Lernziele

Die Behandlung angeborener Ohrmuscheldysplasien und Gehörgangsfehlbildungen ist in der HNO-ärztlichen Praxis selten. Die primäre Beurteilung erfolgt meist in größeren Zentren. Gewisse Dysplasien bzw. Defizite werden mitunter erst im Zuge der Früherkennungsuntersuchungen erkannt. Ein grundlegender Überblick der Thematik ist daher zur Einleitung der richtigen Schritte notwendig. Nach der Lektüre dieses Beitrags …

  • kennen Sie die Epidemiologie und Pathogenese kongenitaler Fehlbildungen von Ohrmuschel und Gehörgang,

  • können Sie die behandelnden Fehlbildungen mithilfe anerkannter Klassifizierungssysteme adäquat einteilen,

  • haben Sie einen Überblick der für die Aufarbeitung notwendigen diagnostischen Schritte,

  • wissen Sie, zu welchem Zeitpunkt die genannten diagnostischen Schritte indiziert sind,

  • können Sie Eltern gezielt über das Ausmaß der Fehlbildung und den Umfang der Diagnostik informieren.

Epidemiologie

Verschiedene epidemiologische Untersuchungen geben die Häufigkeit kongenitaler Ohrmuscheldysplasien im Bereich von 0,1–17,0/10.000 Geburten an [1, 2]. Lediglich bei einem Bruchteil davon handelt es sich um höhergradige Fehlbildungen. Die Häufigkeit von Gehörgangsfehlbildungen ist mit 0,5–1,3/10.000 Geburten etwas geringer [3, 4, 5]. Diese Daten sind aufgrund der hohen Variabilität der Datenqualität äußerst heterogen. Als Beispiel seien die diagnostischen Kriterien einer Dysplasie genannt. Es scheint jedoch eine geografische Prädisposition zu bestehen, da in den vorliegenden Erhebungen in Teilen Südamerikas bis zu 17 Fälle/10.000 Geburten gezählt wurden, während in Teilen Irlands nur eine Häufigkeit von 0,1/10.000 Geburten registriert wurde.

Merke

Die Häufigkeit von Fehlbildungen des äußeren Ohrs liegt bei 0,1–17 Fällen pro 10.000 Geburten.

Eine Prädilektion beider Fehlbildungen wird in der Literatur für das rechte Ohr und das männliche Geschlecht beschrieben. Im Fall einer kombinierten Fehlbildung entspricht das Ausmaß der Dysplasie meist dem der Atresie. Höhergradige Ohrmuscheldysplasien gehen zumeist (in 55–93 % der Fälle) mit einer Gehörgangsatresie oder -stenose einher. Bilaterale Gehörgangsdysplasien treten in 10 % der Fälle auf [2, 6, 7].

Ohrmuscheldysplasien und Gehörgangsfehlbildungen entstehen zu 80–90 % aus sporadischen Mutationen, 5 % sind vererbt, 10 % stehen mit Syndromen in Zusammenhang (Goldenhar, Treacher-Collins, hemifaziale Mikrosomie) [8]. Eine Assoziation mit intrauterinen toxischen Einflüssen (Vitamin A, Methamphetamin, Alkohol) wurde beschrieben [9]. Zudem wurde ein Zusammenhang mit intrauteriner Hypoxie bei Bewohnern in Höhenlagen postuliert [2].

Eine vollständige Gehörgangsatresie ist je nach Autor 7‑ bis 12-fach häufiger als eine Gehörgangsstenose [10, 11].

Merke

Schwere Ohrmuscheldysplasien sind selten und bringen ein hohes Risiko einer assoziierten Gehörgangsanomalie mit sich.

Definition und Klassifikation

Unter einer Ohrmuscheldysplasie wird eine in Form und Größe aberrant entwickelte Ohrmuschel verstanden. Eine allgemein anerkannte Definition dieses Begriffs existiert nicht. Im englischen Sprachgebrauch wird für Ohrmuscheldysplasien höheren Grades gerne das Wort „microtia“ verwendet. Nicht alle derartigen Fehlbildungen gehen jedoch mit einer geringeren Größe einher. Zudem handelt es sich, entsprechend der unten angeführten Klassifikation von Weerda, auch bei der Makrotie um eine Ohrmuscheldysplasie. Der englische Terminus kann daher verwirrend sein.

Merke

Eine weltweit einheitliche Nomenklatur für die Klassifikation von Ohrmuscheldysplasien und Gehörgangsanomalien existiert nicht.

Ohrmuscheldysplasien wurden erstmals 1926 durch Marx in 3 verschiedene Grade eingeteilt [12]. Es folgten über die Jahrzehnte Einteilungen unterschiedlicher Komplexität. In einem internationalen Positionspapier aus dem Jahr 2019 wird die Klassifikation von Weerda als „breit angewandt“ bewertet [13, 14]. In Tab. 1 findet sich eine Übersicht dieser beiden Klassifikationen. Zusammenfassend ist anzumerken, dass bei Anlage sämtlicher Landmarken eine Ohrmuscheldysplasie Grad 1 vorliegt. Hier sind beispielhaft eine Apostasis otis (Abb. 1) oder Aberrationen im Bereich des Crus helicis (Abb. 2) zu nennen. Bei höhergradigen Dysplasien fehlen die klassischen Landmarken teilweise (Abb. 3) oder vollständig (Abb. 4).

Tab. 1 Einteilungen der Ohrmuscheldysplasie
Abb. 1
figure 1

Patient mit Apostasis otis – in der Seitenansicht hypoplastische Anthelixfalte (a,b), Hyperplasie des Cavum conchae sowie Lobulushyperplasie. Von dorsal vergrößerter Winkel und Abstand zwischen Mastoid und Helix erkennbar (c,d). (Quelle: [15])

Abb. 2
figure 2

Ohrmuscheldysplasie mit transversal verlaufendem Crus der Concha und der Anthelix. (Quelle: Firmenbild, Rechte eingeholt)

Abb. 3
figure 3

Ohrmuscheldysplasie Grad II–III (nach Weerda) – Versorgung mit Knochenleitungshörgerät bei Gehörgangsatresie – fehlende klassische Landmarken (wie beispielsweise Concha und Scapha). Externes Knochenleitungsgerät ebenfalls sichtbar. (Quelle: eigenes Bild des Autors)

Abb. 4
figure 4

Ohrmuscheldysplasie Grad III nach Weerda – keine klassischen Landmarken vorhanden. (Quelle: eigenes Bild des Autors)

Gehörgangsatresien werden als eine fehlende Verbindung zwischen dem Gehörgangseingang und dem Mittelohr definiert. Assoziierte Strukturen wie die Ossikelkette oder der N. facialis können in unterschiedlichem Maße zusätzlich betroffen sein. Von der Gehörgangsatresie ist die Gehörgangsstenose abzugrenzen. Letztere wurde durch Cole und Jahrsdoerfer durch ein Gehörgangslumen <4 mm definiert, da in diesem Fall ein signifikant erhöhtes Cholesteatomrisiko besteht [10]. Dieses wird gemäß einer Analyse von Casale mit etwa 20 % angegeben [16]. Die gebräuchlichsten Klassifikationen der Gehörgangsdysplasien sind in Tab. 2 zusammengefasst, Abb. 5 zeigt die Klassifikation nach Schuknecht [17, 18, 19]. Die Klassifikationen sind für akademische Zwecke geeignet, bieten jedoch oft keine optimale klinische Anwendbarkeit. So setzen manche Klassifikationen der Gehörgangsatresie bereits Kenntnisse über die Beschaffenheit von Mittelohrstrukturen oder die Art der Atresie voraus. Diese sind in einer klinischen Untersuchung nicht erhebbar. Hierfür ist zunächst eine Abklärung mittels hochauflösender Computertomographie (CT) des Felsenbeins nötig, die meistens bis in das Vorschulalter aufgeschoben wird. In einer gängigen Untersuchung kann jedoch eine einfache Einteilung des Gehörgangs in „normal“, „stenotisch“, „blind endend“ oder „atretisch“ vorgenommen werden.

Tab. 2 Einteilungen der Gehörgangsfehlbildungen
Abb. 5
figure 5

Klassifikation der Gehörgangsfehlbildungen nach Schuknecht. (Quelle: Abb. 2.4 – S. 31 in [20])

Merke

Ohrmuscheldysplasien und Gehörgangsanomalien lassen sich durch unterschiedliche Klassifikationen in verschiedene Schweregrade einteilen.

Embryologie

Sowohl das äußere Ohr – bestehend aus Ohrmuschel und Gehörgang – als auch das Mittelohr entstammen den ersten beiden Kiemenbögen. Die Entwicklung des Innenohrs ist davon unabhängig, weshalb selten kombinierte Dysplasien vorliegen. Die hier behandelten kongenitalen Dysgenesien werden durch Fehler in der embryonalen Entwicklung verursacht. Eine kurze Zusammenfassung der verschiedenen Schritte soll das Verständnis erleichtern.

Merke

Die Innenohrentwicklung ist unabhängig von der Entwicklung des äußeren und des Mittelohrs, daher treten gleichzeitige Anlagestörungen des Innenohrs nur selten auf.

Die Ohrmuschel entsteht zwischen der 4. und 12. Gestationswoche aus mesenchymalem Gewebe des ersten und zweiten Kiemenbogens – den 6 Höckern von His (Abb. 6). Aus den ersten 3 Höckern entwickeln sich dabei der Tragus und die Crus helicis, aus den Höckern 4–6 der Lobulus, die Helix und die Anthelix. Eine sorgfältige Analyse einer Ohrmuschelfehlbildung lässt Rückschlüsse auf die beteiligten Höcker zu. Diesbezüglich sei auf eine Übersichtsarbeit von Bartels verwiesen [21]. Durch den Grad der Ohrmuscheldysplasie können Rückschlüsse auf den Zeitpunkt der Fehlentwicklung gezogen und somit andere Defizite vorausgesagt werden [7]. Bei Geburt weisen normal entwickelte Ohren etwa 2 Drittel ihrer endgültigen kraniokaudalen Länge und 76 % ihrer endgültigen anteroposterioren Breite auf [22].

Abb. 6
figure 6

Entstehung der Ohrmuschel aus den 6 mesenchymalen Höckern (nach His). Höcker 1–3 aus dem 1. Kiemenbogen, Höcker 4–6 aus dem 2. Kiemenbogen. Entstehung von Concha und Gehörgang aus der 1. Kiemenfurche. Durch Analyse einer Ohrmuscheldysplasie Rückschluss auf die beteiligten Höcker möglich. (Quelle: Abb. 4a–d auf S. 747 in [23])

Der Gehörgang entwickelt sich zusammen mit dem Antrum mastoideum und dem epithelialen Anteil des Trommelfells ab der 8. Gestationswoche aus der 1. Kiemenfurche. Aus einem zunächst soliden Areal entsteht ab der 28. Woche zunächst medial, dann lateral das spätere Gehörgangslumen [24]. Sollte dieser Prozess unvollständig ablaufen, entsteht eine Gehörgangsstenose oder -atresie.

Merke

Die (Fehl‑)Entwicklung der Ohrmuschel findet zwischen der 4. und 12. Gestationswoche statt, die der Gehörgangsanlage zwischen der 28. und 30. Woche.

Diagnostik

Fehlbildungen des äußeren Ohrs werden in der Regel kurz nach der Geburt bemerkt, wenn im Rahmen der verschiedenen Screenings (Neugeborenen-Hörscreening) eine Anomalie im Bereich der Ohrmuschel oder ein nicht angelegter Gehörgang auffallen. Von diesem Zeitpunkt an ist es wichtig, die notwendigen Abklärungen fristgerecht durchzuführen und weitere Untersuchungen korrekt zu priorisieren. Isolierte Fehlbildungen von Gehörgang oder Mittelohr bei normal entwickelter Ohrmuschel können eine verzögerte Diagnosestellung zur Folge haben.

Die Beurteilung durch Humangenetiker kann dabei helfen, ein möglicherweise vorliegendes syndromales Krankheitsbild zu diagnostizieren.

Die enge Assoziation von Ohrmuschel- und Gehörgangsfehlbildungen wurde bereits beschrieben. Die weiteren diagnostischen Schritte ähneln sich zumeist und sollen daher im Folgenden gemeinsam besprochen werden.

Einer klinischen Untersuchung schließt sich bei nicht bestandenem Neugeborenen-Hörscreening in der Regel eine Hirnstammaudiometrie mit separater Ableitung der Schwellen für die Luft- und Knochenleitung an (Infobox). Auf diese Weise kann die Hörleistung des Innenohrs sowie eine eventuelle Schallleitungsschwerhörigkeit quantifiziert werden. Die Messung sollte auch bei einseitigen Dysplasien stets beidseits erfolgen, um eine in 10–25 % der Fälle vorliegende Hörminderung der Gegenseite auszuschließen [7]. Eine vollständige Gehörgangsatresie geht in der Regel mit einer Air-Bone-Gap von 45–60 dB HL einher. Hörschwellen über 70 dB HL machen eine zusätzliche sensorineurale Komponente wahrscheinlich.

Merke

Offensichtliche Fehlbildungen des Ohrs fallen meist bei Neugeborenenscreenings auf. Die Hirnstammaudiometrie ist oft der nächsten Abklärungsschritt.

Eine weiterführende radiologische Abklärung mittels Feinschicht-CT des Felsenbeins kann aufgrund mangelnder Konsequenz bis zum Alter von 4–6 Jahren zurückgestellt werden [7]. Hierdurch ist eine Einschätzung bezüglich der Ausprägung sowie eine endgültige Einordnung der Fehlbildung von Gehörgang und Mittelohrstrukturen möglich. Eine entsprechende Diagnostik sollte nur dann durchgeführt werden, wenn daraus eine entsprechende Konsequenz resultiert. Durch die Kenntnis eingangs dargestellter embryologischer Entwicklung kann eine Schichtbildgebung in bestimmten Fällen vermieden werden. Indiziert ist eine solche Untersuchung bei Schallleitungsblöcken unklarer Genese oder klinisch diagnostizierten Gehörgangsatresien (Abb. 7).

Abb. 7
figure 7

Axiale Schichten der Felsenbein-Computertomographie eines 6‑jährigen Patienten mit rechtsseitig nicht sondierbarem Gehörgangslumen, knöcherne Gehörgangsatresie (roter Kreis). Diesbezüglich Normalbefund auf der Gegenseite (grüner Kreis). (Quelle: eigenes Bild des Autors)

Merke

Eine Abklärung mittels CT sollte nur bei einer unmittelbaren therapeutischen Konsequenz durchgeführt werden und kann oft bis ins Vorschulalter warten.

Die nachgewiesenen Dysplasien treten dabei unterschiedlich häufig auf. In etwa der Hälfte der Fälle findet sich bei Patienten mit höhergradigen Ohrmuscheldysplasien oder Gehörgangsatresien ein verminderte Mastoidpneumatisation, in fast 90 % der Fälle ist hier auch das Volumen der Pauke reduziert [25]. Ossikeldysplasien sind ebenfalls häufig. Oft zeigt sich ein dysplastisch verklumpter Hammer-Amboss-Komplex oder nur rudimentär angelegte Ossikelanteile. Der Stapes wird von allen Ossikeln (mit 31 % bei höhergradigen Fehlbildungen) noch am häufigsten angetroffen. Das runde Fenster scheint in 90 % der Fälle offen, während das ovale Fenster bei 40 % der Patienten mit Gehörgangsatresien und höhergradigen Ohrmuscheldysplasien verschlossen ist (Abb. 8). Der Verlauf des N. facialis ist bei mehr als 3 Vierteln der Patienten mit höhergradigen Dysplasien verändert. Im Mittelohr wird dabei oft eine Verlagerung nach kaudal, im Mastoid hingegen nach ventral beobachtet (Abb. 9). Der Austritt aus der Schädelbasis ist im Rahmen einer Gehörgangsatresie häufig weiter kranial. Entsprechende Kenntnisse sind zur Vermeidung intraoperativer Komplikationen von höchster Wichtigkeit. Assoziierte Fehlbildungen des Innenohrs wurden bis auf diskrete Veränderungen des lateralen Bogengangs in einer Analyse von Siegert et al. nicht beobachtet [25]. Diesbezüglich wird erneut auf die Bemerkungen im Abschnitt „Embryologie“ hingewiesen.

Abb. 8
figure 8

Koronare Schichten der Felsenbein-Computertomographie eines 7‑jährigen Patienten mit linksseitiger Ohrmuscheldysplasie Grad II nach Weerda, nicht angelegtes ovales Fenster (roter Kreis). Ovales Fenster der Gegenseite normal angelegt (grüner Kreis). (Quelle: eigenes Bild des Autors)

Abb. 9
figure 9

Aberranter Verlauf des N. facialis bei Gehörgangsatresie. Im dargestellten Beispiel rechts eine Verlagerung des Nervs nach lateral. (Quelle: Abb. 8 S. 25 in [26])

Zur Abschätzung des Erfolgs einer operativen Therapie gibt es verschiedene Punktesysteme, welche in Tab. 3 und 4 dargestellt sind [11, 25]. Mithilfe dieser Einteilungen werden die anatomischen Verhältnisse der dysplastischen Gehörgangs und Mittelohrs beurteilt. Bei niedrigen Werten empfehlen die Autoren, auf eine Rekonstruktion des atretischen Gehörgangs zu verzichten, da in diesen Fällen keine realistische Chance auf eine signifikante Besserung des Hörvermögens besteht.

Tab. 3 Punktesystem zur Bewertung von Felsenbeindysplasien nach Siegert, Mayer, Weerda und Brückmann [25]
Tab. 4 Jahrsdoerfer Grading System [11]

Planung von Diagnostik und Therapie

Grundsätzlich sollte die Diagnostik und Therapie an die individuellen Bedürfnisse der Patienten angepasst werden. Im Vorfeld kann man so auch auf die unterschiedlichen Erwartungshaltungen eingehen. Zum Überblick über die verschiedenen diagnostischen Maßnahmen kann ein Flussdiagramm hilfreich sein. Frenzel et al. entwarfen hierfür in der Vergangenheit das „Lübeck Flowchart for Functional and Aesthetic Rehabilitation of Aural Atresia and Microtia“ [28]. Dieses diente auch als Inspiration für eine etwas detailliertere Fassung (Abb. 10).

Abb. 10
figure 10

Vorschlag eines Algorithmus zur strukturierten Durchführung von Diagnostik und Therapie. CT Computertomographie. (Quelle: Eigenkreation des Autors)

Die angesprochenen therapeutischen Maßnahmen werden im zweiten Teil dieser Fortbildung besprochen.

Infobox Hirnstammaudiometrie

Die Hirnstammaudiometrie ist ein objektives audiometrisches Verfahren, bei dem durch auditorische Stimuli verursachte neuronale Ströme entlang der Hörbahn mittels Oberflächenelektroden an der Kopfhaut abgeleitet werden. Voraussetzung für verwertbare Ergebnisse ist eine Ableitung in geräuscharmer Umgebung in körperlicher Ruhe. Während dies bei Erwachsenen im Wachzustand erfolgt, wird die Messung bei Säuglingen und Kleinkindern nach Möglichkeit im Spontanschlaf durchgeführt. Mit den Eltern kann zur idealen Vorbereitung eine verkürzte Schlafperiode in der Nacht oder am Tag vor der Untersuchung besprochen werden. Sofern die Maßnahme von den jungen Patienten nicht toleriert wird, kann eine Allgemeinanästhesie oder Sedierung notwendig werden.

Fazit für die Praxis

  • Höhergradige Ohrmuschelfehlbildungen und Gehörgangsfehlbildungen sind seltene Krankheitsbilder.

  • Eine frühe Diagnose ist wichtig, um die notwendigen Therapien einzuleiten.

  • Während die (Fehl‑)Bildung der Ohrmuschel embryologisch zwischen der 4. und 12. Gestationswoche geschieht, erfolgt eine (fehlende) Kanalisierung des Gehörgangs erst in der 28. Schwangerschaftswoche.

  • Unter den zahlreichen Klassifikationssystemen für Ohrmuscheldysplasien ist die Einteilung nach Weerda weit verbreitet.

  • Für die Einteilung der Gehörgangsatresien existieren ebenfalls mehrere Systeme.

  • Zu Beginn einer diagnostischen Aufarbeitung steht meist eine Hirnstammaudiometrie.

  • Eine hochauflösende Computertomographie des Felsenbeins stellt insbesondere zur Einordnung einer Gehörgangsfehlbildung, einer möglicherweise assoziierten Mittelohrdysplasie und zur Abschätzung des Erfolgs einer möglichen operativen Rekonstruktion einen wichtigen diagnostischen Eckpfeiler dar – die Indikation ist kritisch zu stellen.

  • Die Eltern sollten grundsätzlich in einem oft über viele Jahre andauernden Behandlungsprozess von Anfang an umfassend über die gestaffelten Schritte der Diagnostik und später der Therapie orientiert werden.