Falldarstellung

Anamnese

Wir berichten über eine 33-jährige Patientin in der 39. Schwangerschaftswoche, die sich mit rezidivierender Epistaxis linksseitig in unserer HNO-Ambulanz vorstellte. Die Blutungsepisoden seien nach jeweils 30 min spontan sistiert.

Klinischer Befund

In der HNO-ärztlichen Untersuchung zeigte sich eine die linke Nasenhaupthöhle subtotal verlegende, livide verfärbte Raumforderung. Aufgrund der Größe der Raumforderung kam es zu einer Deformierung des linksseitigen Nasenflügels. Die rechte Nasenhaupthöhle war nicht affektiert. Bedingt durch die Ausdehnung des Befundes und die Druckdolenz war die Identifikation des Ansatzes der Raumforderung nicht möglich. Der übrige HNO-ärztliche Befund zeigte keine Auffälligkeiten. In der sonographischen Untersuchung der Halsweichteile zeigten sich ebenfalls keine Auffälligkeiten, insbesondere keine pathologischen Lymphknoten.

Therapie und Verlauf

Im Rahmen der initialen Vorstellung wurde bei unklarer, anamnestisch rasch progredienter Raumforderung der linken Nasenhaupthöhle nach konsiliarischer Rücksprache mit der Geburtshilfe eine Biopsie in Lokalanästhesie entnommen. Im Rahmen dessen kam es zu einer ausgeprägten Blutung aus der stark vaskularisierten Raumforderung, die erst nach Applikation lokaler Vasokonstringenzien, bipolarer Koagulation und Auflage eines lokalen Hämostyptikums zum Stillstand kam.

Nach komplikationsloser Entbindung fünf Tage nach Erstvorstellung in unserer Abteilung erfolgte zur weiterführenden Abklärung der Raumforderung die Durchführung einer Computertomographie der Nasennebenhöhlen. Hier zeigte sich eine weichteildichte 26 × 16 × 29 mm messende Raumforderung der linken Nasenhaupthöhle mit unscharfer Begrenzung zum Nasenflügel und Ballonierung des Nasenseptums zur Gegenseite (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Computertomographie der Nasennebenhöhlen in triplanarer Rekonstruktion. Von links ausgehend sind koronare, sagittale und axiale Ebene abgebildet. Die weichteildichte Raumforderung der linken Nasenhaupthöhle ist mit roten Pfeilen markiert

Bei der Kontrolle in unserer Ambulanz drei Tage postpartal zeigte sich ein deutlicher Progress der Raumforderung, die die äußere Nase zunehmend verformte und das Nasenseptum rechtskonvex deviierte. Die histopathologische Aufarbeitung der in lokaler Anästhesie entnommenen Biopsie ergab den Verdacht auf ein Angiofibrom, verblieb jedoch ohne Anhalt auf Malignität.

Aufgrund des atypischen histopathologischen Befundes für eine 33-jährige Patientin und der klinisch raschen Progredienz wurde die umgehende Indikation zur endoskopischen Exploration und Resektion der Raumforderung gestellt, die komplikationslos in Intubationsnarkose durchgeführt wurde.

Intraoperativ stellte sich eine nachhaltige Änderung des Lokalbefundes dar. Nach Absaugen von reichlich Koagel zeigte sich die ehemals prall-elastische, stark vaskularisierte Raumforderung nun stark atroph und nur wenig blutend. Es zeigte sich zudem, dass die Raumforderung an der septalen Nasenschleimhaut links gestielt war. Nach Umschneidung des Stiels und epiperichondrialer Dissektion zur Schonung des Nasenseptums konnte die Raumforderung in toto reseziert werden. Der Nasenseptumknorpel war darüber hinaus intakt. Es erfolgte eine Einsendung des Resektats zur Schnellschnittdiagnostik, aus der sich lediglich polypöses Gewebe ohne Anhalt für Malignität ergab. Aufgrund des histopathologischen Vorbefundes eines Angiofibroms erfolgte zudem eine Infundibulotomie mit Exploration des vorderen Ethmoids. Zum Schutz des freigelegten Nasenseptumperichondriums erfolgte die Einlage von Doyle-Splints. Aufgrund der ehemals ausgeprägten Blutungsneigung erfolgte zudem die Einlage einer einseitigen, fadenarmierten Nasentamponade.

Im abschließenden histopathologischen Befund ergab sich die Diagnose eines lobulären kapillären Hämangioms mit überkleidendem Epithel mit Plattenepithelmetaplasie ohne Dysplasie. Dergestalt in der Schwangerschaft auftretende lobuläre kapilläre Hämangiome werden auch als Granuloma gravidarum bezeichnet (Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Das histopathologische Bild zeigt einen lobulär aufgebauten Tumor mit zentralem größerem Gefäß (schwarzer Pfeil) und angrenzend kleineren Kapillaren mit endothelialer Auskleidung. Intravasal sowie im angrenzenden, mäßig zelldichten Stroma sind Erythrozyten abgrenzbar. Begleitendes Entzündungsinfiltrat aus wenig Lymphozyten und neutrophilen Granulozyten (HE-Färbung, Vergr. 25:1)

In den postoperativen Verlaufskontrollen zeigte sich eine stadiengerechte Abheilung des Schleimhautdefekts am Nasenseptum ohne Ausbildung einer Perforation sowie ein reizlos abgeheiltes Infundibulum ethmoidale.

Diskussion

Unilaterale Raumforderungen der Nasenhaupt- und Nasennebenhöhlen sollten aufgrund der Möglichkeit einer malignen Genese grundsätzlich kurzfristig histopathologisch abgeklärt werden. Neben entzündlichen und malignen Prozessen stellen vaskuläre Raumforderungen, insbesondere bei männlichen jugendlichen Patienten, eine mögliche Differenzialdiagnose dar. Lobuläre kapilläre Hämangiome (LKH) sind benigne vaskuläre Tumoren, die klinisch initial als kleine rote Papeln erscheinen, exophytisch wachsen und eine Größe von bis zu mehreren Zentimetern erreichen können [4, 12]. Ein polypoid anmutendes oder auch ein gestieltes Erscheinungsbild werden als typisch angesehen, während breitbasige Formen selten sind [9]. Die alternativ verwendete Bezeichnung als Granuloma pyogenicum ist irreführend, da LKH nicht auf dem Boden einer Inflammation entstehen und es sich histopathologisch nicht um Granulome handelt [11]. Die Ätiologie der nasalen LKH ist nicht abschließend geklärt. Als assoziierte Risikofaktoren werden neben traumatischen Läsionen, angiogener hormoneller Stimulation auch Gravidität und die Einnahme oraler Kontrazeptiva angesehen [6].

LKH treten sowohl kutan als auch mukosal auf. Mukosale LKH betreffen vorwiegend Zunge und Gingiva, während die nasalen Schleimhäute, die Konjunktiven sowie Cervix und Vagina seltener betroffen sind [9]. Nasale LKH manifestieren sich vorwiegend am Nasenseptum, im Nasenvorhof oder an der unteren Nasenmuschel und werden durch unspezifische Symptome wie unilaterale Epistaxis oder Nasenatmungsbehinderung infolge der Okklusion der Nasenhaupthöhle klinisch apparent [1, 8, 10]. Inwieweit nasale LKH zur Rezidivbildung neigen, ist unklar. So berichten Puxeddu et al. in einer retrospektiven Analyse an einem Kollektiv von 40 Patient*innen nach endoskopischer Resektion von sinunasalen LKH und einem durchschnittlichen Follow-up von 53 Monaten, dass sich kein Rezidiv zeigte [8]. Konträr dazu berichten Smith et al. an einem Kollektiv von 34 Patient*innen von einer mit 42 % hohen Rezidivrate [10]. In dieser Studienpopulation trat in der Subgruppe der Schwangeren sogar in 3 von 5 Fällen ein Rezidiv auf. In der Schwangerschaft auftretende LKH werden als Granuloma gravidarum bezeichnet, sind histopathologisch nicht von anderen LKH zu unterscheiden [7] und treten oral und nasal in 2–5 % aller Schwangerschaften auf [3]. Eine histopathologische Abklärung des Befundes sollte stets zum Ausschluss eines Malignoms schon während der Schwangerschaft in Lokalanästhesie und in Absprache mit der betreuenden Geburtshilfe erfolgen. Bei Nachweis eines LKH respektive Granuloma gravidarum kann dann der Spontanverlauf während der Schwangerschaft abgewartet werden. Nach Ende der Schwangerschaft und des damit verbundenen Wegfalls der hormonellen Stimulation zeigen sich LHK in der Regel spontan regredient [5, 12]. Kommt es bei Schwangeren zu rezidivierender oder Hb-relevanter Epistaxis, sollte die Entfernung bereits in der Schwangerschaft erwogen werden. Bei ausbleibender Regredienz des Befundes zwei Monate post partum sollte eine Entfernung favorisiert werden [3]. Die operative Entfernung eines nasalen LKH sollte die Dissektion der Schleimhautbasis des Befundes beinhalten, und bei besonders ausgedehnten Befunden sollte die präoperative Embolisation erwogen werden [2, 3].

Fazit für die Praxis

  • Nasale lobuläre kapilläre Hämangiome treten vermehrt in der Schwangerschaft auf und neigen postpartal zur spontanen Regredienz.

  • Bei ausgedehnten Befunden sollte dem Risiko des Auftretens von Hb-relevanter Epistaxis Rechnung getragen werden und die präpartale Exzision erwogen werden.

  • Nachsorgeuntersuchungen erscheinen trotz bislang nicht beschriebener maligner Transformation aufgrund der unklaren Rezidivneigung sinnvoll.