Zusammenfassung
Thrombosen im Kopf-Hals-Bereich und insbesondere der V. jugularis interna (VJI) sind seltene Ereignisse, können aber potenziell ernste Komplikationen nach sich ziehen. Mögliche Ursachen stellen entzündliche, traumatische und (para)neoplastische Veränderungen dar. Bei klinisch oft unspezifischer Symptomatik muss zudem überhaupt die Möglichkeit einer VJI-Thrombose (VJT) bedacht werden. Die Sonographie stellt die Methode der Wahl zur Diagnose dar, die bei Bedarf durch eine Computertomographie (CT) oder Magnetresonanztomographie (MRT) ergänzt werden sollte. Therapeutisch ist eine an der Grunderkrankung ausgerichtete antithrombotische Behandlung auch unter Anwendung der neuen direkten oralen Antikoagulanzien (DOAK) sinnvoll. Bei septischen Prozessen muss der Fokus operativ angegangen werden. Naturgemäß existiert keine Evidenz durch kontrollierte randomisierte Studien zu dieser ungewöhnlichen Thematik.
Abstract
Thromboses in the head and neck region are rare events, particularly in the internal jugular vein. However, they can result in potentially hazardous complications. Possible triggers are inflammatory, traumatic, and (para-)neoplastic diseases. Clinical symptoms often are non-specific, and it is thus important to even consider the possibility of an internal jugular vein thrombosis. Sonography is the diagnostic tool of choice, which can be complemented by CT/MRI if necessary. Depending on the individual etiology, antithrombotic treatment including modern direct oral anticoagulants (DOAC) is advisable. In cases of sepsis, surgery is mandatory to control the focus. However, there is hardly any evidence concerning this unusual problem due to the low incidence.
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Danksagung
Herrn Dr. P. Schmidt, Chefarzt der Abteilung für Radiologie und Neuroradiologie am Klinikum Bad Hersfeld sei für die Überlassung der CT- und MRT-Aufnahmen gedankt.
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J. Löhler, Bad Bramstedt
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CME-Fragebogen
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Bezüglich der Anatomie der V. jugularis interna (VJI) ist welche Aussage richtig?
Die VJI ist die Fortsetzung des Sinus petrosus inferior unterhalb des Trautmann-Dreiecks.
Meist finden sich kranial vor dem Zusammenfluss der VJI mit der V. subclavia Venenklappen.
Vor allem im Level IV finden sich zahlreiche Zuflüsse in die VJI.
Die V. jugularis anterior ist meist dicklumiger als die VJI.
In die VJI drainieren ausschließlich die tiefen Venen des Halses.
Welche Angabe zur Ätiologie der V.-jugularis-Thrombose (VJT) ist korrekt?
Die Kriterien der Virchow-Trias sind obsolet.
Heute spielen v. a. die entzündlich bedingten Prozesse als Auslöser einer VJT die dominante Rolle.
Das Lemierre-Syndrom beschreibt eine VJT nach einer akuten, purulenten Tonsillitis.
Vor allem die Stase des Blutflusses als Faktor der Virchow-Trias führt meist zur Ausbildung einer VJT.
Eine VJT als Folge ärztlicher Maßnahmen ist eine Rarität.
Wie ist die klinische Symptomatik einer V.-jugularis-Thrombose (VJT) am ehesten charakterisiert?
Aufgrund der wegweisenden Beschwerden ist die Diagnose einer VJT in der Regel rein klinisch möglich.
Kopfschmerzen können im Rahmen einer VJT nicht auftreten.
Eine Otoskopie zur Abklärung einer möglichen otogenen Ursache einer VJT ist entbehrlich.
Eine VJT kann klinisch symptomarm sein.
Die Entwicklung eines septischen Krankheitsbildes ist nicht zu erwarten.
Welche Aussage zur Diagnose einer V.-jugularis-Thrombose (VJT) ist nicht korrekt?
Eine digitale Subtraktionsangiographie durch den Neuroradiologen ist i. d. R. nicht erforderlich.
Nur ein eindeutig negativer Test auf D‑Dimere kann als Kriterium zum Ausschluss einer möglichen VJT herangezogen werden.
Bei scheinbar spontan entstandener VJT ist eine Thrombophilieabklärung zweckmäßig.
Eine Faktor-V-Leiden-Mutation kann wegbereitend für eine VJT sein.
Eine bildgebende Diagnostik ist zur Abklärung einer VJT meist entbehrlich.
Zur Diagnose einer V.-jugularis-Thrombose (VJT) bei einem 65-jährigen Patienten mit einem Oropharyxkarzinom sind folgende sonographische Kriterien typisch:
Eine deutliche Schrumpfung der VJT im M‑Mode
Eine ausgeprägte Kompressibilität aufgrund des weichen Thrombus im initialen Stadium
Eine perivaskuläre Erhöhung der Perfusion der VJI bei der Darstellung im Farbdoppler mit hoher Pulsrepetitionsfrequenz
Streifige Binnenechos im okkludierten Abschnitt der VJI bei älterer Thrombose
Scharfe Abgrenzbarkeit der Gefäßstruktur v. a. bei entzündlichen Prozessen wegen des hohen Kontrasts durch die deutlichen Schall-Härte-Sprünge
Welche Prinzipien bei der Therapie einer V.-jugularis-Thrombose (VJT) bei einer 48-jährigen Patientin treffen am ehesten zu?
Wegen des hohen Risikos einer Embolie ist strikte Bettruhe einzuhalten.
Zur Senkung der Blutviskosität ist eine intravenöse Gabe von Dextranen sinnvoll.
Da die meisten entzündlich bedingten VJT viral ausgelöst sind, ist eine antibiotische Behandlung kontraindiziert.
Zur Wiedereröffnung des thrombosierten Blutleiters ist eine rasche Thrombektomie durch die Gefäßchirurgen anzustreben.
Es existieren keine kontrollierten Studien zur Behandlung der VJT.
Welche Maßnahme zur Behandlung einer V.-jugularis-Thrombose (VJT) wäre empfehlenswert?
Die Initialtherapie sollte mindestens 5 Tage und die Erhaltungstherapie mindestens 3 Monate andauern.
Die Anwendung unfraktionierter Heparine ist zu favorisieren, da keine thromboembolischen Komplikationen wie die HIT II (heparininduzierte Thrombozytopenie, HIT) auftreten.
Wegen der guten Steuerbarkeit von Warfarin ist ein laborchemisches Monitoring überflüssig.
Fondaparinux gehört zu den niedermolekularen (NM-)Heparinen und ist Mittel der ersten Wahl in der Erhaltungstherapie.
Eine Laborkontrolle ist bei den NM-Heparinen notwendig, um eine Überdosierung zu vermeiden.
Sie überlegen eine Behandlung für eine 35-jährige Patientin mit einer V.-jugularis-Thrombose (VJT). Welches Vorgehen wäre nicht zweckmäßig?
Bei einem Peritonsillarabszess als auslösendes Moment ist eine Abszessspaltung bzw. Tonsillektomie à chaud indiziert.
Initial ist eine Behandlung mit einem niedermolekularen Heparin über 5 Tage und überlappend die Gabe eines Vitamin-K-Antagonisten für 3 Monate mit einem Ziel-INR zwischen 2,0–3,0 sinnvoll.
Der direkte Thrombininhibitor Dabigratran (Faktor IIa) kann bereits als Initialtherapie zur Antikoagulation Anwendung finden.
Bei einer septischen VJT muss das betroffene Gefäß chirurgisch entfernt werden.
Bei dentogen bedingten VJT muss bei der antibiotischen Behandlung der Möglichkeit der Beteiligung anaerober Bakterien Rechnung getragen werden.
Ein 53-jähriger Patient wird mit der Diagnose einer idiopathischen V.-jugularis-Thrombose (VJT) links eingewiesen. Anamnestisch als auch klinisch gibt es keinerlei Ursachenhinweis. Welches weitere Vorgehen schlagen Sie am ehesten vor?
Durchführung einer Ganzkörper-Positronenemissionstomographie-Computertomographie (PET-CT)
Laborchemische Untersuchung auf D‑Dimere
Operative Thrombendarteriektomie
Intravenöse Antibiotikatherapie mit Ampicillin/Sulbactam
Initialtherapie mit Phenprocoumon p.o.
Eine 47-jährige Patientin in der 16. SSW stellt sich in Ihrer Praxis mit Odynophagie und eingeschränkter Halsbeweglichkeit vor. Klinisch zeigt sich der V. a. einen Peritonsillarabszess rechts. Welche Maßnahme würden Sie am ehesten empfehlen?
Computertomographie, um einen Abszess und eine V.-jugularis-Thrombose (VJT) zu diagnostizieren
Blutbestimmung zum Ausschluss einer Faktor-V-Leiden-Mutation mit APC-Resistenz (aktiviertes Protein C) und eines Protein-S- oder -C-Mangels
Durchführung einer Tonsillektomie à chaud, um einer Sepsis vorzubeugen
Diagnostische Punktion des Gaumenbogens und sonographische Untersuchung des Halses
Unverzügliche intravenöse Antibiose sowie Antikoagulation mit unfraktioniertem Heparin und Verlauf abwarten
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Issing, P.R., Issing, C. Diagnostik und Therapie der Jugularvenenthrombose. HNO 67, 469–482 (2019). https://doi.org/10.1007/s00106-019-0673-z
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