Eine im deutschsprachigen Raum noch relativ neue Option der Kompressionstherapie stellen die sog. medizinischen adaptiven Kompressionssysteme (MAK) dar. Das Grundprinzip der verschiedenen aktuell erhältlichen Unterschenkelbandagen der verschiedenen Hersteller ist, dass bei diesen offenen, unelastischen Kompressionssystemen der Kompressionsdruck segmental über mehrere Klettverschlusssysteme eingestellt und im Verlauf nachreguliert werden kann. Bei einigen Systemen kann der Druck auch gezielt in einem Bereich von 20–50 mmHg eingestellt werden. Insbesondere für Patienten mit Lymphödemen, die mit Binden insbesondere im Oberschenkel- und Kniebereich oft schwierig zu versorgen sind, gibt es auch Systeme mit mehreren Teilen für das gesamte Bein [6].
Im Folgenden werden einige der relevanten klinischen Studien zu den MAK vorgestellt.
In einer systematischen Übersichtsarbeit wurden 2019 die wissenschaftlichen Untersuchungen zu dem Einsatz von MAK für die Behandlung des UCV zusammengestellt und bewertet [20]. Insgesamt wurden 16 Publikationen mit 192 Patienten identifiziert. Davon waren 14 Fallberichtserien, 1 RCT und 1 Audit. Es gab Berichte über eine Verkürzung der Zeit bis zur Abheilung, eine Senkung der Kosten um >50 %, eine Verringerung der Anzahl und Dauer von Pflegeterminen und eine Verbesserung der Lebensqualität bei Patienten mit MAK.
Eine Schlussfolgerung der Autoren war, dass MAK geeignet sind, die verschiedenen klinischen Ergebnisse für Patienten mit UCV zu verbessern.
In einer aktuell publizierten Studie wurde in Trainingskursen von Krankenschwestern, die auf die Behandlung von Patienten mit UCV spezialisiert waren, der Druck von selbst applizierten, einstellbaren MAK und anderen Materialien verglichen [14]. In Workshops wurden die nach Anlage erzielten Druckwerte gemessen. Die Vorgabe war ein Zielbereich von mindestens 50–60 mmHg. Im ersten Kurs mit gegenseitiger Anwendung (n = 34) betrug der durchschnittliche Druckwert am Unterschenkel 58,5 mmHg; im zweiten Kurs, in dem die Selbstanwendung getestet wurde (n = 36), lagen die entsprechenden Werte bei 61,5 mmHg. In beiden Gruppen wurden keine Drücke von weniger als 30 mmHg beobachtet.
Die Schlussfolgerung der Autoren war, dass im Gegensatz zu Verbänden mit Kurzzugbinden, die häufig mit zu niedrigem Druck angelegt werden, die verstellbaren MAK besser einen suffizienten und gleichmäßigeren Druck gewährleisten.
Die Fragestellung einer weiteren klinischen Studie war es, ob Patienten sich selbst einen MAK zuverlässig mit genügend hohem Druck anlegen können [10]. Insgesamt 31 Patienten mit verschiedenen Stadien der CVI legten nach kurzer Erläuterung einen MAK an den eigenen Beinen an und sollten den Druck nach Gefühl nachjustieren. Die medianen Druckwerte am ersten und zweiten Tag betrugen bei den 30 Patienten ohne pAVK (periphere arterielle Verschlusskrankheit) 44,5 bzw. 46 mmHg und bei dem einzigen Patienten mit Ulcus cruris mixtum 34 bzw. 36 mmHg. Alle gemessenen Druckwerte lagen somit im therapeutisch gewünschten Bereich.
Die Autoren zogen die Schlussfolgerung, dass eine adäquate Selbstbehandlung mit MAK möglich ist und dass die Patienten den Druck durch das Nachjustieren auch aufrechterhalten können.
Das Ziel einer weiteren Studie war es, die Wirksamkeit und den Komfort von unelastischen Verbänden und MAK bei der Reduzierung des venösen Beinödems in der Erstbehandlungsphase zu vergleichen [9]. Insgesamt 40 Beine von 36 Patienten mit unbehandeltem Phlebödem wurden 1:1 in 2 Gruppen randomisiert. Die Patienten der MAK-Gruppe wurden gebeten, die Bandage bei Bedarf neu einzustellen, wenn diese sich locker anfühlte. Es zeigte sich, dass die readjustierbaren MAK mit einem Ruhedruck von ca. 40 mmHg bei der Reduktion des Phlebödems effektiver als unelastische Verbände mit einem initialen Ruhedruck von ca. 60 mmHg waren.
Die Schlussfolgerung der Autoren war, dass MAK nicht nur während der Erhaltungsphase, sondern auch in der Entstauungsphase von Patienten mit Phlebödem wirksam und gut verträglich sind.
In einer RCT wurde bei 30 stationären Patienten mit mittelschweren bis schweren Lymphödemen der Beine die Wirksamkeit der Behandlung mit MAK im Vergleich zu Mehrkomponentensystemen untersucht [5]. Die Patienten in der MAK-Gruppe konnten das Produkt selbst nachjustieren. Die Patienten, die mit MAK versorgt wurden, erreichten nach 24 h eine statistisch signifikant stärkere Volumenreduktion als die Patienten, die mit Mehrkomponentensystemen versorgt wurden.
Die Schlussfolgerung der Autoren war, dass der selbstständige Umgang mit MAK das klinische Ergebnis verbessert und somit ein vielversprechender Schritt in Richtung Selbstmanagement mit effektiver Kompressionstherapie bei Patienten mit Lymphödemen ist.
In Fortbildungen zu dem Thema Kompressionstherapie legten 137 Teilnehmer aus medizinischen Berufen Verbände mit Kurzzugbinden und Unterpolsterung, Mehrkomponentensysteme und MAK an [15]. Von den 302 Bandagierungen lagen 28,4 % innerhalb der jeweils vorgegebenen Zieldruckwertspanne. Bei den Verbänden mit Kurzzugbinden waren es 11,2 %, bei den Mehrkomponentensystemen 35,2 % und bei den MAK 85,0 %. Der Tragekomfort der Verbände mit Kurzzugbinden wurde zu 37,7 %, bei Mehrkomponentensystemen zu 65,0 % und bei MAK zu 94,6 % als angenehm beurteilt.
Die Schlussfolgerung der Autoren war, dass im Praxisalltag Verbände mit Kurzzugbinden fehleranfällig sind und weniger Tragekomfort bieten. Die besten Ergebnisse konnten in dieser Untersuchung mit den MAK erzielt werden.
In der S2k-Leitlinie der DGP [16] wird darauf hingewiesen, dass „aufgrund der deutlich einfacheren Anwendung MAK weniger zeitintensiv und weniger fehleranfällig in der Anlage im Vergleich zu Kompressionsbandagierungen sind. Patienten, die noch ausreichend beweglich sind, oder deren Angehörige können die MAK oft nach kurzer Einführung selbst anlegen. Dies erhöht wiederum die Adhärenz.“ In der Empfehlung 27 steht zudem: „In der initialen Entstauungsphase beim Lymphödem und beim ausgeprägten venösen Ödem sowie beim UCV können MAK als Alternative zur Bandagierung mit Binden eingesetzt werden.“