Bei dem vorliegenden Oktoberheft von Der Internist handelt es sich um eine Fortsetzung: Internistische Erkrankungen in der Schwangerschaft I behandelte 2008 die Themen Bluthochdruck, Rhythmusstörungen, kardiale Vitien und Antikoagulation. In Internistische Erkrankungen in der Schwangerschaft II werden nun die ergänzenden Themen Niereninsuffizienz, Diabetes, Immunsuppression, Schilddrüsenerkrankungen sowie Alkoholmissbrauch und Rauchen behandelt. Alle dargestellten Erkrankungen führen bei ihrem Auftreten in der Schwangerschaft automatisch zur Klassifizierung als Risikoschwangerschaft.

Laut statistischem Bundesamt wurden im Jahr 2009 etwa 665.000 Kinder in Deutschland geboren. In Folge umfangreicher Qualitätssicherungsmaßnahmen ist es dabei über die letzten Dekaden gelungen, die mütterliche Sterblichkeit deutlich zu reduzieren. Sie liegt in Deutschland augenblicklich bei 7/100.000 [1]. Auch die Perinatalsterblichkeit hat sich günstig entwickelt: Sie liegt inzwischen nur noch bei etwa 5/1000 Geburten [2]. Deutschland nimmt damit im internationalen Vergleich eine Spitzenpositionen und in Europa eine Position in den oberen 20% ein. Bei der Reduktion der Perinatalsterblichkeit spielt die frühzeitige Erkennung von Risikoschwangerschaften eine große Rolle. Eine Risikoschwangerschaft ist entsprechend der Mutterschaftsrichtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen [3] definiert (Tab. 1). Verlässliche Angaben zur Prävalenz von Risikoschwangerschaft liegen von der Bayerischen Qualitätssicherung (BAQ, [4]) vor, die diese kontinuierlich seit über 20 Jahren dokumentiert. Demzufolge lag eine Risikoschwangerschaft im Jahr 1989 bei 59%, 1999 bei 64% und 2009 bei unerwartet hohen 71% aller Schwangerschaften vor. Ähnliche Zahlen werden aber auch aus anderen Bundesländern gemeldet. Damit sind heutzutage 2 von 3 Schwangerschaften als Risikoschwangerschaft einzuschätzen. Diese deutliche Zunahme innerhalb von 2 Jahrzehnten überrascht und bedarf einer Erläuterung.

Heutzutage sind 2 von 3 Schwangerschaften als Risikoschwangerschaft einzuschätzen

Zunächst wird der Zuwachs teilweise durch den fortlaufenden Anstieg des Alters der schwangeren Frauen erklärt, da ab einem mütterlichen Alter von 35 Jahren eine Schwangerschaft definitionsgemäß als Risikoschwangerschaft eingestuft wird. Ein weiterer Faktor liegt in der aktiven Erhebung von Risikokonstellationen, wie z. B. dem Screening nach Gestationsdiabetes. Vorsorgemaßnahmen wie die hochauflösende Ultraschalluntersuchung verbessern die antenatale Aufdeckung auch geringer Fehlbildungen, die automatisch zum Status einer Risikoschwangerschaft führen. So gesehen reflektieren diese Zahlen insbesondere auch die erfolgreichen Bemühungen um eine Intensivierung der Risikovorsorge.

Die in diesem Heft behandelten Erkrankungen erfordern eine konsequente Begleitung und Therapieanpassung in der Schwangerschaft. Die Übersichten sollen den behandelnden Internisten in die Lage versetzen, das Richtige zu tun und das Falsche zu unterlassen. Deshalb wurde besonders auf eine praxisnahe Darstellung Wert gelegt.

Die Übersichtarbeit von Lechner, Lohr und Seißler stellt eine aktuelle Übersicht zum Thema Gestationsdiabetes dar. Nach aktuellen Untersuchungen ist jede 5. Schwangere von einem Diabetes mellitus betroffen. Die Ergebnisse mehrerer prospektiver Studien haben zu einer Anpassung der Blutzuckergrenzwerte geführt. So ist bei einem Nüchternblutzucker >92 mg/dl (bzw. 5,1 mmol/l), einem Blutzucker >180 mg/dl (10,0 mmol/l) 1 h nach oraler Glukosebelastung und einem 2-h-Wert >153 mg/dl (8,5 mmol/l) im venösen Plasma von einem Gestationsdiabetes auszugehen.

Während das Thema Gestationsdiabetes in den letzten Jahren eine hohe Aufmerksamkeit erzielt hat, kann dies für das Thema Schilddrüsenfunktionsstörungen in der Schwangerschaft nicht in gleicher Weise behauptet werden. Dabei sind eine ausreichende Jodversorgung sowie die adäquate Dosisanpassung einer Thyroxintherapie bei hyopthyreoten Frauen von großer gesundheitlicher Relevanz für das werdende Kind. In dem Artikel von Dagmar Führer werden die neuesten Erkenntnisse und Empfehlungen zu diesem Thema umfangreich dargestellt.

Die Prävalenz einer vorbestehenden Niereninsuffizienz ist mit 0,2% aller Schwangerschaften relativ gering. Besteht aber eine mäßige oder stark eingeschränkte Nierenfunktion, bedarf es aufgrund der hohen Inzidenz einer arteriellen Hypertonie mit konsekutivem Präeklampsierisiko einer sorgfältigen Beratung schon vor der Konzeption. Dies gilt insbesondere auch für die diabetische Nephropathie. Da die Gefahr einer Verschlechterung der Nierenfunktionseinschränkung gegeben ist, gilt der Pharmakotherapie der Hypertonie in der Schwangerschaft besonderer Augenmerk, wie im Beitrag von Siekierka-Harreis und Rump dargestellt.

Der Artikel von Walldorf, Dollmann und Seufferlein behandelt das Thema der immunsuppressiven Therapie in der Schwangerschaft. Das Spektrum verfügbarer Substanzen und die Indikationen von Immunsuppressiva haben sich in den vergangenen 10 Jahren kontinuierlich erweitert. Schwangerschaften unter Immunsuppressiva sind deshalb keine Seltenheit mehr und bedürfen einer sorgfältigen präkonzeptionellen Planung und Therapiesurveillance während der Schwangerschaft.

Der letzte Beitrag von Thäle und Schlitt widmet sich den deletären Folgen von Alkohol- und Nikotinmissbrauch in der Schwangerschaft für die fetale Entwicklung. Die Zahl von 4000 Neugeborenen pro Jahr mit dem Vollbild eines fetalen Alkoholsyndroms spricht für sich. Es ist zu bedauern, dass trotz vielfältiger Anstrengungen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, der Berufsverbände und der wissenschaftlichen Gesellschaften eine Trendwende leider nicht in Sicht ist.

Liebe Leserinnen und Leser,

wir als Herausgeber würden uns freuen, wenn Ihnen das vorliegende Heft die Mitbetreuung von Schwangeren mit Risikokonstellationen oder relevanten internistischen Begleiterkrankungen erleichtern und Ihnen praxisrelevante Informationen vermitteln würde, die in dieser kondensierten Form –so glauben wir – an anderer Stelle nicht zu finden sind.

Wir wünschen Ihnen beim Lesen dieser Ausgabe von Der Internist den erhofften Informationsgewinn.

Ihre

Prof. Dr. Martin Reincke

Prof. Dr. Karl Werdan

Tab. 1 Definition von Risikoschwangerschaften nach den Mutterschaftsrichtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen [3]