Die Allergenimmuntherapie (AIT; auch als Hyposensibilisierung oder spezifische Immuntherapie bezeichnet) ist eine bereits seit Langem gut etablierte Therapie zur kausalen Behandlung Ig(Immunglobulin)E-vermittelter Allergien. Aufgrund der langjährigen umfangreichen Erfahrungswerte in der Anwendung der AIT sowohl als SCIT (subkutane Immuntherapie) als auch als SLIT (sublinguale Immuntherapie) sind DermatologInnen mit dieser Therapieform gut vertraut. Allerdings ändert sich auch die Faktenlage zur AIT aufgrund neuer Evidenzen beständig, insbesondere was den Umgang mit Komorbiditäten und -medikationen sowie das Management von Komplikationen angeht. Daher kann es patienten- und situationsbezogen immer wieder zu Fragen über das adäquate Verhalten bei der Anwendung der AIT kommen. Fakten und Fragen zur AIT – damit beschäftigt sich dieser Beitrag anhand ausgewählter, häufig vorgebrachter Beispiele.

Allergenimmuntherapie bei gleichzeitig bestehenden anderen Erkrankungen

Verhalten bei Asthma bronchiale?

Eine AIT kann – zusätzlich zu einer adäquaten symptomatischen Therapie – im Rahmen der Sekundärprävention den Krankheitsverlauf eines Asthma bronchiale (AB) positiv beeinflussen [66]. Die Einleitung einer AIT ist vom Zustand der klinischen Kontrolle des AB abhängig: Bei unkontrolliertem, schwerem AB wird von einer AIT abgeraten, da schwere, potenziell fatale Reaktionen im Rahmen der AIT möglich sind [5]. Ein kontrolliertes AB hingegen stellt keine Kontraindikation dar [12, 17]. Zur Einschätzung der Therapiekontrolle kann beispielsweise ein Asthma-Kontroll-TestTM (GlaxoSmithKline GSK Hamburg, Deutschland) durchgeführt werden, der für PatientInnen ab dem 12. Lebensjahr geeignet ist (Abb. 1; [41]).

Abb. 1
figure 1

Asthma-Kontroll-TestTM (GlaxoSmithKline GSK Hamburg, Deutschland). Bei einer Summe von 20 bis 25 Punkten gilt das Asthma als kontrolliert, bei 16 bis 19 Punkten als teilkontrolliert, bei weniger Punkten als unkontrolliert. (Nach [41])

Allergenimmuntherapie bei kardiovaskulären Erkrankungen?

Selbst schwere kardiovaskuläre Erkrankungen stellen bei – auch älteren – PatientInnen mit Hymenopterengift(HG)-Allergie keine zwingende Kontraindikation für die Durchführung einer AIT dar. Eine Risikoabwägung ist hierbei sinnvoll, da die AIT in der Regel gut vertragen wird und das Risiko einer tödlichen Stichreaktion bei diesen PatientInnen ohne AIT deutlich erhöht ist [34]. Vor Einleitung sollte die Krankheit stabilisiert sein, der mögliche notfallmäßige Einsatz eines Adrenalinautoinjektors ist mit der/dem behandelnden Kardiologin/-en in jedem Fall zu besprechen [45]. Bei einer Allergie gegen Aeroallergene, insbesondere wenn sich diese nur in einer Rhinoconjunctivitis allergica (RCA) äußert, empfiehlt sich bei PatientInnen mit schweren kardiovaskulären Erkrankungen, nochmals eine dies berücksichtigende Nutzen-Risiko-Analyse durchzuführen [32, 34, 35, 45]. In einer 10-jährigen vergleichenden dänischen Beobachtungsstudie an 18.841 SCIT- und 428.484 konventionell behandelten AllergikerInnen zeigte sich, dass die AIT-therapierte Gruppe eine signifikant niedrigere Rate an akuten myokardialen Infekten aufwies, wobei das Alter als „confounding factor“ berücksichtigt worden war, nicht jedoch das Vorliegen vorbekannter koronarer Herzerkrankungen [35].

Allergenimmuntherapie bei Mastozytose – was ist zu bedenken?

Eine Mastozytose kann insbesondere bei Hymenopterengift(HG)-Allergien das Auftreten schwerer anaphylaktischer Reaktionen begünstigen [8, 65], weshalb eine AIT dringend empfohlen wird [9], selbst wenn ein IgE-vermittelter Mechanismus nur vermutet werden kann [48]. Zumeist wird diese gut vertragen [7, 59], lediglich bei einzelnen MastozytosepatientInnen wurden vermehrt AIT-abhängige Nebenwirkungen beschrieben [23, 52]. Da bis zu 20 % aller HG-Allergiker eine AIT-induzierte Allergentoleranz in einem Untersuchungszeitraum von bis zu knapp 30 Jahren wieder verlieren können [1] und PatientInnen mit Mastozytose bei Verlust der AIT-vermittelten HG-Toleranz sehr schwer verlaufende Stichreaktionen erleiden können, sollte eine HG-AIT daher über einen verlängerten Zeitraum, ggf. sogar lebenslang durchgeführt werden [6, 10, 22, 47, 61]. Zudem kann eine Erhöhung der AIT-Erhaltungsdosis auf 200 µg HG/Injektion erwogen werden [25, 50]. Das gleiche Vorgehen wird für HG-Allergiker mit einer Serummastzelltryptase ≥ 11,4 µg/l empfohlen, die insbesondere bei schwereren anaphylaktischen Stichreaktionen auf eine systemische Mastozytose abgeklärt werden sollten [3, 47, 70].

Allergenimmuntherapie bei Autoimmunerkrankungen?

Autoimmunerkrankungen (AIE) stellen in Abhängigkeit von der vorliegenden Erkrankung und von der Einschätzung der jeweiligen, sich hierzu äußernden Expertengremien eine relative oder eine absolute Kontraindikation für eine AIT dar [2, 20, 46, 67]. Bei schwerer aktiver, therapierefraktärer AIE wird von der Einleitung einer AIT grundsätzlich abgeraten. Bei sich in Remission befindenden AIE erscheint eine AIT-induzierte Reaktivierung sehr unwahrscheinlich. So sind nur einzelne Fälle erneuter Symptome einer früheren AIE unter AIT beschrieben, wobei der kausale Zusammenhang spekulativ bleibt, sodass es nicht gerechtfertigt erscheint, diesem Patientenkollektiv insgesamt eine AIT vorzuenthalten, insbesondere bei der Therapie von HG-AllergikerInnen mit potenziell vital bedrohlichen Stichreaktionen [16, 32]. Hier sollte gemeinsam mit der betroffenen Person und der/dem die AIE behandelnden Ärztin/Arzt eine entsprechende Entscheidung getroffen werden, die neben Krankheitsaktivität und Verlauf der AIT auch das Ausmaß und den Schweregrad der Allergie und der hierdurch auf die Lebensführung gegebenen Einschränkungen berücksichtigt. Ähnlich wie für Impfungen gegen Infektionserreger sollte zumindest nicht generell davon ausgegangen werden, dass eine AIT oder die mit dieser verabreichten Adjuvanzien derart in das Immungeschehen eingreifen, dass es zu einer Verschlechterung oder gar Induktion einer AIE kommt [4, 63]. Dies gilt insbesondere für therapeutisch gut eingestellte organspezifische AIE wie beispielsweise Hashimoto-Thyreoiditis, Morbus Crohn, Colitis ulcerosa, Psoriasis und rheumatoide Arthritis [42, 45, 61]. Kommt es unter einer bereits eingeleiteten AIT zum erstmaligen Auftreten oder zur Reaktivierung einer AIE, ist unter Abwägung des Nutzens und der potenziellen Risiken zu entscheiden, die AIT zu unterbrechen oder ganz zu beenden [42].

Kann eine Allergenimmuntherapie bei neoplastischem Geschehen erfolgen?

Die Durchführung einer AIT bei vorbekanntem neoplastischem Geschehen (NG) wird kontrovers diskutiert, in einigen Leitlinien werden NG als relative, in anderen als absolute Kontraindikationen für eine AIT angesehen [16, 46]. Deutliche Evidenzen hierzu fehlen, so wird u. a. diskutiert, ob die Inhibition Th2-mediierter Immunmechanismen einen Einfluss auf die Ausbildung von Tumoren nehmen könnte [46], wobei zu bedenken ist, dass die AIT eine zielgerichtete, auf das jeweils eingesetzte Allergen fokussierende Modulation allergenspezifischer Th2-Immunität zur Folge hat [38]. In den deutschsprachigen Leitlinien stellt ein NG kein zwingendes Ausschlusskriterium für eine AIT dar [35, 46]. Hier sollte eine individuelle Nutzen-Risiko-Abwägung unter Berücksichtigung der möglichen Folgen einer nicht mittels AIT behandelten Allergie (insbesondere bei HG-Allergie, AB, Vorliegen einer Mastozytose, schwerwiegenden Anaphylaxien in der Vergangenheit) und des vorliegenden NG erfolgen [45, 49]. Nach Möglichkeit sollte die Einleitung einer AIT in einer Remission und nach der Phase des höchsten Progressionsrisikos erfolgen [48].

Ist eine Allergenimmuntherapie bei HIV-Infektion möglich?

Eine AIT kann auch bei einer HIV(„human immunodeficiency virus“)-Infektion wirksam sein [58], wobei das Vorliegen einer derartigen Infektion als relative Kontraindikation zu betrachten ist. Bei einer (unter antiretroviraler Therapie) adäquat kontrollierten Erkrankung (keine schwerwiegenden Symptome, CD4+-Zellzahl von > 200/μg/l unter zunächst monatlicher und nach 3 Monaten 1‑maliger Kontrolle pro Quartal) kann eine AIT daher durchaus in Abhängigkeit vom Ausmaß der allergischen Beschwerden erwogen werden.

Was ist im Zusammenhang mit COVID-19-Infektionen zu beachten?

Eine AIT sollte bei bestehenden Infekten weder eingeleitet noch im Rahmen der Fortsetzungstherapie appliziert werden. Bei PatientInnen mit durchgemachter COVID-19-Infektion oder negativem PCR(Polymerasekettenreaktion)-Test sowie bei Symptomfreiheit nach Risikokontakten können nach klinischer Untersuchung SCIT und SLIT fortgesetzt werden. Wurde eine COVID-19-Infektion jedoch nachgewiesen oder besteht Verdacht auf eine Infektion, ist die AIT zunächst auszusetzen [28].

Allergenimmuntherapie und Medikamenteneinnahme

Wie ist bei Einnahme von β-Blockern oder ACE-Hemmern vorzugehen?

Die Einnahme von β‑Blockern galt aufgrund möglicher begünstigter obstruktiver Atemwegsreaktionen, eines befürchteten erhöhten Risikos schwerer verlaufender AIT-bedingter Anaphylaxien und geringerer Effizienz einer zu deren Behandlung erforderlichen Adrenalingabe als Kontraindikation für die Einleitung einer AIT [31, 68]. In diversen Studien konnten diese Annahmen jedoch nicht bestätigt werden [14, 51, 60]. Entgegen der vorherigen Meinung geht man ebenfalls nicht mehr von einem erhöhten Adrenalinbedarf bei einer AIT-induzierten Anaphylaxie unter β‑Blocker-Einnahme aus [24, 69]. Eine Therapie mit β‑Blockern gilt deshalb für die Durchführung einer AIT bei der HG-Allergie nicht mehr als Kontraindikation, wobei nach Möglichkeit kardioselektive β‑Blocker zum Einsatz kommen sollten [45, 61].

Ebenso stellt die Einnahme von β‑Blockern für die SLIT bei aerogenen Allergien (AA) inzwischen keine Kontraindikation mehr dar, wobei präparatespezifische Ausnahmen möglich und entsprechend den Herstellerangaben in der Fachinformation zu beachten sind [30, 57].

Die Therapie mit β‑Blockern ist für die Durchführung einer AIT bei HG-Allergie keine Kontraindikation

Bei einer AIT mit AA müssen ACE(Angiotensin-Converting-Enzyme)-Hemmer nicht grundsätzlich abgesetzt werden [42, 45]. Divergierende Daten liegen zu möglichen Auswirkungen der Einnahme von ACE-Hemmern bei HG-Allergie vor, die aufgrund ihres pharmakologischen Wirkungsprofils mit dem Bradykininmetabolismus interferieren [44]. So zeigt eine retrospektive Studie von 2009 eine Assoziation mit schwereren anaphylaktischen Stichreaktionen bei HG-AllergikerInnen [51]. Außerdem wurde ein negativer Effekt auf die Wirksamkeit der HG-AIT und demzufolge eine Umstellung auf Alternativmedikationen diskutiert [45, 53]. Neuere Daten belegen allerdings keine nachteiligen Auswirkungen einer ACE-Hemmer-Therapie auf die HG-AIT, selbst in Kombination mit β‑Blockern, sodass diese keine absolute Kontraindikation für die AIT darstellt [59, 60, 62].

Vorgehen bei Gabe von Immunsuppressiva, immunmodulierenden Arzneimitteln (Biologika), Impfungen

Die Applikation von Immunsuppressiva stellt keine Kontraindikation für eine AIT dar, vielmehr stellt sich die Frage, ob eine Wirksamkeit gegeben ist. Immunologische Daten zum Einfluss von Glukokortikosteroiden auf eine Toleranzinduktion sind divergent und zeigen sowohl mögliche positive (beispielsweise Stimulation von regulatorischen T‑Zellen und IL[Interleukin]-10-Sekretion) [19, 21, 64] als auch negative Einflüsse (beispielsweise Hemmung dendritischer Zellen, regulatorischer T‑Zellen, Stimulation von Th2-Zellen) [15, 27]. Klinische Studiendaten liegen hierzu in Bezug auf die AIT nicht vor. Allerdings gibt es etliche Untersuchungen zum Einfluss einer Glukokortikoidtherapie auf Impfungen, sodass die hieraus resultierenden Empfehlungen auch für die Administration einer AIT als aussagekräftig angesehen werden könnten [18]. Diesen folgend, sollte auch bei einer längerfristigen (≥ 4 Wochen) systemischen Gabe von < 15–20 mg Prednisonäquivalent pro Tag in der Regel eine AIT-vermittelte Toleranzinduktion möglich sein. Nur sehr wenig indirekte Hinweise – basierend auf Untersuchungen zu Vakzinierungen und Immunantworten gegen Infektionserreger – finden sich in der verfügbaren Literatur zu den möglichen Effekten anderer Immunsuppressiva auf den Erfolg einer AIT. So lässt sich vermuten, dass eine AIT auch bei gleichzeitiger Therapie mit Methotrexat oder Tumor-Nekrose-Faktor-α-Inhibitoren (wohl nicht mehr aber bei deren Kombination) bzw. Hydroxychloroquin wirksam sein könnte [33, 40].

Die Applikation von Immunsuppressiva stellt keine Kontraindikation für eine AIT dar

Die Frage, inwiefern sonstige immunmodulierende Arzneimittel wie die unterschiedlichen Biologika mit einer AIT interferieren, lässt sich nicht auf Basis von entsprechenden Studiendaten beantworten. Hier sind ggf. Einzelfallentscheidungen zu treffen unter Berücksichtigung des jeweiligen Wirkungsprofils. So können insbesondere IgE-inhibierende Antikörper wie der Anti-IgE-Blocker Omalizumab (Xolair®, Novartis, Basel, Schweiz) oder möglicherweise auch die Th2-Immunantwort modulierende Biologika sogar supportive Effekte für die Toleranzinduktion beispielsweise durch Prävention anaphylaktischer Reaktionen (so insbesondere bei AIT von HG-Allergien oder AB) haben [36, 43]. Vorsicht ist bei erst kürzlich zugelassenen Arzneimittel dieser Wirkstoffklassen empfohlen, da die jeweiligen immunologischen Effekte noch nicht unbedingt vorhersehbar sind [42, 48, 68]. Die Applikation der Biologika sollte, ähnlich wie bei Impfungen (einschließlich Vakzinierung mit COVID-19-Impfstoffen), möglichst in einem 7‑tägigen Abstand zur AIT-Gabe erfolgen Eine SLIT-Administration kann unter Berücksichtigung der präparatespezifischen Herstellerempfehlungen auch in einem kürzeren Intervall zur Biologikaverabreichung erfolgen [29].

Allergenimmuntherapie bei Schwangerschaft

Gibt es Einschränkungen für die AIT im Falle einer Schwangerschaft?

In den bisherigen Studien gab es keine Hinweise für ein im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung höheres Anaphylaxierisiko oder eine herabgesetzte Wirksamkeit bei Fortsetzung einer bereits bis zur Erhaltungsdosis erfolgreich eingeleiteten und gut vertragenen AIT während einer Schwangerschaft [32, 54, 55]. Vielmehr kann die AIT sogar einen positiven Effekt auf den Krankheitsverlauf bei gleichzeitig vorliegendem AB erzielen [55]. Auch wird das Risiko anaphylaktischer Reaktionen – mit potenziell schwerwiegenden Auswirkungen auch auf den Embryo bzw. Fötus – nach Insektenstichen bei Fortsetzung einer HG-AIT gesenkt [54]. Allerdings wurde auch darüber spekuliert, ob der Th2-modulierende Effekt einer AIT (wiewohl ja allergenspezifisch) sich von daher negativ auf den Verlauf einer Schwangerschaft auswirken könne, da diese durch ein primär Th2-gewichtetes Immunprofil der Schwangeren geprägt ist, um einer „Abstoßung“ des allogenen Fötus vorzubeugen [11]. Studien bei HG-Allergikerinnen haben allerdings kein erhöhtes Risiko für kongenitale Malformationen, Frühgeburtlichkeit oder Aborte unter einer AIT gezeigt [37, 54], wenngleich es Einzelberichte beispielsweise zur vorzeitigen Entbindung aufgrund einer Plazentalösung unter einer bereits vor Schwangerschaft eingeleiteten und gut vertragenen HG-AIT gibt [39]. In der Regel wird daher insbesondere bei einer HG-Allergie die Fortführung einer bereits eingeleiteten AIT empfohlen, wobei Nutzen und Risiken (potenzielle Gefährdung der Schwangeren und des ungeborenen Kindes bei anaphylaktischen Reaktionen im Rahmen einer natürlichen oder AIT-abhängigen Allergenexposition) mit der Betroffenen und ggf. auch mit behandelnder/m Gynäkologin/en zu besprechen sind [56]. Die Einleitung einer AIT in der Schwangerschaft, gleich ob als SLIT oder als SCIT, wird allerdings in den meisten Leitlinien nicht empfohlen [45, 46, 49, 61], wenngleich insbesondere Letztere für individuelle Einzelfälle einer lebensbedrohlichen Insektengiftallergie als optional möglich diskutiert wird, gestützt auf sehr limitierte Daten ohne Hinweis auf maternale oder fetale Komplikationen [46].

Nebenwirkungen

Was kann man bei einer nicht vertragenen Allergenimmuntherapie tun?

Bei manchen PatientInnen kommt es – v. a. im Rahmen der Einleitung einer AIT gegen HG – zu Nebenwirkungen aufgrund einer allergischen Reaktion gegen das applizierte Allergen bei (noch) nicht stabiler bzw. (situationsbedingt) temporär verminderter Allergentoleranz. Epidemiologische Studien haben gezeigt, dass dies für die konventionelle SCIT in etwa 0,1 % aller Injektionsbesuche der Fall ist, wobei in 97 % nur geringe Beschwerden auftraten und in ca. 0,06 % aller SLIT-Administrationen bei 0,0014 % schwere Reaktionen [26]. Begünstigende Risikofaktoren wurden insbesondere für SCIT-bedingte Nebenwirkungen ermittelt, hierzu gehören unter anderem das verwendete Allergen (insbesondere Bienengift), symptomatisches AB, Mastozytose bzw. Mastzelltryptase im Serum von ≥ 11,4 µg/l, höheres Patientenalter (> 40 Jahre), chronische Infektionen sowie situative/Summationsfaktoren wie Infekte, Anstrengung/Stress, Hitze (beispielsweise Saunabesuch) und Alkohol (Tab. 1; [6, 42, 48]). Es sollte daher bei wiederholten Unverträglichkeitsreaktionen nach Vorliegen derartiger Kofaktoren, insbesondere einer bis dahin möglicherweise noch unentdeckten Mastozytose, oder einem („versteckten“) Infektfokus gefahndet werden (Abb. 2).

Tab. 1 Ausgewählte Risikofaktoren für systemische Reaktionen bei einer Allergenimmuntherapie (AIT). (Mod. nach [42, 49])
Abb. 2
figure 2

Vorgehen bei wiederholten systemischen Reaktionen auf Allergenimmuntherapie (AIT) mit Hymenopterengift. ACE Angiotensin-Converting-Enzyme, HG Hymenopterengift, IgE Immunglobulin E. (Nach [43, 48])

Primäres Ziel ist, eine Dosis zu erreichen, die gut vertragen wird und ausreichend hoch ist

Bei erhöhtem Risiko oder gehäuftem Auftreten derartiger Reaktionen ohne Nachweis bzw. Eliminationsmöglichkeit eines hierfür verantwortlichen Triggers (z. B. Mastozytose, Bienengiftallergie) ist zur Verbesserung der AIT-Verträglichkeit eine präventive Therapie mit oralen Antihistaminika – in einfacher Tagesdosis 30–60 min vor Allergenapplikation – möglich. Die Wirksamkeit der AIT wird hierdurch nicht beeinträchtigt [13, 49]. Zudem ist die applizierte Allergendosis bis auf eine komplikationslos vertragene zu reduzieren, um sie dann – ggf. in einem langsameren Aufdosierungsschema – wieder zu steigern. Sollte die empfohlene Erhaltungsdosis aufgrund fortgesetzter Reaktionen nicht erreicht werden können, kann möglicherweise mit einer niedrigeren, tolerierten Dosis die AIT fortgeführt werden, wobei hierüber Rücksprache mit einem allergologischen Zentrum gehalten werden sollte, da unter einer gewissen Dosis möglicherweise keine immunologische Wirksamkeit mehr besteht. Primäres Ziel ist insbesondere bei der HG-Allergie, eine Dosis zu erreichen, die zwar gut vertragen wird, aber auch ausreichend hoch für eine anhaltende Allergentoleranz ist, was bedeutet, dass diese sogar bei wiederholter Reaktion auf die übliche Erhaltungsdosis über dieser liegen sollte [47]. Um dies zu erreichen, kann bei fehlendem Ansprechen oder Erfolg der zuvor beschriebenen Maßnahmen bzw. (wiederholten) schwereren anaphylaktischen Reaktionen eine (temporäre) Off-label-Gabe des Anti-IgE-Antikörpers Omalizumab erwogen werden (Abb. 2). So konnten in verschiedenen Studien, insbesondere bei PatientInnen mit HG-Allergie oder AB und nebenwirkungsbedingten Einschränkungen einer AIT-Behandlung, eine erfolgreiche Aufdosierung und Fortführung einer AIT nach vorheriger Einleitung einer Omalizumab-Therapie erzielt werden. Hierbei wurden z. T. unterschiedliche Dosierungs- und Applikationsschemata für die Gabe von Omalizumab verwendet, das in der Regel nach einigen Wochen oder Monaten einer gut vertragenen AIT dann wieder abgesetzt werden konnte [43].

Fazit für die Praxis

  • Die Allergenimmuntherapie (AIT) stellt die einzig wirksame und in der Regel gut verträgliche, kausale medikamentöse Therapie Ig(Immunglobulin)E-vermittelter Allergien dar.

  • Zu beachten sind allerdings mögliche absolute und relative Kontraindikationen, Interferenzen mit Komorbiditäten oder zusätzlich eingenommenen Medikationen sowie potenzielle (individuelle) Risiken und Nebenwirkungen. Hier ist das Wissen um deren Vermeidung bzw. Handhabung im Falle von medizinischen Komplikationen essenziell für ein optimales Patientenmanagement.

  • Im Zweifelsfall oder bei Unklarheiten sollten allerdings stets auch weitere Expertisen beispielsweise durch Kontakt von Herstellern der AIT-Präparate oder von allergologischen Kompetenzzentren eingeholt werden.