Bisher gibt es keinen Konsens darüber, wie Ototoxizität in Verlaufsmessungen standardisiert zu erfassen ist. Gegenwärtig in der Klinik eingesetzte DPOAE unterscheiden weder die beiden DPOAE-Komponenten infolge ihrer kontinuierlichen Anregung, noch berücksichtigen sie die individuelle Mittelohrübertragungsfunktion. Gepulste DPOAE mit individuell optimalen Anregungspegeln führen bei normalhörenden Probanden zu einer Verbesserung der Aussagekraft und einer geringeren Variabilität. Eine kombinierte Analyse von gepulsten DPOAE und Hörschwellen löst Änderungen des Hörstatus am besten auf.

Hintergrund und Fragestellung

Das Ziel von Verlaufsmessungen der Funktionsfähigkeit des cochleären Verstärkers ist es, tatsächlich auftretende Veränderungen mit hoher Sensitivität und Spezifität abzubilden. Im klinischen Alltag dienen Verlaufsmessungen beispielsweise dazu, rechtzeitig den Einfluss ototoxischer Substanzen auf die Funktionsfähigkeit des Gehörs oder den Effekt regenerativer Therapieansätze zu erkennen. Bisher gibt es allerdings keinen internationalen Konsens darüber, wie Ototoxizität oder Regeneration standardisiert zu erfassen ist. Die American Academy of Audiology bewertet die Bestimmung der Reintonhörschwelle vor allem im hochfrequenten Bereich sowie die Messung von Distorsionsprodukt-otoakustischen Emissionen (DPOAE) als die zuverlässigsten klinisch anwendbaren Methoden [10].

DPOAE entstehen durch Intermodulation infolge der simultanen Anregung der Cochlea mit zwei Anregungstönen der Frequenzen f1 und f2 (typisch, f2/f1 1,2) und Anregungspegeln L1 und L2. DPOAE basieren direkt auf der Nichtlinearität der mechanoelektrischen Transduktion der äußeren Haarsinneszellen in einem begrenzten Bereich um den cochleären Abbildungsort der Anregungsfrequenz f2 und liefern dadurch frequenzspezifische Informationen über die Funktionalität des cochleären Verstärkers [2].

Eine bisherige Empfehlung zu Monitoring und Evaluation der Ototoxizität bei Kindern und Jugendlichen beinhaltet die Anamnese, die Reintonaudiometrie für die Frequenzen 1–8 kHz, DPOAE und die Tympanometrie [6]. Demnach sollte eine Testbatterie verschiedener Methoden durchgeführt werden, da einzelne Methoden nicht hinreichend aufschlussreich sind. Anhand von Studien mittlerer Evidenz detektieren DPOAE Veränderungen des Hörvermögens früher als die Reintonaudiometrie und weisen eine höhere Sensitivität gegenüber subtilen oder subklinischen Veränderungen auf [7]. DPOAE-Schwellen zeigten in zwei Studien eine höhere Empfindlichkeit als einzelne DPOAE-Pegel [13, 22]. Eine Hochfrequenz-Audiometrie (HFA) bei 9–16 kHz kann Hörveränderungen häufiger als eine Reintonaudiometrie detektieren [1]. Bei Kindern werden DPOAE verwendet, um frühzeitig ototoxische, cisplatin-bedingte Abnahmen der Amplitude oder des Signal-Rausch-Abstands (SNR) der DPOAE aufzudecken [14].

In audiologischen Verlaufsuntersuchungen ist eine hohe Test-Retest-Zuverlässigkeit des verwendeten Messverfahrens essenziell, um systematische pathologisch oder regenerativ bedingte Veränderungen von zufälligen Messungenauigkeiten abzugrenzen, wobei die Aussagekraft des Messverfahrens über den Zustand des Untersuchungsobjekts ebenso bedeutsam ist. So können beispielsweise Pegeländerungen (< 6 dB) klinisch gebräuchlicher DPOAE alleine eine mittels Reintonaudiometrie verifizierte ototoxische Hörschwellenerhöhung nicht mit ausreichender Sensitivität und Spezifität vorhersagen [16]. Multivariate Analysen, die DPOAE-Pegel bei benachbarten Frequenzen, SNR und eine Dosis-Wirkungs-Beziehung berücksichtigen, erhöhen zwar die Vorhersagekraft, um eine ototoxische Hörschädigung zu detektieren, konnten sich allerdings bisher im klinischen Alltag nicht durchsetzen [16]. Folglich gibt es bisher keine klinisch validierte, signifikante DPOAE-Änderung, die einen potenziellen cochleären Schaden vorhersagt [15, 22].

DPOAE werden aktuell in der Klinik als nützliche, ergänzende Untersuchung zur Diagnostik des Innenohrzustands angesehen, die aber Grenzen in ihrer Aussagekraft aufweisen [11]. Hierfür gibt es drei Hauptursachen: 1. DPOAE bestehen im Wesentlichen aus zwei Komponenten, der nichtlinearen Distorsionskomponente und der kohärenten Reflexionskomponente, die an unterschiedlichen Orten entlang der Basilarmembran durch unterschiedliche Mechanismen entstehen [25]. Abhängig vom relativen Pegel- und Phasenverhältnis zwischen den Komponenten interferieren die Wellen, und können damit zu artefaktbehafteten Messergebnissen führen [29]. 2. DPOAE-Signale sind insbesondere hinsichtlich der retrograden Übertragung von den individuellen Mittelohreigenschaften beeinflusst [17]. 3. DPOAE-Pegel zeigen eine relativ begrenzte Korrelation mit dem cochleär bedingten Hörverlust, wobei die Beziehung sowohl vom Pegel als auch von der Frequenz nichtlinear abhängig ist [4, 12].

Eine erweiterte DPOAE-Diagnostik stellen DPOAE-Wachstumsfunktionen dar, die die DPOAE-Amplitude in der linearen Einheit des Schalldrucks als Funktion des Anregungspegels L2 für jede Frequenz semilogarithmisch abbilden. Durch Extrapolation einer Regressionsgerade wird eine Distorsionsproduktschwelle geschätzt („estimated distortion-product threshold“, EDPT), die annähernd im Verhältnis 1:1 mit der cochleär bedingten Hörschwelle korreliert [5]. Die diagnostische Präzision verbessert sich erheblich durch die artefaktfreie Erfassung und Analyse von DPOAE im Zeitbereich mithilfe gepulster Stimuli [8, 27, 29, 30] sowie der Anwendung individuell optimaler, frequenzspezifischer Anregungspegel, die mithilfe DPOAE-Pegelkarten erfasst werden [28]. DPOAE-Pegelkarten bilden das DPOAE-Wachstumsverhalten in Abhängigkeit von Anregungspegelkombinationen ab, die eine erweiterte Fläche im L1,L2-Raum abtasten, und ermöglichen mithilfe einer numerischen Anpassung einer nichtlinearen mathematischen Funktion die Berechnung einer geschätzten Distorsionsproduktschwelle LEDPT, ohne davon abhängig zu sein, dass ein a priori gewählter Anregungspfad den individuellen Gegebenheiten nahekommt [28].

LEDPT stellen eine vielversprechende Methode dar, um tatsächlich auftretende Veränderungen des cochleären Verstärkers mit hoher Sensitivität und Spezifität in Verlaufsuntersuchungen abzubilden, da sie eine Hörminderung mit hoher Genauigkeit quantifizieren können [28] und eine hohe Test-Retest-Zuverlässigkeit aufweisen [3]. DPOAE-Pegel, die in einschlägigen Arbeiten gegenüber DPOAE-Schwellen dominieren, stellen eine Methode dar, die auch eine besonders hohe Test-Retest-Zuverlässigkeit aufweist [9, 20, 23]. Wenn man aber berücksichtigt, dass die Hörschwelle etwa im Verhältnis 1:2 mit den DPOAE-Pegeln zusammenhängt [18], dann lassen sich signifikante Unterschiede in der Test-Retest-Zuverlässigkeit von DPOAE-Pegeln und Schwellen – sowohl DPOAE-Schwellen als auch Hörschwellen – nur abschätzen, nachdem die DPOAE-Pegel zunächst mit zwei multipliziert wurden [3]. Bei dem Vergleich der Test-Retest-Zuverlässigkeit muss darüber hinaus immer berücksichtigt werden, wieviel Messzeit aufgewandt wurde, aber auch, dass DPOAE-Pegel primär Informationen über das überschwellige Verhalten des cochleären Verstärkers beinhalten, während DPOAE-Schwellen eher das Verhalten nahe der neuronalen Schwelle und damit die maximale cochleäre Verstärkung charakterisieren.

Ziel der vorliegenden Studie ist es, mithilfe eines kombinierten Analyseparadigmas aus Reintonhörschwelle (LTA), „estimated distortion-product threshold“ (LEDPT) und DPOAE-Pegel (LDP) den Einfluss von Messungenauigkeiten der jeweiligen Methoden zu reduzieren und die Test-Retest-Zuverlässigkeit zu erhöhen.

Studiendesign und Untersuchungsmethoden

Studiendesign und Messsystem

Für das hier vorgestellte kombinierte Analyseparadigma wurden DPOAE-Pegelkarten und Hörschwellen aus einer von den Autoren durchgeführten Studie [3] verwendet, in der die Test-Retest-Zuverlässigkeit von pegelkartenbasierten LEDPT mit der von Reintonschwellen verglichen wurde. Die Messungen wurden siebenmal innerhalb von drei Monaten bei 14 Frequenzen zwischen 1 und 14 kHz in 20 Ohren von zehn normalhörenden Personen (PTA4 (0,5–4kHz) < 20 dB HL; Alter 32,1 ± 9,7 J.) aufgezeichnet. Die subjektiven Hörschwellen, LTA, wurden mittels modifizierter Békésy-Tracking-Audiometrie dreimal bei jeder Frequenz und bei zwei benachbarten Frequenzen erfasst, wodurch eine Frequenzgruppe gebildet wurde, um Feinstruktureffekte im Verhaltensaudiogramm zu glätten. Die Studie wurde von der Ethikkommission der Universität Tübingen genehmigt (265/2018B01) und in Übereinstimmung mit der Deklaration von Helsinki für Experimente am Menschen durchgeführt.

Alle Messungen wurden mit zwei über NI-Messkarten (National Instruments, Austin, TX, USA) an einen handelsüblichen PC angeschlossenen ER-10C-Messsonden (Etymotic Research, Elk Grove Village, IL, USA) durchgeführt. Stimulation und Messdatenerfassung erfolgten mit einer in LabVIEW (NI, Austin, TX, USA) implementierten Messsoftware. Eine eigens entwickelte Software in MATLAB (The MathWorks, Natick, MA, USA) ermöglichte eine automatisierte Analyse der DPOAE und Hörschwellen. Um eine möglichst gleiche Position der Messsonden über alle Sitzungen hinweg zu erreichen, wurde der Frequenzgang des Gehörgangsschalldrucks je Ohr von 0,3 bis 20 kHz vor der Kalibrierung bestimmt und visuell mit dem der vorherigen Aufzeichnungen verglichen. Der Reizschalldruck wurde vor jeder Sitzung durch eine Im-Ohr-Messung kalibriert und die Übertragung zum Trommelfell mithilfe eines künstlichen Ohrs korrigiert (B&K Typ 4157, Brüel & Kjær, Nærum, Dänemark).

DPOAE-Pegelkarten

Für die bilaterale Erfassung von DPOAE-Pegelkarten wurden je 21 Kurzpuls-DPOAE unterschiedlicher Anregungspegel (L1,L2-Paare) bei einem Frequenzpaar (f2 = 1–14 kHz, f2/f1 = 1,2) erfasst. Die Kurzpuls-Stimulation ermöglicht die Trennung der nichtlinearen Distorsions- und kohärenten Reflexionskomponenten im Zeitbereich durch Ausnutzung ihrer unterschiedlichen Latenz (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Trennung der DPOAE-Hauptkomponenten im Zeitbereich mithilfe der Kurzpuls-Stimulation. DPOAE werden mit zwei gepulsten Stimulustönen unterschiedlicher Länge der Frequenz f2 (hellblau) und f1 (dunkelblau) sowie den Stimuluspegeln L2 und L1 angeregt (c, schematische Darstellung). Entlang der ausgerollten Basilarmembran (Ausschnitt in a) werden die Einhüllenden der Wanderwellen skizziert (Ordinate: logarithmisch über drei Dekaden). In der Nähe des Abbildungsortes des f2-Tons entsteht infolge der Interaktion der f2- und f1-Wanderwellen die sog. nichtlineare Distorsionskomponente (Dist.) mit der Frequenz fDP = 2f1 − f2, die sich u. a. auch direkt retrograd als Druckwelle in Richtung ovales Fenster ausbreitet. Zudem wirkt sie als intracochleärer Stimulus und erzeugt eine weitere Wanderwelle (dunkelrot), die sich anterograd zum Abbildungsort von fDP ausbreitet. Dort wird ein Teil der Wanderwelle an lokalen Streuzentren reflektiert und breitet sich ebenfalls in Richtung des ovalen Fensters aus und bildet damit die Reflexionskomponente (Refl.). Zeitverlauf der DPOAE-Amplitude (a) und Phase (b) relativ zum Anschaltzeitpunkt t1,on des f1-Tones, aufgezeichnet im Ohr S162L bei f2 = 3 kHz, L2 = 50 dB SPL, L1 = 65 dB SPL. a Gemessenes DPOAE-Signal (hellgraue Linie). Dunkelroter Punkt: Amplitude der nichtlinearen Distorsionskomponente PDP. Einhüllende der Distorsionskomponente, pD(t) (dunkelrote Linie), und Reflexionskomponente, pR(t) (hellrote gestrichelte Linie). b Instantane Phase des gemessenen DPOAE-Signals (hellgrau) und instantane Phase des berechneten DPOAE-Signals, pD(t) + pR(t) (schwarz). DPOAE bestehen im Wesentlichen aus zwei Komponenten, die an zwei verschiedenen Orten in der Cochlea durch zwei unterschiedliche Mechanismen entstehen. In Abhängigkeit von den relativen Amplituden und Phasen zwischen den Komponenten interferieren die Wellen, und können sich beispielsweise wie hier im Zeitsignal (a) gezeigt bei einem Phasenunterschied von knapp 180° (b) annähernd auslöschen und damit eine Schädigung vortäuschen, wenn keine Komponententrennung erfolgt. Da die DPOAE-Komponenten unterschiedliche Latenzen aufweisen, können die beiden DPOAE-Komponenten mithilfe der Kurzpuls-Stimulation und der Darstellung im Zeitbereich voneinander getrennt werden. Für eine ausführliche Illustration der Kurzpuls-Stimulation möchten wir den interessierten Leser gerne auf Zelle et al. (2016) [29] verweisen

Die aus dem Zeitsignal extrahierte artefaktfreie DPOAE-Amplitude, PDP (roter Punkt in Abb. 1a), die die nichtlineare Distorsionskomponente bewertet, wurde bei einem SNR ≥ 10 dB für die statistische Analyse akzeptiert und in den DPOAE-Pegel, LDP, umgerechnet. Die Gesamtmesszeit für alle DPOAE-Pegelkarten mit 21 Pegeln bei 14 Frequenzen in beiden Ohren betrug 12,6 min.

Die dreidimensionale Darstellung des DPOAE-Wachstumsverhaltens in Abhängigkeit der Anregungspegel L1 und L2 ergibt DPOAE-Pegelkarten (Abb. 2), die mithilfe einer numerischen Anpassung einer mathematischen Funktion an die Messwerte die Rekonstruktion einer individuell optimalen Wachstumsfunktion (Abb. 2, schwarze Linie) und somit die Berechnung von LEDPT (Abb. 2, roter Pfeil) für jede Frequenz ermöglichen. Aus der Projektion der optimalen Wachstumsfunktion in der L1,L2-Ebene können für jeden L2-Pegel die individuell optimalen (opt) frequenzspezifischen Anregungspegel L1,opt ermittelt werden, die jeweils maximale PDP generieren. Mit dieser Methode können LEDPT bestimmt werden, ohne dass optimale Anregungspegel vorab definiert werden müssen [28]. Zudem können anhand der Modellpegelkarten diejenigen LDP rekonstruiert werden, die mit einem frequenzunabhängigen Anregungsparadigma nach Kummer et al. (1998) [18], L1,kum = 0,4 L2 + 39 dB, oder mit einem konstanten als standard (std) klassifizierten Pegelabstand, L1,std = L2 + 10 dB, generiert worden wären. In der vorliegenden Arbeit erfolgten diese Berechnungen exemplarisch für L2 = 45 und 65 dB SPL. Man muss sich bewusst sein, dass diese rekonstruierten LDP nur insoweit sinnvolle Abschätzungen über tatsächliche Messwerte liefern, wie die Modellfunktion die tatsächliche Abhängigkeit von den Anregungspegelkombinationen getreu nachbildet. Sowohl deswegen als auch wegen üblicher Grenzbedingungen der praktischen Messbarkeit (i. d. R. Pegel des Restrauschens < −20 dB SPL [4, 12]) wurden rekonstruierte LDP < −15 dB SPL nicht gewertet und aus den weiteren Analysen ausgeschlossen.

Abb. 2
figure 2

a Individuelle Modellpegelkarte, rekonstruiert aus akzeptierten DPOAE-Amplituden PDP (schwarze Punkte), aufgezeichnet am Ohr S170L bei f2 = 10 kHz. Rote Punkte: PDP mit SNR < 10 dB. Schwarze durchgezogene Linie: Grat, der die optimale, semi-logarithmische Wachstumsfunktion darstellt. Roter Pfeil: Geschätzte Distorsionsproduktschwelle LEDPT mithilfe der DPOAE-Pegelkarte; LEPDT = 33,25 ± 3,34 dB SPL. In diesem Beispielohr, bei L2 = 60 dB SPL, wären der als standard (std) klassifizierte Anregungspegel L1,std = 70 dB SPL (grüner Pfeil) sowie der nach Kummer et al. (kum) gewählte Anregungspegel L1,kum = 63 dB SPL (gelber Pfeil) suboptimal und würden deutlich verringerte PDP bzw. DPOAE-Pegel (LDP) im Vergleich zu dem individuell optimalen (opt) Anregungspegel L1,opt = 77 dB SPL (blauer Pfeil) generieren. b EDPT-Gramm LEDPT (rot) und das Audiogramm LTA (schwarz) für f = 1–14 kHz. Der Verlauf des EDPT-Gramms zeigt eine hohe Korrelation mit dem subjektiven Tonschwellenaudiogramm

Kombinierte Analyse

Für eine kombinierte Betrachtung zeitgleich auftretender Veränderung in LDP und LEDPT bzw. LTA innerhalb eines Ohres von Untersuchung zu Untersuchung wurde die Korrelation der einzelnen DPOAE-Metriken mit der Reintonhörschwelle ermittelt. LEDPT korrelieren mit LTA ungefähr im Verhältnis 1:1 [28, 30], d. h. eine Erhöhung der LTA um 10 dB geht mit einer Erhöhung der LEDPT um ebenfalls etwa 10 dB einher. Die Schätzung der Korrelation der DPOAE-Pegel mit der Reintonhörschwelle erfolgte anhand der Studie von Kummer et al. (1998) [18] , s. deren Abb. 7b bzw. deren Tab. II, III, wobei eine Erhöhung der LTA um 10 dB ungefähr mit einer Abnahme der LDP um 5 dB verbunden ist, also in einem Verhältnis von ca. 2:1 korreliert. In der Gesamtschau bedeutet dies, dass, um aus einer LDP-Abnahme eine cochleär bedingte Hörschwellenerhöhung abzuschätzen, die entsprechende LDP-Abnahme verzweifacht werden müsste. Somit wurden Hörschwellenänderungen mit den doppelten entgegengerichteten LDP-Änderungen für eine kombinierte Analyse in unterschiedlichen Kombinationen gemittelt, d. h. (∆LTA − 2∆LDP)/2, (∆LTA + ∆LEDPT)/2, (∆LEDPT − 2∆LDP)/2 und (∆LTA + ∆LEDPT − 2∆LDP)/3.

Statistische Auswertung

Für die statistischen Tests wurde SPSS Statistics (Version 26, Fa. IBM Corp., Armonk, NY, USA) verwendet. Zur Quantifizierung der Test-Retest-Zuverlässigkeit der LEDPT, LTA und LDP wurden die absoluten Differenzen (AD) zwischen zwei Visiten (1 vs. 2, 1 vs. 3, 1 vs. 4, …, 2 vs. 3, 2 vs. 4, …; N = 21) als Metrik verwendet [20, 21]. Die Test-Retest-Zuverlässigkeit bestimmt die Fähigkeit einer Methode, ähnliche Ergebnisse zu liefern, wenn sie für dieselbe Versuchsperson unter denselben Versuchsbedingungen wiederholt wird. Die statistische Signifikanz der absoluten Unterschiede zwischen den Stichproben wurde mit dem Friedman-Test geprüft.

Ergebnisse

DPOAE-Pegel

Die Korrelation zwischen LDP und LTA hing wesentlich von der Wahl der Anregungspegel ab (Abb. 3). Für den Frequenzbereich f2 = 8–14 kHz, in welchem bereits bei einigen Probanden ein Hochtonhörverlust vorlag und damit ein größerer Dynamikbereich, korrelierten LDP und LTA stark miteinander (Spearman-Rho, ρ = −0,737; p < 0,001), wenn LDP mithilfe von individuell optimalen, frequenzspezifischen Anregungspegeln L1,opt (blau) bei L2 = 45 dB SPL rekonstruiert wurde (Tab. 1). Wenn LDP dagegen mit nichtfrequenzspezifischen, klinisch häufig verwendeten Anregungspegeln L1,std (grün, L1 = L2 + 10 dB) bzw. L1,kum (gelb, L1 = 0,4L2 + 39 dB) rekonstruiert wurde, korrelierten LDP und LTA nur noch gering (L1,std Spearman-ρ = −0,202; p = 0,003; L1,kum Spearman-ρ = −0,282; p < 0,001). Für den Frequenzbereich f2 = 1–6 kHz lag wenig Hörverlust und daher kein ausreichender Dynamikbereich vor, um damit die Korrelation zwischen LDP und LTA abschließend zu beurteilen. Der Anregungspegel L2 = 45 dB SPL wurde exemplarisch dargestellt, da bei diesem Pegel der cochleäre Verstärker noch nicht in Kompression ist und eine ausreichende Anzahl von nachweisbaren DPOAE-Signalen generiert wurden.

Abb. 3
figure 3

Korrelation der Hörschwelle (LTA in dB SPL, erfasst mithilfe der modifizierten Békésy-Tracking-Audiometrie) mit den DPOAE-Pegel (LDP in dB SPL, rekonstruiert mithilfe der individuellen DPOAE-Modellpegelkarte). Die Anregungspegel wurden folgendermaßen gewählt: L2 = 45 dB SPL, L1 entsprechend modifiziert. L1,opt: individuell optimale, frequenzspezifische Anregungspegel (blau), L1,std = L2 + 10 dB (grün) und L1,kum = 0,4 L2 + 39 dB (gelb). LDP ≤ −15 dB SPL werden als nicht akzeptiert gewertet und durch offene Kreise dargestellt. a Frequenzbereich f2 = 1–6 kHz, N = 649/980. b Frequenzbereich f2 = 8–14 kHz, N = 353/980

Tab. 1 Lineare Regressionsanalyse der abhängigen Variable Hörschwelle LTA (dB SPL) von der unabhängigen Variable DPOAE-Pegel LDP (dB SPL) für die unterschiedlichen Anregungsparadigma und Frequenzbereiche (L2 = 45 dB SPL); Daten sind in Abb. 3 gezeigt. Die Güte der Schätzung, quantifiziert durch die Standardabweichung σ (dB) der Schätzung, ist für f2 = 8–14 kHz deutlich höher für L1,opt im Vergleich zu L1,std und L1,kum. r2: Korrelationskoeffizient zum Quadrat

Die Test-Retest-Zuverlässigkeit von LDP erhöhte sich signifikant mit individuell optimalen Anregungspegeln (L1,opt; Abb. 4). Der Median von AD von LDP verringerte sich signifikant von 2,3 bzw. 2,2 dB auf 1,8 dB mithilfe L1,opt bei L2 = 45 dB SPL (Tab. 2, Friedman-Test, F = 734,65; p < 0,0001), und damit verringerte sich das daraus abgeleitete Referenzintervall von 10 bzw. 9 dB auf 6 dB, hier als 90. Perzentile der AD definiert. Bei L2 = 65 dB SPL reduzierte sich der Median der AD mithilfe L1,opt von 2,4 bzw. 1,9 dB auf 1,4 dB und das Referenzintervall von 9 bzw. 7 dB auf 4 dB (Tab. 2).

Abb. 4
figure 4

Test-Retest-Zuverlässigkeit der DPOAE-Pegel LDP dargestellt mithilfe des Medians der absoluten Differenzen (AD) für die einzelnen Frequenzen in Abhängigkeit von den Anregungspegeln L1,opt (blau), L1,kum = 0,4L2 + 39 dB (gelb) und L1,std = L2 + 10 dB (grün). Der untere Fehlerbalken entspricht dem 25. Perzentil, der obere Fehlerbalken dem 75. Perzentil. Die Graphen wurden entlang der Abszisse für die bessere Lesbarkeit leicht versetzt. a L2 = 45 dB SPL. b L2 = 65 dB SPL

Tab. 2 Test-Retest-Zuverlässigkeit der DPOAE-Pegel LDP in Abhängigkeit von den Anregungspegeln für f2 = 1–14 kHz, dargestellt mithilfe des Medians, des Interquartilsabstands (IQR) und des 90. Perzentils der absoluten Differenzen (dB) für L2 = 45 und 65 dB SPL, und jeweils L1,opt, L1,kum = 0,4L2 + 39 dB und L1,std = L2 + 10 dB. Die Test-Retest-Zuverlässigkeit von LDP erhöhte sich signifikant durch die Wahl individuell optimaler, frequenzspezifischer Anregungspegel L1,opt bei L2 = 45 und 65 dB SPL (Friedman-Test, F = 383,90/482,37; p < 0,0001)

Geschätzte Hörschwellen anhand von DPOAE-Pegelkarten

LEDPT und LTA zeigen eine lineare Korrelation (LTA = 0,86LEDPT − 6,7 dB; r2 = 0,45; SD = 7,7 dB; p < 0,001; Abb. 5). Neben der hohen Korrelation mit der Reintonhörschwelle zeigten LEDPT zudem eine hohe Test-Retest-Zuverlässigkeit mit einem Median der AD von 3,3 dB für f2 = 1–14 kHz (Tab. 3). Die Tab. 3 quantifiziert die Test-Retest-Zuverlässigkeit mithilfe des Medians, des Interquartilsabstands (IQR) und des 90. Perzentils für die alleinige Hörschwellenerfassung bzw. -schätzung mit LTA und LEDPT sowie für unterschiedliche kombinierte Analyseparadigma. Die Kombination von LEDPT, LTA und LDP,opt,65 (bei L2 = 65 dB SPL und L1,opt) zeigte die kleinste AD. Eine fast ebenso niedrige AD lässt sich feststellen, wenn beide DPOAE-Maße, also LDP und LEDPT, kombiniert wurden. In Abb. 6a werden die Differenzen zwischen den einzelnen Untersuchungen mithilfe von Histogrammen dargestellt, dabei zeigt sich für das kombinierte Maß aus LEDPT, LTA und LDP,opt,65, bezeichnet als LEDPT′, im Vergleich zu den LEDPT eine deutliche Reduzierung der Ausreißer sowie eine Verringerung der Standardabweichung von 5,6 dB auf 3,9 dB (vertikale Linien). In Abb. 6b werden die absoluten Differenzen (AD) zwischen den einzelnen LEDPT und LEDPT′ mithilfe von Histogrammen dargestellt. Die vertikalen Linien markieren den Referenzbereich, definiert durch das 90. Perzentil. Mithilfe des kombinierten Maßes reduziert sich der Referenzbereich von 9,3 auf 6,2 dB. Zusammengenommen bedeuten diese Beobachtungen, dass das kombinierte Maß LEDPT′ eine deutlich höhere Test-Retest-Zuverlässigkeit aufweist als LEDPT.

Abb. 5
figure 5

Korrelation der subjektiven Hörschwellen LTA, erfasst mithilfe der modifizierten Békésy-Tracking Audiometrie, mit den auf DPOAE basierenden Hörschwellenschätzungen LEDPT, abgeleitet von DPOAE-Pegelkarten; gepoolt wurde über alle Frequenzen, Probanden und Visiten. Schwarze durchgezogene Linie und graue gestrichelte Linien stellen die Regressionslinie bzw. 95%-Konfidenzintervalle dar. Standardabweichung (SD) der LTA von der Regressionsgeraden \(\sigma _{{\Updelta L_{\mathrm{TA}}}}\) = 7,7 dB. Anzahl der akzeptierten LEDPT Na = 1011/1960

Tab. 3 Test-Retest-Zuverlässigkeit der Hörschwellen (LTA) mithilfe der modifizierten Békésy-Tracking Audiometrie, der DPOAE-basierten geschätzten Hörschwellen (LEDPT) und der kombinierten Maße für den Frequenzbereich f2 = 1–14 kHz, dargestellt mithilfe des Medians, IQR und der 90. Perzentile der absoluten Differenzen (AD). LDP,opt,65: LDP bei L1,opt für L2 = 65 dB SPL. Die Test-Retest-Zuverlässigkeit lässt sich durch die kombinierten Maße signifikant verringern (Friedman-Test, F = 788,52, p < 0,0001)
Abb. 6
figure 6

a Test-Retest-Zuverlässigkeit einer alleinigen DPOAE-Pegelkarten-basierten Hörschwellenschätzung LEDPT im Vergleich zu dem kombinierten Maß LEDPT′ = (∆LEDPT + ∆LTA − 2∆LDP,opt,65)/3, dargestellt mithilfe der normierten Histogramme der Differenzen zwischen zwei Untersuchungen, gepoolt über alle Probanden und Frequenzen f2 = 1–14 kHz. N = 2345/5880. LEDPT′ zeigt im Vergleich zu den LEDPT eine deutliche Reduktion der Ausreißer sowie der Standardabweichung von 5,6 dB (grauer Pfeil) auf 3,9 dB (blauer Pfeil). b Histogramme der absoluten Differenzen (AD) von LEDPT (grau) und LEDPT′ (blau). Die vertikalen Linien markieren den Referenzbereich, definiert durch das 90. Perzentil. Mithilfe des kombinierten Maßes reduziert sich der Referenzbereich von 9,3 auf 6,2 dB, und damit wären tatsächliche Veränderungen der Hörschwelle deutlich früher detektierbar

Diskussion

DPOAE-Pegel: Aussagekraft und Test-Retest-Zuverlässigkeit

In der Regel zeigen DPOAE-Pegel eine relativ begrenzte Korrelation mit dem cochleär induzierten Hörverlust, und die komplexe Beziehung zwischen DPOAE-Pegel und dem daraus resultierenden Hörverlust ist von Anregungspegel und -frequenz nichtlinear abhängig [4, 12]. Interessanterweise fand sich hier nach Berücksichtigung der individuell optimalen Anregungspegel L1 bei einem moderaten Anregungspegel L2 = 45 dB SPL vor allem im hochfrequenten Bereich f2 = 8–14 kHz eine deutlich höhere Korrelation von LDP mit LTA und eine geringere Streuung (Abb. 3). Da das Einschlusskriterium für die Studie mit dem PTA4 (0,5–4kHz) < 20 dB HL definiert wurde, lag für einzelne Frequenzen zwischen 1–6 kHz kaum Hörverlust und daher kein großer Dynamikbereich vor, um damit eine potenzielle Korrelation zwischen LDP mit LTA sowie eventuell damit verbundene Mittelohr- oder Rauscheinflüsse abschließend zu beurteilen.

Die Idee hinter der Verwendung individuell optimaler Anregungspegel ist es, eine möglichst ideale Überlappung zwischen den Wanderwellen der beiden Anregungstöne f1 und f2 am Abbildungsort des zweiten Anregungstons zu erreichen bzw. die unterschiedlichen Kompressionsraten der beiden Anregungstöne am Entstehungsort der nichtlinearen Distorsionskomponente zu berücksichtigen [24], sodass ein optimaler Modulationskontrast der nichtlinearen mechanoelektrischen Transduktion eine maximale Distorsion hervorruft [2]. Die Berücksichtigung dessen durch Rekonstruktion von LDP bei individuell optimalen Anregungspegeln führte in dieser Studie zu einer Reduktion der interindividuellen Variabilität von LDP, insbesondere für f2 = 8–14 kHz (Abb. 3b).

Nicht nur die interindividuelle Variabilität von LDP, sondern auch die intraindividuelle Variabilität, die sog. Test-Retest-Zuverlässigkeit, verbesserte sich durch die Wahl frequenzspezifischer, individuell optimaler Anregungspegel deutlich. Damit ließe sich der häufig zitierte Referenzbereich für eine DPOAE-Veränderung von Untersuchung zu Untersuchung innerhalb eines Subjekts beim Anregungspegel von L2 = 65 dB SPL von ca. 6–8 dB auf 4–5 dB reduzieren. In zukünftigen klinischen Untersuchungen könnten daher gepulste DPOAE-Pegel angeregt mithilfe frequenzspezifischer, individuell optimaler Anregungspegel eine wertvolle Methode sein, um frühzeitig Anzeichen von Veränderungen des cochleären Verstärkers zu erkennen, bevor sie mit konventionellen DPOAE-Pegel-Messungen sichtbar werden.

Geschätzte DPOAE-Schwellen: Aussagekraft und Test-Retest-Zuverlässigkeit

DPOAE-Pegelkarten bilden das Wachstumsverhalten des cochleären Verstärkers für unterschiedliche Anregungspegelpaare L1,L2 bei einer Frequenz f2 hochgenau ab. Daraus bestimmte LEDPT inkorporieren Informationen multipler DPOAE-Amplituden und erlauben damit eine präzisere und erweiterte Diagnostik über die Funktionsfähigkeit des cochleären Verstärkers, wie es auch von uns und anderen Autoren bereits für Wachstumsfunktionen und deren Eigenschaften gezeigt werden konnte [26]. Anhand der numerischen Extrapolation der einzelnen DPOAE-Amplituden kann das Wachstumsverhalten der DPOAE-Amplituden auch bei niedrigen Anregungspegeln abgeleitet werden. Gerade dann ist die Aussagekraft über die Funktionsfähigkeit des cochleären Verstärkers aufgrund seiner Nichtlinearität und der maximalen Verstärkungsleistung bei niedrigen Anregungspegeln am größten [18].

Darüber hinaus erlauben LEDPT eine objektive Quantifizierung der Hörschwelle im Vergleich zur klinisch gebräuchlichen Erfassung einzelner DPOAE-Pegel, wenn keine Schädigung der inneren Haarsinneszellen oder der neuralen Weiterleitung vorliegt [8, 28, 30]. Die individuellen Übertragungseigenschaften des Mittelohrs werden durch DPOAE-Pegelkarten berücksichtigt, indem sie die Verschiebung der intracochleären Anregungsstimuli durch anterograde Übertragungsverluste in L1 und L2 und die retrograden Mittelohrübertragungsverluste durch die DPOAE-Amplitude erfassen [19]. Die DPOAE-Wachstumsfunktion wird entlang des individuellen Grats extrapoliert (Abb. 2) und beruht somit auf maximalen DPOAE-Amplituden, die mithilfe individuell nahezu idealer Anregungspegel generiert wurden. LEDPT, die auf DPOAE-Pegelkarten basieren, schätzen Hörschwellen präziser im Vergleich zu herkömmlichen DPOAE-Wachstumsfunktionen, die mit vorgegebenen Stimuluspegeln angeregt werden [28]. In dieser Studie korrelierten LEDPT, basierend auf DPOAE-Pegelkarten, mit LTA für f2 = 1–14 kHz mit einer Standardabweichung von 7,7 dB (Abb. 5). Dieser Wert ist im Vergleich zu der Studie von Zelle et al. [30] mit 6,5 dB deutlich höher, was auf die Reduktion der Mittelungszeit pro DPOAE auf ein Viertel und die Erweiterung des Frequenzspektrums von 1–8 kHz auf 1–14 kHz zurückgeführt wird. Zudem wurde bisher – aus Gründen der noch eingeschränkten Datenmenge – darauf verzichtet, die Korrelation frequenzabhängig durchzuführen, wodurch die Standardabweichung pro Frequenz deutlich verringert werden kann [30]. Insbesondere im hohen Frequenzbereich ist außerdem zu erwarten, dass die Implementierung eines modernen Kalibrierverfahrens wie beispielsweise IPL („integrated-pressure level“) oder FPL („forward-pressure level“) den Schätzfehler zwischen LTA und LEDPT weiter verringern würde [20].

LEDPT schätzen nicht nur individuelle Hörschwellen präzise, sondern sind auch in Verlaufsuntersuchungen innerhalb eines Ohrs stabil [3]. Die Test-Retest-Zuverlässigkeit der LEDPT ist für den gesamten Frequenzbereich f2 = 1–14 kHz mit dem Median der AD von 3,3 dB vergleichbar mit denen der LTA (Median AD = 3,2 dB), wobei für den hochfrequenten Bereich, f2 = 11–14 kHz, LEDPT gegenüber LTA überlegen sind [3]. Der Referenzbereich entsprechend dem 90. Perzentil beträgt etwa 10 dB für LEDPT und LTA für f2 = 1–14 kHz, oberhalb dessen ein Ohr in Verlaufsuntersuchungen als kontrollbedürftig angesehen werden muss. LDP weisen, wenn ihre Änderung für die geschätzte Abhängigkeit zur Hörschwelle durch Multiplizierung mit zwei korrigiert werden, eine vergleichbare Test-Retest-Zuverlässigkeit auf, nämlich mit einem Median der AD von 2,8–3,6 dB bzw. einem 90. Perzentil von 8–12 dB bei L1,opt (Tab. 2). Da LDP und LEDPT teilweise unterschiedlichen Störfaktoren (z. B. Mittelohrpathologie, Rauschquellen) und physiologischen Mechanismen unterliegen, ist es naheliegend, die beiden unterschiedlichen Methoden zu kombinieren, um damit einen möglichst sensitiven und zuverlässigen Messparameter zu erhalten.

Kombiniertes Analyseparadigma: Aussagekraft und Test-Retest-Zuverlässigkeit

Bisher werden im klinischen Alltag für das Monitoring von Ototoxizität i. d. R. Veränderungen der Reintonhörschwelle und DPOAE-Pegeländerung (meist bei L2 = 65 dB SPL, L1,std = 75 dB SPL) isoliert betrachtet. Die kombinierte Betrachtung zeitgleich auftretender gleichgerichteter Hörschwellen- und DPOAE-Pegeländerungen wurde unseres Wissens nach bisher nicht angewandt oder in der Literatur beschrieben. Lediglich multivariate statistische DPOAE-Analysen, die DPOAE-Pegel und SNR zeitgleich betrachten, werden für eine potenzielle Vorhersage der Hörschwelle [11] und auch für eine potenzielle Vorhersage eines ototoxischen Hörschadens [16] dargestellt. Um den Hörstatus vorherzusagen, erreichen multivariate DPOAE-Analysen eine bessere Testgüte verglichen mit den univariaten Ansätzen, die entweder den DPOAE-Pegel oder den SNR verwenden. Allerdings gibt es selbst mit multivariaten Analysen noch erhebliche Überschneidungen zwischen den Verteilungen der Normalhörenden und Hörgeschädigten, die für den Frequenzbereich 0,75–3 kHz ausgeprägter als für 4–8 kHz ermittelt wurden [11]. Multivariate DPOAE-Analysen führen auch zu einer verbesserten Testgüte, um ototoxisch bedingte Hörschwellenerhöhungen vorherzusagen, allerdings nur, wenn die kumulative Cisplatin-Dosis in die Analyse einbezogen wird. Eine 6‑dB-DPOAE-Pegeländerung als Metrik gestattet wenig bis keine Verbesserung gegenüber einer Analyse, die auf der kumulativen Cisplatin-Dosis und der Präexpositionshörschwelle beruht [16]. Das hier vorgestellte kombinierte Analyseparadigma, das zeitgleich auftretende Veränderungen des cochleären Verstärkers in Verlaufsuntersuchungen mithilfe von LEDPT-, überschwelliger LDP-, und subjektiver feinstrukturreduzierter LTA-Änderung quantifiziert, verbesserte signifikant die Test-Retest-Zuverlässigkeit (Abb. 6 und Tab. 3). Es ist zu erwarten, dass damit in zukünftigen Untersuchungen eine höhere Sensitivität und Spezifität erzielt wird, um tatsächliche pathologische oder auch regenerative Veränderungen der äußeren Haarsinneszellen zu detektieren.

Da in dieser Studie das Augenmerk auf der Validierung der Methodik gepulster DPOAE in Verlaufsmessungen in normalhörenden Probanden lag, finden sich wenig Daten, die einen gering- bis mittelgradigen Hörverlust für f2 = 1–6 kHz widerspiegeln können, sodass die Korrelation der DPOAE-Pegel mit der Hörschwelle in einem Verhältnis von 1:2 primär anhand der Daten von Kummer et al. (1998) [18] überschlägig abgeschätzt wurde. Für zukünftige Anwendungen des kombinierten Analyseparadigmas sollten aufgrund der nichtlinearen Frequenz- und Pegelabhängigkeit der DPOAE-Pegel die Relation zwischen DPOAE-Pegel und Hörverlust mithilfe individuell optimaler Anregungspegel L1 frequenz- und pegelabhängig quantifiziert und sodann einbezogen werden.

Auch wenn hier gezeigt wurde, dass kombinierte Verfahren mit gepulsten DPOAE eine höhere Test-Retest-Zuverlässigkeit aufweisen als bisher aus der Literatur bekannt, ist noch nachzuweisen, dass bspw. eine ototoxisch bedingte Hörschädigung in Verlaufsuntersuchungen von Patienten, die eine Chemotherapie mit Cisplatin erhalten, durch Einsatz von DPOAE-Pegelkarten und kombinierten Auswerteverfahren frühzeitiger und sensitiver im Vergleich zu anderen audiologischen Testverfahren erfasst werden kann.

Darüber hinaus könnte das Verfahren durch weitere technische Anpassungen optimiert werden. Dies wäre zum einen die Implementierung eines modernen Kalibrierverfahrens, welches fehlerhafte Anregungspegel durch stehende Wellen innerhalb des Gehörgangs vermeidet und damit die Detektion der DPOAE in noch höherer Anzahl und Güte zulässt. Zudem wäre die Entwicklung eines adaptiven Messverfahrens von Vorteil, welches die Erfassung von DPOAE-Pegelkarten innerhalb eines L1,L2-Raums SNR-abhängig ermöglicht, um damit zeiteffizient bei möglichst jedem Patienten mit cochleärem Restgehör zuverlässig DPOAE-Pegelkarten zu erfassen.

Ausblick

Objektive Hörschwellenschätzungen, basierend auf artefaktfreien Kurzpuls-DPOAE-Pegelkarten, sind aufgrund ihrer hohen Test-Retest-Zuverlässigkeit und der direkten Beziehung zur Funktionsfähigkeit des cochleären Verstärkers vielversprechend, um Hörverlust, z. B. bei Ototoxizität, frühzeitig und sensitiv zu detektieren. Sie erlauben eine einfache, zeiteffiziente Einordnung der Messergebnisse, da sie Hörschwellenschätzungen darstellen, die mit klinisch gebräuchlichen Hörschwellenbestimmungen wie der Reintonaudiometrie direkt vergleichbar sind. Die zeitgleiche Betrachtung von innerhalb eines Individuums auftretenden Veränderungen der DPOAE-Pegel sowie der subjektiv und objektiv bestimmten Hörschwellen mithilfe des hier vorgestellten kombinierten Analyseparadigmas reduziert den Einfluss von Messungenauigkeiten der jeweiligen einzelnen Verfahren. Somit könnten pathologische oder regenerative Veränderungen der Funktionsfähigkeit des cochleären Verstärkers deutlich früher als mit konventionellen Hörtests detektiert werden. Dies könnte frühere Interventionen und potenziell bessere Behandlungsergebnisse für Patienten ermöglichen.

Fazit für die Praxis

  • Konventionelle DPOAE-Verfahren in Verlaufsuntersuchungen erlauben bisher keine klinisch validierte Festlegung einer DPOAE-Änderung, die einen potenziellen Cochleaschaden wie z. B. bei Ototoxizität vorhersagen kann.

  • In Verlaufsuntersuchungen hängen die Aussagekraft und die Test-Retest-Zuverlässigkeit der gepulsten DPOAE-Pegel entscheidend von der Wahl der Anregungspegel und ihrer Abweichung vom individuell optimalen Stimulus ab.

  • DPOAE-Pegelkarten basierend auf gepulsten DPOAE ermöglichen eine präzise Hörschwellenschätzung und berücksichtigen dabei Interferenzeffekte der DPOAE-Komponenten sowie die individuelle Mittelohrübertragungsfunktion.

  • Mithilfe eines kombinierten Analyseparadigmas ist es zu erwarten, dass die Zuverlässigkeit der Detektion einer Veränderung der Funktionsfähigkeit des cochleären Verstärkers im Vergleich zu konventionellen DPOAE-Verfahren deutlich erhöht werden kann.