Einführung

Die stationäre Unterbringung von Kindern nach HNO-Eingriffen unterscheidet sich deutschlandweit teils erheblich. Das Spektrum reicht von der Betreuung auf HNO-ärztlich oder pädiatrisch geführten Belegabteilungen, HNO-Kliniken mit eigenen Kinderstationen, interdisziplinär geführten Dependancen von HNO-Kliniken in separaten Kinderkrankenhäusern bis zur Betreuung von HNO-Kindern auf (chirurgischen) Stationen einer Kinderklinik bzw. eines Kinderzentrums. Eine Betreuung von Kindern auf Stationen, die von der jeweiligen HNO-Abteilung räumlich getrennt sind, bedarf einer sehr sorgfältigen organisatorischen Strukturierung, um jedwede Risiken für die operierten Kinder zu minimieren. Im Fokus steht hier insbesondere die zeitkritische Beherrschung von Notfallsituationen, wie beispielsweise Blutungskomplikationen nach einer Tonsillektomie. Dies ist immer wieder Gegenstand bei den Diskussionen mit den Krankhausträgern und den interdisziplinären Kooperationspartnern. Die Arbeitsgemeinschaft Pädiatrische HNO-Heilkunde der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie führte 2019 eine deutschlandweite Umfrage zur Erfassung der postoperativen Versorgung von Kindern nach HNO-ärztlichen Eingriffen durch, deren Ergebnisse bereits publiziert wurden [1]. Die folgende Stellungnahme kommentiert die Ergebnisse der Umfrage kritisch und soll Grundlage sein für die weitere Diskussion innerhalb unserer Fachgesellschaft und mit den Krankenhaus- und Kostenträgern bzw. den beteiligten Partnerdisziplinen.

Stellungnahme

Das Zahlenmaterial des statistischen Bundesamts belegt einen deutlichen Wandel der Krankenhauslandschaft in Deutschland (Tab. 1), von der auch die stationäre Versorgung von Krankheitsbildern der HNO-Heilkunde betroffen ist (Tab. 2; [2, 3]). Eine Reduzierung der Bettenverteilung und ein Rückgang der stationären Fälle ist ein klar ersichtlicher Trend, auch in der HNO-Heilkunde. Diese Entwicklung erfordert die Integration von Praxen sowie die Etablierung von Tageskliniken und interdisziplinären Zentren v. a. im Umfeld von Universitätskliniken und spezialisierten Maximalversorgern, um weiterhin eine hohe Qualität der Patientenbehandlung gewährleisten zu können [3]. Die Ausgestaltung von patientenorientierten Versorgungskonzepten mit einem professionellen Umfeld kann aber erheblich durch berufspolitische Vorgaben oder ökonomische Optimierungsgedanken gestört werden [4]. In Bezug auf die Versorgung pädiatrischer Krankheitsbilder unseres Fachgebiets kann dies im Einzelfall bedeuten, dass ein Krankenhausträger operierte Kinder prinzipiell in der pädiatrischen Abteilung unter Behandlungsführung der Pädiatrie und nicht mehr in der HNO-Klinik unterbringen will.

Tab. 1 Bettenverteilung pro Krankenhausträger in Deutschland 2003–2019. Vom statistischen Bundesamt lässt sich homogenes Datenmaterial für den Zeitraum 2003 bis 2019 abrufen. Während dieses Zeitraums nahm der Bettenanteil von öffentlichen (minus 19 %) und freigemeinnützigen (minus 17 %) Betten in vergleichbarem Ausmaß ab. Eine extrem gegenläufige Entwicklung lässt sich mit einem Plus von 77 % für die Bettenzahl der privaten Träger nachweisen, dabei hatte die Gesamtzahl der Betten aller Träger um 9 % innerhalb des Beobachtungszeitraums abgenommen
Tab. 2 Entwicklung der stationären Versorgung von HNO-Krankheitsbildern in Deutschland 1994–2017. Entwicklung der stationären Versorgung von HNO-Krankheitsbildern in Deutschland 1994–2017. Die Zahlen des statistischen Bundesamts gestatten einen Überblick nur bis zum Jahr 2017. Innerhalb dieses Zeitraums reduzierte sich die Zahl der Belegbetten um 67 %, die Belegungszeit um 53 %, die gesamte Bettenzahl um 42 %, die Zahl der Fachabteilungen um 32 % und die Gesamtfallzahl um 30 %. Lediglich die Zahl der Intensivbetten nahm um 16 % zu

Im Gegensatz zu anderen Ländern gibt es in Deutschland nur wenige pädiatrisch-HNO-ärztliche Fachabteilungen und kein eigenständiges Fachgebiet oder eine Zusatzweiterbildung für „Pädiatrische HNO-Heilkunde“, insofern sind derzeit auch keine speziellen Versorgungsaufträge der jeweiligen Landesregierungen an die einzelnen Krankenhäuser zu erwarten [5]. Die postoperative Versorgung von pädiatrischen Krankenhausfällen unseres Fachgebiets lässt sich anhand einer aktuellen Umfrage unter 166 HNO-Hauptabteilungen und Universitätskliniken gut einschätzen. Inhaltlich ging es um die zeitkritische Versorgung von Blutungskomplikationen nach Tonsillektomie, da diese die Präsenz von operativ-fachärztlicher wie auch pflegerischer und nichtärztlicher, organisatorischer Kompetenz erfordert. Eine einheitliche Versorgungsform für die postoperative Betreuung von Kindern ließ sich bei der Umfrage nicht erkennen, in etwas mehr als der Hälfte der teilnehmenden Kliniken werden Kinder postoperativ in einer Kinderklinik untergebracht, eine eigenständige Versorgung von HNO-Kindern separiert von Erwachsenen ist unüblich [1].

Die heterogene postoperative Versorgung von Kindern in Deutschland schließt eine hohe Versorgungsqualität nicht aus, sie spiegelt jedoch die unterschiedliche Infrastruktur sowie die regionale demografische Entwicklung und die daraus erwachsene Aufbau- und Ablauforganisation wider. Die Ambulantisierung HNO-ärztlicher Eingriffe bei Kindern (z. B. Adenotomie, Paukenröhrcheneinlage, Tonsillotomie) hat zu einer deutlichen Minderung HNO-ärztlich-pädiatrischer Bettenkapazität geführt, sodass solitäre HNO-Kinderstationen organisatorisch und ökonomisch problematisch wurden.

Um die Diskussion zur individuellen Konzeptionierung der stationären Betreuung von HNO-Kindern zu erleichtern, schlagen wir vor, eine Klassifikation der Eingriffe anhand der zu operierenden Krankheitsbilder vorzunehmen. Aus der Klassifikation in „Basiseingriff“ und „Komplexeingriff“ ergibt sich dann das Anforderungsprofil an die versorgenden Kliniken bzw. Abteilungen, um die bestmögliche Versorgungsqualität zu erzielen. Für postoperative Notfallsituationen wie Blutungskomplikationen oder eine Verlegung der Atemwege muss ein Notfallplan vorgehalten, transparent gemacht und jährlich/anlassbezogen aktualisiert werden. Der Notfallplan muss interdisziplinär und berufsgruppenübergreifend erstellt und konsentiert werden. Die zeitnahe Verfügbarkeit eines HNO-Arztes sowie die räumliche Nähe und rasche Erreichbarkeit eines Operationssaals/Eingriffsraums mit Anästhesiekapazität sind elementare Kriterien für ein adäquates Notfallmanagement. Prinzipiell muss das betreuende Pflegepersonal im Umgang mit den zugedachten Krankheitsbildern geschult sein. Dieses umfasst die sachgerechte Beobachtung und Fähigkeit, sich anbahnende kritische Situationen zu registrieren, um im Notfall professionell agieren zu können.

Zur Graduierung von pädiatrischen HNO-Prozeduren wird folgende Einteilung vorgeschlagen:

Basiseingriffe

Die Eingriffsarten gehen über die Inhalte des individuellen Kompetenzerwerbs nach dem Weiterbildungskatalog im Fachgebiet der HNO-Heilkunde und Anästhesiologie nicht hinaus und werden in Hauptabteilungen, Belegabteilungen und Universitätskliniken ausgeführt. Eine HNO-fachärztliche Dauerpräsenz ist nicht erforderlich, ebenso wenig intensivmedizinisches Spezialwissen. Die Unterbringung im Krankenhaus muss sich an den möglichen postoperativen Komplikationen und ihrer schnellstmöglichen Versorgung orientieren. Die pädiatrischen HNO-Patienten sollten prinzipiell von HNO-Ärzten betreut werden, für Besonderheiten ist die Kompetenz von Kinderärzten konsiliarisch hinzuzuziehen. Es ist sinnvoll, die ökonomischen Aspekte unabhängig vom Ort der Unterbringung des Kindes den interdisziplinären Leistungen in der internen Verrechnung anzupassen. Die poststationäre Betreuung erfordert kein HNO-fachärztliches Spezialwissen und ist in der Regel zeitlich limitiert. Beispiel: Tonsillenchirurgie, Paukenröhrchen. Einige dieser Eingriffe werden ambulant durchgeführt. Auch in der ambulanten Durchführung muss HNO-ärztlich und anästhesiologisch eine Kompetenz für pädiatrische Eingriffe/Narkosen vorhanden sein. Ein striktes Qualitätsmanagement ist auch im ambulanten Bereich zu erstellen und vorzuhalten.

Beispiele für Basiseingriffe: Tonsillenchirurgie inklusive Adenotomie, Paukendrainagen, Mittelohrchirurgie – ausgenommen Missbildungen, kleine Fehlbildungschirurgie wie Halszysten/-fisteln oder präaurikuläre Fisteln, Otoplastiken, Lymphknotenexstirpationen, Cochleaimplantationen.

Komplexeingriffe

Die Eingriffsarten gehen über die Inhalte des individuellen Kompetenzerwerbs nach dem Weiterbildungskatalog hinaus, sind mit postoperativ potenziell lebensbedrohlichen Risiken verbunden und/oder erfordern eine spezielle apparative/personelle Vorhaltung und werden nur in wenigen Hauptabteilungen und Universitätskliniken ausgeführt. Häufig handelt es sich um Eingriffe, auf die sich wenige Operateure in Deutschland spezialisiert haben. Die anästhesiologische/intensivmedizinische/pädiatrische Abteilung muss im Umgang mit den behandelten Krankheitsbildern erfahren sein und eine ärztliche Dauerpräsenz in der Form vorhalten, dass eine interdisziplinäre Notfallversorgung zu jedem Zeitpunkt möglich ist. In Abhängigkeit vom Grad der Komplexität ist oft eine Anbindung der Kinder an ein interdisziplinäres Zentrum mit allen Formen der ärztlichen, nichtärztlichen und apparativen Maximalversorgung angezeigt. Die postoperative Betreuung ist von der operierenden HNO-Klinik federführend zu organisieren und wird von der dominierenden medizinischen Problematik bestimmt. Die poststationäre Betreuung erfordert HNO-fachärztliches Spezialwissen und in der Regel längerfristige HNO-fachärztliche Kontrolluntersuchungen. In besonders komplexen Fällen, beispielsweise in der Sarkomchirurgie, ist eine ärztliche Dauerpräsenz der beteiligten Abteilungen und die Unterbringung auf Spezialstationen mit geeigneter räumlicher/apparativer Versorgung sowie besonders geschultem ärztlichem und nichtärztlichem Personal erforderlich.

Beispiele für Komplexeingriffe: alle Operationen mit der Notwendigkeit einer postoperativen Intensivüberwachung, syndromale PatientInnen, Chirurgie von Atemwegsstenosen, Sarkomtherapie, Missbildungschirurgie, Entfernung von Atemwegsfremdkörpern, onkologische Operationen inklusive rekonstruktiver Chirurgie, Schädelbasischirurgie inklusive Angiofibromentfernungen.

Die Infrastruktur der HNO-Abteilungen in deutschen Kliniken ist im Hinblick auf eine interdisziplinäre Ausrichtung durchaus unterschiedlich und hängt stark von standortindividuellen Parametern und Kompetenzen ab. Die Zuweisung von Kindern in entsprechende Zentren sollte sich stets nach den für die Versorgung vorzuhaltenden interdisziplinären Fachrichtungen und der spezifischen Kompetenz der darin integrierten HNO-Abteilung richten. Eine bestmögliche Versorgungsqualität ist dann zu erreichen, wenn die Zuweisung von Kindern an ein Zentrum diese oben genannte Kompetenzgraduierung berücksichtigt. Zu diskutieren ist außerdem eine nationale Vernetzung von spezialisierten HNO-Kinderabteilungen nach dem Vorbild der durch die Europäische Union geförderten European Reference Networks, da gerade die Diagnostik und das Management seltener Krankheitsbilder nicht von allen HNO-Kliniken abgebildet werden können. Hierzu ist es erforderlich, dass entsprechende Abteilungs- und Zentrumskompetenzen klar kommuniziert und dadurch einfach erkennbar werden.

Die Diskussion mit den Krankenhausträgern und den interdisziplinären Partnern über die optimale postoperative Betreuung von Kindern nach einem HNO-chirurgischen Eingriff wird teilweise durchaus emotional geführt. Die Beweggründe für die Etablierung entsprechender Konzepte sind zwar standortspezifisch unterschiedlich, allerdings sollte die Festlegung von Überwachungsstrategien ausschließlich patientenzentriert stattfinden. Vorliegende Stellungnahme kann diese Diskussion argumentativ stützen und eine von der Grundstruktur her einheitliche Herangehensweise an eine Konzeptionierung unter Berücksichtigung der sehr heterogenen Versorgungssituation in Deutschland ermöglichen.