Es gibt nicht viele Gebiete in der Medizin, geschweige denn in der HNO-Heilkunde, die in den letzten 2 Jahrzehnten so sehr von technischen Entwicklungen geprägt waren und so immense Fortschritte erlebt haben wie das Feld der implantierbaren Hörsysteme. Was gestern noch State of the Art war, ist auf dem nächsten Kongress vielleicht schon wieder überholt. Nur in wenigen Bereichen erleben wir eine so enge, sich gegenseitig stimulierende Verzahnung von Kliniken und Industrie, von HNO-Chirurgen, Audiologen, Physikern und Ingenieuren, von Entwicklern und Anwendern in vielfältigsten Kooperationen, angetrieben von dem Wunsch nach Optimierung der audiologischen Rehabilitation auf der einen Seite und ermöglicht durch das Streben nach wirtschaftlichem Erfolg im medizintechnischen Bereich auf der anderen Seite.

Vielfältige passive und aktive, teil- und vollimplantierbare Hörsysteme wurden entwickelt. Viele Systementwicklungen liefen in technische und/oder wirtschaftliche Sackgassen. Auch mit eigenen Entwicklungen wie unserem „Hydro-Hörsystem“ mussten wir derartige Erfahrungen machen [1]. Andere konnten sich aber auch – trotz mancher Unannehmlichkeiten für den Patienten wie den offenen Implantaten – klinisch zunächst etablieren. Viele Modifikationen trugen langsam zur Reduktion von Komplikationen, Erweiterung der Indikationsbereiche [2] und Optimierung des Tragekomforts [3, 4, 5] bei.

In diesem Themenheft wollen wir Schlaglichter auf einige Modifikationen langbewährter Systeme und auf einige relativ neue Entwicklungen werfen. Es werden Erfahrungen mit teilimplantierbaren passiven Systemen – von Federspil et al. mit perkutanen und von uns (Siegert und Kanderske) mit transkutanen Ankopplungen – dargestellt. Es werden teilimplantierbare aktive Systeme von Beleites et al. und deren verschiedenen Ankopplungsmöglichkeiten beschrieben. Lenarz et al. stellen neue Entwicklungen zum DACS vor, und wir (Siegert und Neumann) berichten über unsere Erfahrungen mit aktiven vollimplantierbaren Hörsystemen.

Ziel sollte die Präzision der Differenzialindikationen einzelner Rehabilitationsprinzipien sein

Es sind – wie gesagt – eigentlich „nur“ Schlaglichter des gegenwärtigen klinischen und medizintechnischen State of the Art. Unser Ziel sollte es an sich sein, die Differenzialindikationen der einzelnen Rehabilitationsprinzipien zu präzisieren, aber ich glaube, dies ist gegenwärtig noch zu früh, da die Indikationsgrenzen der einzelnen Systeme noch zu sehr im Fluss sind. Und es geht dabei letztlich nicht nur um die „harten“ audiologischen Resultate, sondern aus Sicht des Patienten und ggf. der Eltern bei annähernd vergleichbaren Hörergebnissen natürlich auch um die vielen „weichen Faktoren“ wie frühest möglicher Implantationszeitpunkt, Operationsumfang und -risiko, Pflege- und Instandhaltungsaufwand, Tragekomfort und – v. a. in vielen anderen Ländern – die Kosten. Will man all diese Aspekte in die für unsere Patienten ausschlaggebende Differenzialindikation mit einbeziehen, so bleibt ein großes Feld für die individuelle Entscheidung des Patienten, bei dem es unsere Aufgabe ist, ihn durch Kenntnis der heutigen Möglichkeiten und Erfahrungen mit implantierbaren Hörsystemen zu unterstützen. Dazu soll dieses Themenheft einen kleinen, aktuellen Beitrag liefern. Den engagierten Autoren danke ich herzlich für ihre Unterstützung.

Ihr

Prof. Dr. med. Dr. med. dent. Dr. h.c. Ralf Siegert