Transorale Resektion von supraglottischen Tumoren

Transorale Lasermikrochirurgie

In den letzten Jahrzehnten hat sich, insbesondere in Deutschland [14], die transorale Lasermikrochirurgie (TLM) als Standardverfahren zur Resektion von supraglottischen Larynxtumoren etabliert [2,3,4, 19, 20, 22, 24]. Limitationen dieses Verfahrens ergeben sich aus der Anwendung von starren Endoskopen, der begrenzten Übersicht und der häufigen Notwendigkeit, den Tumor in mehreren Teilen zu resezieren. Offene Teilresektionen von supraglottischen Larynxkarzinomen sind onkologisch ebenfalls erfolgreich, erfordern jedoch große Erfahrung in diesen speziellen Operationstechniken, um funktionell gute Ergebnisse zu erreichen [21].

Transorale Roboterchirurgie

In den letzten Jahren hat die transorale Roboterchirurgie (TORS), insbesondere bei der Behandlung von Oropharynxkarzinomen, zunehmend an Bedeutung gewonnen. In vielen Studien hat sich das Intuitive da-Vinci-System als effektiv, sicher und erfolgreich bei der Behandlung dieser Kopf-Hals-Tumoren erwiesen. Nach guten onkologischen und funktionellen Ergebnissen bei der Resektion von Oropharynxtumoren kam das System auch erfolgreich bei der Resektion von supraglottischen Tumoren zur Anwendung [1, 12, 14, 15, 23]. Der Roboter ermöglicht in vielen Fällen eine gute Visualisierung der Tumoren, und im Vergleich zur offenen Chirurgie wird über vergleichbare onkologische Ergebnisse bei geringerer Morbidität berichtet [7, 16]. Beim da-Vinci-Roboter limitieren jedoch die starren Arme bei ungünstiger Anatomie den Einsatz in tieferen Larynxregionen [10]. Seit 2014 ist das Flex Robotic System (Fa. Medrobotics, Raynham/MA, USA) als zweites chirurgisches Robotersystem im Kopf-Hals-Bereich für die klinische Anwendung zugelassen und weist demgegenüber die Vorteile einer flexiblen Mechanik bei gleichzeitig geringerem Instrumentendurchmesser auf.

Flex Robotic System

Das Flex Robotic System wurde speziell für den Einsatz in der transoralen Chirurgie entwickelt. Es verfügt über ein robotisches Endoskop, welches 18 cm tief in den Pharynx und Larynx eingeführt werden kann und sich selbst stabilisiert. Das Endoskop ist an der Spitze mit einer 3‑D-High-Definition(HD)-Kamera ausgestattet, die dem Operateur eine Visualisierung über einen 3‑D-Monitor ermöglicht. Am Endoskop sind seitlich 2 Arbeitskanäle angebracht, über die flexible Instrumente in den Situs eingeführt werden. Neben der Möglichkeit zur bipolaren und monopolaren Koagulation kann über einen Laserhalter eine flexible CO2-Laser-Sonde in das Operationsgebiet vorgeschoben werden, um laserchirurgische Resektionen mit entsprechend präzisen Schneideeigenschaften bei gleichzeitiger Hämostase zu ermöglichen. Es stehen zudem verschiedene flexible Fasszangen und monopolare Schneideinstrumente zur Verfügung. Die Steuerung des Endoskops erfolgt manuell über eine Konsole, die mit einem Joystick ausgestattet ist. In Vorarbeiten zeigten die Autoren, dass alle anatomischen Regionen des Pharynx und Larynx mithilfe des Systems im Regelfall erreicht werden können, bei gleichzeitig deutlich besserer Übersicht im Vergleich zur TLM. Die Anwendung und Machbarkeit der flexiblen transoralen Roboterchirurgie wurde bei einem Teil der in dieser Studie vorgestellten Patienten in Vorgängerstudien bereits untersucht und ausgewertet [8, 9].

Patienten und Methoden

Indikation

Im Zeitraum zwischen Juli 2014 und Februar 2020 führten die Autoren bei 32 nicht vorbehandelten Patienten mit einem histologisch gesicherten supraglottischen Larynxkarzinom eine transorale roboterassistierte Tumorresektion mit dem Flex Robotic System durch. Es handelte sich um 20 Männer und 12 Frauen mit einem Durchschnittsalter von 65,4 Jahren (Tumorstadien: T1 = 11; T2 = 20; T3 = 1). Im Rahmen einer prospektiven Studie untersuchten die Autoren hierbei die Durchführbarkeit der Operation, die Komplikationen sowie die funktionellen und onkologischen Ergebnisse. Die Therapieentscheidung über Primärtherapie und adjuvante Behandlung wurde im Kopf-Hals-Tumorboard interdisziplinär getroffen. Mit der Empfehlung des Tumorboards ging eine ausführliche Aufklärung des Patienten über Möglichkeiten, Risiken und Alternativbehandlungen einher.

Operation und adjuvante Behandlung

Die chirurgischen Eingriffe wurden nach schriftlichem Einverständnis des Patienten mit dem Flex Robotic System von einem speziell geschultem Operationsteam durchgeführt. Das chirurgische Vorgehen orientierte sich an den Empfehlungen der European Laryngological Society zur Resektion von supraglottischen Tumoren [17]. Die Operationen wurden in Vollnarkose nach transoraler Intubation und unter Verwendung von 5‑ oder 6‑mm-Lasertuben (Rüsch Lasertubus Magill Cuffed ETT, Fa. Teleflex, Fellbach) vorgenommen. Die Einstellung der Tumorregion erfolgte mit dem Flex-Retraktor [5], einem Mundsperrer mit variablen Spateln samt integrierter Absaugung, der mithilfe eines Arms am Kopfende des Patienten am Op.-Tisch fixiert wurde (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Operationssitus: Transoral intubierter Patient (5,0-mm-Lasertubus), fixierter Flex-Retraktor und eingeführtes flexibles Roboterendoskop mit Arbeitskanälen (Fa. Medrobotics, Raynham/MA, USA)

Die Tumoren wurden mit einer flexiblen Laserfaser, gekoppelt an einen CO2-Laser (Acupulse Duo, Fa. Lumenis, Yokneam, Israel), mit einer Leistung von 10–15 W im Superpuls-Modus reseziert (Abb. 2). Die Faser wurde mittels eines flexiblen Laserfaserhalters geführt und verfügte über Luftkühlung und Zielstrahl. Zur Blutstillung kamen monopolare und bipolare flexible Instrumente zur Anwendung. Zusätzlich wurden ein starrer, monopolarer Sauger und endoskopische Clipapplikatoren verwendet, die seitlich am Endoskop vorbei in den Pharynx eingeführt wurden. Größere arterielle Gefäße, insbesondere die A. laryngea superior, wurden vor Absetzung mit Koagulation und Gefäßclips versorgt. Ein assistierender Chirurg unterstützte den Operateur mit bis zu 3 weiteren Instrumenten, die neben dem Roboterendoskop zusätzlich in den Situs eingebracht werden konnten (Abb. 3).

Abb. 2
figure 2

Supraglottisches T2-Larynxkarzinom rechts. Resektion mit flexibler CO2-Laser-Faser

Abb. 3
figure 3

Endoskopische Resektion des supraglottischen Tumors durch Operateur und Assistent (kleines Bild oben rechts)

Die Entscheidung über eine adjuvante Therapie wurde je nach Tumorgröße, Resektionsstatus und Tumorstadium vom lokalen interdisziplinären Tumorboard gefällt. Eine eventuell indizierte ein- oder beidseitige Neck-Dissection erfolgte in gleicher Sitzung im Anschluss an die Tumorresektion.

Ergebnisse

Chirurgisches Vorgehen

Im Zeitraum von Juli 2014 bis Februar 2020 operierten die Autoren 32 Patienten (Durchschnittsalter 68,8 Jahre) mit einem supraglottischen Larynxkarzinom (23 = männlich, 9 = weiblich) unter Einsatz des Flex Robotik System in kurativer Intention. Die Tumoren wurde wie folgt klassifiziert: T1 = 11, T2 = 20, T3 = 1; unter Berücksichtigung des Lymphknotenstatus entsprach dies den Stadien gemäß Union Internationale Contre le Cancer (UICC): I = 11, II = 10, III = 4, IVa = 5, IVb = 2.

Alle Operationen konnten erfolgreich durchgeführt werden. Bei 21 der 32 Patienten wurde ergänzend zur transoralen Resektion eine bilaterale Neck-Dissection durchgeführt, insbesondere bei Patienten in den Stadien III und IV. Bei 12 dieser Patienten erfolgte zu Beginn der Operation eine temporäre Tracheostomie, die in allen Fällen im Verlauf wieder verschlossen werden konnte. Bei 15 Patienten konnte der Tumor en-bloc reseziert werden, bei den übrigen Patienten erfolgte die Resektion in 2 oder mehreren Anteilen, mit laserchirurgischen Schnitten durch den Tumor. In 14 Fällen erfolgte eine histopathologische R0-Resektion, in einem Fall zeigte sich eine „Close-Margin-Situation“. Bei den übrigen Patienten war aufgrund der Resektionstechnik mit Schnitten durch den Tumor eine histopathologische Einschätzung des R‑Status nicht möglich (Rx).

Komplikationen

Während der Operationen kam es zu keinen schwerwiegenden Komplikationen. Postoperativ musste bei 4 Patienten (12,5 %) eine Nachblutung operativ in Intubationsnarkose versorgt werden. Postoperativ wurden 11 Patienten mit Tumoren der Stadien II bis IV vorübergehend mit einer nasogastralen Ernährungssonde versorgt. Die durchschnittliche Liegedauer der Sonde betrug 6,8 Tage (±4,8).

Onkologischer Verlauf

Der durchschnittliche Nachuntersuchungszeitraum betrug 32,1 Monate. Von den 32 operierten Patienten erreichten 16 eine Nachuntersuchungszeitraum von 2 Jahren. Die lokale Tumorkontrolle betrug 94 % (15 von16 Patienten) und das 2‑Jahres-Gesamtüberleben 88 % (14 von 16 Patienten). Ein Patient verstarb tumorbezogen infolge einer Metastasierung, ein Patient unabhängig vom Tumorleiden.

Diskussion

Die flexible roboterassistierte Chirurgie bietet dem Operateur einen sehr guten, dreidimensionalen Überblick über die anatomischen Verhältnisse im Bereich der Supraglottis. Durch diese Übersicht ist es leichter, Tumorgrenzen zu identifizieren und gesundes Gewebe zu schonen. Die flexiblen Instrumente ermöglichen Resektionslinien auch dorsal des Tumors, wodurch En-bloc-Resektionen häufiger als bei der TLM möglich sind. Aufgrund der größeren endopharyngealen Platzverhältnisse bei Verwendung des Flex-Retraktors, im Vergleich zum starren Endoskop bei TLM, ist auch die Resektion größerer Tumoren transoral möglich.

Die Tracheostomierate lag mit 12,5 % z. T. deutlich unter denen anderer Autoren. Die Tracheostomie erfolgte in dem hier untersuchten Kollektiv ausschließlich aus Sicherheitsgründen, bei großen Tumoren und beidseitiger Neck-Dissection und nicht, um die Sicht im Operationsgebiet zu verbessern. Um Langzeitkomplikationen [5, 21] zu vermeiden, erfolgte der Tracheostomaverschluss innerhalb der ersten 2 Wochen postoperativ.

Die postoperative Ernährung über eine nasogastrale Sonde war nur bei 11 Patienten (Stadium II–IV) vorübergehend erforderlich, um eine frühe postoperative Aspiration zu vermeiden. Nach logopädischem Schlucktraining konnte die Magensonde bei allen betroffenen Patienten spätestens in der zweiten Woche nach Operation entfernt werden. Roh et al. zeigten, dass die postoperative Aspirationsrate bei TLM geringer ist als die bei offenen Verfahren [18]. Auch in dem hier vorgestellten Kollektiv konnte bei allen Patienten die Magensonde ohne nachfolgende Aspiration entfernt werden. Die flexible roboterassistierte Resektion ermöglicht somit, ebenso wie die TLM [6, 17], einen guten Erhalt der Schluckfunktion und zeigt im Vergleich zur primären Strahlentherapie mindestens vergleichbare funktionelle Ergebnisse [11].

Die Nachblutungsrate entspricht mit 12,5 % den Berichten anderer Autoren [7]. Im Rahmen der endoskopischen Blutstillung waren bei 3 von 4 Patienten Blutungen aus der A. laryngea superior nachweisbar. Bei 2 Patienten waren die während der Operation gesetzten Gefäßclips abgerutscht, was einen Hinweis darauf darstellt, dass in diesem Punkt besondere Sorgfalt erforderlich ist. Ein Nachteil des Flex Robotic System hierbei ist das Fehlen flexibler Clipzangen, sodass intraoperativ die Clips mithilfe von starren Zangen aus der endoskopischen Chirurgie gesetzt werden müssen. Abhilfe werden hier flexible Koagulationssauger und flexible Clipapplikatoren schaffen, die sich gegenwärtig in der Entwicklung befinden.

Fazit für die Praxis

  • Das Flex Robotic System der Fa. Medrobotics, Raynham/MA, USA, bietet bei der Resektion von supraglottischen Tumoren eine hervorragende Übersicht und ermöglicht eine sehr gute Tumorkontrolle.

  • Die funktionellen Ergebnisse sind ausgezeichnet, und die vorläufigen onkologischen Ergebnisse sind denen der transoralen Lasermikrochirurgie und den offenen Verfahren mindestens vergleichbar.