Lernziele

Am Ende dieser Fortbildung kennen Sie …

  • Ursachen,

  • Diagnostik und

  • Therapiemöglichkeiten bei Riechstörungen.

Prävalenz und Arten von Riechstörungen

Riechstörungen sind weit verbreitet. Ihre Prävalenz wird in der allgemeinen Bevölkerung auf etwa 3–5 % für einen kompletten Riechverlust (Anosmie) und auf etwa 15–25 % für eine teilweise Einschränkung des Riechsinns (Hyposmie) geschätzt [1, 2, 3], wobei v. a. die Zahlen für die Hyposmie abhängig von der Definition der Riechminderung sind. Grundsätzlich kann man zwischen einer quantitativen Form und einer qualitativen Riechstörung unterscheiden. Bei ersterer Störung wird ein Geruch vermindert oder gar nicht erkannt, bei der qualitativen Störung kann er verändert wahrgenommen werden (Tab. 1). Die olfaktorische Perzeption beim Menschen ist, anders als beim Hummer oder der Stubenfliege, ausschließlich in der Nase lokalisiert, sodass Duftstoffe die Riechzellen von „orthonasal“ über die Nasenlöcher oder auch von „retronasal“ über den Rachen erreichen können. Der Riechsinn wird außerdem durch trigeminale Chemorezeptivität beeinflusst, da einige Geruchsstoffe eine Trigeminuskomponente aufweisen, z. B. Essigsäure oder Ammoniak. Duftstoffe wie z. B. Menthol beeinflussen auch die subjektive Wahrnehmung des nasalen Luftflusses, was wiederum Auswirkungen auf die subjektive Riechwahrnehmung hat, obwohl der nasale Luftfluss objektiv kaum verändert ist. Das olfaktorische und trigeminale System beeinflussen sich also gegenseitig [4].

Tab. 1 Nomenklatur der Riechstörungen. (Adaptiert nach Hummel et al. 2017 [5])

Merke

Das olfaktorische und das trigeminale System beeinflussen sich gegenseitig.

Der Riechsinn dient u. a. gesundheits- und sicherheitsrelevanten Funktionen wie dem Erkennen von verdorbenen Lebensmitteln, von Feuer, Stäuben und toxischen Gasen, aber er ist auch wichtig hinsichtlich zwischenmenschlicher Aspekte im Rahmen von sozialen Beziehungen, der autonomen und hormonellen Steuerung oder der Sexualität [6, 7]. Aufgrund dieser Bedeutung ist eine Störung des Riechsinns u. a. mit Depression, kognitiven Einschränkungen und Mangelernährung sowie Lebensqualitätsverschlechterung und sozialer Isolation assoziiert [6, 8, 9, 10]. Des Weiteren sind Riechstörungen Begleit‑/Frühsymptom einiger neurodegenerativer Erkrankungen, z. B. M. Parkinson, M. Alzheimer oder der Huntington-Erkrankung. Eine frühzeitige Diagnostik ist hier insbesondere wichtig für die rechtzeitige Therapieeinleitung.

Eine Einteilung der Riechstörungen (zentral/peripher, konduktiv/sensorineural) wurde mehrfach versucht, setzt aber voraus, dass Ort und Mechanismus der Riechstörung bekannt sind, was problematisch ist [1]. Daher geht man aktuell von einer Einteilung je nach Auslöser der Störung aus (Tab. 2). Diese Auslöser einer Riechstörung können vielfältig sein [11]:

  • Alter [12, 13],

  • sinunasale Erkrankungen [14],

  • akute Infektionen der Nasenhöhle,

  • Schädel-Hirn-Traumen [15],

  • neurologische Erkrankungen, z. B. M. Parkinson [16],

  • Umweltfaktoren,

  • Medikamente, Chemotherapie und Bestrahlung ([17]).

Tab. 2 Häufigkeit der Ursachen einer Riechstörung bei Vorstellung in einer HNO-Praxis. (Adaptiert nach Fokkens et al. 2020 [1])

Diagnostik

Klinische Untersuchung

Eine gründliche Anamnese führt bei Patienten mit vermuteter Riechstörung oft schon zu einer Diagnose. Bei Erheben der Anamnese ist es insbesondere wichtig, das zeitliche Auftreten der Riechstörung zu erfassen, d. h. ob z. B. ein Unfall oder ein Infekt der Störung vorausging und in zeitlichem Zusammenhang damit steht [18]. Auch das Erfragen von sinugenen Beschwerden wie Nasenatmungsbehinderung oder aber auch Allergien ist nicht unerheblich [19].

Nach umfassender Anamnese sollte bei dem Patienten eine vollständige Untersuchung von Kopf und Hals, u. a. mit rigider (oder besser flexibler) nasaler Endoskopie, durchgeführt werden [5]. Dabei sollte die Nase vor und nach abschwellender Lokaltherapie endoskopisch untersucht werden und insbesondere auf Hinweise auf eine chronische Rhinosinusitis (CRS) mit konsekutiver Schleimhautschwellung und -rötung, Vorliegen von Pus und Vernarbungen, potenzieller Polyposis nasi und auf die Sichtbarkeit der Riechspalte Wert gelegt werden. Auch mögliche sinunasale Neoplasien müssen bedacht werden [20]. Abschwellende Lokaltherapie der Nasenschleimhäute zur besseren endoskopischen Untersuchung sollte nicht vor einer Riechtestung durchgeführt werden, da diese dadurch beeinflusst werden kann.

Merke

Abschwellende Lokaltherapie der Nasenschleimhäute sollte nicht vor einer Riechtestung durchgeführt werden, da diese dadurch beeinflusst werden kann.

Riechtestung

Die olfaktorische und gustatorische Untersuchung muss mit zuverlässigen, validierten Tests durchgeführt werden, die z. B. die Riechschwelle, und/oder Dufterkennung und Unterscheidungsvermögen für Düfte erfassen. Diese sollten unter Aufsicht erfolgen, um eine gute Zuverlässigkeit zu gewährleisten [5].

Eine Limitation der Datenlage bezüglich Riechstörung ist zum Großteil auch der Heterogenität der unterschiedlichen Testverfahren geschuldet. Die einfache Selbsteinschätzung der Riechfunktion ist häufig nicht zuverlässig [21]. Daher wird bei der Befragung von Patienten die Benutzung von validierten Fragebögen oder Skalen empfohlen [22]. Wird eine Riechstörung vermutet, ist jedoch die Kombination mit einer objektiveren Erhebungsform, z. B. eine psychophysische Testung sinnvoll. Bei der psychophysischen Testung wird zwischen der Schwellentestung und überschwelligen Untersuchungen unterschieden. Bei Ersterer geht es darum, ob der Proband einen Geruch erkennt oder nicht, bei Letzterer soll der Duft nicht nur erkannt, sondern auch benannt werden. Beide Testverfahren, Schwellentestung und die überschwellige Testung werden häufig zu einer diagnostischen Kenngröße zusammengefasst.

Bei Riechtests sollte im Idealfall erst eine seitengetrennte Durchführung erfolgen, z. B. mit einem Kurztest. Damit können seitengetrennte Unterschiede erkannt werden, wie sie beispielsweise bei Tumoren oder Nasenatmungsbehinderungen auftreten [23]. Stellt sich kein Unterschied zwischen der olfaktorischen Wahrnehmung der beiden Nasenseiten heraus, kann mit einer beidseitigen Testung fortgefahren werden.

Es gibt eine Reihe von validierten und reliablen Tests. So gibt es beispielsweise einen Riechidentifikationstest, bei dem 40 Duftstoffe mikroverkapselt auf Papier aufgetragen sind. Der Test ist einfach durchzuführen und in vielen Ländern validiert, er beschränkt sich allerdings nur auf eine Duftidentifikation, die kulturell angepasst werden muss und durch verbale Funktionen wesentlich mitbeeinflusst wird, wie z. B. Muttersprachlichkeit. Ein anderer Test mit Riechstiften hingegen erhebt nicht nur eine Duftidentifikation, sondern auch einen Duftschwellenwert und die Geruchsdiskriminierung. Auch dieser Test ist zuverlässig und wurde für viele Länder weltweit validiert [24].

Merke

Duftidentifikation kann kulturell spezifisch sein, und entsprechende Tests müssen für die Patientenpopulation validiert sein.

Je nach Anamnese und vermuteter Ursache der Riechstörung kann eine Bildgebung des Schädels (z. B. Schädel-Magnetresonanztomographie, MRT) ergänzend sinnvoll sein. Neoplasien können damit detektiert werden, außerdem kann das Volumen des Riechkolbens berechnet werden. Dieses kann z. B. bei neurodegenerativen Erkrankungen vermindert sein [5].

Merke

Die Diagnostik einer Riechstörung umfasst:

  • die Anamnese mit Erfassung des zeitlichen Auftretens der Riechstörung,

  • die vollständige Untersuchung von Kopf/Hals mit nasaler Endoskopie,

  • die olfaktorische und gustatorische Untersuchung mit validierten Testverfahren,

  • ggf. weiterführende Diagnostik (z. B. Schädel-MRT).

Ätiologie

Als häufigste Ursache einer Riechstörung bei Patienten in einer niedergelassenen HNO-Praxis gilt die chronische Rhinosinusitis (CRS; Tab. 2). Hier gilt eine Fluktuation der Beschwerden als Besonderheit, da diese deutlich weniger häufig bei Patienten mit posttraumatischer, postinfektiöser, angeborener oder neurodegenerativer Riechstörung auftritt [1, 25, 26, 27, 28].

Zudem kann bei einer Riechstörung in Zusammenhang mit einer CRS teilweise ein Unterschied zwischen ortho- und retronasaler olfaktorischer Funktion beobachtet werden [29, 30, 31]. Das zeigt sich in der Angabe einer erhaltenen Schmeckfunktion (a. e. durch einen retronasalen Zugang zur Riechschleimhaut), während das orthonasale Riechen stärker behindert ist [1]. Daher sollte ortho- und retronasales Riechvermögen auch separat untersucht werden. Eine Riechstörung, die mit einer CRS assoziiert ist, sollte zudem steroidabhängig reversibel sein. Dies gibt einen klaren Hinweis auf eine entzündliche Komponente [32].

Insgesamt hat v. a. eine CRS, die mit Polypen assoziiert ist, öfter eine Assoziation mit einer Riechstörung, da hierbei nicht nur von einer Entzündungsreaktion (die hinsichtlich der Riechstörung im Vordergrund steht), sondern nicht selten auch von einem mechanischen Verschluss der Riechspalte auszugehen ist [1, 33, 34]. Somit profitieren diese Patienten nicht nur von einer Abtragung der Polypen, sondern sollten v. a. antiinflammatorisch behandelt werden. Bei keiner Besserung unter konservativer Therapie oder einer funktionalen endoskopischen Sinusoperation („functional endoscopic sinus surgery“, FESS) kann dann im nächsten Schritt eine weitere Therapie mittels Biologicals, oralen Kortikosteroiden oder Revisionsoperation in Betracht gezogen werden [1].

Riechverlust ist zuletzt mit einer Infektion mit dem SARS-CoV‑2-Virus (COVID-19) assoziiert worden. Plötzlicher Riechverlust kann sogar als einziges Symptom einer Coronainfektion auftreten, daher sollten diese Patienten auf COVID-19 getestet werden [35]. Vor allem bei jüngeren Frauen war Riechverlust oft das einzige Symptom einer Erkrankung. Riechverlust wurde daher auch in die Diagnosekriterien der Erkrankung mit aufgenommen und gilt dabei als günstiger prognostischer Faktor des Erkrankungsverlaufs. Die Prävalenz wird in der Literatur zwischen 19 und 86 % angegeben [35, 36, 37, 38, 39, 40]. Während sich der Riechverlust in den meisten Fällen nach 7–14 Tagen normalisiert, haben mindestens 10 % der Patienten nach 4–6 Wochen noch deutliche Ausfälle, und die (evtl. unvollständige) Genesung kann womöglich Jahre dauern [35, 41].

Merke

Bei chronischer Rhinosinusitis kann ggf. ein Unterschied zwischen ortho- und retronasaler olfaktorischer Funktion beobachtet werden.

Spontanerholung

Eine Spontanerholung der Riechstörung ohne Therapie tritt bei einem signifikanten Anteil der Patienten v. a. bei postviralen und posttraumatischen Riechstörungen auf. Dabei liegt die Spontanerholung bei postviralen Riechstörungen prozentual deutlich höher als bei posttraumatischen Riechstörungen, wobei die Dauer der Riechstörung eine wichtige Rolle spielt (etwa 60 % bei postviralen im Vergleich zu etwa 20 % bei posttraumatischen). Günstig für die Prognose sind junges Alter, hohes Restriechvermögen und weibliches Geschlecht [42].

Therapie

Die Therapie richtet sich nach der Ursache der Riechstörung. Es gibt keine Therapieform, die sich für alle Formen von Riechstörungen eignet. Zudem ist die Studienlage zur Therapie von Riechstörungen heterogen: Oft fehlen Kontrollgruppen, oder es wurden bis dato nur Pilotstudien durchgeführt. Im Folgenden werden verschiedene therapeutische Ansätze aufgezeigt.

Riechtraining

Die regelmäßige, bewusste Exposition gegenüber Düften, ein „Riechtraining“, verbessert die Riechfunktion. Hier wird postuliert, dass wiederholte Exposition gegenüber Gerüchen die Regenerationsfähigkeit von olfaktorischen Neuronen verbessert. Hinweise dafür kommen aus Untersuchungen mithilfe von Ableitungen von der Riechschleimhaut, sog. Elektro-Olfaktogrammen [43, 44]. Daneben führt Riechtraining zu einer Zunahme des Volumens des Bulbus olfactorius bzw. olfaktorisch bedeutsamer Hirnanteile sowie zu einer verstärkten Antwort des Gehirns auf Duftreizung [45, 46, 47, 48].

Es wurde nachgewiesen, dass tägliches Training (je morgens und abends) mit 4 Duftstoffen (z. B. Rose, Eukalyptus, Zitrone, Gewürznelke), die die Duftkategorien blumig, harzartig, fruchtig und würzig repräsentieren, über 3 Monate den Riechsinn signifikant verbessert [49]. Weitere Studien zeigten, dass höhere Konzentrationen der Duftstoffe, komplexere Düfte sowie der Wechsel von Düften und die konsequente Anwendung über einen längeren Zeitraum noch besser wirkten als z. B. niedrigere Konzentrationen [50, 51]. Empfohlen wird die Durchführung des Riechtrainings über einen Zeitraum von 6–9 Monaten. Je schneller das Riechtraining nach einer Riechstörung aufgenommen wird, desto besser erscheinen die Ergebnisse [52].

Das Riechtraining verbessert so v. a. bei postinfektiöser, aber auch zu geringerem Anteil bei posttraumatischer und idiopathischer Riechstörung signifikant die Riechwahrnehmung [1, 52, 53].

Weil die Kosten des Riechtrainings sehr niedrig sind und es relativ unkompliziert und sicher von den Patienten zu Hause durchgeführt werden kann, wird ein konsequentes Riechtraining zur Verbesserung des Riechsinns empfohlen. Es setzt allerdings eine gute Compliance der Patienten voraus [54].

Merke

Mit

  • höheren Duftstoffkonzentrationen,

  • konsequenter längerer Anwendung

erzielt Riechtraining eine bessere Wirkung.

Chirurgie

Bei Patienten mit CRS mit oder ohne Polypen wird nach frustraner konservativer Therapie bei entsprechender Indikation eine operative Therapie im Sinne einer funktionalen endoskopischen Sinusoperation mit oder ohne Abtragung der Polypen durchgeführt [1]. Insbesondere bei CRS-Patienten mit Polypen und komorbidem Asthma ist die auf den Geruchssinn bezogene Lebensqualität deutlich eingeschränkt. Diese sowie die CRS-bezogene Riechstörung kann durch eine Sinusoperation verbessert werden [55, 56, 57]. Bei CRS-Patienten mit bilateraler Polyposis nasi, welche bereits mittels operativer Therapie im Sinne einer endoskopischen Sinusoperation behandelt wurden, wäre dann eine Therapie mit sog. Biologicals zu evaluieren, z. B. Dupilumab; Interleukin‑4 (IL-4), IL-13.

Hierfür existieren entsprechende Leitlinien, u. a. die deutsche Leitlinie zur CRS, außerdem ein europäisches Positionspapier. Für Patienten mit Riechstörungen ohne CRS ist eine spezifische chirurgische Therapie bis dato weniger etabliert. Zum Beispiel zeigten einige Studien einen positiven Effekt auf das Riechvermögen nach Septumplastik, auch zeigte sich eine Verbesserung bei Patienten nach operativem Verschluss einer Septumperforation [58, 59]. Bei wenigen Patienten mit Phantosmie wurde eine chirurgische Abtragung des Riechepithels vorgenommen, ein Verfahren, das bis heute nicht validiert ist. Es sollte aber aufgrund des hohen Eingriffsrisikos nur in spezialisierten Zentren und als letzte Instanz durchgeführt werden [60].

Topische Steroide

Bei einer auf nasaler Obstruktion basierenden Riechstörung, aufgrund von allergischer Rhinitis oder einer CRS (mit oder ohne Polypen), stellen topische Steroide den Goldstandard im Rahmen der konservativen Therapie zur Reduktion der Entzündungsreaktion dar. Bei der Anwendung topischer Steroide ist es wichtig, dass das Nasenspray nach Möglichkeit mit einem langen Applikator angewendet wird, sodass das Spray die Riechspalte erreicht [61, 62] – ansonsten erreichen Nasensprays wegen der Filterfunktion der Nase bestenfalls die mittlere Muschel, aber nicht die Riechspalte [63] (Kaiteki-Position; Abb. 1).

Systemische Steroide

Systemische Steroide können bei CRS mit oder ohne Polypen entsprechend den Leitlinien zur CRS initial bei Riechstörungen bzw. auch zur funktionellen diagnostischen Abklärung des Vorliegens einer entzündlich bedingten Riechstörung verabreicht werden [5].

Supportive Maßnahmen

Zunächst sollten zur Therapie chronisch entzündlicher Riechstörungen, aber auch bei Riechstörungen im Rahmen einer akuten Rhinitis im Sinne supportiver Maßnahmen ggf. lokal abschwellende Maßnahmen (z. B. abschwellende Nasensprays, Salzwasserspray) angewandt werden, um einen mechanischen Zugang zu den Riechspalten zu gewährleisten. Auch supportive Maßnahmen zur Nasenpflege, wie z. B. Nasenduschen, haben sich bewährt [64].

Merke

Sowohl bei akuten als auch chronischen Riechstörungen sollten lokal abschwellende Maßnahmen für den mechanischen Zugang zu den Riechspalten erfolgen.

Im Folgenden sind eine Reihe von Therapievorschlägen aufgeführt, zu denen es erste Befunde gibt, die allerdings noch nicht breiter untersucht wurden.

Nicht evidenzbasierte Therapievorschläge

Akupunktur

Traditionelle chinesische Akupunktur stellt eine der ältesten Heilmethoden der Welt dar. Eine Studie untersuchte den Effekt von Akupunktur auf postvirale Riechstörungen [65]. Über 10 Wochen erhielten die Patienten in einer je 30-minütigen Sitzung eine Akupunktur von 7 fixen Punkten (DuMai 16 und 20, Di20, Lu 7 und 9, Ma 36, Ni3) und 3 individuellen Punkten. Gemäß den Autoren kann bei traditioneller chinesischer Akupunktur keine Standardtherapie erfolgen, sondern es muss die Therapie auf das Individuum abgestimmt werden. Ungefähr die Hälfte der behandelten Patienten zeigte eine Verbesserung der Riechstörung nach Behandlungsabschluss. Eine weitere Studie bestätigte die positiven Ergebnisse vorhergehender Studien. Insbesondere wurden auf das Vorhandensein einer entsprechenden Kontrollgruppe, Patientenanzahl sowie Homogenität der Patienten geachtet. Die Patienten erhielten 2‑mal wöchentlich eine Akupunktur von fixen Punkten (Bl3, LG23, NP12, Op16, Di4, Lu7, MP6, Ma44), insgesamt 12 Sitzungen. Es zeigte sich bei postinfektiöser Riechstörung eine Verbesserung in der Unterscheidung von Geruchsstoffen. Akupunktur scheint also unabhängig vom Alter die Riechstörung positiv zu beeinflussen und kann daher als adjuvante Maßnahme bei Riechstörungen gelten, jedoch ist es wichtig, zeitnah nach Auftreten der Riechstörung mit der Behandlung zu beginnen [66]. Weitere Studien sind nötig, u. a. auch im Vergleich zur Therapie mit Riechtraining.

Lokales Vitamin A

Vitamin A ist essenziell in der Regeneration olfaktorischer Rezeptorneurone. Eine Therapie mit topischem Vitamin könnte daher dort ansetzen. Aktuell gibt es hierzu jedoch nur eine Pilotuntersuchung, die auf den möglichen Erfolg von lokalem Vitamin A im Vergleich zu alleinigem Riechtraining hinweist [67]. Diese Studie war eine retrospektive Kohortenstudie, daher sollten weitere prospektive Doppelblindstudien/placebokontrolliert durchgeführt werden.

Damit die Nasentropfen effektiv zur Riechspalte gelangen, sollten sie in Kopf-Seit-Kipp-Lage (sog. Kaiteki-Position) angewendet werden [68]. Dabei liegt der Patient auf der Seite mit dem Kopf etwa 20–30° nach oben gedreht und etwa 20–40° nach hinten gekippt (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Applikation von Nasentropfen ins rechte Nasenloch zum effektiven Erreichen der Riechspalte. (Quelle: © Frau Dr. Rumi Sekine, mit freundl. Genehmigung. Nach [68]). a Kaiteki-Position von kranial. Darstellung der Drehung des Kopfes um etwa 20–30° nach oben. b Kaiteki-Position von lateral. Kopf etwa 20–40° nach hinten gekippt

Auch für Steroidlösungen stellt diese Position eine Möglichkeit dar, den therapeutischen Effekt zu verbessern, da die Lösung direkt die Riechspalte erreicht und das Manöver für Patienten einfach und bequem durchführbar ist.

Intranasale Kalziumpufferlösungen

Bei der Aktivierung von Neuronen spielt freies Kalzium eine wesentliche Rolle. Eine Erhöhung des mukosalen Kalziums erhöht wiederum das negative Feedback auf die olfaktorische Signalkaskade, sodass die Sensitivität für einen Geruchsreiz erniedrigt wird. Eine Bindung des freien Kalziums mithilfe von Pufferlösungen wie Natriumzitrat könnte zur Erhöhung der olfaktorischen Signalkaskade und entsprechend zu einer Verbesserung der Riechfunktion führen. In einer Studie wurde einmalig endoskopisch kontrolliert 1 ml Natriumzitratlösung (3,5 g/140 ml, pH 7,4) in das rechte oder linke Nasenloch appliziert, die Gegenseite fungierte als Kontrolle. Die postinfektiöse Hyposmie konnte nach Einmalgabe von intranasalem Natriumzitrat kurzfristig verbessert werden [69]. In einer weiteren Studie wurde Natriumzitrat unter Verwendung eines Sprays endonasal appliziert, auch hier zeigten sich positive Resultate. Die Applikation ist einfach, schnell und scheint vorübergehend zu einer Verbesserung bei quantitativen Riechstörungen führen [70, 71]. Die Applikation von Natriumzitrat über einen längeren Zeitraum, d. h. 2 Wochen, scheint allerdings nicht zu einer Verbesserung der olfaktorischen Funktion führen, jedoch deuten die Daten auf einen vorteilhaften Effekt bei Phantosmien hin [72], der allerdings in weiteren Studien überprüft werden sollte.

Alpha-Liponsäure

Alpha-Liponsäure ist eine Fettsäure, die die Blut-Hirn-Schranke passiert und dort in den aktiven Metaboliten Dihydroliponsäure umgewandelt wird. Durch antioxidative Prozesse hat sie u. a. neuroprotektive und neuroregenerative Eigenschaften und wird beispielsweise in der Behandlung von diabetischer Neuropathie eingesetzt. In einer Pilotstudie bei postviralen Riechstörungen wurde nach peroraler Applikation von alpha-Liponsäure über einen Zeitraum von 4,5 Monaten bei einer Dosierung von 600 mg täglich ein positiver Effekt gezeigt [73]. Weiterführende Studien stehen aktuell noch aus.

Plättchenreiches Plasma

Plättchenreiches Plasma („platelet-rich plasma“; PRP) ist ein autologes, d. h. körpereigenes Produkt, dem neuroprotektive und antiinflammatorische Eigenschaften nachgesagt werden. PRP wird zur besseren Wundheilung, zur Behandlung von Entzündungen oder peripheren Neuropathien angewendet. In einer Pilotstudie wurde bei Patienten mit persistierender Riechstörung PRP einmalig unter endoskopischer Visualisierung in die Riechspalte gespritzt. Nach der Intervention verzeichneten die Patienten zunächst eine subjektive Verbesserung ihrer Riechstörung, danach stagnierte die Verbesserung jedoch [74].

Insulin

Bestimmte Krankheiten, wie z. B. Diabetes mellitus oder M. Alzheimer, sind mit einer erhöhten Insulinresistenz im zentralen Nervensystem und mit einer Riechstörung assoziiert. Im Riechkolben sind Insulinrezeptoren in einer relativ hohen Dichte lokalisiert. Die Applikation von intranasalem Insulin wurde in der Vergangenheit bereits mit einer Verbesserung der Riechschwelle in Verbindung gebracht. In einer Studie wurde bei Patienten mit postinfektiöser Riechstörung intranasal 40 IU Insulin topisch appliziert. Die Patienten schienen nach der Applikation eine kurzzeitige Besserung ihrer Riechstörung zu verzeichnen, allerdings sind weitere und v. a. Studien mit einer größeren Probandenzahl nötig [75, 76]. Auch nach der intranasalen Applikation eines Insulinstreifens bei postinfektiöser Riechstörung nach einer COVID-19-Infektion zeigte eine Studie eine signifikante Verbesserung der Riechfunktion. Man vermutet eine Stimulation des olfaktorischen Epithels durch eine Erhöhung von Wachstumsfaktoren nach Applikation von Insulin [77].

Abgesehen von den aufgeführten noch weiter zu untersuchenden Behandlungsoptionen werden im Folgenden mögliche Vorschläge zur Vorbeugung von Riechstörungen beschrieben.

Vorbeugende Ansätze

Omega-3-Fettsäure

Eine olfaktorische Dysfunktion ist eine bekannte Komplikation nach endoskopischen Schädelbasisoperationen. In einer Studie wurde postoperativ Nasenpflege mit Kochsalzlösung durchgeführt, außerdem erhielten die Studienpatienten eine supportive Gabe von Omega-3-Kapseln (1400 mg, 2‑mal täglich).

Ungesättigte Omega-3-Fettsäure verbessert die synaptische Plastizität, kann neuroprotektiv wirken und als Neurotransmitter fungieren [78]. Der direkte Zusammenhang mit der Besserung einer Riechstörung ist bis dato unklar, jedoch zeigten die Studienpatienten eine Verbesserung ihrer Riechstörung. Vermutet werden eine mögliche neuronale Regeneration oder aber entzündungshemmende Effekte auf die olfaktorische Schleimhaut [79].

Sport

Regelmäßiger Sport hat nicht nur positive Effekte auf das kardiovaskuläre und kognitive System, sondern kann möglicherweise auch einer Degeneration des Riechempfindens vorbeugen. Eine Studie zeigte, dass Patienten mit Normosmie aufgrund von regelmäßiger körperlicher Betätigung (2-mal wöchentlich) ein vermindertes Risiko für eine Riechstörung in späteren Lebensabschnitten vorweisen konnten [80]. In einer weiteren aktuellen Studie wurden aktive und inaktive ältere Personen bezüglich ihres Riechempfindens verglichen. Auch hier zeigte sich der positive Effekt von physischer Aktivität, insbesondere stellten die Autoren eine Verbesserung bei der Identifikation und Diskriminierung von Gerüchen fest, wofür v. a. höhere, komplexere Hirnfunktionen benötigt werden. Insgesamt besteht ein Zusammenhang zwischen Riechempfinden, sozialen Beziehungen, Essverhalten, aber auch kognitiven Fähigkeiten, was durch Aktivität beeinflusst werden kann und die Lebensqualität älterer Menschen erhöht [81].

Merke

Es besteht ein Zusammenhang zwischen Riechempfinden, sozialen Beziehungen, Essverhalten und kognitiven Fähigkeiten.

Ausblick

In der vorliegenden Arbeit wird ein Überblick über Riechstörungen, deren Ursache und Diagnostik gegeben, darüber hinaus werden aktuelle Ansätze zur Therapie aufgezeigt. In Zukunft wären des Weiteren z. B. auch autologe Schleimhauttransplantationen denkbar, eine elektrische Reizung im Sinne einer Tiefenhirnstimulation oder aber auch ein olfaktorisches Implantat. Erste Ergebnisse im Tiermodell zeigten gute Ergebnisse für transplantierte Stammzellen der Riechschleimhaut, da diese nicht nur gut anwuchsen, sondern auch die Riechfunktion zu verbessern schienen [82]. Auch bei geringer Invasivität sind weiterführende Studien nötig, um insbesondere unkontrollierte Zellentwicklung zu untersuchen. Eine Tiefenhirnstimulation hingegen wäre vom Verfahren her invasiver, die Auslösung von Geruchsempfindungen durch elektrische Reize konnte aber in ersten Studien generiert werden [82].

Fazit für die Praxis

  • Eine genaue Anamnese zur Diagnosestellung einer Riechstörung ist wichtig, u. a. auch, weil eine Riechstörung ein erster Indikator für neurodegenerative Erkrankungen oder, wie aktuell gesehen, z. B. das einzige Symptom einer COVID-19-Infektion sein kann.

  • Außerdem ist es wichtig, sich zu vergegenwärtigen, dass Patienten mit Riechstörungen häufiger an Lebensqualitätseinschränkungen und Depressionen leiden als normosmische Patienten.

  • Somit besitzt das Thema einen hohen Stellenwert in der HNO-Praxis.

  • Trotz vielerlei unterschiedlicher therapeutischer Ansätze ist die Therapie der Riechstörung eingeschränkt.

  • Die Arbeitsgemeinschaft Olfaktologie/Gustologie der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie schlägt in Form der AWMF-Leitlinien (Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e. V.) ein Stufenschema zur Therapie vor.