Zusammenfassung
Dupilumab ist ein monoklonaler Antikörper, der an die gemeinsame α‑Kette des IL(Interleukin)-4- und IL-13-Rezeptors bindet und den Th(T-Helferzelle)2-Signalweg blockiert, der bei der Entstehung des atopischen Ekzems eine Schlüsselrolle spielt. Wir berichten über den Fall eines 40-jährigen Patienten, der nach 6 Wochen Dupilumab-Therapie eine histologisch gesicherte Psoriasis entwickelte. Das eigenmächtige, abrupte Absetzen der ungewöhnlichen, nicht leitliniengerechten oralen Steroidtherapie und die Blockade des Th2-Signalwegs durch Dupilumab dürften die entscheidenden Auslösefaktoren für die erstmalige Ausbildung der Psoriasis bei unserem Patienten gewesen sein.
Abstract
Dupilumab is a monoclonal antibody that binds to the common alpha chain of the IL‑4 and IL-13 receptor and blocks the Th2 signaling pathway, which plays a key role in the development of atopic dermatitis. We report on the case of a 40-year-old man, who developed histologically confirmed psoriasis after 6 weeks of dupilumab therapy. The arbitrary, abrupt stopping of the unusual, not guideline-based oral steroid therapy, together with the blockade of the Th2 signaling pathway by dupilumab were apparently the relevant trigger factors for the newly developed psoriasis in our patient.
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Dupilumab ist ein monoklonaler Antikörper, der an die gemeinsame α‑Kette des IL(Interleukin)-4- und IL-13-Rezeptors bindet und den IL-4- und IL-13-Signalweg blockiert, der eine entscheidende Rolle in der Th(T-Helferzelle)2-vermittelten Pathogenese des atopischen Ekzems spielt [6]. Während eine Blockade des Th2-Signalwegs eine effektive Therapie des atopischen Ekzems darstellt [7], ist die resultierende Verstärkung von Th1- und Th17-Antworten an der Pathogenese der Psoriasis beteiligt [2]. Dupilumab ist in Deutschland seit 2017 für Patienten ab 18 Jahren und seit 01.08.2019 für Patienten ab 12 Jahren für die Therapie des mittelschweren und schweren atopischen Ekzems zugelassen. Wir berichten über einen ungewöhnlichen Fall neu aufgetretener Psoriasis unter Dupilumab-Therapie.
Fallbeschreibung
Ein 40-jähriger deutscher Computerfachmann stellte sich Ende August 2019 in unserer dermatologischen Ambulanz mit akuten Hautveränderungen vor (Abb. 1a–d).
Die klinische Diagnose eines atopischen Ekzems wurde vor 20 Jahren von einem niedergelassenen Dermatologen gestellt und 2 Monate zuvor durch uns klinisch bestätigt. Als Vorerkrankungen waren ein seit der frühen Kindheit bestehendes allergisches Asthma und eine Rhinitis allergica bekannt. Psoriasis war weder bei unserem Patienten noch in seiner Familie bekannt. Die Vorbehandlung des Ekzems umfasste topische Steroide und Calcineurininhibitoren, Lichttherapie und seit 2 Jahren eine intermittierende, etwa jeden dritten Tag eingenommene Steroidgabe von 50 mg Prednisolon per os, verschrieben durch den niedergelassenen Dermatologen. Aufgrund der Schwere des atopischen Ekzems (Eczema Area and Severity Index [EASI] 22,2; Scoring Atopic Dermatitis [SCORAD] 73,1) und des schlechten Ansprechens auf die Vortherapien hatten wir 5 Wochen zuvor eine Therapie mit Dupilumab eingeleitet. Zu diesem Zeitpunkt lag keine Eosinophilie vor (0,33 G/l; Normwert: 5,65 G/l). Der Patient erhielt Ende Juli 2019 eine Loading-Dosis von 600 mg Dupilumab s.c., gefolgt von 300 mg Dupilumab s.c. im Abstand von 14 Tagen, jeweils Anfang und Mitte August. Gleichzeitig erstellten wir in Absprache mit unserem Endokrinologen ein Schema zum Ausschleichen der oralen Prednisolon-Therapie. Der Patient gab Ende August 2019 uns gegenüber zu, dass er sich nicht an das Ausschleichschema gehalten und das orale Prednisolon bereits Ende Juli 2019 abrupt abgesetzt habe. Er nahm keine anderen Medikamente ein und hatte auch keine neuen Medikamente angesetzt.
Klinischer Befund
Am gesamten Integument, unter Betonung von Händen, Unterarmen und Unterschenkeln zeigten sich zahlreiche scharf begrenzte erythematöse Plaques mit psoriasiformer Schuppung. Rima ani, Bauchnabel und Nägel waren frei von Veränderungen. An beiden Palmae zeigte sich eine verstärkte Handlinienzeichnung. Es bestanden kein Juckreiz, keine Gelenkschmerzen und kein Fieber. Vitalparameter und Lymphknotenstatus waren unauffällig.
Im Labor zeigte sich eine Leukozytose (15,10 G/l; Normwert: 3,90–9,80 G/l) mit Neutrophilie (12,2 G/l; Normwert: 5,65 G/l) und Eosinophilie (1,03 G/l; Normwert 0,03–0,44 G/l) bei normwertigem C‑reaktivem Protein (0,3 mg/dl; Normwert: <0,5 mg/dl) und Gesamt-Ig(Immunglobulin)E (48,1 kU/l; Normwert: <100 kU/l).
Stanzbiopsien von linkem Thenar und linkem Unterarm zeigten Akanthose, Papillomatose, weitgehenden Verlust des Stratum granulosum und Parakeratose. In der Epidermis zeigten sich einzelne, neutrophile Granulozyten, im Stratum papillare ein Ödem, geschlängelte Kapillaren und ein lymphohistiozytäres Infiltrat.
Diagnose
Unsere klinischen Differenzialdiagnosen beinhalteten eine Exazerbation des bekannten atopischen Ekzems unter akutem Steroidentzug, ein Arzneimittelexanthem, eine durch Steroidentzug induzierte Psoriasis und ein kutanes T‑Zell-Lymphom. In Zusammenschau der Klinik, der Histologie und der Laborwerte stellten wir die Diagnose einer Psoriasis unter Steroidentzug und Dupilumab-Gabe.
Therapie und Verlauf
Aufgrund der Schwere der Hautveränderungen stoppten wir die Dupilumab-Therapie und leiteten notfallmäßig eine Steroidstoßtherapie mit Prednisolon in ausschleichender Dosierung (je 2 Tage 25 mg, 20 mg, 15 mg, 10 mg Prednisolon, dann 5 mg Prednisolon pro Tag) in Kombination mit einer intensiven topischen Therapie mit Klasse-3-Steroiden und Salicylsäure zum Abschuppen ein. Darunter zeigte sich ein regelrechtes Ansprechen. Nach Vorliegen eines negativen HIV(„human immunodeficiency virus“)-, Quantiferon- und Hepatitistests wurde mit einer systemischen Ciclosporin-Therapie begonnen (5 mg/kg/Tag), die zügig zu einer deutlichen Besserung des Hautzustandes führte.
Diskussion
Atopisches Ekzem und Psoriasis sind T‑Zell-vermittelte, chronisch entzündliche Erkrankungen, deren Immunungleichgewicht klassischerweise an entgegengesetzten Enden eines Spektrums angenommen wird, mit einer Th1- und Th17-Dominanz bei Psoriasis und einer Th2- und Th22-Dominanz bei atopischem Ekzem. Gleichzeitig wurde die Koexistenz von atopischem Ekzem und Psoriasis bei demselben Patienten in einigen Fällen beschrieben und ein überlappender genetischer Hintergrund festgestellt [2].
Typische Nebenwirkungen einer Dupilumab-Therapie stellen Hautreaktionen an der Injektionsstelle und eine beidseitige Konjunktivitis dar [1]. Laborkontrollen unter Dupilumab-Gabe sind nicht notwendig [10].
Aktuell sind 3 Fälle publiziert, bei denen unter Dupilumab-Therapie bei atopischem Ekzem eine Psoriasis aufgetreten ist:
Tracey et al. publizierten 2018 einen Fall, bei dem eine Patientin 2 Monate mit Dupilumab für eine – vermutlich als atopisches Ekzem fehldiagnostizierte – Psoriasis behandelt wurde. Die Patientin hatte ebenfalls eine Leukozytose (13,960/µl) sowie eine Eosinophilie (370/µl, 2,7 %). Dupilumab wurde abgesetzt, die weitere Therapie erfolgte erfolgreich mit Methotrexat [8].
Safa et al. publizierten 2019 eine milde, auf den Stamm begrenzte Psoriasis, die 2 Monate nach Dupilumab-Einleitung auftrat. Die Therapie mit topischen Steroiden führte zu einer Verbesserung der psoriatischen Plaques, ohne dass Dupilumab abgesetzt werden musste [5].
Gori et al. publizierten 2019 den Fall einer Patientin, die 4 Monate nach Dupilumab-Einleitung eine Psoriasis guttata entwickelte, die unter topischen Steroiden abheilte. Dupilumab wurde nicht abgesetzt [3].
Unser Patient stellt deutschlandweit den ersten Fall dar, bei dem im Anschluss an ein klinisch gesichertes atopisches Ekzem nach 6‑wöchiger Dupilumab-Gabe eine histologisch gesicherte Psoriasis auftrat. Th1-, Th2- und Th17-Zellen und die von ihnen freigesetzten Zytokine unterdrücken sich wechselseitig. Experimentelle Studien haben gezeigt, dass IL‑4 ein negativer Regulator von Th1- und Th17-Zellen ist, den Phänotyp von dendritischen Zellen modulieren kann, was zu einer Unterdrückung der IL-23-Produktion führt und die Sekretion von IL-1β und IL‑6 durch epidermale Zellen aus Psoriasisläsionen hemmen kann [4]. Die Blockade des IL-4- und IL-13-Signalwegs und damit der Th2-Antwort durch Dupilumab führte bei unserem Patienten möglicherweise zu einer Verschiebung in Richtung eines Th1-/17-Phänotyps, was schließlich zur Psoriasiserkrankung führte. Das abrupte Absetzen der nicht leitliniengerechten oralen Prednisolon-Therapie dürfte im Sinne eines Steroid-Rebounds das Ausmaß und die Schnelligkeit des Th1-Shifts zusätzlich beeinflusst haben [9].
Obwohl das erstmalige Auftreten einer Psoriasis bei unserem Patienten womöglich rein zufällig erfolgte, ist aufgrund theoretischer Überlegungen und des zeitlichen Zusammenhangs eine ursächliche Rolle der Dupilumab-Gabe zum Zeitpunkt des Steroidentzugs sehr wahrscheinlich.
Fazit für die Praxis
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Vor Einleitung einer Dupilumab-Therapie muss die Diagnose „atopisches Ekzem“ klinisch gesichert sein.
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Bei abruptem Absetzen einer oralen Steroidtherapie in Kombination mit einer Dupilumab-Gabe kann es zum Neuauftreten einer Psoriasis kommen.
Literatur
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Gori N, Caldarola G, Pirro F et al (2019) A case of guttate psoriasis during treatment with dupilumab. Dermatol Ther 32(5):e12998
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Wollenberg A, Barbarot S, Bieber T et al (2018) Consensus-based European guidelines for treatment of atopic eczema (atopic dermatitis) in adults and children: part II. J Eur Acad Dermatol Venereol 32:850–878
Wollenberg A, Beck LA, Blauvelt A et al (2019) Laboratory safety of dupilumab in moderate-to-severe atopic dermatitis: results from three phase III trials (LIBERTY AD SOLO 1, LIBERTY AD SOLO 2, LIBERTY AD CHRONOS). Br J Dermatol. https://doi.org/10.1111/bjd.18434
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Senner, S., Eicher, L., Aszodi, N. et al. Psoriasis bei Dupilumab-behandeltem atopischem Ekzem. Hautarzt 71, 383–386 (2020). https://doi.org/10.1007/s00105-020-04565-8
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DOI: https://doi.org/10.1007/s00105-020-04565-8
Schlüsselwörter
- Atopisches Ekzem
- T‑Zell-vermittelte Dermatosen
- Chronisch entzündliche Dermatosen
- Steroidtherapie
- Auslösefaktoren