Das Motto des 120. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) vom 26. bis 29. April 2014 lautet „Forschung wird zu Medizin“ (Abb. 1). Ein gutes Beispiel, wie Forschung zu Medizin wird, sind die Innovationen in der Arzneimittelentwicklung. Deshalb wurden als Thematik für die Kongressausgabe 2014 „Neue Medikamente in der Inneren Medizin“ gewählt. Exemplarisch wurden einzelne Bereiche herausgegriffen, in denen insbesondere die Aufschlüsselung pathophysiologischer Zusammenhänge zur Entwicklung neuer Medikamente geführt hat, die im Jahre 2014 zur Zulassung gelangen.

Abb. 1
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Die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) lädt ein zum wissenschaftlichen Austausch auf dem 120. Kongress vom 26.–29. April 2014 in Wiesbaden

Gerade im Bereich der Onkologie haben Schlagworte wie personalisierte Medizin, individualisierte Medizin, „targeted therapy“ und „companion diagnostics“ tragende Bedeutung erlangt. Innovative Medikamente, seien es kleine Moleküle, sog. „small molecules“, oder monoklonale Antikörper, sind in der Lage, an spezifischen Schlüsselstellen intrazellulärer Signalwege oder an Oberflächenrezeptoren einzugreifen oder Botenstoffe, wie Zytokine, direkt zu hemmen. Zusätzliche Zielstrukturen stellen Tumorstammzellen und Immun-Checkpoint-Mechanismen dar. Dass Tumoren selbst heterogen sind, erfordert die differenzierte Betrachtung ganzer Tumorentitäten. So wären die Fortschritte in der Therapie des Lungenkarzinoms nicht denkbar ohne eine Gewebeanalyse der Tumoren und Identifizierung des geeigneten therapeutischen Angriffspunkts vor Therapiebeginn. Diese Prinzipien einer „targeted therapy“ haben auch Einzug in andere Bereiche der Onkologie gefunden, z. B. in die Behandlung des Kolonkarzinoms.

Weitere Innovationen, die beispielgebend in dieser Ausgabe dargestellt werden, betreffen die Bereiche der chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED) und der Rheumatologie. Beide Bereiche beschäftigen sich mit chronisch-entzündlichen Krankheitsbildern, deren pathogenetisches Prinzip z. T. Autoimmunprozesse sind. Therapeutische Fortschritte wurden und werden gerade hier durch die spezifische Intervention mit Botenstoffen der Entzündungsmechanismen und durch die Interaktion mit Membranrezeptoren oder interzellulären Signalwegen erreicht. Teilweise sind die therapeutischen Ansatzpunkte identisch; als Beispiele seien der Tumor-Nekrose-Faktor α als etablierte Zielstruktur und Interleukin-12/23 als innovativer Angriffspunkt bei Psoriasisarthritis bzw. M. Crohn genannt. Mit Vedolizumab wird zudem voraussichtlich in Kürze ein darmselektiver Antiintegrinantikörper das therapeutische Arsenal erweitern.

Die medikamentösen Fortschritte im Bereich der Kardiologie zeichnen sich v. a. bei der Herzinsuffizienz ab, aber auch bei der Antikoagulation. Serelaxin konnte in klinischen Studien nicht nur die akute Herzinsuffizienz verbessern, sondern auch die 180-Tage-Mortalität verringern. Da im zunehmenden Alter häufig Herzrhythmusstörungen auftreten, insbesondere Vorhofflimmern, ist der Einsatz oraler Antikoagulanzien weitverbreitet. Diese sind auch erforderlich für die Behandlung nach koronarer Stentimplantation und nach Klappenersatz. Immer neue orale Antikoagulanzien werden entwickelt, bei denen der gewünschte therapeutische Effekt der Gerinnungshemmung ein möglichst hohes Sicherheitsprofil erhält – bei Edoxaban, das sich aktuell in Entwicklung befindet, waren schwere Blutungskomplikationen signifikant reduziert.

Direkt antivirale Medikamente gegen HCV unterstreichen die Bedeutung der molekularen Medizin

Ein weiteres Gebiet, das exemplarisch herausgegriffen wurde, stellen die neuen direkt antiviralen Medikamente zur Behandlung der chronischen Hepatitis C dar. Dieses Beispiel zeigt besonders gut, welchen Nutzen die molekulare Medizin direkt für die Entwicklung neuer Therapien am Patienten hat. Das Hepatitis-C-Virus (HCV) wurde 1989 entdeckt. In den 1990er-Jahren wurden dann Antikörpertests und Tests zum direkten Virusnachweis der HCV-RNA entwickelt. So konnte der Hauptübertragungsweg, nämlich die Übertragung durch Blut und Blutprodukte, innerhalb kürzester Zeit beseitigt werden. Therapeutisch waren die letzten 25 Jahre gekennzeichnet vom Einsatz unspezifischer Medikamente wie Interferon-α und Ribavirin. Der breite Einsatz der Interferone bei der Hepatitis C wurde erst durch die Nutzung molekularbiologischer und rekombinanter Technologien machbar, welche die Herstellung von Gewebshormonen in größeren Mengen ermöglichten. Die jüngsten Fortschritte bestehen in der Entschlüsselung des viralen Lebenszyklus, der kristallographischen Darstellung der viruscodierten Enzyme und nicht zuletzt in der Entwicklung eines Zellkultursystems, dem sog. Replikonsystem, in dem in vitro die Wirksamkeit der Medikamente getestet werden kann. Diese Erfolge der Grundlagenforschung wurden gekrönt durch die klinische Medikamentenentwicklung am Patienten in Phase-I- bis Phase-III-Studien.

Das Jahr 2014 ist charakterisiert durch die Zulassung dreier neuer Medikamente, die an drei Schlüsselstellen im HCV-Lebenszyklus angreifen: der Protease, der Polymerase und dem NS5A-Protein. Diese direkt antiviralen Medikamente erlauben bereits jetzt in mehr als 80 % der Fälle eine Heilung, wenn eines von ihnen mit Interferonen und Ribavirin kombiniert wird. Es ist absehbar, dass der Einsatz der direkt antiviralen und oral wirksamen Medikamente ohne Interferone und Ribavirin in naher Zukunft möglich und verfügbar sein wird. Dies ist ein weiteres Beispiel für „Forschung wird zu Medizin“, das Motto der DGIM 2014.

Wir glauben, dass die ausgewählten Bereiche neuer und innovativer Arzneimitteltherapien relevante Informationen liefern können, die für jeden Internisten im Alltag wichtig sind, sei es in niedergelassener Praxis oder Klinik. Wir hoffen, so eine Brücke schlagen zu können vom Leitbild der DGIM 2014 „Forschung wird zu Medizin“ hin zur modernen Arzneimitteltherapie, um diese rasch und rational beim Patienten zum Einsatz zu bringen, unter sorgsamer Abwägung des individuellen Nutzen-Risiko-Verhältnisses.

M.P. Manns

Kongresspräsident DGIM 2014

O. Bachmann

Kongresssekretär DGIM 2014