Als Grundlage für die optimale Behandlung von Patienten mit chronischen Wunden sind valide und aussagekräftige Informationen aus klinischen Studien unerlässlich. Aktuell verfügbar sind diesbezüglich jedoch nur wenige qualitativ aussagekräftige Daten mit guter Evidenz und Übertragbarkeit auf den klinischen Alltag. Eine Ausnahme stellen die Studien zu der Behandlung chronischer Wunden mit TLC(Lipidkolloid-Technologie, „technology lipido-colloid“)-Sucrose Octasulfat dar. Trotz Vorliegen heterogener und oft multifaktorieller Krankheitsbilder bei chronischen Wunden konnten anhand mehrerer klinischer Studien Aussagen mit guter Evidenz für die Wirksamkeit von Wundauflagen mit TLC-Sucrose Octasulfat auf den Wundheilungsprozess getroffen werden. Dabei hat sich die Qualität der Datenlage im Laufe der Jahre kontinuierlich verbessert [1,2,3,4,5,6].

Sucrose Octasulfat

Eine positive Wirkung von Sucrose Octasulfat auf die Wundheilung wurde erstmalig in vitro an humanen Ösophagusepithelzellen und isolierten Rattenmägen in den 1990er-Jahren nachgewiesen [7, 8]. Darauf folgende Versuche beispielsweise am Kaninchen-Augenmodell bestätigten die positiven Ergebnisse [9]. Nach weiterer Forschung wurde 2007 dann die erste Wundauflage mit Sucrose Octasulfat für die Behandlung chronischer Wunden auf dem deutschen Markt eingeführt. Kommerziell wird das Kaliumsalz von Sucrose Octasulfat in Wundauflagen unter dem Markennamen UrgoStart (TLC-NOSF, Fa. Urgo, Sulzbach, Deutschland) in verschiedenen Produkten vertrieben.

Sucrose Octasulfat kann aufgrund seiner speziellen Struktur Matrixmetalloproteinasen (MMP) binden und neutralisieren [10], was ein zentral wichtiger Aspekt für die Wundheilung ist. In den vergangenen 20 Jahren rückten MMP zunehmend in den Fokus der Wundheilungsforschung, da mehrfach ein Zusammenhang zwischen MMP-Konzentrationen in Wunden und deren Chronifizierung aufgezeigt wurde [11,12,13]. Die wichtige Rolle der MMP für den zellulären Proteinhaushalt wurde erstmalig im Rahmen der Degradation extrazellulärer Matrixproteine (ECM) beschrieben ([11, 14]; Abb. 1). Mittlerweile ist jedoch bekannt, dass sie auch in zahlreichen weiteren molekularen Abläufen der Wundheilung wie beispielsweise der Signaltransduktion oder der Angiogenese eine zentrale Bedeutung haben [11, 14, 15]. Es wurden deshalb von verschiedenen Firmen gezielt verschiedene Wundauflagen mit MMP-inhibierender Wirkung entwickelt. Hierzu zählen kollagenbasierte, Azetat-Kationen-haltige sowie Wundauflagen mit TLC-Sucrose Octasulfat [16, 17].

Abb. 1
figure 1

Schematische Darstellung der Bindung von Matrixmetalloproteinasen (grün) durch Sucrose Octasulfat (rot) in den Wundauflagen bei Applikation auf einer chronischen Wunde (Copyright Firma Urgo)

Rolle der Matrixmetalloproteinasen-Inhibition in der Behandlung chronischer Wunden

In der initialen inflammatorischen Phase der Wundheilung sind MMP insbesondere für den Abbau von zerstörtem Gewebe wichtig [13, 18]. In späteren Phasen erfolgt dann der Aufbau neuen Gewebes. Hierbei ist eine übermäßige Aktivität der MMP kontraproduktiv. Die Steuerung der MMP-Aktivität erfolgt im Verlauf der physiologischen Wundheilung durch „tissue inhibitors of metalloproteinases“ (TIMP). Diese TIMP sorgen dafür, dass MMP an der richtigen Stelle und Phase der Wundheilung wirken. Im Fall chronischer Wunden ist jedoch dieses Gleichgewicht zwischen MMP- und TIMP-Konzentration oftmals gestört. Unerwünscht hohe MMP-Aktivität ist die Folge, wodurch der Wundheilungsprozess nur verzögert abläuft oder sogar unterbrochen wird [13, 19,20,21]. Dieser Aspekt konnte bereits für chronische Wunden unterschiedlicher Genese wissenschaftlich belegt werden [15, 22,23,24,25]. MMP-inhibierende Wundauflagen greifen an diesem wesentlichen Schritt in der Wundheilung ein; sie binden überschüssige MMP im Wundexsudat, sodass sich ein die physiologische Wundheilung begünstigendes Verhältnis von MMP- und TIMP-Konzentration einstellen kann. Die MMP-inhibierenden Wundauflagen können dabei entweder auf eine bestimmte Proteinase oder auch mehrere Proteinasen wirken [17, 26]. Häufig werden MMP-inhibierende Wundauflagen erst bei ansonsten therapierefraktären Wundheilungsverläufen eingesetzt; ein frühzeitiger Einsatz kann jedoch sinnvoll sein und frühzeitig die Wundheilung positiv beeinflussen ([2, 27]; Tab. 1).

Tab. 1 Wundprodukte, bei denen der Hersteller eine MMP-modulierende Wirkung propagiert

Klinische Studien zu der Wirksamkeit von TLC-Sucrose Octasulfat auf die Heilung chronischer Wunden

Nachdem die Ergebnisse von In-vitro-Tests und ersten klinischen Untersuchungen eine MMP-inhibierende Wirkung von TLC-Sucrose Octasulfat belegten, wurden mehrere klinische Studien durchgeführt [5, 10]. Im Folgenden wird eine Übersicht zu den bislang zu TLC-Sucrose Octasulfat publizierten Studien in zeitlicher Abfolge dargestellt. Bei den RCTs waren die berichteten Nebenwirkungen in der Verum- vs. der Kontrollgruppe statistisch gleich verteilt.

WHAT-Studie

Schmutz et al. veröffentlichten 2008 die erste RCT zu dem Effekt von TLC-Sucrose Octasulfat auf die Wundheilung [6]. Diese Studie wurde in Großbritannien und Frankreich parallel mit 117 Patienten mit Ulcus cruris venosum (VLU) durchgeführt. Eine Patientengruppe (n = 57) erhielt TLC-Sucrose Octasulfat, die Patienten der Vergleichsgruppe (n = 60) einen Kollagenmatrixverband. Primärer Endpunkt der Studie war die Wundflächenreduktion zum Ende der 12-wöchigen Behandlung.

TLC-Sucrose Octasulfat war dem Vergleichspräparat im primären Endpunkt statistisch signifikant überlegen. Die mediane Wundflächenreduktion betrug 54,4 % in der TLC-Sucrose Octasulfat-Gruppe gegenüber 12,9 % in der Kontrollgruppe (p = 0,0286; Abb. 2). Zudem traten Schmerzen und Infektionen im Vergleich zu der Kontrollgruppe weniger häufiger auf (5 vs. 18 Patienten).

Abb. 2
figure 2

Mediane prozentuale Wundflächenreduktion während 12-wöchiger Behandlung mit Sucrose Octasulfat im Vergleich zu einem Kontrollverband. (WHAT-Studie, mod. nach [6])

Diese Studie entspricht einer Evidenzstufe I b. Die demografischen Charakteristika der eingeschlossenen Patienten der beiden Gruppen waren sehr homogen und somit gut vergleichbar. Weiterhin wurden detaillierte Analysen zu unterschiedlichen Subgruppen durchgeführt und die statistische Aussagekraft überprüft. Da die Studie jedoch unverblindet durchgeführt worden war, liegt eine hohe Verzerrung der Daten vor. Ferner lassen diese Daten keinen Rückschluss darüber zu, ob TLC-Sucrose Octasulfat die Wundheilung generell beschleunigt. Eine Aussage konnte nur im Verhältnis zu dem Kontrollprodukt, nicht aber im Vergleich zu einer neutralen Wundauflage getroffen werden.

CHALLENGE-Studie

Die CHALLENGE-Studie wurde 2009 durchgeführt [1, 3, 4]. Diese multizentrische RCT (randomisierte kontrollierte Studie) wurde doppelblind in Frankreich durchgeführt, wodurch die neutrale Auswertung der Ergebnisse und ein geringes Verzerrungspotenzial gewährleistet waren. Studienziel war der Beweis der Wirksamkeit von TLC-Sucrose Octasulfat in der Behandlung von Patienten mit VLU. Insgesamt wurden 187 Patienten unter Kompressionstherapie entweder mit TLC-Sucrose Octasulfat oder einer identischen Wundauflage ohne Sucrose Octasulfat (93 vs. 94 Patienten) behandelt. Als primärer Endpunkt wurde die relative Wundflächenreduktion untersucht. Zudem wurden Daten zu der Lebensqualität und dem medizinökonomischen Nutzen erhoben.

Nach 8‑wöchiger Behandlungsdauer zeigte sich eine signifikante Überlegenheit durch den Einsatz von TLC-Sucrose Octasulfat mit einer Wundflächenreduktion von 58,3 % vs. 31,6 % ohne Sucrose Octasulfat (p = 0,002; Abb. 3). Ferner heilten die mit dem MMP-Inhibitor behandelten Wunden statistisch signifikant schneller ab als Wunden, die mit der identischen Wundauflage ohne MMP-inhibierende Wirkung behandelt wurden. Die mediane Heilungsrate betrug 10,83 mm2/Tag mit TLC-Sucrose Octasulfat gegenüber 5,15 mm2/Tag ohne Sucrose Octasulfat. Die Lebensqualität der Patienten in der TLC-Sucrose Octasulfat-Gruppe verbesserte sich im Vergleich zu der Kontrollgruppe statistisch signifikant; Schmerzen und Unbehagen (visuelle Analogskala [VAS] 1,53 ± 0,53 vs. 1,74 ± 0,65; p = 0,022) sowie Angst und Depressionen (VAS 1,35 ± 0,53 vs. 1,54 ± 0,60; p = 0,037) nahmen ab. Zudem ergab die von Augustin et al. 2016 im Rahmen dieser Studie durchgeführte medizinökonomische Modellierung für das deutsche Gesundheitswesen einen Kostenvorteil von 485,64 € in 8 Wochen für die TLC-Sucrose Octasulfat-Wundauflage im Vergleich zu der neutralen Schaumstoffwundauflage [3].

Abb. 3
figure 3

Relative prozentuale Wundflächenreduktion während 8‑wöchiger Behandlung mit Sucrose Octasulfat im Vergleich zu identischem Verband ohne Sucrose Octasulfat. (CHALLENGE-Studie, mod. nach [3])

Ein großer Vorteil dieser doppelblind durchgeführten Studie war, dass sie mit optisch nicht voneinander unterscheidbaren Wundauflagen durchgeführt wurde. Es wurden lediglich therapierefraktäre Wunden mit einer Bestehensdauer von 6 bis 36 Monaten eingeschlossen. Obwohl diese Wunden besonders schwierig zu therapieren sind, konnte ein positiver Effekt von TLC-Sucrose Octasulfat auf die Wundheilung nachgewiesen werden. Eine Limitation der Studie ist jedoch die kurze Behandlungsdauer von 8 Wochen. In dieser Zeit wurde nur bei wenigen Patienten ein vollständiger Wundverschluss erzielt – hierfür wäre ein längerer Beobachtungszeitraum notwendig gewesen. Somit war keine Schlussfolgerung möglich, inwieweit die Patienten nach der 8‑wöchigen TLC-Sucrose Octasulfat-Behandlung von einer Weiterführung der Therapie profitiert hätten. Die Kompressionstherapie war als zentraler Bestandteil bei der Behandlung des VLUs mit berücksichtigt. Eine Standardisierung der Kompressionstherapie wäre im Hinblick auf die Vergleichbarkeit und Auswertung der Daten aus den verschiedenen Studienzentren wünschenswert gewesen.

SPID-Studie

Richard et al. publizierten 2012 eine Pilotstudie an Patienten mit neuropathischem diabetischem Fußulkus (DFU) ohne begleitende pAVK (periphere arterielle Verschlusskrankheit) [28]. Diese Studie war als Machbarkeitsstudie konzipiert, um speziell die Wirksamkeit von TLC-Sucrose Octasulfat bei Patienten mit DFU zu prüfen. In dieser nicht kontrollierten, offen geführten, einarmigen SPID-Studie wurden über 12 Wochen 33 Patienten mit TLC-Sucrose Octasulfat behandelt.

Die mittlere relative Wundflächenreduktion betrug 62,7 ± 49,9 %, 10 von 33 Wunden (33 %) heilten innerhalb von 12 Wochen ab. TLC-Sucrose Octasulfat erwies sich demnach auch bei DFU als zuverlässig bei der Unterstützung des Wundheilungsprozesses. Gleichzeitig konnten ein positives Sicherheitsprofil der Wundauflage und eine gute Akzeptanz der Patienten nachgewiesen werden.

Obwohl die Studie ohne Vergleichsarm und nur an einer relativ kleinen Anzahl an Patienten durchgeführt worden war, konnten diese Daten als Basis für weitere Studien mit DFU-Patienten herangezogen werden. Die Patientenpopulation war gut definiert, zudem wurde im Rahmen der Behandlung eine für DFU wichtige Druckentlastung durchgeführt. Diese erfolgte jedoch nicht standardisiert und daher evtl. nicht immer vergleichbar effektiv.

NEREIDES und CASSIOPEE

Die beiden prospektiven, multizentrischen klinischen Pilotstudien NEREIDES (37 Patienten) und CASSIOPEE (51 Patienten) wurden 2012/2013 bzw. 2017/2018 durchgeführt und 2019 veröffentlicht. Hierbei ging es um die Behandlung von Patienten mit nicht infizierten, mäßig bis stark exsudierenden Ulcera crurum in verschiedenen Heilungsphasen mit einer TLC-Sucrose Octasulfat-haltigen Wundauflage auf der Basis von polyabsorbierenden Fasern. Nach 12 Wochen Therapie zeigte sich bei NEREIDES eine 60 %ige Wundflächenverkleinerung und bei 18 % der Patienten ein Wundverschluss; bei CASSIOPEE eine 81 %ige Wundflächenverkleinerung und bei 20 % ein Wundverschluss. Es konnten nur wenige Nebenwirkungen und eine gute Akzeptanz der Verbände bei den Patienten und Therapeuten dokumentiert werden [27].

Beide Studien wurden ohne Vergleichsarm durchgeführt; die Patientenpopulationen waren gut definiert. Bei allen Patienten sollte begleitend eine nicht weiter standardisierte Kompressionstherapie durchgeführt werden. Insgesamt 24 % der Patienten bei NEREIDES bzw. 16 % bei CASSIOPEE hatten zuvor keine Kompressionstherapie erhalten. Die Kompressionstherapie ist bei diesem Patientenkollektiv im Hinblick auf die Wundheilung sehr wichtig und wurde nicht separat analysiert.

REALITY

Münter et al. publizierten 2017 eine gepoolte Datenanalyse über 8 Anwenderbeobachtungen aus Deutschland und Frankreich mit insgesamt 10.220 Patienten, in der die Übertragbarkeit aus RCT-stammenden Daten zu der Wirksamkeit von TLC-Sucrose Octasulfat auf die tägliche Behandlungsroutine untersucht werden sollte [28]. Als Kontrolle dienten Patientendaten zu der Abheilung chronischer Wunden unterschiedlicher Entitäten (Ulcus cruris, Dekubitalulzera) aus der französischen Pflichtversicherungsdatenbank SNIIRAM (Système national d’information inter-régimes de l’Assurance maladie), welche die Verschreibungs- und Behandlungsdaten von 214.600 Patienten mit chronischen Wunden in der ambulanten Versorgung umfasste [29]. Zudem wurden die Daten der CHALLENGE-Studie zum Abgleich herangezogen [3].

Im Vergleich zu den SNIIRAM-Daten war die Abheilungsdauer unter TLC-Sucrose Octasulfat-Behandlung über alle Wundentitäten hinweg im Durchschnitt etwa 100 Tage kürzer: Ulcus cruris 112 Tage vs. 210 Tage, Dekubitalulzera 119 Tage vs. 223 Tage. Bei DFU betrug die Heilungsdauer 98 Tage, wobei die Patienten unabhängig von der Bestehensdauer ihrer Wunden von der Behandlung profitierten. Erfolgte der Einsatz als Erstlinientherapie, so war die Abheilungszeit deutlich kürzer, als wenn zuvor eine andere Wundauflage verwendet worden war. Die mittlere geschätzte Abheilungsdauer betrug in der Erstlinientherapie für DFU, Ulcus cruris und Dekubitalulzera 70,2 Tage (95 %-KI [Konfidenzintervall, 62,3; 78,0]) gegenüber 108,7 Tage (95 %-KI [98,7; 108,7]) im Fall einer Zweitlinientherapie (Abb. 4). Ein weiteres Ergebnis war die tendenzielle Übereinstimmung dieser Analyse mit den RCT-Daten.

Abb. 4
figure 4

Abheilungswahrscheinlichkeit bei Behandlung mit Sucrose Octasulfat als Erstlinien- oder Zweitlinientherapie. (REALITY-Studie, mod. nach [28])

Aufgrund der großen Anzahl untersuchter Patienten ist die Aussagekraft der gepoolten Datenanalyse REALITY hoch. In dieser Analyse wurden Patienten aus der täglichen klinischen Praxis untersucht und nicht aus einer vorselektierten Gruppe. Diese Selektion ist oftmals ein Nachteil bei RCT, in denen in der Regel Patienten mit wenigen Komorbiditäten und weiteren, möglicherweise die Wundheilung beeinflussenden Faktoren ausgewählt werden. Diese Patienten spiegeln jedoch nur selten die reale Patientenklientel wider. Nachteilig bei der gepoolten Analyse der Anwenderbeobachtungen ist im Umkehrschluss, dass kontrollierte Bedingungen, wie sie in RCT gegeben sind, fehlten. Mit dieser Analyse konnte dennoch bestätigt werden, dass TLC-Sucrose Octasulfat die Heilung bei verschiedenen Wundentitäten verbessert. Zudem wurde der Nachweis erbracht, dass die Ergebnisse aus den RCT auf reale Bedingungen im praktischen Alltag übertragbar sind.

EXPLORER-Studie

In der 2018 publizierten EXPLORER-Studie wurde die Indikation neuroischämisches diabetisches Fußulkus (DFU) untersucht [2]. Diese Mischform liegt bei etwa 40 % aller DFU-Patienten vor und stellt eine sehr schwierig zu behandelnde Entität dar. Weltweit handelte es sich um die erste doppelblind durchgeführte RCT zur Untersuchung der Wundheilung speziell bei diesen Patienten. Die Studie war für einen direkten Vergleich einer TLC-Sucrose Octasulfat-haltigen Wundauflage im Vergleich zu einer Therapie ohne Sucrose Octasulfat konzipiert.

In 43 europäischen Zentren wurden insgesamt 289 Patienten in die Studie eingeschlossen. Infolge einer 2‑wöchigen Run-in-Periode wurden Patienten, die unter Behandlung mit einer neutralen Wundauflage eine Wundflächenreduktion <30 % aufwiesen, für die eigentliche Studienphase selektiert. Im darauffolgenden 20-wöchigen Beobachtungszeitraum wurden 126 der Patienten mit der TLC-Sucrose Octasulfat-haltigen Wundauflage sowie 114 Patienten mit dem identisch aussehenden Vergleichsprodukt behandelt. In der Nachbeobachtungsphase wurden diejenigen Patienten, deren Wunden sich nach 20 Wochen nicht verschlossen hatten, ebenfalls mit der TLC-Sucrose Octasulfat-haltigen Wundauflage behandelt. Der primäre Endpunkt, ein vollständiger Wundverschluss, wurde innerhalb der 20 Wochen bei 48 % der Patienten in der Interventionsgruppe gegenüber 30 % der Patienten in der Kontrollgruppe erreicht (Abb. 5). Der Unterschied war statistisch signifikant zugunsten der TLC-Sucrose Octasulfat-Behandlung (p = 0,002). Der sekundäre Endpunkt, Zeit bis zum vollständigen Wundverschluss, wurde für Patienten in der TLC-Sucrose Octasulfat-Gruppe mit 120 ± 4,7 Tagen gegenüber 180 ± 8,7 Tagen für Patienten der Kontrollgruppe berechnet. Es zeigte sich eine statistisch signifikante Verkürzung der Heilungsdauer um 60 Tage (p = 0,029).

Abb. 5
figure 5

Statistisch signifikant höherer prozentualer Anteil an Patienten mit vollständigem Wundverschluss nach 20-wöchiger Behandlung mit Sucrose Octasulfat im Vergleich zu einer Wundauflage ohne Sucrose Octasulfat. (EXPLORER-Studie, mod. nach [2])

In einer Post-hoc-Analyse der Explorer-Daten wurden die Wundverschlussraten pro Woche für die verschiedenen Patientengruppen analysiert. Bei den Wunden, die weniger als 2 Monate bestanden (n = 63), heilten 57 % und bei Wunden, die länger als 11 Monate bestanden (n = 54), 19 % vollständig ab. Der größte Unterschied zwischen den beiden Behandlungsgruppen wurde bei Wunden mit einer Dauer von unter 2 Monaten berichtet. Hier heilten 71 % in der TLC-Sucrose Octasulfat-Gruppe und lediglich 41 % in der Kontrollgruppe ab. Es zeigte sich somit, dass je früher Wundauflagen mit TLC-Sucrose Octasulfat zum Einsatz kamen, desto größer war der Anteil der abgeheilten Wunden [30].

In einer Kosten-Effektivitäts-Analyse wurden diese Daten weiter analysiert. Die Kosten betrugen in Woche 20 in der mit TLC-Sucrose Octasulfat behandelten Gruppe 2864,21 € und in der Kontrollgruppe 2958,69 €. Da 52 % bzw. 70 % der Patienten innerhalb dieses Zeitraums nicht komplett abgeheilt waren, erfolgte in einem Markov-Modell auch eine Kostenkalkulation für die Woche 100. Diese lagen mit 5882,87 € für die mit TLC-Sucrose Octasulfat behandelte Gruppe deutlich unter den Kosten von 8449,39 € in der Gruppe, die mit der neutralen Wundauflage behandelt wurde [31]. Die Autoren zeigten somit eine überlegene Kosteneffizienz sowie niedrigere Gesamtkosten durch den Einsatz von TLC-Sucrose Octasulfat im Vergleich zu einem vergleichbaren neutralen Verband.

Aufgrund des doppelblinden Studiendesigns konnten valide Daten mit geringem Verzerrungspotenzial generiert werden. Da die Studie zudem gemäß dem empfohlenen wissenschaftlichen Standard zur Berichterstattung klinischer Studien mit DFU-Patienten in der klinischen Routine durchgeführt worden war und die Ergebnisse über Sensitivitätsanalysen abgesichert wurden, gilt die EXPLORER-Studie derzeit als die aussagekräftigste Studie zu der Wirksamkeit einer Wundauflage bei Patienten mit neuroischämischem DFU [32]. Trotz der Berücksichtigung ausgesuchter Druckentlastungssysteme beim Studiendesign könnte die nicht standardisierte Druckentlastung als Studienlimitation gewertet werden.

Diskussion

Auf der Basis einer adäquaten Diagnostik [33] sollte bei allen Patienten mit chronischen Wunden eine an den Ursachen von Wundheilungsstörungen [34] orientierte topische [35] und ggf. systemische Therapie [36] erfolgen. Das Grundprinzip der feuchten Wundversorgung wird auf die grundlegenden Arbeiten von Winter zurückgeführt, der bereits 1962 zeigen konnte, dass Wunden in einem feuchten („moist“) Wundmilieu schneller heilen [37]. Die Evidenz ist für dieses Grundprinzip der Wundbehandlung heute hinreichend wissenschaftlich belegt [38, 39]. Der Einsatz der Wundprodukte erfolgt entsprechend den Phasen der Wundheilung und verfolgt verschiedene Therapieziele, die beispielsweise nach dem M.O.I.S.T.-Prinzip [40] eingeteilt werden können. Hier setzt TLC-Sucrose Octasulfat sehr gut den Aspekt „S“ – Support, also die aktive Unterstützung des Wundheilungsprozesses, um. Je nach Trägermaterial werden zudem auch die Exsudatkontrolle (M – „Moisture balance“) und das autolytische Débridement (T – „Tissue management“) unterstützt.

Im Rahmen der evidenzbasierten Medizin (EbM) sollten Patienten auf der Grundlage der besten zur Verfügung stehenden wissenschaftlichen Erkenntnisse behandelt werden. Voraussetzung für die Gewährleistung einer solchen Behandlung sind dabei valide und aussagekräftige Daten aus klinischen Studien. Insbesondere im Bereich chronischer Wunden erschweren jedoch die heterogenen Krankheitsbilder mit unterschiedlichen Entitäten und Kofaktoren sowie Komorbiditäten häufig die Vergleichbarkeit und Bewertung von Studiendaten. Für TLC-Sucrose Octasulfat konnte in den letzten gut 10 Jahren gezeigt werden, dass auch im Bereich der Behandlung von Patienten mit chronischen Wunden aussagekräftige Studien konzipiert und durchgeführt werden können. Mittels der an den Prinzipien der EbM ausgerichteten und aufeinander aufbauenden Studien konnte die Evidenz zu der Wirksamkeit von TLC-Sucrose Octasulfat-haltigen Wundauflagen auf die Heilung chronischer Wunden kontinuierlich gesteigert werden. Zunächst wurde in In-vitro-Tests die grundlegende MMP-inhibierende Wirkung von TLC-Sucrose Octasulfat nachgewiesen. NEREIDES und CASSIOPEE zeigten die Wirksamkeit von TLC-Sucrose Octasulfat auch in Kombination mit polyabsorbierenden Fasern bei Patienten mit Ulcus cruris venosum und mixtum in der Reinigungsphase [27]. Darauf aufbauend, wurde eine offene RCT mit 117 Patienten mit VLU im Hinblick auf die Wundflächenverkleinerung durchgeführt. Die nächste Studie mit Patienten mit VLU wies bereits ein doppelblindes Studiendesign auf und wurde mit 187 Patienten an einer größeren Anzahl an Patienten und unter Berücksichtigung der Kompressionstherapie durchgeführt [3, 6]. Aus den Daten dieser Studie konnten neben der Wirksamkeit in Bezug auf die Wundheilungsgeschwindigkeit auch der positive Effekt auf die Lebensqualität der Patienten sowie ein medizinökonomischer Vorteil durch die Verwendung von TLC-Sucrose Octasulfat-haltigen Wundauflagen nachgewiesen werden [1, 4]. Im nächsten Schritt sollte ein möglicher Effekt auf die Wundheilung beim DFU überprüft werden. Dies wurde zunächst im Rahmen einer offen geführten, einarmigen, unverblindeten Pilotstudie mit 33 Patienten getestet [29]. Nach erbrachtem Proof-of-Concept wurden die Daten anhand der doppelblinden, zweiarmigen EXPLORER-Studie an 240 Patienten mit definiertem DFU-Status und einer langen Beobachtungsdauer verifiziert [2]. Einen Überblick über die Wirksamkeit von TLC-Sucrose Octasulfat in verschiedenen Indikationen und eine Übertragbarkeit in den Praxisalltag lieferten dann noch die Ergebnisse der gepoolten Datenanalyse REALITY mit 10.220 Patienten ([28]; Tab. 2).

Tab. 2 Übersicht der mit Sucrose Octasulfat durchgeführten klinischen Studien bei Patienten mit chronischen Wunden

Als Konsequenz aus der guten Evidenz gibt es erstmalig Empfehlungen für die Behandlung chronischer Wunden mit TLC-Sucrose Octasulfat-haltigen Wundauflagen von dem National Institute for Health and Care Excellence (NICE) [41] und in den 2019 überarbeiteten Leitlinien der International Working Group on the Diabetic Foot (IWGDF) [42].

Perspektive

Heute stehen bereits zahlreiche, grundsätzlich sehr interessante Wundprodukte zur Verfügung, die entsprechend den Herstellerangaben ganz unterschiedliche Ansatzpunkte haben. So soll es beispielsweise möglich sein, die MMPs zu inhibieren, den pH-Wert zu senken, Wachstumsfaktoren zuzuführen oder die Makrophagenaktivität zu modifizieren. Im klinischen Alltag können diese Faktoren aber nicht objektiviert werden, sodass derzeit meist ein Trial-and-Error-Prinzip zum Einsatz kommt. Im Rahmen einer individualisierten Wundtherapie sollte es aber zukünftig möglich sein, die zugrunde liegenden Faktoren diagnostisch zu bestimmen und dann gezielt therapeutisch anzugehen. Erste Ansätze für sog. Smart-Dressings, die Faktoren messen und ggf. auch telemedizinisch weiterleiten bevor eine spezifische Therapie erfolgt, sind Gegenstand aktueller Forschungsbemühungen [43].

Limitationen

Bei allen durchgeführten Studien fehlt der direkte Wirknachweis von TLC-Sucrose Octasulfat bezüglich der MMP-Konzentrationsminderung, da diese nicht gemessen wurden. Für zukünftige Untersuchungen wären neben RCT und Registerstudien auch die Aufklärung des genauen biochemischen Wirkmechanismus und der Nachweis über die Korrelation des MMP:TIMP-Verhältnisses mit der Wundheilung auf molekularer Ebene wichtig, um die Wirksamkeit von TLC-Sucrose Octasulfat bei Wunden mit unterschiedlichen MMP-Leveln besser einschätzen zu können.

Da es sich um teils unterschiedliche Studiendesigns handelt, kann man die Ergebnisse der Studien nicht immer 1:1 vergleichen. Hier gibt es potenzielle Einflussfaktoren durch Unterschiede in der interindividuellen Anwendung mit unterschiedlicher Tragedauer, unterschiedlich intensiver Betreuung durch Fachkräfte, Patienten in unterschiedlichen Wundstadien sowie unterschiedliche Variationen der Sucrose Octasulfat-haltigen Produkte.

Fazit für die Praxis

  • Im Rahmen von gesundheitspolitischen Diskussionen wird immer wieder über die meist fehlende bzw. unzureichende Evidenz von Produkten in der Wundbehandlung diskutiert.

  • An dem Beispiel von TLC(„technology lipido-colloid“)-Sucrose Octasulfat kann gezeigt werden, dass auch im Bereich der Behandlung von Patienten mit chronischen Wunden eine aussagekräftige Datenlage von hoher Evidenz sowie guter Vergleichbarkeit generiert werden kann

  • Es ist sinnvoll und notwendig, zukünftig auch für andere Wundprodukte eine solche valide Datenlage zu der Wirksamkeit wie für TLC-Sucrose Octasulfat in der Wundbehandlung zu fordern.