Anamnese

Ein 70-jähriger Patient stellte sich im Februar 2010 mit einer etwa 6-wöchigen Anamnese von subfebrilen Temperaturen, Husten mit Auswurf, Dyspnoe, Leistungsminderung und Gewichtsverlust von 7 kg vor. Der Patient war vom Hausarzt anfänglich unter der Verdachtsdiagnose einer Bronchitis antibiotisch mit Roxithromycin und im Verlauf, bei Infiltraten im Thoraxröntgenbild, mit Levofloxacin und schließlich mit Cefaclor behandelt worden.

Der Patient berichtete, er habe bis vor 20 Jahren etwa eine Schachtel Zigaretten pro Tag geraucht (25 “pack years“) und leide an Bluthochdruck, der mit einem Angiotensinrezeptorblocker behandelt werde. Des Weiteren nehme er vom Hausarzt verordnet Simvastatin und Allopurinol ein. Die Familien- und Reiseanamnese waren unauffällig.

Untersuchungsbefunde

Klinisch präsentierte sich ein 70-jähriger Patient mit mäßig reduziertem Allgemein- und unauffälligem Ernährungszustand (Größe: 180 cm; Gewicht: 75 kg; Body-Mass-Index: 23,1 kg/m2). Der Blutdruck lag bei 120/70 mmHg, der Puls bei 76/min, die Temperatur betrug 37,9 °C. Es imponierte eine Tachypnoe mit einer Atemfrequenz von 27/min, eine Zyanose lag nicht vor. Auskultatorisch hatte der Patient inspiratorisch trockene Rasselgeräusche rechts basal. Die weitere körperliche Untersuchung war unauffällig. Insbesondere zeigten sich keine Haut- oder Schleimhauteffloreszenzen, Lymphknotenschwellungen, Serositiszeichen oder Zeichen einer Gelenkentzündung.

Laborchemische Befunde

Im Aufnahmelabor fanden sich ein erhöhtes C-reaktives Protein (CRP) von 8,4 mg/dl (Normwert: < 0,5 mg/dl) bei unauffälligem Differenzialblutbild, erhöhter γ-Glutamyltransferase (GGT) von 211 U/l (10–71 U/l) und alkalischer Phosphatase (AP) von 275 U/l (40–129 U/l) sowie leicht erhöhter Glutamat-Pyruvat-Transaminase (GPT) bei 57 U/l (< 41 U/l). In der kapillaren Blutgasanalyse (BGA) sahen wir eine der Tachypnoe entsprechende leichte respiratorische Alkalose mit einem pH von 7,52 bei einem pCO2 von 29 mmHg, einem pO2 von 70 mmHg und einem Basenüberschuss von 2 mmol/l.

Radiologische Befunde

In der initialen Röntgenuntersuchung des Thorax zeigten sich im rechten und linken Oberlappen infiltrative Veränderungen (Abb. 1 a). Eine Computertomographie (CT) des Thorax wies zusätzlich diffuse alveoläre Anschoppungen über der gesamten Lunge mit frischen und alten Anteilen auf (Abb. 2).

Abb. 1
figure 1

Röntgenuntersuchung des Thorax a bei stationärer Aufnahme mit initialem Infiltrat rechts apikal (Pfeil); b an Tag 20 nach stationärer Aufnahme mit migratorischem Infiltrat rechts basal (dicker Pfeil); c an Tag 25 nach stationärer Aufnahme, 4 Tage nach Beginn der Glukokortikoidtherapie mit Regredienz des Infiltrats (dicker Pfeil)

Abb. 2
figure 2

Computertomographie des Thorax aus a mittleren und b basaleren Lungenabschnitten mit alveolären Anschoppungen (dünne Pfeile) und Konsolidierungsarealen (dicker Pfeil), Tag 1 nach stationärer Aufnahme

Bronchoskopie und bronchoalveoläre Lavage

Der bronchoskopische Befund war unauffällig. In der entnommenen bronchoalveolären Lavage (BAL) konnten lediglich vergrünende Streptokokken in einer Keimzahl von 1000–10.000/ml nachgewiesen werden. Es zeigten sich weder Entzündungs- noch epitheliale Zellen.

Differenzialdiagnostische Überlegungen

Unter dem Verdacht einer bakteriellen Infektion erfolgte zunächst die Eskalation der antibiotischen Therapie auf Piperacillin/Tazobactam. Bei fehlendem Ansprechen nach 5-tägiger Behandlung und persistierender Symptomatik mit ansteigendem CRP-Wert auf 11,3 mg/dl und ansteigenden Aktivitäten der AP (583 U/l) und GGT (341 U/l) erfolgten weitere Untersuchungen hinsichtlich einer entzündlichen, neoplastischen und extrapulmonalen Genese des Erkrankungsbilds.

Weitere Untersuchungsbefunde

In der Gastroskopie konnte eine leichte Soorösophagitis festgestellt werden, deren Behandlung keine Besserung der Symptome erbrachte. In der Koloskopie wurde ein Polyp abgetragen, der sich histologisch als serratiertes Adenom darstellte. Die Abdomensonographie, CT des Abdomens und Lungenfunktionsprüfung waren unauffällig.

Laborchemisch zeigte sich ein konstant hoher CRP-Wert bei einem Prokalzitoninspiegel von 0,15 ng/ml und tendenziell ansteigenden AP- und GGT-Werten. Die Virusserologien auf Hepatitis B, Hepatitis C und das „human immunodeficiency virus“ (HIV) sowie Tumormarker (PSA, CYFRA, NSE, CA 19-9, CEA, AFP) waren normwertig. Der Titer der antinukleären Antikörper (ANA) betrug 1:80 bei ansonsten unauffälligen Autoantikörpern (Anti-CCP, Anti-ds-DNA, AMA; ASMA, p- und c-ANCA, Anti-SCL-70). Der Serum-IgE-Spiegel war normwertig. In den Blutkulturen konnte kein Wachstum gezeigt werden, der Test auf eine latente Tuberkulose (Interferon-γ-release-Assay) war negativ. Durchflusszytometrische Untersuchungen ergaben eine leichtgradige T-Lymphopenie.

Bei erhöhten Cholestaseparametern führten wir eine Leberbiopsie durch, deren histologische Auswertung eine geringe portale Entzündung mit leichter Cholestase ergab.

Radiologische Befunde im Verlauf

Die Röntgenuntersuchung des Thorax zeigte im Verlauf eine Regredienz der Oberlappeninfiltrate mit nun zunehmenden Infiltraten im rechten Unterlappen (Abb. 1 a,b). Die Zusammenschau aller Befunde, insbesondere der Ausschluss anderer Ursachen der Symptomatik, brachte uns zu der Verdachtsdiagnose einer kryptogen organisierenden Pneumonie (COP).

Verdachtsdiagnose

  • Kryptogen organisierende Pneumonie.

Therapie und Verlauf

Wir leiteten eine Therapie mit Prednisolon in einer Dosierung von 1 mg/kgKG über 2 Wochen ein. Zudem wurde eine Osteporoseprophylaxe mit Vitamin D und Kalzium begonnen. Innerhalb von 2 Tagen kam es zu einer deutlichen Besserung der Symptomatik. Der Patient gab ein völliges Wohlbefinden an bei nun fehlender Dyspnoe und Inappetenz. Radiologisch zeigte sich nach 2 weiteren Tagen eine Regredienz der infiltrativen Veränderungen (Abb. 1 b,c). Das CRP und die Cholestaseparameter waren deutlich rückläufig (CRP: 1,3 mg/dl, AP: 329 U/l, GGT: 237 U/l an Tag 5 nach Therapiebeginn). Das schnelle Ansprechen bestätigte die Verdachtsdiagnose.

Der Patient wurde mit einem Reduktionsschema der Prednisolondosis auf 20 mg/Tag über 6 Wochen entlassen. Des Weiteren erfolgte der Vorschlag einer Erhaltungstherapie mit Prednisolon über 6 Monate und anschließendem Ausschleichen der Behandlung. Etwa 2 Jahre nach Erstdiagnose hatte der Patient ein Rezidiv, das ambulant erneut mit einem Glukokortikoidstoß erfolgreich behandelt wurde.

Definitive Diagnose

  • Kryptogen organisierende Pneumonie.

Diskussion

Definition und Präsentation

Die COP ist definiert als organisierende Pneumonie mit intraalveolärem Granulationsgewebe, interstitiellem Entzündungszellinfiltrat und proliferativer Bronchiolitis. Eine konstriktive Bronchiolitis mit ausgeprägter Entzündung der Bronchiolarwände liegt nicht vor, weswegen der Name Bronchiolitis obliterans zugunsten der Bezeichnung „organisierende Pneumonie“ immer seltener verwendet wird [1].

Die Erkrankung tritt ohne Geschlechterpräferenz vorzugsweise im Alter von 50–60 Jahren auf. Typisch sind subakut auftretende grippeähnliche Symptome mit Fieber, Unwohlsein, Inappetenz und Gewichtsverlust. Die meisten Patienten klagen über Dyspnoe und seltener über Arthralgien, Brustschmerzen, Auswurf, Hämoptysen oder eine Zyanose [2]. In der klinischen Untersuchung ist ein inspiratorisches Knisterrasseln typisch [2].

Laborchemisch zeigen sich meist eine Leukozytose, ein erhöhter CRP-Wert und eine beschleunigte Blutsenkungsgeschwindigkeit [1] bei typischerweise normwertigem Prokalzitoninspiegel [3]. Seltener finden sich – wie bei unserem Patienten – erhöhte Cholestaseparameter, insbesondere bei im Frühling auftretenden COP-Fällen [4].

In Zusammenschau mit der Klinik ist die Bildgebung oft wegweisend.

In der konventionellen Thoraxröntgenaufnahme sind meist bilaterale Infiltrate mit migratorischer Tendenz zu sehen [5]. Sensitiver ist die native CT. Bei der typischen COP finden sich hier alveoläre Anschoppungen (in 60 % der Fälle) und Konsolidierungsareale (in 90 % der Fälle), die oft beidseits und in den peripheren Lungenabschnitten auftreten, überwiegend in den mittleren und unteren Lungenabschnitten. Dem gegenüber stehen Veränderungen der atypischen COP in der CT: Dies können entweder fokale Noduli (in 15 % der Fälle) oder lineare und bandartige Konsolidierungsareale sein [6, 7].

In der BAL zeigt sich oftmals ein „buntes Bild“ von Entzündungszellen [2]. In der Lungenfunktionstestung tritt bei 70 % eine restriktive Ventilationsstörung auf, während 20 % der Patienten eine obstruktive oder kombinierte Ventilationsstörung vorweisen und weitere 20 % keinerlei Veränderungen haben [5].

Differenzialdiagnostische Herausforderungen

Unser Patient präsentierte sich mit einer für organisierende Pneumonien typischen Befundkonstellation:

  • anamnestisch Gewichtsverlust und Dyspnoe,

  • klinisch inspiratorische trockene Rasselgeräusche,

  • laborchemisch erhöhte Entzündungsparameter,

  • radiologisch migratorische Infiltrate sowie

  • in der CT ein Nebeneinander von Anschoppungs- und Konsolidierungsarealen.

Insbesondere die initiale Präsentation legt jedoch andere, häufigere Differenzialdiagnosen nahe. So nahmen wir zunächst eine infektiöse Ursache an. Der Patient wurde bei nicht ausgeschlossener Tuberkulose isoliert und im Rahmen dessen auch bronchoskopiert, ohne – bei hier unauffälligem endobronchialem Befund und zunächst fehlender Fragestellung – transbronchiale Biopsien durchzuführen. Der Nachweis weiterer infektiöser Ursachen konnte nicht erbracht werden. Im Verlauf konnten mithilfe klinischer und gerätetechnischer Untersuchungen neoplastische Erkrankungen und Kollagenosen ausgeschlossen werden; die Autoantikörperdiagnostik war bis auf einen niedrigen ANA-Titer unauffällig. Bei erhöhten Cholestaseparametern war insbesondere der Ausschluss einer primär sklerosierenden Cholangitis erforderlich.

Erst daraufhin rückte nach einem bereits mehr als 2-wöchigen stationären Aufenthalt die Verdachtsdiagnose einer organisierenden Pneumonie in den Vordergrund, ein Erkrankungsbild, das wir in unserer Klinik bei Patienten nach allogener Stammzelltransplantation in seltenen Fällen sehen.

Diverse Faktoren können eine organisierende Pneumonie auslösen

Daneben gibt es weitere Faktoren, die eine organisierende Pneumonie auslösen, bei unserem Patienten aber nicht vorlagen (Tab. 1; [1, 9]). Die Ursachensuche bezüglich einer organisierenden Pneumonie und die Differenzialdiagnose der Symptomatik waren in weiten Teilen überlappend. Neben dem Ausschluss infektiöser, maligner und autoimmun-entzündlicher Ursachen war die Medikamentenanmnese unseres Indexpatienten unauffällig bezüglich auslösender Medikamente organisierender Pneumonien. Auch Drogen- oder Alkoholabusus lagen nicht vor. Erst nach Ausschluss der Ursachen einer (sekundär) organisierenden Pneumonie war die Diagnose einer COP möglich. Retrospektiv ist der unauffällige Befund der BAL ohne „buntes Zellbild“ überraschend; initial war er irreführend.

Tab. 1 Auslösende Faktoren organisierender Pneumonien

Eine histologische Diagnosesicherung ist bei der radiologisch typischen Form der COP nicht zwingend erforderlich. Hierbei ist die suffiziente Diagnosestellung meist nur in thorakoskopisch gewonnenen Wedge-Biopsien möglich [1]. Bei radiologisch atypischen Formen ist die histologische Diagnosesicherung insbesondere zur Abgrenzung gegenüber einem Lungenkarzinom notwendig.

Therapie und Verlauf

Da unser Patient einer Operation sehr kritisch gegenüberstand, verzichteten wir bei Vorliegen einer radiologisch typischen COP sowohl auf die thorakoskopische Probenentnahme als auch auf eine erneute Bronchoskopie mit transbronchialen Biopsien. Wir leiteten stattdessen direkt eine Therapie mit Prednisolon ein.

Das schnelle Therapieansprechen ist diagnostisch. Es grenzt die Erkrankung gegenüber anderen interstitiellen Lungenerkrankungen ab [1, 6]. Nicht nur klinisch war eine Besserung zu verzeichnen, es kam auch zu einer Regredienz der erhöhten laborchemischen Parameter einschließlich AP und GGT und zu einer Regredienz der Infiltrate (Abb. 1 c).

Rezidive nach Beendigung der Glukokortikoidtherapie sind häufig

Der Verlauf der Erkrankung ist in etwa 80 % der Fälle gutartig [8]. Rezidive nach Beendigung der Glukokortikoidtherapie sind häufig, verlaufen jedoch ebenso gutartig wie die Erstmanifestation [9]. In Einzelfällen kann es zu schweren Verlaufsformen mit Intubationspflichtigkeit und Exitus letalis kommen. Hier wird von steroidrefraktären Fällen oder Overlap-Syndromen mit anderen interstitiellen Pneumonien oder einem „acute respiratory distress syndrome“ ausgegangen [1]. Bei Steroidrefraktärität wird mit weitergehender Immunsuppression gearbeitet; eine generelle Basistherapie wird bei der COP jedoch nicht empfohlen [10].

Fazit für die Praxis

Organisierende Pneumonien können als Komplikationen einer Vielzahl von Grunderkrankungen und Therapien auftreten und stellen differenzialdiagnostisch eine große Herausforderung dar. Die Symptomatik und Diagnostik sind oft typisch, aber nicht spezifisch. Die Diagnose einer COP wird durch Ausschluss spezifischer Ursachen organisierender Pneumonien gestellt. Das Ansprechen auf Glukokortikoide ist hervorragend, die Prognose meist gut.