Anamnese

Ein 52-jähriger Patient stellte sich im Juli 2019 mit Knoten im Gesicht und am Hals sowie einer schmerzhaften Rötung des Digitus V des linken Fußes vor. Diese Läsionen bestanden seit ca. 4 Monaten. Seit ca. 10 Monaten bestand zusätzlich ein Ulkus prätibial rechts. Das Allgemeinbefinden war bis auf Schmerzen im linken Zeh unbeeinträchtigt. Aufgrund einer rheumatoiden Arthritis erhielt der Patient seit 3 Jahren 20 mg Methotrexat subkutan wöchentlich. Die Reiseanamnese ergab jährliche Mittelmeerkreuzfahrten mit Aufenthalten auf Mallorca.

Befund

Am Hals rechts bestanden 2 erythematöse, schuppende Knoten (Abb. 1a). Submental, retroaurikulär rechts und an der Stirn zeigten sich Plaques mit verruköser Oberfläche (Abb. 1b, c). Prätibial rechts bestand eine zentral ulzerierte, schuppende Plaque (Abb. 2). Die linke Kleinzehe war geschwollen, gerötet und schuppte (Abb. 3). Histologisch zeigten sich in mehreren Biopsien vom Hals und retroaurikulär unter einem akanthotischen Epithel mit Parakeratose im gesamten Korium diffuse histiozytäre Entzündungsinfiltrate mit Beimischung von neutrophilen Granulozyten, Lymphozyten und Plasmazellen (Abb. 4a). In den oberflächlichen Anteilen konnten mit der Hämatoxylin-Eosin-Färbung (HE) intrazelluläre Amastigoten dargestellt werden (Abb. 4b), die sich immunhistochemisch positiv mit Anti-CD1a anfärben (Abb. 4c).

Abb. 1
figure 1

Hautbefund im Gesicht und am Hals: a Knoten am Hals, b Plaque retroaurikulär rechts, c Plaque an der Stirn

Abb. 2
figure 2

Ulzerierte Plaque prätibial rechts

Abb. 3
figure 3

Kleinzehe des linken Fußes mit Ödem, Rötung und Schuppung

Abb. 4
figure 4

Histopathologie retroaurikulär rechts: a in der gesamten Dermis diffuses histiozytenreiches Entzündungsinfiltrat (HE [Hämatoxylin-Eosin], Vergr. 40:1), b Nachweis von Amastigoten in oberflächlichen Anteilen (HE, Vergr. 400:1), Rote Pfeile: Amastigoten, c Darstellung der Amastigoten mit der CD1a-Färbung (Vergr. 400:1). Rote Pfeile: Amastigoten

Diagnose

Der histologische Nachweis von Amastigoten sprach für eine kutane Leishmaniose. Aus den Läsionen im Gesicht konnte sowohl in den Schuppen als auch in einer Probebiopsie mittels Polymerasekettenreaktion (PCR) zum Leishmania-donovani-Komplex gehörende Nukleinsäure nachgewiesen werden; die Sequenzierung des parasitären cpb-Gens ergab Leishmania (L.) infantum (Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin, Hamburg). In den Hautschuppen der Kleinzehe konnten mittels PCR keine Leishmanien nachgewiesen werden. Die Magnetresonanztomographie (MRT) des linken Fußes zeigte ein Ödem mit begleitender Kontrastmittelaufnahme am Mittel- und Endglied D5; die angrenzenden Weichteile nahmen kräftig Kontrastmittel auf. Es wurde eine Osteitis des Mittel- und Endgliedes der Kleinzehe mit perifokaler Weichteilschwellung diagnostiziert (Abb. 5a, b). Bei Verdacht auf eine bakterielle Osteitis erhielt der Patient 3‑mal 600 mg Clindamycin oral. Aufgrund der ausbleibenden Besserung nach 6 Wochen Therapie wurde eine knöcherne Biopsie aus der linken Kleinzehe entnommen: Hier zeigte sich eine partiell granulomatöse Osteomyelitis (Trabekel mit Osteolysen, Granulationsgewebe, histiozytäre Proliferate) mit Nachweis von Amastigoten in den Entzündungszellen in der HE- und der Giemsa-Färbung (Abb. 6a, b). In der PCR aus dem Knochengewebe konnte ebenfalls L. infantum nachgewiesen werden. Somit konnte eine ossäre Beteiligung der kutanen Leishmaniose durch L. infantum diagnostiziert werden.

Abb. 5
figure 5

ab Magnetresonanztomographie (STIR[Short-Tau-Inversion-Recovery]-Sequenz) des linken Fußes: Osteitis des Mittel- und Endgliedes Digitus V links (Pfeile), perifokale Weichteilschwellung, Ansicht von vorn (a) und plantar (b).

Abb. 6
figure 6

Histopathologie Mittelglied linke Kleinzehe: partiell granulomatöse Osteomyelitis mit Nachweis von Amastigoten (a Hämatoxylin-Eosin [HE], Vergr. 400:1, b Giemsa, Vergr. 400:1). Rote Pfeile: Amastigoten, blauer Pfeil: Trabekel

Die Thoraxröntgenaufnahme sowie eine Sonographie des Abdomens waren unauffällig. In der Computertomographie des Thorax zeigten leicht vergrößerte Lymphknoten mediastinal, hilär, paraaortal, parailiakal, retroperitoneal und inguinal. Laborchemisch fanden sich keine pathologischen Werte, die HIV(humanes Immundefizienzvirus)-Serologie war negativ.

Therapie und Verlauf

Initial therapierten wir intravenös mit liposomalem Amphotericin B (3 mg/kgKG [Körpergewicht]). Nach 4 Tagen entwickelte der Patient ein makulopapulöses Arzneiexanthem. Die Therapie wurde dann auf 3‑mal 50 mg Miltefosin täglich umgestellt und über 6 Wochen fortgesetzt. Unter der Therapie traten initial erhebliche Nebenwirkungen auf; es kam zu Müdigkeit, Nachtschweiß und Schüttelfrost. Zwei Monate nach Therapieende waren alle kutanen Herde abgeheilt. Die Kleinzehe links war nicht mehr gerötet oder geschwollen (Abb. 7), und es bestanden keine Schmerzen mehr. Ein Rezidiv zeigte sich bisher (3 ½ Jahre nach Therapieende) nicht.

Abb. 7
figure 7

Abgeheilter Befund der linken Kleinzehe nach 6 Wochen Therapie mit Miltefosin

Diskussion

Die kutane Leishmaniose (CL) ist eine der am häufigsten nach Deutschland importierten Reisedermatosen [13, 16]. Der Erreger Leishmania gehört zu den Protozoen und zur Familie der Trypanosomen. Als Vektor fungiert die Sandmücke (Phlebotom). Das Reservoir sind v. a. Säugetiere (Hunde, Nagetiere) und Menschen [3, 5, 17].

Nach dem klinischen Bild wird zwischen CL (u. a. L. infantum, L. tropica, L. major), mukokutaner Leishmaniose (u. a. L. braziliensis, L. guyanensis) und viszeraler Leishmaniose (v. a. L.-donovani-Komplex) differenziert. Entsprechend der geografischen Verbreitung unterscheidet man zwischen der Leishmaniose der „Alten Welt“ (Europa, Afrika, Asien) und der Leishmaniose der „Neuen Welt“ (Mittel- und Südamerika) [3, 5, 13, 17].

Bei der „klassischen“ CL der „Alten Welt“ entwickelt sich aus einer Papel an der Einstichstelle ein Knoten, der dann häufig ulzeriert (sog. „Orient-Beule“). Die Abheilung erfolgt in den meisten Fällen nach einigen Monaten, spätestens nach 2 Jahren unter Narbenbildung [3, 5, 17].

Die Diagnose der CL stützt sich hauptsächlich auf die Histologie mit dem intrazellulären Nachweis von Amastigoten. Insbesondere bei länger bestehenden Läsionen sind diese aber oft nicht nachweisbar. In unserem Fall konnten sie in allen Läsionen, auch in den Anteilen der Osteomyelitis, mithilfe der HE- und der Giemsa-Färbung nachgewiesen werden. In den kutanen Läsionen wandten wir zusätzlich die immunhistochemische Anti-CD1a-Färbung an. Eine Anti-CD1a-Färbung (mittels MTB1-Klon) kann durch das Hervorheben der Amastigoten epidermal und subepidermal in der Hautbiopsie diagnostisch wegweisend sein [7, 9].

Finden sich in der Histologie epitheloidzellige Granulome, sollte neben anderen Erkrankungen (u. a. Tuberkulose, atypische Mykobakteriose, Sporotrichose, tiefe Trichophytie, Lepra, Sarkoidose) stets eine Leishmaniose in die Differenzialdiagnose einbezogen werden [3, 5, 11, 17]. Die PCR ist die sensitivste Methode des Erregernachweises und dient auch der Bestimmung der Spezies [3, 5, 17]. Aus dem Knochenmaterial der linken Kleinzehe konnte mittels PCR L. infantum nachgewiesen werden. Eine mögliche Kontamination bei der Entnahme der Probe durch L.-infantum-Antigen aus der darüber liegenden, läsionalen Haut ist denkbar. Die PCR der Schuppen des Kleinzehs war jedoch negativ. Beweisend für die durch die Leishmanien-Infektion verursachte Osteomyelitis ist die in der Histologie nachweisbare granulomatöse Osteomyelitis mit dem Nachweis von Amastigoten im Entzündungsinfiltrat durch die HE- und die Giemsa-Färbung.

Der identifizierte Erreger L. infantum gehört zum L.-donovani-Komplex und kann die viszerale, die CL sowie äußerst selten auch die mukokutane Leishmaniose verursachen [2].

Wahrscheinlich hat unser Patient die Infektion im Rahmen seiner jährlichen Kreuzfahrten im Mittelmeerraum erworben, aus dem L. infantum am häufigsten nach Deutschland importiert wird [8]. In den letzten 2 Jahrzehnten wurde zunehmend über Fälle von durch L. infantum ausgelöster CL in den Endemiegebieten berichtet [6, 11, 12, 15]. Bei CL mit Nachweis von L. infantum und gleichzeitig vorhandener Immundefizienz wird eine Knochenmarkbiopsie mit Erregerdiagnostik zum Ausschluss einer disseminierten Infektion empfohlen [3]. Diese lehnte der Patient ab. Der unauffällige Befund in der Sonographie des Abdomens, die unauffälligen laborchemischen Parameter (u. a. großes Blutbild, Leber‑, Nierenparameter und C‑reaktives Protein) sowie der gute Allgemeinzustand des Patienten sprachen klinisch gegen eine viszerale Leishmaniose.

Die ausgedehnten kutanen Läsionen und die ossäre Beteiligung waren sehr wahrscheinlich der Immunsuppression des Patienten geschuldet [1]. Bei L.-infantum-Infektionen ist bei Immunsuppression eher als bei anderen Erregern mit einer Disseminierung des Erregers zu rechnen [17]. Die bei unserem Patienten beschriebene Knochenbeteiligung bei kutaner Leishmaniose ist bisher nur einmal und ohne Speziesbestimmung beschrieben [10]. Es wurde histologisch eine granulomatöse Osteitis gesehen, der Nachweis von Leishmanien mithilfe der Giemsa-Färbung im ossären Entzündungsinfiltrat gelang. Bei einer viszeralen Leishmaniose ist ein indischer Fall mit einer Manifestation im Femur beschrieben [14].

Unser Fall erfüllte mehrere Kriterien einer komplexen CL: Es bestanden multiple Herde, die sich an sensiblen Bereichen wie Gesicht und Hals manifestierten. Die Therapie der komplexen CL sollte immer systemisch erfolgen [3,4,5]. Auch aufgrund des ossären Befalls musste eine systemische Therapie erfolgen. Miltefosin ist ein wirksames, oral verfügbares Präparat, das schon 2011 in der Leitlinie zur Therapie der komplexen kutanen Leishmaniose empfohlen und erfolgreich bei der kutanen Leishmaniose eingesetzt wurde [3, 4, 12]. Die Zulassung besteht aktuell jedoch ausschließlich für kutane Leishmaniosen der „Neuen Welt“ (also z. B. L.-braziliensis-Komplex) ab dem 12. Lebensjahr [4]. Bei der viszeralen Leishmaniose ist Miltefosin ab dem 3. Lebensjahr zugelassen.

Der Zusammenhang zwischen viszeraler Leishmaniose und CL bei Infektionen durch L. infantum sollte Gegenstand von Untersuchungen werden [6]. Insbesondere ist nicht geklärt, ob und wie oft Übergänge der kutanen in eine viszerale Form vorkommen [5, 6].

Fazit für die Praxis

  • Kutane Leishmaniosen aus dem Mittelmeerraum werden häufig durch Leishmania (L.) infantum verursacht.

  • Eine Speziesdiagnostik mittels Polymerasekettenreaktion (PCR) ist anzustreben.

  • Bei Immunsuppression sollte nach extrakutanen Manifestationen der kutanen Leishmaniose gefahndet werden. Die bei unserem Patienten diagnostizierte Knochenbeteiligung bei kutaner L.-infantum-Infektion wurde noch nicht beschrieben.

  • Therapeutisch sind komplexe kutane Leishmaniosen immer systemisch zu behandeln.