etwa 1–2 Wochen später treten komplexe neuropsychiatrische Symptome wie Agitiertheit, Psychosen (wahnhafte Vorstellungen, manisch-depressive Episoden, Aggressivität), Katatonie, Gedächtnisstörungen, Sprachreduktion, abnorme Bewegungen oder epileptische Anfälle auf. Bei etwa der Hälfte der Patienten kommt es schließlich zu autonomen Funktionsstörungen (Hypoventilation, Hyperthermie, Tachykardie) und Koma, sodass eine intensivmedizinische Behandlung notwendig wird. Die Mortalität wird auf 7 % geschätzt. Der Liquor zeigt häufig eine erhöhte Zellzahl, erhöhtes Protein und eine intrathekale Immunglobulinsynthese. Das EEG ist bei über 90 % der Patienten pathologisch, in etwa einem Drittel der Fälle kann ein sogenanntes „extrem delta brush pattern“ nachgewiesen werden, das zwar nicht als absolut spezifisch für die NMDAR-Enzephalitis gilt, jedoch dringend an die Differenzialdiagnose denken lassen sollte. MRT-Auffälligkeiten sind nur bei etwa 33 % der Patienten nachweisbar und präsentieren sich meist in Form unspezifischer kortikaler oder subkortikaler T2/FLAIR-Abnormitäten.

Die Diagnose der NMDAR-Enzephalitis kann durch Detektion von IgG-Antikörpern gegen ein spezifisches extrazelluläres Epitop der GluN1-Untereinheit des Rezeptors bestätigt werden. Diese Antikörper sind spezifisch für die NMDAR-Enzephalitis und sollten nicht mit Antikörpern gegen andere Untereinheiten des Rezeptors oder mit anderen Immunglobulinklassen verwechselt werden. Patienten mit NMDAR-Enzephalitis sprechen meist gut auf eine Immuntherapie und auf die Entfernung eines eventuell vorhandenen Tumors an. Dabei ließ sich zeigen, dass durch eine möglichst frühe sowie aggressive Immuntherapie, beispielsweise mit Rituximab oder Cyclophosphamid, das Outcome verbessert bzw. die Rezidivrate reduziert werden kann [2].

Krankheitsbilder des peripheren Nervensystems

Paraneoplastische sensorische Neuronopathie

Der Begriff der paraneoplastischen sensorischen Neuronopathie (PSN) wurde eingeführt, um eine primäre Schädigung der Nervenzellen der sensiblen Hinterstrangganglien zu beschreiben. Das Krankheitsbild ist charakterisiert durch einen akuten bis subakuten Beginn mit hochgradigem Verlust der Hinterstrangqualitäten mit Parästhesien, Schmerzen und sensorischer Ataxie. Die sensiblen Ausfälle sind meist asymmetrisch und multifokal, die oberen Extremitäten sind häufig betroffen. Auch die Hirnnerven können betroffen sein, mit daraus resultierender Hypästhesie des Gesichts, sensorineuraler Hypakusis oder Geschmacksverlust. In der elektroneurographischen Untersuchung zeigt sich ein Ausfall der sensiblen Nervenleitgeschwindigkeit (NLG), während die motorischen NLG erhalten sind. In der überwiegenden Mehrheit der Fälle tritt die Neuronopathie vor der Tumordiagnose auf. Der häufigste zugrunde liegende Tumor ist das SCLC. Die PSN kann aber auch bei Adenokarzinomen, Lymphomen oder Thymomen auftreten [6]. Onkoneuronale Antikörper finden sich in etwa 80 % der PSN-Fälle, zumeist Anti-Hu- oder Anti-CV2/CRMP5-Antikörper.

Fazit für die Praxis

  • Die Diagnose von PNNS setzt eine gute neurologische Abklärung sowie die Kenntnis der spezifischen Krankheitsbilder voraus.

  • Das PNNS tritt häufig vor Nachweis eines Tumors auf.

  • Bei onkologischen Patienten müssen differenzialdiagnostisch unter anderem Metastasen sowie toxische, metabolische, infektiöse oder vaskuläre Ursachen ausgeschlossen werden.

  • Abhängig von den Immunmechanismen (intrazelluläre vs. Oberflächenrezeptorantikörper) sind unterschiedliche Therapieerfolge zu erwarten.

  • Die klassischen PNNS sprechen meist nur eingeschränkt auf eine Immuntherapie an. Der rasche Einsatz einer immunsupprimierenden Therapie kann allerdings helfen, die neurologische Symptomatik zu stabilisieren oder zu verbessern.

  • Bei der Autoimmunenzephalitis assoziiert mit Oberflächenantikörpern ist die Immuntherapie dagegen mit hohen Erfolgsaussichten verbunden.

  • Im praktischen Alltag sollte der Einsatz einer aggressiveren Immuntherapie bei Patienten mit PNNS und gleichzeitiger Tumortherapie mit den behandelnden Onkologen sorgfältig geplant und abgestimmt werden.