Deshalb ist diese Ausgabe der HNO der Rhinologie gewidmet. Genauer gesagt, dem 29. Kongress der European Rhinologic Society (ERS) in Sofia, Bulgarien, an dem vom 18.–22. Juni 2023 über 1400 HNO-Ärzte aus 74 Ländern im Nationalen Kulturpalast teilnahmen.

Unter dem durchaus mehrdeutigen Motto „The Freedom to Breathe“ hatten die Präsidentin Dilyana Vicheva und der wissenschaftliche Leiter Paolo Castelnuovo ein attraktives Programm zusammengestellt, bei dem die Arbeitsgruppe Rhinologie/Rhinochirurgie der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie e.V. (DGHNO-KHC) stark vertreten war mit einem Round Table sowie weiteren Beiträgen. Demgegenüber war die Teilnahme anderer deutscher HNO-Ärzte leider relativ gering.

Ein Grund mehr, in diesem Heft die neuesten Erkenntnisse, Trends und den aktuellen Stand wie er auf dem ERS in den zahllosen Panels, Vorträgen und Kursen präsentiert war, in relevanten Bereichen aufzuzeigen. Die nachfolgenden Beiträge sind aus diesem Grund eine Mischung aus den von namhaften und eingeladenen Experten vorgetragenen Inhalten mit ergänzender Literaturrecherche und ggf. kommentierender Einlassung aufgrund eigener Erfahrung oder landesspezifischer Implikationen.

Die Nase ist wichtig: Sie ist nicht nur das Organ, durch das wir die notwendige Luft einatmen, in dem der erste Abwehrkampf mit Mikroorganismen und Schadstoffen von außen stattfindet und das Riechareal lokalisiert ist. Nasensymptome gehören zu den häufigsten überhaupt, und Erkrankungen wie die allergische Rhinitis und die chronische Rhinosinusitis (CRS) haben neben den akuten Atemwegsinfektionen eine enorme individuelle und volkswirtschaftliche Krankheitsbedeutung.

Nasensymptome gehören zu den häufigsten Symptomen überhaupt

So geben 10,9 % der Bevölkerung Beschwerden einer chronischen Rhinosinusitis an [2], 2–3 % haben Nasenpolypen [4], die Häufigkeit der allergischen Rhinitis wird mit 10–30 % angegeben [1, 5] – bei steigender Tendenz.

Wie relevant die Nase ist, zeigt das kaum überbietbare Engagement der Pharmaindustrie beim Thema Therapie der chronischen Rhinosinusitis mit Biologika, welches eines der beherrschenden Themen war. Entsprechend greifen 2 Beiträge dieses Hot Topic auf:

  • Die Fragen, wann sollen Biologika eingesetzt werden und wann soll eine Operation erfolgen und welches Biologikum ist in welcher Situation zu bevorzugen, beleuchten Hoffmann et al.

  • Den grundsätzlichen Stand der medikamentösen Therapie der CRS präsentiert Böscke, wobei die Detaildarstellung zeigt, dass in nahezu allen Teilaspekten der Therapie weiter geforscht wird und diese deshalb im Auge behalten werden sollten.

Im Mittelpunkt der Pathophysiologie von allergischer Rhinitis und chronischer Rhinosinusitis steht der eosinophile Granulozyt. Deshalb wird dieser in der Arbeit von Laudien et al. näher betrachtet wird und insbesondere die Hypereosinophilie für den HNO-Arzt und wie damit umzugehen ist.

Der Beitrag von Baumann et al. zeigt auf, dass die CRS bei Kindern deutlich anders zu betrachten ist. Symptomatik, Pathophysiologie, Risikofaktoren Diagnostik und Therapie unterscheiden sich teilweise erheblich und werden auf dem aktuellen Stand dargestellt.

In der Tumortherapie ist inzwischen das endoskopische Vorgehen State of the Art

Auch die Tumortherapie hat sich stark gewandelt. So ist bei den allermeisten Tumorentitäten und vielen Intensitätsausprägungen die externe Chirurgie nicht mehr State of the Art, sondern das endoskopische Vorgehen mit einer geringeren Morbidität und vergleichbaren oder höheren Erfolgsraten [3].

  • Am Beispiel des invertierten Papilloms zeigen Hildenbrand et al. auf, dass die endoskopische Technik mit der subperiostalen Resektion, erweiterten Zugängen und dem (optionalen) Einsatz moderner Bohrsysteme der neue Goldstandard ist. Neue gendiagnostische Möglichkeiten helfen, benigne von malignen Tumoren zu differenzieren, insbesondere bei Rezidiven, die dank der verbesserten Operationen mittlerweile eher selten geworden sind.

  • Anhand der eigenen Erfahrungen machen Schmitz et al. klar, dass auch bei sinunasalen Tumoren erwogen werden sollte, eine Zentrenbildung zu etablieren, um (komplexe) Fälle zu bündeln und über höhere Fallzahlen und größere Optionen in der Diagnostik und Therapie bessere Ergebnisse zu erzielen.

Ein weiterer neuer Standard wird von Sommer et al. aufgezeigt. Die erweiterte Chirurgie der Stirnhöhle, die bei vielen Indikationen zum chirurgischen Standard gehört, führt am Ende der Operation zwangsläufig zu größeren Flächen frei liegenden Knochens. Die Bedeckung dieses Knochens mittels freier und/oder gestielten Lappenplastiken führt nicht nur zu besseren Ergebnissen, sondern erleichtert dem HNO-Arzt die postoperative Nachsorge erheblich und reduziert die Morbidität für die Patienten.

So präsentierte der ERS 2023 eine hervorragende Kombination aus alten und neuen Standards und spannende Ausblicke, wofür das Bild von Dilyana Vicheva, der aktuellen Präsidentin der European Rhinologic Society, und Valerie Lund, der Präsidentin 2018 und Generalsekretärin 2008–2016, als Sinnbild stehen kann (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Prof. Valerie Lund (links) und Prof. Dilyana Vicheva (rechts) auf dem 29. Kongress der European Rhinologic Society (ERS) in Sofia, Bulgarien, 18.–22. Juni 2023. (Mit freundl. Genehmigung © Dilyana Vicheva/HiL!FE Media Group, alle Rechte vorbehalten)

Nehmen auch Sie die Nase wichtig und lassen sich vom aktuellen Stand in der Rhinologie mitnehmen!

Viel Freude beim Lesen

Rainer K. Weber