Zusammenfassung
Monoklonale Antikörper (sog. Biologika) können bei chronischer Rhinosinusitis mit Nasenpolypen (CRScNP, im englischen Sprachgebrauch CRSwNP) im Rahmen ihrer Zulassung verordnet werden. Allerdings ist die Verordnung auf die schwere CRScNP ohne Krankheitskontrolle begrenzt, wobei bestimmte Voraussetzungen zu beachten sind. Derzeit sind Dupilumab, Omalizumab und Mepolizumab zugelassen, in der Literatur gibt es entsprechende Evidenz für ihre Wirksamkeit und Sicherheit. Es ist davon auszugehen, dass zukünftig weitere Biologika in dieser Indikation zugelassen werden. Die Schwere der Erkrankung sollte vor Therapieeinleitung sowie die Wirksamkeit dieser Therapie nach einem angemessenen Zeitraum objektiv und subjektiv überprüft werden. Hierfür kann der in diesem aktualisierten Leitlinien-Kapitel vorgeschlagene Dokumentationsbogen verwendet werden. Bei Vorliegen von relativen Kontraindikationen sollte nur nach differenzierter Abwägung durch erfahrene Ärzt*innen und als Einzelfallentscheidung ein Therapieversuch mit Biologika erfolgen. Zusammenfassend hat das vorliegende Leitlinien-Kapitel zum Ziel, angesichts der zunehmenden Evidenz zur Therapie mit diesen Substanzen bzw. der zunehmenden Zahl an Zulassungen unterschiedlicher Biologika zu einer qualitativ hochwertigen Versorgung von erwachsenen Patient*innen mit dieser Therapieform beizutragen.
Abstract
Monoclonal antibodies (so-called biologics) can be prescribed for chronic rhinosinusitis with nasal polyps (CRSwNP) within the scope of their market authorization. However, their prescription is limited to severe CRSwNP without disease control, whereby certain requirements must be met. Dupilumab, omalizumab, and mepolizumab have currently gained market authorization, with adequate evidence for their efficacy and safety available in the literature. It can be assumed that other biologics will be approved for this indication in the future. The severity of disease and the efficacy of treatment should be assessed objectively and subjectively before treatment initiation and after an appropriate duration, respectively. The documentation sheet proposed in this guideline chapter can be used for the assessments. In the presence of relative contraindications, a treatment should only be initiated after differentiated consideration by an experienced physician in the sense of a case-by-case decision. In summary, this guideline chapter aims to contribute to high-quality care of adult patients with these therapies in view of the increasing evidence for treatment with these substances and the increasing number of market authorizations of different biologics.
Avoid common mistakes on your manuscript.
Christoph Aletsee (HNO-Gemeinschaftspraxis, Bad Kreuznach); Ludger Klimek (Allergiezentrum Wiesbaden); Katrin Milger-Kneidinger (Medizinische Klinik und Poliklinik V, LMU Klinikum, Campus Großhadern, München); Uwe Popert (Praxis für Allgemeinmedizin, Kassel); Markus Rose (Pädiatrische Pneumologie, Allergologie und CF-Zentrum, Klinikum Stuttgart, Stuttgart); Martin Wagenmann (HNO-Klinik, Universitätsklinikum Düsseldorf)
FormalPara InfoboxAWMF-Leitlinien Registernummer 017-049: S2k-Leitlinie Rhinosinusitis
Federführend herausgegeben von: Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie e. V. (DGHNO-KHC): Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin e. V. (DEGAM)
Verantwortlich für die Überarbeitung:
Prof. Dr. med. Boris A. Stuck (DGHNO),
Dr. med. Uwe Popert (DEGAM)
https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/017-049
1. Ziele, Zielgruppen und Geltungsbereich der Leitlinie
1.1 Ziele und Zielgruppe
Monoklonale Antikörper (sog. Biologika) können bei der chronischen Rhinosinusitis mit Nasenpolypen (CRScNP, im englischen Sprachgebrauch CRSwNP) im Rahmen der Zulassung dieser Substanzen verordnet und angewendet werden.
Das vorliegende Leitlinien(LL)-Kapitel hat zum Ziel, angesichts der zunehmenden Evidenz zur Therapie mit diesen Substanzen bzw. der zunehmenden Zahl an Zulassungen unterschiedlicher Biologika zu einer qualitativ hochwertigen Versorgung von erwachsenen Patient*innen mit dieser Therapieform beizutragen. Es soll über die indikationsgerechte Diagnostik und Kriterien für den Einsatz von Biologika bei CRScNP informieren mit dem Ziel, die krankheitsbedingte Morbidität zu mindern. Darüber hinaus hat das LL-Kapitel zum Ziel, vor dem Hintergrund der derzeit erheblichen Therapiekosten unter sozioökonomischen Gesichtspunkten einen optimalen Einsatz dieser Biologika zu gewährleisten.
1.2 Geltungsbereich
Das folgende Kapitel ist für die Versorgung von Patient*innen mit CRScNP im primär- und sekundärärztlichen Bereich vorgesehen. Primärärzt*innen verantworten die Erstbehandlung der Patient*innen, wobei diese Funktion in erster Linie unabhängig ist vom ärztlichen Fachgebiet bzw. der ärztlichen Spezialisierung. Sekundärärzt*innen sind in die Weiterbehandlung der Patient*innen eingebunden und behandeln die Patient*innen nach Überweisung durch den/die Primärärzt*in.
2. Nationale und internationale Leitlinien
Leitlinien sind systematisch entwickelte Empfehlungen, die Grundlagen für die gemeinsame Entscheidung von Ärzt*innen und deren Patient*innen zu einer im Einzelfall sinnvollen gesundheitlichen Versorgung darstellen.
Für das vorliegende Kapitel erfolgte eine systematische Aufbereitung der Evidenz (ESM 1, Tabelle S1/S2/S3), sodass der erste Schritt zur Weiterentwicklung auf eine S3-Leitlinie erfolgt ist. Für die anstehende Aktualisierung der Gesamtleitlinie ist eine Weiterentwicklung auf S3-Niveau für die gesamte Leitlinie geplant. Da die Leitlinie formal vonseiten der AWMF auf die Kriterien einer S2k-Leitlinie geprüft wurde, wurde auf die Vergabe von Evidenz- und Empfehlungsgraden verzichtet. Weiterführende Details zur LL-Erstellung finden sich im LL-Report (ESM 2). Das aktualisierte LL-Kapitel basiert auf der im Jahr 2017 publizierten gemeinsamen LL der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie (DGHNO-KHC) und der der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) [1].
Für die nun vorliegende gemeinsame Teilaktualisierung zur Therapie mit Biologika wurden bis 11/2020 aktuelle von den LL-Autoren gefundene nationale und internationale LL und Positionspapiere zur CRS berücksichtigt. Hierbei wurde zudem auf eine kürzlich publizierte systematische Analyse der vorhandenen Leitlinien zurückgegriffen [2]. Von ausreichender methodischer Qualität und Aktualität waren hierbei die folgenden Publikationen:
-
die S2k-Leitlinie „Rhinosinusitis“ der DGHNO-KHC und DEGAM von 2017 [1],
-
das „European Position Paper on Rhinosinusitis and Nasal Polyps“ (EPOS) in der Aktualisierung aus dem Jahr 2020 [3],
-
das Experten-Konsensuspapier „EUFOREA expert board meeting on uncontrolled severe chronic rhinosinusitis with nasal polyps (CRSwNP) and biologics: Definitions and management“ [4],
-
das Positionspapier „Anwendung von Biologika bei chronischer Rhinosinusitis mit Polyposis nasi (CRSwNP) im deutschen Gesundheitssystem – Empfehlungen des Ärzteverbandes Deutscher Allergologen (AeDA) und der AGs Klinische Immunologie, Allergologie und Umweltmedizin und Rhinologie und Rhinochirurgie der Deutschen Gesellschaft für HNO-Heilkunde, Kopf- und Halschirurgie (DGHNO-KHC)“ [5].
Zusätzlich zu den genannten LL und Positionspapieren wurde eine systematische Literaturrecherche zur Therapie der CRScNP des Erwachsenen mit Biologika durchgeführt. Details zur Literaturrecherche (ESM 1, Tabelle S1/S2/S3) können dem LL-Protokoll (ESM 2) entnommen werden.
3. Monoklonale Antikörper/Biologika in klinischer Entwicklung und/oder Zulassung: Übersicht über die Evidenz
3.1 Dupilumab
Dupilumab ist ein humaner monoklonaler Antikörper. Er hemmt den IL4-/IL-13-Signalweg durch Bindung an die Alpha-Untereinheit des IL-4-Rezeptors [6, 7]. Dupilumab ist seit Oktober 2019 zur Behandlung der schweren CRScNP bei fortgesetzter Therapie mit intranasalen Steroiden (INS) zugelassen (Fach- und Gebrauchsinformation [8]). Zudem liegt für dieses Präparat eine umfangreiche Nutzenbewertung des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) vor [9].
Es konnten 4 Publikationen zu 3 RCT-Studien zur Beurteilung der Effekte einer Therapie mit Dupilumab detektiert werden (Tabelle S1; [6, 10,11,12,13]). Die Dosierungen lagen bei 300 mg wöchentlich bis 2‑wöchentlich subkutan (s.c.) mit/ohne erhöhte Startdosis von 600 mg [8]. Die Effekte wurden nach 16–52 Wochen Therapie analysiert. Die eingeschlossenen Patient*innen waren im Mittel 50 Jahre alt und zeigten Symptome trotz Standardtherapie (INS, oGKS oder Operationen der Nasennebenhöhlen). In den mit Dupilumab behandelten Gruppen lag bei 16–63 % der Patient*innen ein komorbides Asthma vor. Primäre und sekundäre Endpunkte der Studien waren: Nasal Polyp Score (NPS), Nasal Congestion Score (NCS), Lund-Mackay-Score (LMK), nach Zinreich modifizierter LMK (zLMK), Sino-Nasal Outcome Test-22 (SNOT-22), University of Pennsylvania Smell Identification Test (UPSIT), Visuelle Analogskalen der Schwere der Symptome der Erkrankung (VAS) und gesundheitsbezogene Lebensqualität (Health-related Quality of Life, HrQoL). Für alle untersuchten Parameter ergaben sich, meist schon nach kurzer Therapiedauer, im Vergleich zu den mit Placebo behandelten Gruppen signifikante Verbesserungen unter Therapie. Allein die VAS zeigte in einer der Studien einen Trend zu positiver Wirkung, ohne Signifikanzniveau zu erreichen [12]. Subgruppen der CRScNP hinsichtlich der Effekte lassen sich in den vorliegenden Arbeiten nicht detektieren bzw. sind in den vorliegenden Publikationen nicht ausgewiesen.
3.2 Omalizumab
Omalizumab ist ein rekombinanter, humanisierter monoklonaler Antikörper. Omalizumab bindet an Immunglobulin E (IgE) und verhindert damit die Bindung von IgE an den FcεRI (IgE-Rezeptor auf Mastzellen und Basophilen) [6, 7]. Omalizumab ist seit August 2020 als Zusatztherapie zu INS zur Behandlung der schweren CRScNP zugelassen (Fach- und Gebrauchsinformation [14]).
Es konnten 4 RCT-Studien [15,16,17] und 3 Fall-Kontroll-Studien [18,19,20] zur Beurteilung der Effekte einer Therapie mit Omalizumab detektiert werden (Tabelle S1). Die Dosierungen lagen bei 75–600 mg (nach Körpergewicht und IgE-Basiswert) 2‑ oder 4‑wöchentlich s.c. Die Effekte wurden nach 16–52 Wochen Therapie analysiert. Die eingeschlossenen Patient*innen waren im Mittel zwischen 28 und 52 Jahre alt und zeigten Symptome trotz Standardtherapie (INS, oGKS oder Operationen der Nasennebenhöhlen). In den mit Omalizumab behandelten Gruppen lag in 5 der 7 Studien [15, 16, 19, 20] bei allen Patient*innen eine CRScNP vor, in den weiteren 2 Studien fand sich bei nur 86 % bzw. 32 % der eingeschlossenen Patient*innen eine Polyposis nasi [17, 18]. Der Anteil an Patient*innen mit komorbidem (allergischem) Asthma und Sensibilisierung auf inhalative Allergene variierte in den Studien.
Primäre und sekundäre Endpunkte der Studien waren: NPS, Änderung der (Ko‑)Medikation, SNOT-22, LMK, subjektive Einschätzung der Symptomenschwere, HRQoL, der Peak Inspiratory Nasal Flow (PNIF), UPSIT und Zelluntersuchung in der nasalen Lavage. Für die überwiegende Zahl der untersuchten Parameter ergaben sich im Vergleich zu den mit Placebo behandelten Gruppen signifikante Verbesserungen unter Therapie meist schon nach kurzer Therapiedauer. Subgruppen der CRScNP hinsichtlich der Effekte lassen sich in den vorliegenden Arbeiten nicht detektieren bzw. sind in den vorliegenden Publikationen nicht ausgewiesen.
3.3 Mepolizumab
Mepolizumab ist ein humanisierter monoklonaler Antikörper (IgG1, Kappa), der an humanes Interleukin‑5 (IL-5) bindet [6, 7]. Mepolizumab ist seit November 2021 als Zusatztherapie zu intranasaler Kortikoidmedikation zur Behandlung der CRScNP zugelassen (Fach- und Gebrauchsinformation [21]).
Es konnten 3 RCT-Studien [22,23,24] und eine Fall-Kontroll-Studie [25] zur Beurteilung der Effekte einer Therapie detektiert werden (Tabelle S1). Die Dosierungen und Verabreichungswege unterschieden sich in den Studien erheblich mit Dosierungen zwischen 100 und 750 mg alle 4 Wochen i.v. oder s.c. Die Effekte wurden nach 8–52 Wochen Therapie analysiert. Die eingeschlossenen Patient*innen waren etwa 50 Jahre alt und zeigten Symptome trotz Standardtherapie (INS, oGKS oder Operationen der Nasennebenhöhlen). Bis zu 100 % der eingeschlossenen Patient*innen hatten ein komorbides Asthma, eine vorausgegangene Operation der Nasennebenhöhlen und/oder eine Analgetikaintoleranz. Primäre und sekundäre Endpunkte der Studien waren: NPS, NCS, Änderung der Basismedikation, Änderung der OP-Indikation, VAS, SNOT-22, HrQoL, PNIF, Sniffin’ Sticks, Blut- und Serummarker, Biomarker im nasalen Sekret, Veränderungen in der Computertomographie (CT), Notwendigkeit einer Operation oder der Gabe von oGKS. Für die meisten untersuchten Parameter ergaben sich im Vergleich zu den mit Placebo behandelten Gruppen signifikante Verbesserungen unter Therapie, meist schon nach kurzer Therapiedauer. Kriterien zur Differenzierung von Respondern/Nonrespondern waren nicht zu detektieren [23].
3.4 Reslizumab
Reslizumab ist ein monoklonaler Anti-Interleukin(IL-)5-Antikörper [6, 7]. Reslizumab ist für die Indikation CRScNP nicht zugelassen (Stand November 2022). Eine RCT-Studie konnte zur Beurteilung der Effekte einer Behandlung der CRScNP detektiert werden ([26]; Tabelle S1). Die Patient*innen wurden mit einer einmaligen Gabe von Reslizumab 1 mg oder 3 mg/kgKG i.v. behandelt. Die Effekte wurden bis zu 36 Wochen nach Injektion analysiert. Die eingeschlossenen Patient*innen waren zwischen 43 und 48 Jahre alt und zeigten Symptome trotz Standardtherapie (INS, oGKS oder Operationen der Nasennebenhöhlen). Neben CRScNP lag bei 18 von 24 Patient*innen ein Asthma und bei 2 Patient*innen eine Analgetikaintoleranz vor. Das Studiendesign war zur Klärung der Sicherheit und Pharmakokinetik ausgelegt. Daneben wurden folgende Messwerte erhoben: NPS, Nasal Symptom Score, NPIF, periphere Blutmarker sowie Biomarker im nasalen Sekret. Bei einem hohen Anteil der Patient*innen ließ sich eine Reduktion der Polypengröße bis 4 Wochen nach einmaliger Injektion detektieren. Die Responder konnten anhand der nasalen IL-5-Konzentration vorhergesagt werden. Derzeit besteht keine weitere Studienaktivität zur Zulassung dieses Antikörpers in dieser Indikation.
4. Einsatz der Biologika in der Routineversorgung
Empfehlung #1
In dieser Indikation zugelassene Biologika sollen bei erwachsenen Patienten mit schwerer CRScNP bei fehlender Krankheitskontrolle als Zusatztherapie zu intranasalen Kortikosteroiden erwogen werden, wobei präparatespezifische Zulassungskriterien zu beachten sind (Konsens, Zustimmung 88 %).
Alle 3 zur Zeit der Entwicklung dieses LL-Kapitels in Deutschland zugelassenen Biologika sind nur als Zusatztherapie bei gleichzeitiger Anwendung von INS zugelassen (Tab. 1; Tabelle S1; Empfehlung #1). Mögliche Kriterien und Instrumente für eine Erfassung der Krankheitskontrolle sind in Tab. 2 und in dem Dokumentationsbogen (Abb. 1 bzw. ESM 3) genannt. An diesen Minimalkriterien kann sich die Anwendung von Biologika orientieren, allerdings sollte in allen Fällen die individuelle Krankheitslast des/der Patient*in berücksichtigt werden. Aufgrund des Wirtschaftlichkeitsgebots für Verordnungen im deutschen GKV-System muss die Verordnung von Biologika ausreichend, zweckmäßig, und notwendig erscheinen.
Die Fachinformation gibt für die bislang zugelassenen Präparate eine unterschiedliche Indikation für den Einsatz an – speziell im Hinblick auf eine nötige oder mögliche operative Vorbehandlung bzw. frühere Therapieversuche mit oGKS.
Dies bedeutet, dass zunächst über eine ausreichende Dauer die Standardtherapie durchzuführen ist und der jeweiligen Indikation Grenzen gesetzt sind.
Das Versagen der Standardtherapie (auch eine unzureichende Krankheitskontrolle [bzw. „schwere CRS“] genannt) wurde im Rahmen verschiedener europäischer LL und Positionspapiere [3, 4, 27] mit dem objektiven Nachweis von Polypen sowie einem starken subjektiven Leidensdruck gleichgesetzt. Zudem wurden in diesen Konsensuspapieren weitere Faktoren formuliert, die die Wahrscheinlichkeit eines Therapieansprechens steigern. Ein europäisches Expertenforum (European Forum for Research and Education in Allergy and Airway Diseases [EUFOREA]) hält in diesem Zusammenhang eine Behandlung mit Biologika angezeigt, wenn 4 der 6 in Tab. 2 aufgeführten Kriterien vorliegen [4].
Dieses Vorgehen entspricht den Empfehlungen im European Position Paper on Rhinosinusitis and Nasal Polyps (EPOS) [3].
Bei der Beachtung dieser Vorgaben und der Anwendung in der klinischen Routine ergeben sich einige Unschärfen und Unterschiede. So ist beispielsweise eine vorherige Operation oder eine vorherige Behandlung mit oGKS für den Einsatz von Omalizumab nicht erforderlich, bei Dupilumab und Mepolizumab ist dies eine Voraussetzung. Auch sind die geforderten Schwellenwerte z. B. im SNOT-22 oder in den empfohlenen visuellen Analogskalen (VAS) nicht validiert, und deren Einsatz kann im Einzelfall eingeschränkt sein (kognitive Einschränkungen, fremdsprachliche Patient*innen, Lizenzfragen der angewendeten Fragebögen). Dies zeigt, dass die Kriterien weiterhin Gegenstand der wissenschaftlichen Diskussion sind und die zugrunde liegende Evidenz bislang begrenzt ist. Die sorgfältige Dokumentation des Schweregrads der CRScNP zur Indikationsstellung und Einleitung der Biologikatherapie ist daher von wesentlicher Bedeutung. Diese dient einerseits einer wirtschaftlichen Verordnung und andererseits der Beurteilung eines Therapieansprechens (Empfehlung #2). Hierbei kann der vorgeschlagene „Dokumentationsbogen“ (Abb. 1) hilfreich sein.
Empfehlung #2
Der Schweregrad der Erkrankung sollte durch die Erhebung objektiver und subjektiver Kriterien vor Therapieeinleitung mit Biologika dokumentiert werden (starker Konsens, Zustimmung 100 %).
Überprüfung des Therapieerfolgs:
Es ist sinnvoll, eine Wirksamkeit bzw. die Fortführung des Einsatzes der Biologika nach einem angemessenen Zeitraum (z. B. spätestens nach einer Therapiedauer von einem halben Jahr nach Therapiebeginn [je nach Biologikum]) und im weiteren Verlauf regelmäßig zu überprüfen, um eine unnötige Dauerbehandlung bei Nonrespondern zu vermeiden (Empfehlung #3). Die klinisch relevante Wirksamkeit wird dabei subjektiv wie objektiv mit dem Befund vor Therapieeinleitung verglichen. Hierbei kommen verschiedene Instrumente zur Beurteilung der Krankheitskontrolle zum Einsatz (Tab. 3). Bei ausbleibendem Ansprechen ist ggf. ein Wechsel auf ein anderes Biologikum möglich.
Empfehlung #3
Die Wirksamkeit einer Therapie mit Biologika bei CRScNP sollte nach einem angemessenen Zeitraum überprüft werden (Konsens, Zustimmung 88 %).
5. Kontraindikationen für den Einsatz von Biologika
Gegen den Einsatz von Biologika bei CRScNP sprechen diverse (relative) Kontraindikationen, wobei die Fach- und Gebrauchsinformationen der entsprechenden Präparate zu berücksichtigen sind (Empfehlung #4):
Empfehlung #4
Bei Vorliegen von relativen Kontraindikationen sollte nur nach differenzierter Abwägung durch erfahrene Ärzt*innen und als Einzelfallentscheidung ein Therapieversuch mit Biologika eingeleitet werden (Konsens, Zustimmung 88 %).
6. Off-Label-Einsatz
Auch wenn im Einzelfall (beispielsweise bei speziellem Risikoprofil für einen operativen Eingriff wie eine fehlende Narkosefähigkeit, ein schlechter Allgemeinzustand, minderjährige Patienten o. Ä.) die Indikation nicht gemäß dem Zulassungstext gestellt werden kann, kann ein Therapieversuch mit den o. g. Biologika sinnvoll sein (Empfehlung #5). In diesem Zusammenhang ist auch die mittel- und langfristige Einsparung von Kosten in die Entscheidung für die Off-Label-Verordnung mit einzubeziehen. Diese erfordert allerdings eine umfängliche Dokumentation und Begründung vor Therapiebeginn gegenüber dem Kostenträger.
Empfehlung #5
Auch wenn im Einzelfall die Indikation nicht gemäß dem Zulassungstext gestellt werden kann, kann ein individueller Therapieversuch mit den o. g. Biologika sinnvoll sein (Konsens, Zustimmung 88 %).
7. Dokumentationsbogen zur Therapie mit Biologika bei CRScNP
Wie oben ausgeführt, gibt es Kritikpunkte zu den von EUFOREA geforderten Minimalkriterien für den Einsatz von Biologika bei CRScNP. Vor diesem Hintergrund können ergänzend zu den o. g. allgemeinen, indikationsbedingten Voraussetzungen (Empfehlung #2) zur Demonstration der Schwere der Erkrankung bzw. zu fehlenden Alternativen in der Therapie diverse Faktoren herangezogen werden, um die Verordnung zu rechtfertigen. Um diese entsprechend zu erfassen, kann der in diesem LL-Kapitel vorgeschlagene Dokumentationsbogen (Abb. 1 bzw. ESM 3) zur Anwendung kommen, welcher eine Weiterentwicklung eines bereits bestehenden Dokumentationsbogens eines deutschsprachigen Positionspapiers darstellt (Empfehlung #6) [5].
Empfehlung #6
Zur standardisierten Dokumentation von verschiedenen Aspekten zur Indikationsstellung und zur Verlaufskontrolle des Einsatzes von Biologika bei CRScNP sollte ein Dokumentationsbogen verwendet werden (Konsens, Zustimmung 88 %).
Change history
11 April 2023
Das elektronische Zusatzumaterial wurden ursprünglich falsch verlinkt.
Abbreviations
- AWMF:
-
Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften
- CRScNP:
-
Chronische Rhinosinusitis mit (cum) Nasenpolypen, deutscher Terminus
- CRSwNP:
-
Chronic Rhinosinusitis with Nasal Polyps, englischer Terminus
- CT:
-
Computertomographie
- DEGAM:
-
Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin
- DGHNO-KHC:
-
Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie
- EPOS:
-
European Position Paper on Rhinosinusitis and Nasal Polyps
- EUFOREA:
-
European Forum for Research and Education in Allergy and Airway Diseases
- GRADE:
-
Grading of Recommendations, Assessment, Development and Evaluations
- HrQoL:
-
Health-related Quality of Life/gesundheitsbezogene Lebensqualität
- IgE:
-
Immunglobulin E
- IL:
-
Interleukin
- INS:
-
Intranasale Steroide
- IQWiG:
-
Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen
- LL:
-
Leitlinie
- LMK:
-
Lund-Mackay-Score
- NCS:
-
Nasal Congestion Score/Nasaler Obstruktions-Score
- NPS:
-
Nasal Polyp Score/Nasaler Polypen-Score
- oGKS:
-
Orale Glukokortikosteroide
- PNIF:
-
Peak Nasal Inspiratory Flow
- SNOT:
-
Sino-Nasal Outcome Test
- s.c.:
-
Subkutan
- UPSIT:
-
University of Pennsylvania Smell Identification Test
- VAS:
-
Visuelle Analogskala
- zLMK:
-
Nach Zinreich modifizierter LMK
Literatur
Stuck BA, Beule A, Jobst D et al (2018) Leitlinie „Rhinosinusitis“ – Langfassung. HNO 66(1):38–74. https://doi.org/10.1007/s00106-017-0401-5
Kaper NM, van der Heijden G, Cuijpers SH, Stokroos RJ, Aarts MCJ (2020) A comparison of international clinical practice guidelines on adult chronic rhinosinusitis shows considerable variability of recommendations for diagnosis and treatment. Eur Arch Otorhinolaryngol 277(3):659–668. https://doi.org/10.1007/s00405-019-05752-7
Fokkens WJ, Lund VJ, Hopkins C et al (2020) European Position Paper on Rhinosinusitis and Nasal Polyps 2020. Rhinology 58(Suppl S29):1–464. https://doi.org/10.4193/Rhin20.600
Bachert C, Han JK, Wagenmann M et al (2021) EUFOREA expert board meeting on uncontrolled severe chronic rhinosinusitis with nasal polyps (CRSwNP) and biologics: Definitions and management. J Allergy Clin Immunol 147(1):29–36. https://doi.org/10.1016/j.jaci.2020.11.013
Klimek L, Forster-Ruhrmann U, Becker S et al (2020) Positionspapier: Anwendung von Biologika bei chronischer Rhinosinusitis mit Polyposis nasi (CRSwNP) im deutschen Gesundheitssystem – Empfehlungen des Arzteverbandes Deutscher Allergologen (AeDA) und der AGs Klinische Immunologie, Allergologie und Umweltmedizin und Rhinologie und Rhinochirurgie der Deutschen Gesellschaft fur HNO-Heilkunde, Kopf- und Halschirurgie (DGHNOKHC). Laryngorhinootologie 99(8):511–527. https://doi.org/10.1055/a-1197-0136
Bachert C, Zhang N, Cavaliere C, Weiping W, Gevaert E, Krysko O (2020) Biologics for chronic rhinosinusitis with nasal polyps. J Allergy Clin Immunol 145(3):725–739. https://doi.org/10.1016/j.jaci.2020.01.020
Agache I, Song Y, Alonso-Coello P et al (2021) Efficacy and safety of treatment with biologicals for severe chronic rhinosinusitis with nasal polyps: a systematic review for the EAACI guidelines. Allergy 76(8):2337–2353. https://doi.org/10.1111/all.14809
Fach- und Gebrauchsinformation (SmPC) Dupixent. https://www.ema.europa.eu/en/documents/product-information/dupixent-epar-product-information_de.pdf. Zugegriffen: 3. Sept. 2021
Nutzenbewertungsverfahren zum Wirkstoff Dupilumab (neues Anwendungsgebiet: Chronische Rhinosinusitis mit Nasenpolypen). https://www.g-ba.de/bewertungsverfahren/nutzenbewertung/507/#nutzenbewertung. Zugegriffen: 17. Febr. 2022
Bachert C, Mannent L, Naclerio RM et al (2016) Effect of subcutaneous dupilumab on nasal polyp burden in patients with chronic sinusitis and nasal polyposis: a randomized clinical trial. JAMA 315(5):469–479. https://doi.org/10.1001/jama.2015.19330
Bachert C, Han JK, Desrosiers M et al (2019) Efficacy and safety of dupilumab in patients with severe chronic rhinosinusitis with nasal polyps (LIBERTY NP SINUS-24 and LIBERTY NP SINUS-52): results from two multicentre, randomised, double-blind, placebo-controlled, parallel-group phase 3 trials. Lancet 394(10209):1638–1650. https://doi.org/10.1016/S0140-6736(19)31881-1
Bachert C, Hellings PW, Mullol J et al (2020) Dupilumab improves health-related quality of life in patients with chronic rhinosinusitis with nasal polyposis. Allergy 75(1):148–157. https://doi.org/10.1111/all.13984
Bachert C, Zinreich SJ, Hellings PW et al (2020) Dupilumab reduces opacification across all sinuses and related symptoms in patients with CRSwNP. Rhinology 58(1):10–17. https://doi.org/10.4193/Rhin18.282
Fach- und Gebrauchsinformation (SmPC) Xolair. https://www.ema.europa.eu/en/documents/product-information/xolair-epar-product-information_de.pdf. Zugegriffen: 3. Sept. 2021
Gevaert P, Omachi TA, Corren J et al (2020) Efficacy and safety of omalizumab in nasal polyposis: 2 randomized phase 3 trials. J Allergy Clin Immunol 146(3):595–605. https://doi.org/10.1016/j.jaci.2020.05.032
Gevaert P, Calus L, Van Zele T et al (2013) Omalizumab is effective in allergic and nonallergic patients with nasal polyps and asthma. J Allergy Clin Immunol 131(1):110–116e1. https://doi.org/10.1016/j.jaci.2012.07.047
Pinto JM, Mehta N, DiTineo M, Wang J, Baroody FM, Naclerio RM (2010) A randomized, double-blind, placebo-controlled trial of anti-IgE for chronic rhinosinusitis. Rhinology 48(3):318–324. https://doi.org/10.4193/Rhin09.144
Chandra RK, Clavenna M, Samuelson M, Tanner SB, Turner JH (2016) Impact of omalizumab therapy on medication requirements for chronic rhinosinusitis. Int Forum Allergy Rhinol 6(5):472–477. https://doi.org/10.1002/alr.21685
Penn R, Mikula S (2007) The role of anti-IgE immunoglobulin therapy in nasal polyposis: a pilot study. Research Support, Non‑U.S. Gov’t. Am J Rhinol 21(4):428–432. https://doi.org/10.2500/ajr.2007.21.3060
Bidder T, Sahota J, Rennie C, Lund VJ, Robinson DS, Kariyawasam HH (2018) Omalizumab treats chronic rhinosinusitis with nasal polyps and asthma together—a real life study. Rhinology 56(1):42–45. https://doi.org/10.4193/Rhin17.139
Fach- und Gebrauchsinformation (SmPC) Nucala. https://www.ema.europa.eu/en/documents/product-information/nucala-epar-product-information_de.pdf
Han JK, Bachert C, Fokkens W et al (2021) Mepolizumab for chronic rhinosinusitis with nasal polyps (SYNAPSE): a randomised, double-blind, placebo-controlled, phase 3 trial. Lancet Respir Med 9(10):1141–1153. https://doi.org/10.1016/S2213-2600(21)00097-7
Gevaert P, Van Bruaene N, Cattaert T et al (2011) Mepolizumab, a humanized anti-IL‑5 mAb, as a treatment option for severe nasal polyposis. J Allergy Clin Immunol 128(5):989–995 e1–8. https://doi.org/10.1016/j.jaci.2011.07.056
Bachert C, Sousa AR, Lund VJ et al (2017) Reduced need for surgery in severe nasal polyposis with mepolizumab: randomized trial. Randomized controlled trial. J Allergy Clin Immunol 140(4):1024–1031.e14. https://doi.org/10.1016/j.jaci.2017.05.044
Kurosawa M, Ogawa E, Sutoh E (2019) Favorable clinical efficacy of mepolizumab on the upper and lower airways in severe eosinophilic asthma: a 48-week pilot study. Eur Ann Allergy Clin Immunol 51(5):213–221. https://doi.org/10.23822/EurAnnACI.1764-1489.94
Gevaert P, Lang-Loidolt D, Lackner A et al (2006) Nasal IL‑5 levels determine the response to anti-IL‑5 treatment in patients with nasal polyps. J Allergy Clin Immunol 118(5):1133–1141. https://doi.org/10.1016/j.jaci.2006.05.031
Fokkens WJ, Lund V, Bachert C et al (2019) EUFOREA consensus on biologics for CRSwNP with or without asthma. Allergy 74(12):2312–2319. https://doi.org/10.1111/all.13875
Funding
Open Access funding enabled and organized by Projekt DEAL.
Author information
Authors and Affiliations
Consortia
Corresponding author
Ethics declarations
Interessenkonflikt
Die Interessenerklärungen als tabellarische Zusammenfassung nach dem AWMF-Regelwerk finden sich unter: https://register.awmf.org/assets/guidelines/017_D_G_f_Hals-Nasen-Ohrenheilkunde__Kopf-_und_Halschirurgie/017-049_und_053-012ikap_S2k_Rhinosinusitis_2022-11.pdf.
Für diesen Beitrag wurden von den Autor/-innen keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
Additional information
AWMF-Publikation und Leitlinienreport: https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/017-049.
Supplementary Information
Rights and permissions
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
Die in diesem Artikel enthaltenen Bilder und sonstiges Drittmaterial unterliegen ebenfalls der genannten Creative Commons Lizenz, sofern sich aus der Abbildungslegende nichts anderes ergibt. Sofern das betreffende Material nicht unter der genannten Creative Commons Lizenz steht und die betreffende Handlung nicht nach gesetzlichen Vorschriften erlaubt ist, ist für die oben aufgeführten Weiterverwendungen des Materials die Einwilligung des jeweiligen Rechteinhabers einzuholen.
Weitere Details zur Lizenz entnehmen Sie bitte der Lizenzinformation auf http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de.
About this article
Cite this article
Pfaar, O., Beule, A.G., Laudien, M. et al. Therapie der chronischen Rhinosinusitis mit Polyposis nasi (CRScNP) mit monoklonalen Antikörpern (Biologika): S2k-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie (DGHNO-KHC) und der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM). HNO 71, 256–263 (2023). https://doi.org/10.1007/s00106-023-01273-2
Accepted:
Published:
Issue Date:
DOI: https://doi.org/10.1007/s00106-023-01273-2