Hintergrund

Die Präsenzvorlesung ist die traditionsreichste und vorherrschende Lehrmethode an den meisten medizinischen Universitäten Deutschlands. In Zeiten der digitalen Transformation, moderner Lehrformen und des problemlosen (Online‑)Zugriffs auf Lernmaterial ist ein Hinterfragen dieser Lehrmethode ob ihrer Aktualität als legitim anzusehen [2].

Vor allem der Bereich E‑Learning (insbesondere „blended learning“) gewinnt zunehmend an Bedeutung und wird in der Lehrforschung bezüglich Effektivität mindestens als gleichwertig zur Vorlesung (VL) angesehen [11, 14, 17, 18, 20]. Hierbei spielen auch die Rahmenbedingungen des E‑Learning eine nicht unwesentliche Rolle: zeitliche und räumliche Unabhängigkeit der Nutzung und Flexibilität (Lerntempo) sind in der Medizin in einem Zeitalter umfangreicher Informationsvermittlung, im Sinne der Effizienz, als absolut vorteilhaft einzustufen [9, 13, 17, 18, 20]. Dieser Effizienz folgend korreliert die Lernmotivation Studierender erfahrungsgemäß im Semesterverlauf reziprok mit der Präsenz bei Pflichtveranstaltungen, unabhängig von Fachgebiet und LokalisationFootnote 1 [6]. Besonders extrinsisch getriggert wird diese Motivation im Sinne des Mottos „assessment drives learning“ durch die zum Semesterende fachübergreifend stattfindenden Leistungsnachweise [18, 21]. Ob die Nutzung von E‑Learning jedoch direkt mit dem Rückgang von Vorlesungsteilnehmenden einhergeht, bleibt umstritten [1, 3, 7, 8].

Neben externen Gründen (Job, Kinder usw.) geben viele Studierende an, die Teilnahme von Vorlesung zu Vorlesung zu entscheiden, wobei u. a. frühere Erfahrungen mit dem Dozenten, der zu erwartende Lerneffekt, der Zeitpunkt der Vorlesung sowie die aktuell geforderte Lernzeit in anderen Fächern diese Entscheidung beeinflussen können [3, 6, 13, 15].

Dieser letzte Punkt tangiert besonders „kleine Fächer“ wie die HNO-Heilkunde, die oft nur „Nebenrollen“ neben den großen Pflichtfächern einnehmen. Somit ist es gerade für ein kleines Fach wichtig, eine hochwertige und ansprechende Lehre anzubieten.

Entwicklung eines neuen Vorlesungskonzepts

Vor diesem Hintergrund wurde an der Universitäts-HNO-Klinik Freiburg entschieden, ein neues Vorlesungskonzept einzuführen. Dieses Konzept, die „HNO-3-D-Trilogie“, wurde als Pilotveranstaltungen in die bisherige Vorlesungsreihe integriert. Sie sah die Kooperation von 3 Dozenten aus den Fächern HNO-Heilkunde, Anatomie und Radiologie vor und sollte mit Interaktivität sowie einem Blended-Learning-Format den klassischen Kritikpunkten der Vorlesung entgegenwirken [10]. Mit der Zielsetzung, die Komplexität ausgesuchter Themengebiete verständlich zu erklären und gesteigerte Lerneffekte zu erlauben, sollte durch das Angebot einer qualitativ hochwertigen Lehrveranstaltung, das Interesse am Vorlesungsbesuch gesteigert werden. Wenngleich die aus dem Titel primär zu antizipierenden und namensstiftenden 3‑D-Effekte ausreichend zum Einsatz kamen, so lag die Diversität der 3 fachspezifischen Perspektiven ebenso als Metapher der Namensfindung zugrunde. Hierzu sollte sich die Vorlesung technisch anspruchsvoller Demonstrationen aus den Bereichen Anatomie, Bildgebung/Rekonstruktion, Ohrchirurgie/-mikroskopie, Nasennebenhöhlen(NNH)-/Schädelbasischirurgie, Navigation, Schluckdiagnostik sowie funktionelle Larynxdarstellung bedienen, aber auch die 3 differenten und doch sich ergänzenden Perspektiven der Fachgebiete (Dozenten) zur Geltung kommen lassen. Der aufsehenerregende Name der Vorlesungsreihe sollte zur Diskussion anregen und die Neugierde der Studierenden wecken.

Hypothesen

  • Das neue 3‑D-Lehrformat wird besser evaluiert als das reguläre Vorlesungsformat.

  • Das Konzept der 3‑D-Vorlesungen führt zu einer Erhöhung der Vorlesungsbesuche der Studierenden.

  • Das „traditionelle“ Lehrformat der Vorlesung wird als nicht mehr zeitgemäß eingestuft.

Methoden

Aufbau und Durchführung der Vorlesungsreihe

Die regulären Vorlesungen fanden immer montagnachmittags von 17:15–18:00 Uhr statt. Einzig die 3‑D-VL waren mit 60 min veranschlagt. Sie wurden im Vorfeld in der Einführungsvorlesung sowie auf der E‑Learning-Plattform ILIAS (integriertes Lern‑, Informations- und Arbeitskooperations-System) der Universität Freiburg angekündigt. Hier wurde auch im Vorfeld ein E‑Learning Modul zu jeder 3‑D-Vorlesung und für jede Fachdisziplin angeboten.

Die Vorlesungsreihe des Fachgebiets HNO-Heilkunde, die im 7./8. Semester angeboten wird, umfasste 15 Vorlesungen. Hiervon wurden den 3 neukonzipierten Vorlesungen die Themen Mittelohr, Nase und Nasennebenhöhlen sowie Larynx zugewiesen, die restlichen Themen verteilten sich auf die verbliebenen regulären Vorlesungen (Abb. 1). Die Repetitoriumsvorlesung beinhaltet als Sonderform eine Rekapitulation der Semestervorlesungsreihe anhand der ausgegebenen Lernziele.

Abb. 1
figure 1

Zeitstrahl des Untersuchungsablaufs. Vorlesungsplan des Wintersemesters 2017/2018, blau reguläre Vorlesungen, rot jeweilige 3‑D-Vorlesung, grün Klausur zum Semesterende, orange Öffnung und Schließung des Online-Fragebogens. VL Vorlesung, NNH Nasennebenhöhlen, HNO HNO-Heilkunde

Die 3‑D-Vorlesungen wurden immer von den gleichen Dozenten aus den Fachbereichen HNO-Heilkunde, Anatomie und Radiologie durchgeführt. Die Präsentation fand als interaktiver „Trialog“ statt, auch unter Verwendung von Voting-Systemen. Neben der Rekapitulation wichtiger anatomischer Grundlagen wurden thematisch angepasst typische HNO-Krankheitsbilder vorgestellt. Zur Veranschaulichung des klinischen Bezugs wurden bildgebende Befunde unter dem Aspekt „klinische Anatomie“ erklärt. Diese Teile waren miteinander verbunden und logisch aufeinander aufgebaut. Das fachliche Niveau war, wie auch das Lerntempo, angehoben (Grenzbereich Weiterbildung), da ausgehend vom Blended-Learning-Format und somit im Sinne der „Inverted-Classroom-Methode“ die Inhaltsvermittlung außerhalb und die Inhaltsvertiefung innerhalb des Hörsaals erfolgen sollte [4, 19]. Am Ende jeder Vorlesung wurde eine fachspezifische Lernerfolgskontrolle (freiwillig) angeboten.

Evaluation und Lerneffektkontrolle

Mit einem 4 Fragen umfassenden Fragebogen wurden im Wintersemester 2017/2018 die Studierenden des HNO-Blocks gebeten, jede Vorlesung zu evaluieren. Diese Fragen waren auf 5‑stufigen Likert-Skalen (1: „trifft überhaupt nicht zu“/5: „trifft voll und ganz zu“) zu beantworten. Mit der letzten Frage wurde um eine Gesamtnote gebeten (1: sehr gut/5: mangelhaft). Bei den 3‑D-Vorlesungen wurde die Evaluationskarte zusätzlich um die Frage: „Haben Sie sich vor dieser Veranstaltung anhand des E‑Learning Moduls vorbereitet?“ (5-stufige Likert-Skala) ergänzt.

Zur Lernerfolgskontrolle wurden vor und nach der 3‑D-Vorlesung Fragenkarten verteilt mit je einer Frage zu den jeweiligen 3 Fachgebieten HNO-Heilkunde, Anatomie und Radiologie. Zusätzlich hatten die Studierenden die Möglichkeit, nach Abgabe der Fragenkarte, mittels Voting-System zu den gleichen Fragen ihren Lernerfolg ad hoc zu überprüfen.

Lehrformatpräferenzen

Zum Semesterende erhielten alle für den Blockkurs HNO-Heilkunde angemeldeten Studierenden ein Anschreiben via E‑Mail, versehen mit einem Link zu einem Abschlussfragebogen, in dem die Präferenzen der Studierenden gegenüber den verschiedenen Lehrformaten erfasst wurden. Fokussiert wurde v. a. auf den Besuch der 3‑D-Vorlesung, deren möglichen Effekt und ob sich dieses Format von den regulären Vorlesungen abhebt. Die Fragen waren auf 5‑stufigen Likert-Skalen (1: „trifft voll und ganz zu“/5: „trifft ganz und gar nicht zu“) zu beantworten. Die Teilnehmenden hatten ebenfalls die Möglichkeit, ihre Wünsche, Anregungen und/oder Kritik in Form eines Freitexts anzugeben.

Stichprobe

Die Stichprobe bestand aus Studierenden des Fachs Humanmedizin der Albert-Ludwig-Universität Freiburg, die im Wintersemester 2017/2018 am HNO-Blockkurs teilgenommen haben. Insgesamt waren 148 Studierende in diesem Blockkurs eingeschrieben.

Statistische Analysen

Die statistischen Analysen erfolgten mittels einfaktorieller Varianzanalysen. Zusätzlich wurden Post-hoc-Tests (Tukey) gerechnet, die aufzeigen, welche Mittelwerte sich signifikant voneinander unterscheiden (Tab. 12 und 3). Des Weiteren wurde η2 als Maß der Effektstärke berechnet, das den Prozentsatz der durch einen Faktor erklärten Varianz wiedergibt. Ein η2 = 0,01 wird als kleiner Effekt betrachtet. Ein η2 = 0,06 wird als mittlerer Effekt und ein η2 = 0,14 als großer Effekt angesehen [5]. Zusätzlich wurde das Cohen‑d als Maß der Effektstärke für den gepaarten t‑Test ausgerechnet. Ein d = 0,2 wird als kleiner Effekt angesehen, ein d = 0,5 gilt als mittlerer Effekt und ein d = 0,8 als großer Effekt [5].

Tab. 1 Tukey-HSD-Post-hoc-Test für homogene Untergruppen („honestly significant difference“), hier: leicht zu verfolgender Unterrichtsstoff
Tab. 2 Tukey-HSD-Post-hoc-Test für homogene Untergruppen („honestly significant difference“), hier: ausreichende Erklärung des Sachverhalts
Tab. 3 Tukey-HSD-Post-hoc-Test für homogene Untergruppen („honestly significant difference“), hier Gesamtnote für die Vorlesung

Die Auswertungen wurden mit IBM SPSS Version 24 (IBM SPSS Statistics für Windows, Version 24.0.0.1., Fa. IBM Corporation, Armonk/NY, USA) durchgeführt.

Ergebnisse

Vorlesungsbesuch

Bezogen auf den Vorlesungsbesuch wurde ein Mittelwert von aufgerundet 47 (±18,69) Teilnehmende errechnet. Dies entspricht 31,75 % (±12,54 %) der an der Studie teilnehmenden Studierenden. Bei grafischer Betrachtung des Vorlesungsbesuchs lässt sich ein negativer Trend erkennen (Abb. 2). Die Repetitoriums-VL war außerordentlich gut besucht. Im Plot-Box-Diagramm wird sie als leichtgradiger Ausreißer dargestellt (Abb. 3). Auch beim Ausreißertest nach dem Dixon-r22-Verhältnistest wurde die Repetitoriums-VL als Ausreißer identifiziert: r22 = 0,53 > 0,524 (kritischer Wert für r22, n = 15, α = 0,05). Da es sich hierbei um ein reelles Ergebnis handelt, wird dieses Ergebnis weiter in den Berechnungen berücksichtigt.

Abb. 2
figure 2

Vorlesungsbesuch der einzelnen Vorlesungen, dargestellt mittels der Anzahl der abgegebenen Evaluationskarten. 3‑D-Vorlesungen hervorgehoben. Schwarze Linie Mittelwert

Abb. 3
figure 3

Boxplot-Diagramm: Median 40; Q1 = 33; Q3 = 57; Max. = 69; Min. = 28; Interquartilsabstand („interquartile range“, IQR) 24. Repetitions-VL als leichtgradiger Extremwert geltend, da zwischen 1,5 und 3 IQR außerhalb der Box liegend. Q Quartil, VL Vorlesung

Evaluation der Vorlesungen

Die varianzanalytischen Auswertungen zeigten, dass die Vorlesungen signifikant unterschiedlich evaluiert wurden. Signifikante Mittelwertunterschiede ergaben sich bei der Frage „Man konnte dem Stoff der Veranstaltung leicht folgen“ (F = 16,379; df = 14; p = 0,000; η2 = 0,251). Beim Test auf homogene Untergruppen wurden die 3‑D-Vorlesungen in Bezug auf diese Frage vergleichsweise schlechter beurteilt, insbesondere die 3‑D-Vorlesung „Mittelohr“ (Tab. 1). Im Vergleich zu den 3‑D-Vorlesungen wurden 6–9 reguläre Vorlesungen signifikant besser evaluiert.

Bei der Frage „Die Sachverhalte wurden ausreichend erklärt“ ergab sich ein ähnliches Bild (F = 10,797; df = 14; p = 0,000; η2 = 0,180). Auch hier wurde die 3‑D-VL „Mittelohr“ am schlechtesten beurteilt (Tab. 2). Im Vergleich zu den 3‑D-Vorlesungen wurden 4–6 reguläre Vorlesungen signifikant besser evaluiert.

Auch bei der Frage „Die Vorlesung machte mich gut mit den Fragestellungen der HNO[-Heilkunde] vertraut“ fielen die Evaluationsurteile der 3‑D-Vorlesungen im Vergleich zu 5 anderen regulären Vorlesungen signifikant schlechter aus (F = 7,565; df = 14; p = 0,000; η2 = 0,134). Dies traf auch zu für die Einschätzungen der Frage „Die Vorlesung motiviert mich, mehr über die Inhalte des Fachs zu erfahren“ (F = 6,183; df = 14; p = 0,000; η2 = 0,112).

Bei der Vergabe einer Gesamtnote für die Vorlesungen ergaben sich ebenfalls signifikante Mittelwertunterschiede (F = 11,569; df = 14; p = 0,000; η2 = 0,198; Tab. 3), wobei die Gesamtnoten für die 3‑D-Vorlesungen „Mittelohr“ und „Nase/NNH“ im Vergleich zu 7 bzw. 6 anderen regulären Vorlesungen signifikant schlechter ausfielen. Allein für die 3‑D-VL „Larynx“ galt, dass nur 2 reguläre Vorlesungen signifikant besser bewertet wurden.

Die Frage, ob die Studierenden das zur Verfügung gestellte E‑Learning-Angebot zur Vorbereitung der Vorlesung genutzt haben, wurde über die drei 3‑D-Vorlesungen verteilt von 138 Studierenden beantwortet. Hiervon gaben 105 (76,1 %) Studierende an, dass dies überhaupt nicht oder eher nicht zutrifft, 9 (6,5 %) stimmten weder zu noch dagegen, und 24 (17,4 %) stimmten eher oder ganz zu, vom E‑Learning-Angebot Gebrauch gemacht zu haben.

Lerneffektkontrolle

Bei der 3‑D-VL „Mittelohr“ wurde in allen Fächern die richtige Antwort signifikant häufiger nach der Vorlesung angekreuzt; HNO-Heilkunde: t(45) = −2,197; p = 0,033; d = 0,324; Anatomie: t(46) = −4,013; p = 0,000; d = 0,586; Radiologie: t(46) = −3,865; p = 0,000; d = 0,563.

Bei der 3‑D-VL „Nase/NNH“ wurde die richtige Antwort bei der Frage der HNO-Heilkunde signifikant seltener nach der Vorlesung angekreuzt als davor: t(38) = 2,174; p = 0,036; d = 0,348. Die richtige Antwort wurde jedoch signifikant häufiger nach der Vorlesung angekreuzt bei den Fragen der Anatomie: t(36) = −4,329; p = 0,000; d = 0,711; und der Radiologie: t(34) = −5,674; p = 0,000; d = 0,959.

Keinen signifikanten Unterschied gab es bei der 3‑D-VL „Larynx“ in Bezug auf die Frage der HNO-Heilkunde: t(35) = −1,606; p = 0,117; d = 0,267. Signifikant häufiger wurde die korrekte Antwort nach der Vorlesung angekreuzt bei der Frage der Anatomie: t(35) = −3,951; p = 0,000; d = 0,658; und der Radiologie: t(35) = −3,514; p = 0,000; d = 0,586.

Abschlussfragebogen

Die Frage, ob die Termine der 3‑D-Vorlesungen zeitlich ausreichend angekündigt wurden, wurde im Vergleich zu allen gestellten Fragen von den Studierenden mit einem Mittelwert (MW) von 1,9 (±1,1) am stärksten zugestimmt (n = 29). Auch der Frage, ob die 3‑D-Vorlesungen sich in Form und Inhalt von den traditionellen Vorlesungen abhebt, wurde von den Studierenden, bei einem MW von 2,4 (±1), eher zugestimmt (n = 33). Die Beurteilung des 3‑D-Lehrformats liegt bei einem MW von 2,6 (±0,9) ebenfalls noch knapp im guten Bereich (n = 29). Demgegenüber lagen die Einschätzungen der Frage, ob die Studierenden das Gefühl hatten, von den 3‑D-Vorlesungen mehr zu profitieren als von den traditionellen Vorlesungen, eher im neutralen Bereich (MW = 3,1 ±1; n = 32). Dies traf auch auf die Einschätzungen der Frage zu, ob das 3‑D-Format sie zu den Vorlesungsbesuchen mehr motiviert hätte (MW = 2,9 ±1,2; n = 33).

Zur Frage, wie häufig die Studierenden ein E‑Learning-Angebot benutzen, wurde ein MW von 1,4 (±0,9; n = 34) ermittelt. Zu den Fragen, wofür sie dieses Angebot nutzen, gaben alle einheitlich den Grund zur Prüfungsvorbereitung an. Es folgt mit einem MW von 1,5 (±1) die Aussage, dass die Studierenden das Angebot als Ersatz nicht besuchter Veranstaltungen nutzen und zur Nachbearbeitung nach einem Seminar/einer Vorlesung (MW = 1,7 ±1). Die Aussage, das E‑Learning-Angebot zur Vorbereitung zu einem Seminar/einer Vorlesung zu verwenden, wurde eher neutral beantwortet (MW = 2,9 ±1,1). Die Frage, ob der Einsatz von E‑Learning den Besuch einer Veranstaltung überflüssig macht, wurde von den Studierenden als eher nicht zutreffend beurteilt (MW = 3,7 ±1,2).

Zusätzlich wurden die Studierenden zu ihren Präferenzen der Vorlesungszeit im Rahmen der Blockpraktika befragt. Als erste Präferenz gaben 71,4 % vormittags vor Beginn der Blockpraktika an, 5,7 % mittags in der Pause der Praktika und 22,9 % nachmittags nach den Praktika (n = 35).

In den abschließenden Freitextkommentaren gaben 5 der 11 Verfasser an, dass die Vortragsgeschwindigkeit zu schnell war für die Masse an Lerninhalten und somit nur bedingt von dem Format profitiert werden konnte. Auf der anderen Seite empfanden die Studierenden jedoch das Format 3‑D-Vorlesung als eine gelungene Idee, die auf jeden Fall beibehalten werden sollte. Hier wurde v. a. die Kombination der 3 Fachgebiete HNO-Heilkunde, Anatomie und Radiologie als sinnvoll erachtet. Als Optimierungsversuch schlugen die Studierenden eine Verlängerung der Vorlesungszeit auf eine Doppelstunde vor. In Bezug auf inhaltliche Gestaltung wurden die E‑Learning-Module zu den 3‑D-Vorlesungen in 3 von 11 Freitextkommentaren kritisiert. Die zur Verfügung gestellten Folien sollten mehr Details enthalten und nicht nur aus „Bildern ohne Erklärung“ bestehen.

Diskussion

Unter dem Eindruck der digitalen Transformation in der Lehre erscheint eine traditionelle Lehrmethode wie die Vorlesung als geradezu nicht mehr zeitgemäß. Moderne (digitale) Lehrformate hingegen, welche Kompetenzen vermitteln sollen, zeichnen ein Bild der vermeintlichen Überlegenheit [16]. Gleichwohl wird in der Literatur eine Gleichwertigkeit bezüglich Effektivität von Tradition (Vorlesung) und Moderne (E-Learning) beschrieben [17, 20].

Bezogen auf die Neukonzeptionierung der Vorlesung in der HNO-Heilkunde wurden die Erwartungen der Initiatoren nicht erfüllt. Die 3‑D-Vorlesungen wurden von den Studierenden zwar notenbezogen nicht wirklich schlecht bewertet, aber insgesamt doch mehrheitlich schlechter evaluiert als die regulären Vorlesungen. Dieses Ergebnis muss erstaunen, da mithilfe moderner Lehrtools wie z. B. interaktiver Elemente, Lerneffektkontrollen und Blended-Learning-Modulen versucht wurde, den klassischen Kritikpunkten der Vorlesung entgegenzuwirken und die Attraktivität des Lehrangebots zu erhöhen [2, 10]. Da bei der Konzeption dieser Lehrveranstaltung Erfahrungswerte und relevante studentische Belange (kein Frontalunterricht, klinischer Bezug, Interdisziplinarität) bedacht worden sind, erscheint das Evaluationsergebnis noch unverständlicher. Gleichwohl entsteht unter Berücksichtigung der Ergebnisse des Abschlussfragebogens und der Freitexte ein Bild von Überforderung und unerfüllten Erwartungen der Studierenden gleichermaßen. Auf der anderen Seite sind 7 der 9 Lernerfolgskontrollen jedoch als erfolgreich zu bewerten. Dies steht im Widerspruch zu den Ergebnissen aus der Evaluation. Insbesondere bei der eher schlechter evaluierten Mittelohrvorlesung wurde signifikant häufiger die richtige Antwort in der unmittelbaren Lernerfolgskontrolle angekreuzt. Dies spricht dafür, dass auch komplexe Lehrinhalte wie die Mittelohranatomie und -physiologie anscheinend doch verständlich vermittelt werden konnten.

Zieht man die Antworten des Abschlussfragenbogens hinzu, kann man Gründe für die schlechtere Evaluation erkennen: zum einen der zeitliche Aspekt, die Überfülle an Information und das nicht optimierte E‑Learning-Modul, zum anderen jedoch auch das Abheben des Formats gegenüber der traditionellen Vorlesung. Die Studierenden finden die Grundidee lobens- und erhaltenswert. Demnach könnte dem ein Umsetzungsproblem der Initiatoren des 3‑D-Vorlesungsformats zugrunde liegen. Es handelte sich bei o. g. Neukonzeption um ein Blended-Learning-Angebot, welches detailliert im Vorfeld publik gemacht worden war. Dies wurde auch von den Studierenden entsprechend wahrgenommen. Dazu gehört auch der vor Vorlesungsbeginn zu leistende persönliche Einsatz (E-Learning-Module), welcher notwendigerweise vorab absolviert werden muss. Wenn dieser Einsatz wie bei 76 % der an der Umfrage beteiligten Studierenden nicht geleistet wird, kann ein darauf aufbauendes Konzept nicht funktionieren. Bedenkt man, dass 7 % der Teilnehmenden zudem keine expliziten Angaben bezüglich ihrer Nutzung des E‑Learning-Angebots machen konnten, macht dies einen Anteil von insgesamt 83 % der Teilnehmenden aus. In diesem Fall werden die Voraussetzungen für ein Inverted-Classroom-Modell nur bedingt erfüllt [4, 19]. Einerseits scheint die Motivation der Studierenden zur Vorbereitung zu fehlen, andererseits scheint es ein Problem zwischen der Online- und der Präsenzphase zu geben. Diese Probleme können u. U. voneinander abhängig sein und sich gegenseitig weiter verstärken. Um dem entgegenzuwirken, werden die konstruktive Kritikpunkte wie die zeitliche Verlängerung und inhaltliche Straffung zur besseren Verständlichkeit der Vorlesungen zukünftig umgesetzt. Zusätzlich muss das E‑Learning-Modul kritisch betrachtet werden, um gezielte qualitative Verbesserungen zu generieren, welche die Motivation der Studierenden steigern können.

Bedauerlicherweise gelang es mit Einführung der 3‑D-Vorlesungen nicht, mehr Studierende für die Vorlesungen zu motivieren. Die Teilnehmerzahlen sanken bis zum Semesterende. Der außerordentliche „Besucher-Peak“ bei der fakultativen Repetitoriumsvorlesung (Abb. 2) lässt sich damit begründen, dass hier eindeutiger – im Gegensatz zu den 3‑D-Vorlesungen – klausurrelevante Informationen vermittelt wurden („assessment drives learning“; [18, 21]).

Die einfachste Erklärung für die Abnahme des Vorlesungsbesuchs wären qualitative Defizite des Lehrangebots. Hiergegen sprechen die durchgängig eher guten Benotungen aller Vorlesungen (Tab. 3). Gleichwohl scheint es so zu sein, dass nur eine Minderheit der Adressaten erreicht wird, da die Anzahl der Vorlesungsbesucher über das gesamte Semester recht gering war. Hierbei könnte der Zeitpunkt der Vorlesung eine Rolle spielen, da die Studierenden einen Vorlesungsbesuch vormittags bevorzugen. Der späte Beginn um 17:15 Uhr könnte einige Studierende vom Besuch abhalten. Eine Neuansetzung des Zeitplans soll mit den Dozent(inn)en besprochen werden.

Zusammenfassend betrachtet, nutzt nur eine überschaubare Gruppe von Studierenden das Vorlesungsangebot und profitiert u. U. davon. Hierbei muss bei einer Interpretation der Daten auf einen Selektionsbias geachtet werden. Ferner scheint demnach eine Neuausrichtung einer traditionellen Lehrveranstaltung kein ausreichender Grund zu sein, die Vorlesung häufiger zu besuchen, auch bei ausreichender Ankündigung. Limitierend ist hierbei u. a., dass nur 3 der 15 Veranstaltungen im neuen Format angeboten wurden.

Festzuhalten ist also, dass es schwierig ist, das Lehrformat Vorlesung attraktiv zu gestalten, wenn es nicht um eine unmittelbare Prüfungssituation geht, sie aber durchaus von einer definierten Gruppe als zeitgemäß angesehen und genutzt wird. Da das Format 3‑D-Vorlesung durchaus positiven Anklang fand, verbleibt das Ziel, diese Gruppe mithilfe eines verbesserten Konzepts unter Berücksichtigung der aufgeführten Kritikpunkte zu erweitern. Hierbei soll v. a. das Verhältnis zwischen Zeitrahmen und Inhalt angepasst und die Zahl der 3‑D-VL im Semester erhöht werden. Mit einer Zielgröße von 50%-Anteil des neuen Lehrformats an der gesamten Vorlesungsreihe könnten verlässlichere Effektivitätsmessungen durchgeführt werden. Das E‑Learning-Modul bedarf einer Optimierung, um das Blended-Learning-Format besser umzusetzen. Unter diesen Voraussetzungen könnte die 3‑D-Reihe als Beispiel für eine Umsetzung eines „fächerübergreifenden Curriculums“ des kommenden Masterplans 2020 für andere deutsche Universitäten dienen [12].

Fazit für die Praxis

  • Die traditionellen Vorlesungen wurden größtenteils besser evaluiert als die 3‑D-Vorlesungen.

  • Bei positiver Einschätzung der Grundidee offenbaren sich sowohl Umsetzungsprobleme der Initiatoren als auch fehlende studentische Konsequenz im Lernverhalten bei der Neuimplementierung eines modernen Lehrformats.

  • Die 3‑D-Vorlesungen führten, entgegen der Erwartungshaltung der Initiatoren, nicht zur Erhöhung der Besucherzahlen.

  • Vermutlich blieb dieser Effekt aufgrund der zu geringen Frequenz des Angebots aus: Nur 3 von 15 Veranstaltungen wurden im 3‑D-Format angeboten.

  • Das Lehrformat Vorlesung wird von einer definierten Gruppe von Studierenden genutzt und wird von ihnen noch immer als zeitgemäß angesehen.

  • Durch Umsetzung konstruktiver Kritikpunkte mit Konzeptüberarbeitung, Änderung der Vorlesungszeit, Anpassung des Inhalts an einen erweiterten Zeitrahmen und Frequenzerhöhung des Angebots kann das 3‑D-Konzept ein Beispiel für ein „fachübergreifendes Curriculum“ darstellen.