Die weltweite Ausbreitung der Coronavirus-Erkrankung (COVID-19, SARS-CoV-2) wurde am 11.03.2020 von der WHO zu einer Pandemie erklärt (Fallzahlen unter www.rki.de/covid-19-fallzahlen). Hals-Nasen-Ohren(HNO)-Ärzte waren unter den ersten ärztlichen Opfern in Wuhan, und auch weiter sterben nach Presseberichten häufig HNO-Ärzte an den Folgen der Infektion.

Im Gegensatz z. B. zu Zahnärzten, die das Tragen eines Mundschutzes und von Handschuhen schon sehr lange praktizieren und daher eine niedrige Infektionsrate aufweisen, sind HNO-Ärzte, aber auch Augenärzte wegen ihrer unmittelbaren Nähe zur Infektionsquelle aus Nase und Mund des Erkrankten durch eine Tröpfchen- oder Schmierinfektion stärker gefährdet [4], da bisher persönliche Schutzmaßnahmen in der Routine unüblich waren [5].

Publikationen, die sich speziell mit Schutzmaßnahmen von HNO-Ärzten beschäftigen, sind daher zu beachten [5]. (Schutz‑)Brille (besser Schutzvisier, keine Kontaktlinsen) und FFP2-Maske sind die Minimalschutzausstattung (s. a. HNO-Corona-News-Ticker www.hno.org/de/corona). HNO-ärztliche Untersuchungen und Operationen sind auf das Allernötigste zu beschränken.

Zur Begutachtung teilt die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) mitFootnote 1:

Da alle Sozialkontakte soweit wie möglich eingeschränkt werden sollen, werden die Unfallversicherungsträger bis auf weiteres keine neuen Gutachtenaufträge mehr erteilen. Wurde in einem laufenden Begutachtungsverfahren die persönliche Untersuchung bereits durchgeführt, soll das Gutachten wie üblich erstellt werden, wenn mit der Fertigstellung im üblichen Zeitrahmen zu rechnen ist.

Neue Untersuchungstermine sollen bis auf weiteres nicht mehr terminiert werden. Bei bereits vereinbarten Untersuchungsterminen bitten wir, das weitere Vorgehen mit dem beauftragenden Unfallversicherungsträger abzustimmen.

Die Fristenregelung des § 49 Abs. 2 Ärztevertrag wird vorübergehend ausgesetzt. Eventuelle, aus verspätet erstellten Gutachten entstehende Nachteile gehen nicht zu Lasten des Gutachters.

Vor dem Hintergrund neuester Erkenntnisse, dass bleibende Lungenschäden (auch beatmungsinduziert) [1, 11, 12], schwere kardiovaskuläre Folgen [1, 3, 9], das Guillain-Barré-Syndrom [8] und andere schwere Neuropathien [6] sowie ein Verlust des Riech- und Schmecksinns [5, 10] auftreten können, bekommt COVID-19 die Dimension einer Berufskrankheit für den HNO-Arzt, aber auch für andere im Gesundheitsdienst Beschäftigte. Ein Arbeitsunfall ist eine COVID-19-Infektion nicht, da es sich bei COVID-19 um eine Pandemie und somit eine Allgemeingefahr handelt, die für Beschäftigte im Gesundheitswesen ein höheres Erkrankungsrisiko durch das Virus bedeutet.

Berufskrankheiten werden durch Verordnung in die Berufskrankheiten-Liste aufgenommen, die als Anlage 1 der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) geführt wird. Was als Berufskrankheit infrage kommt, bestimmt die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrats nach Beratung durch den ärztlichen Sachverständigenbeirat, Sektion Berufskrankheiten. Der Gesetzgeber hat die Schwelle zum Melden einer Berufskrankheit sehr niedrig gesetzt: Jeder, der den Verdacht hat, kann diesen melden: der Betroffene, der Betriebsarzt, die Krankenkasse, der Unternehmer und natürlich der Arzt, an den sich der Versicherte in der Regel mit Krankheitserscheinungen wendet. Die Meldung kann völlig formlos erfolgen, allerdings nicht durch den Arzt, der den Vordruck F6000 zwingend verwenden soll. Eine Verdachtsanzeigepflicht besteht nur für die sog. Listen-Berufskrankheiten [7].

Was nicht alle wissen: Für den Unternehmer und den Arzt besteht nach § 202 SGB VII gesetzlich eine Verpflichtung, dem Unfallversicherungsträger oder der für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stelle den Verdacht unverzüglich anzuzeigen. Dies hat in der für die Anzeige von Berufskrankheiten vorgeschriebenen Form (§ 193 Abs. 8 SGB VII) zu erfolgen. Hier geht es denkbar einfach zu: das Formblatt lässt sich im *.pdf- oder *.doc-Format von der Internetseite der DGUV (www.dguv.de) oder von der Homepage der jeweiligen Berufsgenossenschaft herunterladen, sodass ein Ausfüllen – auch durch die Helferin – auf dem PC möglich ist.

Die Anzeige ist im Übrigen unverzüglich, d. h. in der Rechtssprache ohne „schuldhaftes Zögern“, zu erstatten. Das Einverständnis des Versicherten ist für die BK-Anzeige übrigens nicht erforderlich, da eine gesetzliche Pflicht nach § 202 SGB VII zur BK-Anzeige besteht. Der Versicherte selber ist nicht verpflichtet, eine Mitteilung abzugeben.

Allerdings muss es sich um einen „begründeten“ Verdacht handeln.

Will man sich näher informieren, dann stehen „Merkblätter“ zu den jeweiligen Berufskrankheiten zur Verfügung, die den Zweck verfolgen, Ärzten Hinweise für die Erstattung einer Berufskrankheiten-Verdachtsanzeige zu geben [2].

Wenn eine Anzeige bei der zuständigen Stelle eingeht, muss diese durch eine Ermittlung dem Verdacht auf den Grund gehen und auch alle Maßnahmen zum Schutz des Arbeitsnehmers ergreifen. Im Kern gehört dazu die Ermittlung der „haftungsbedingenden Kausalität“. Es muss ermittelt werden, ob ausreichende tätigkeitsbedingte Umstände vorlagen, eine Berufskrankheit zu verursachen.

Für die Meldung auf Verdacht einer Berufskrankheit wird ein Honorar nach der UV-GOÄ (Gebührenordnung für Ärzte, Gesetzliche Unfallversicherung) nach Nummer 141 (§ 44 Vertrag Ärzte/UV-Träger) gezahlt. Das Honorar bezieht sich nur auf die Anzeige als solche und den damit verbundenen Aufwand, nicht auf weitergehende Leistungen. Für Kopien vorhandener Befunde kann die Nummer 191 zum Tragen kommen.

Unter der BK Nr. 3101 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) sind Krankheiten erfasst, die von Mensch zu Mensch übertragbar sind. Diese Krankheiten fallen grundsätzlich dann unter die BK Nr. 3101 der Anlage zur BKV, wenn sie bei Versicherten auftreten, die infolge der Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit in bestimmten Bereichen einer gegenüber der allgemeinen Bevölkerung wesentlich erhöhten Infektionsgefahr ausgesetzt sind [2]. Die Allgemeingefahr einer Infektion tritt wegen des erhöhten beruflichen Risikos in den Hintergrund. Dies trifft für COVID-19 zu.

COVID-19 ist eine Infektionskrankheit, die durch Tröpfchen- oder Schmierinfektion übertragen wird. COVID-19 ist zwar nicht explizit im Anhang zum Merkblatt aufgeführt, erfüllt aber alle Kriterien einer von Mensch zu Mensch übertragbaren Infektionskrankheit.

Die DGUV teilt mitFootnote 2:

Hatte eine versicherte Person im Rahmen ihrer versicherten Tätigkeit in einem der genannten Tätigkeitsbereiche direkten Kontakt mit einer Person, die wahrscheinlich oder bestätigt mit COVID-19 infiziert war, und sind nach dem direkten Kontakt Krankheitssymptome aufgetreten, übernimmt der zuständige Gesetzliche Unfallversicherungsträger in diesem Fall die Kosten für einen PCR-Test [Polymerasekettenreaktion]. Ein direkter Kontakt liegt insbesondere vor bei einer pflegerischen Tätigkeit an der Indexperson, bei einer körperlichen Untersuchung der Indexperson oder bei direktem Kontakt mit Atemwegssekret oder anderen Körperflüssigkeiten. Keine Kosten kann die Gesetzliche Unfallversicherung hingegen für etwaige Screenings, Reihenuntersuchungen oder Testungen übernehmen, die aus Gründen des Patienten – oder Mitarbeiterschutzes bzw. der allgemeinen Gefahrenabwehr durchgeführt werden.

Daher ist auch schon bei Vermutung, auf jeden Fall aber bei positiver Testung oder entsprechenden Krankheitszeichen wie Fieber, Husten, Atemschwierigkeiten eine Verdachtsanzeige mit Vordruck F6000 zu erstatten. Eine Vorstellung bei einem D‑Arzt erübrigt sich, da es sich bei einer Infektion mit COVID-19 nicht um einen Arbeitsunfall handelt.

Fazit für die Begutachtung

Die Verdachtsanzeige auf eine Berufskrankheit ist Pflicht. Ist eine COVID-19-Infektion nachgewiesen, oder besteht der Verdacht darauf, ist eine Anzeige zu erstatten, da eine BK 3101 vorliegen kann. Vor dem Hintergrund der sich mehrenden Erkenntnis, dass nicht nur der Tod, sondern auch lebenslange Lungenveränderungen, Herz-Kreislauf-Erkankungen und Neuropathien nach COVID-19 auftreten können, ist die Anerkennung eine Berufskrankheit für den Hals-Nasen-Ohren(HNO)-Arzt, Kollegen und andere Angehörige des unmittelbaren Gesundheitsdienstes von entscheidender Bedeutung. Begutachtungen mit körperlicher Untersuchung sollten bis auf Weiteres nicht durchgeführt werden.