Prof. Dr. Wolfgang Steiner (Abb. 1), von 1986 bis 2007 Direktor der Universitäts-HNO-Klinik Göttingen, ist am 5. Februar 2024 gestorben. Wir verlieren einen weltweit geschätzten Kollegen, der Fortschritte und Entwicklungen in der Kopf-Hals-Onkologie über viele Jahre geprägt hat.

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Prof. Dr. med. Wolfgang Steiner. (©Privat)

Wolfgang Steiner wurde am 02. März 1942 in Crailsheim geboren. Er studierte Medizin an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Von 1971 bis 1975 absolvierte er die Weiterbildung zum HNO-Arzt an der Klinik für Hals‑, Nasen‑, Ohrenkranke der Universität Erlangen, die unter der Leitung von Professor Malte Erik Wigand stand. Dort habilitierte er sich 1979 mit einer Arbeit zur Diagnostik des Larynxkarzinoms. Im Jahr 1986 folgte er dem Ruf auf den Lehrstuhl für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde an der Universität Göttingen und übernahm die Leitung der Klinik für Hals‑, Nasen‑, Ohrenheilkunde, die er bis September 2007 innehatte.

Bereits als junger Oberarzt begann er, die neue Lasertechnologie bei Kehlkopfoperationen anzuwenden

Sein wissenschaftliches Interesse galt der klinischen Onkologie. Er engagierte sich zu Beginn seiner Laufbahn für die Einführung der starren und flexiblen Endoskopie als Standard-Untersuchungstechnik in die klinische Praxis. Mitte der 1970er-Jahre führte er mit seinem Team mehrere Reihenuntersuchungen zur Früherkennung von Karzinomen von Mundhöhle, Rachen und Kehlkopf an mehreren Tausend Probanden durch. Für die Pionierarbeit auf dem Gebiet der sekundären Prävention von Kopf-Hals-Karzinomen wurde er 1984 mit dem Hufeland-Preis ausgezeichnet.

Bereits als junger Oberarzt begann er seit 1978, die neue Lasertechnologie bei Kehlkopfoperationen anzuwenden. Er erarbeitete sich die Technik, operierte zunächst benigne Proliferationen sowie frühe Karzinome der Stimmlippen und nutzte den Laser zur Wiederherstellung des Atemwegs in der Palliativchirurgie. Gute Operationsergebnisse bei frühen Stimmlippenkarzinomen veranlassten ihn zur Ausweitung der Operationsindikation auf größere Tumoren und auf die anderen Organe des oberen Aerodigestivtrakts. Die Widerstände gegen die transorale, also endoskopische Operation maligner Tumoren in kurativer Intention waren anfangs in der eigenen und in ausländischen Fachgesellschaften erheblich. Wolfgang Steiner liebte es, seine Ideen auch mit Opponenten leidenschaftlich zu diskutieren und sie zu überzeugen, seiner Argumentation zu folgen. Sein Konzept einer personalisierten, auf den jeweiligen Patienten zugeschnittenen Therapie, bestehend aus möglichst gering invasiver, organ- und funktionserhaltender Chirurgie und risikoadaptierter Strahlentherapie, war innovativ und zum Zeitpunkt der Entwicklung der Zeit voraus. Für die Unterstützung seines Konzepts in den Anfangsjahren war Wolfgang Steiner seinem Direktor, Herrn Professor Wigand, stets dankbar.

Nach mehreren Jahren, geprägt von kontroversen Diskussionen, wurde er 1997 für die Fortschritte auf dem Gebiet der transoralen Lasermikrochirurgie der malignen Tumoren mit dem Professor-Dr.-Ludwig-Haymann-Preis der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie (DGHNO-KHC) ausgezeichnet. Konzept, Operationstechnik und Therapieergebnisse der Laserchirurgie hat er in einer Vielzahl von Vorträgen, Publikationen und Operationskursen in Göttingen und im Ausland dargestellt. Er erfuhr im In- und Ausland großes Interesse und hohe fachliche und persönliche Anerkennung. So wurde ihm die Ehre zuteil, eine Reihe der renommiertesten Fachvorträge zu halten. Er hielt die Daniel C. Baker Lecture der American Laryngological Association, die Chevalier Jackson Lecture der American Broncho-Esophagological Association, die Eugene N. Myers International Lecture in Head and Neck Cancer der American Academy of ORL-HNS und die Felix Semon Lecture des Royal College of Medicine, London.

Aufgrund seiner Verdienste wurde er mit einer Reihe bedeutender Wissenschaftspreise ausgezeichnet. So erhielt er als erster HNO-Arzt 2005 den Deutschen Krebspreis. Er war Träger der Ludwig-Türck-Medaille der Österreichischen und der Przemysław-Pieniążek-Medaille der Polnischen HNO-Gesellschaft. Besonders gefreut hat er sich über die höchsten Auszeichnungen der beiden medizinischen Fakultäten, deren Mitglied er war: Er erhielt den Dr.-Fritz-Erler-Wissenschaftspreis der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und die Albrecht-von-Haller-Medaille der Georg-August-Universität Göttingen.

Er war Präsident der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie (1997/1998) und der Deutschen Gesellschaft für Endoskopie und Bildgebende Verfahren (2000/2001). Er war Ehrenmitglied der deutschen und zahlreicher ausländischer Fachgesellschaften und Honorary Fellow des Royal College of Surgeons of England.

Er war ein unerschrockener Vorkämpfer innovativer Konzepte und ein empathischer Arzt

In seinen späten Jahren war Professor Steiner eine Autorität in der Kopf-Hals-Onkologie. Er war ein ausgezeichneter Wissenschaftler, unerschrockener Vorkämpfer innovativer Konzepte, empathischer Arzt, großartiger Kollege und ein Familienmensch. Er hinterlässt seine Frau Grazia, mit der er seit 1966 verheiratet war und die ihn stets unterstützte, drei Söhne und fünf Enkelkinder. Allen, die ihn kannten, wird er in Erinnerung bleiben.