Gerade junge Frauen sind häufig vom Melanom betroffen, in der Altersgruppe zwischen 20 und 29 Jahren ist es sogar die häufigste Krebserkrankung überhaupt [1, 2]. Ungefähr ein Drittel der Patientinnen ist bei Erstdiagnose Melanom im gebärfähigen Alter [3]. Aber auch für Männer stellt das Melanom eine einschneidende Diagnose mit möglicherweise Auswirkungen auf die Fertilität und Familienplanung dar.

Studien an Krebspatienten haben ergeben, dass für rund zwei Drittel aller befragten Patientinnen der mögliche Verlust der Fertilität eine der größten Sorgen ist und dass diese ebenso belastend sein kann wie die Krebsdiagnose selbst [4]. Die Aussicht, dass durch fertilitätserhaltende Maßnahmen die Möglichkeit, nach einer abgeschlossenen erfolgreichen Tumortherapie Kinder zu bekommen, erhalten wird, wird als positive Unterstützung im Behandlungsprozess erlebt [5, 6]. Die Maßnahmen der Fertilitätsprotektion werden als „Lebensversicherung“ und als Chance für einen besseren Umgang mit der Krebserkrankung empfunden.

Aufgrund der durch die modernen Immuntherapien und zielgerichteten Therapien signifikant gestiegenen Chancen, auch im Falle einer Metastasierung des Melanoms langfristig zu überleben, ist das Thema Fertilitätserhalt in der Dermatoonkologie verstärkt in den Fokus gerückt. Wir können dabei viel von den Erfahrungen und Empfehlungen unserer Kolleginnen und Kollegen der gynäkologischen Onkologie hinsichtlich des Umgangs und der Empfehlung fertilitätserhaltender Maßnahmen lernen.

Es bestehen jedoch noch viel Unwissen und wenig Erfahrung bezüglich der möglichen Reproduktionstoxizität der aktuell beim Melanom eingesetzten Therapeutika, also der PD1- und CTLA4-Inhibitoren auf der einen Seite und der BRAF- und MEK-Inhibitoren auf der anderen Seite. Diese sind hinsichtlich ihrer Fertilitätstoxizität nicht mit den in anderen onkologischen Indikationen immer noch häufig eingesetzten Chemotherapeutika vergleichbar. Grundsätzlich unterscheidet man in der Reproduktionsmedizin zwischen potenziell schädigenden Einwirkungen auf die männliche und weibliche Fruchtbarkeit, die sowohl direkt (Gonadotoxizität) als auch indirekt (z. B. Hormonmangel, Libidoverlust) bedingt sein kann, und Schädigungen des Embryos oder Fetus im Mutterleib (Embryo- oder Fetotoxizität) mit der möglichen Folge von irreversiblen Schädigungen oder Fehlbildungen beim Kind (Teratogenität).

Der Fertilitätserhalt hat Einfluss auf die Therapieadhärenz und beeinflusst die Therapieentscheidung

Es muss uns bewusst werden, dass der Erhalt der Fertilität für die Lebensqualität von Melanompatientinnen und -patienten entscheidend sein kann. Darüber hinaus kann der Fertilitätserhalt einen relevanten Einfluss auf die Therapieadhärenz der Patientinnen und Patienten nehmen und sie in ihrer Therapieentscheidung wesentlich beeinflussen. Der Einsatz der modernen onkologischen Therapien ist auch durch Zulassungserweiterungen deutlich angestiegen und wird weiter zunehmen. Seit einigen Jahren sind sowohl die Immun- als auch die zielgerichtete Therapie in der Adjuvans im operierten Stadium III, also nach vollständiger Entfernung einer regionalen Melanommetastasierung, zugelassen. Seit Sommer 2022 kann die Immuntherapie nun auch nach Resektion von Melanomen mit hoher vertikaler Tumordicke ohne Metastasierung (Stadium IIB und C) eingesetzt werden.

Es ist wichtig, dass das Thema Kinderwunsch und die Optionen zum Fertilitätserhalt im Aufklärungsgespräch vor Einleitung einer medikamentösen Melanomtherapie zur Sprache kommen und jedem Patienten und jeder Patientin mit Kinderwunsch die Möglichkeit einer Beratung zu fertilitätserhaltenden Maßnahmen angeboten wird. Dies kann betroffene Patientinnen und Patienten und ihre Nahestehenden entlasten und bei der Therapieentscheidung helfen.