Die Dermatomykologie in Deutschland befindet sich endlich wieder im Aufwind. Ein Zeichen für diese zunehmende Popularität der Mykologie in der Dermatologie ist unter anderem der steigende Zustrom von Teilnehmern an mykologischen Fortbildungsveranstaltungen. Das betrifft Symposien zu mykologischen Themen auf dermatologischen Tagungen, aber nicht zuletzt die – oft natürlich industriegesponserten – Ringversuchsseminare und Mykologiekurse. Neben gestandenen Hautärztinnen und Hautärzten sieht man bei den Veranstaltungen mit mykologischem Schwerpunkt erfreulicherweise sehr viele junge Kolleginnen und Kollegen. Die Frage ist: Woran mag das liegen? Es sind an erster Stelle inhaltliche Fragen, die die Dermatomykologie aktuell deutlich aufwerten. Die Mykologie stellt sich heute in der täglichen Praxis der Niedergelassenen und auch in der Klinik ungleich vielgestaltiger und breiter dar. Das bezieht sich sowohl auf das klinische Bild als auch auf die derzeit und zukünftig zu erwartenden Erreger von Dermatomykosen.

Ein Beispiel für eine neue klinisch-morphologische Entität einer bislang kaum gesehenen Dermatomykose ist die hoch entzündliche pubogenitale Tinea profunda. Sie wird durch den primär zoophilen Dermatophyten Trichophyton (T.) mentagrophytes vom Genotyp VII („Thailand“-Variante) verursacht [1]. Dieser Pilz wird jedoch nicht infolge Tierkontakt erworben, sondern es erfolgt in den meisten Fällen eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung. Die teilweise in Südostasien erworbene Tinea genitalis durch T. mentagrophytes ist zudem eine neue sexuell übertragbare Infektion (STI) in Deutschland und Europa.

Das Spektrum der Erreger von Dermatophytosen ist in den letzten Jahren immer breiter geworden. Grund dafür ist einerseits die direkte Migration aus Afrika und Asien nach Europa. Andererseits bringen die schon lange hierzulande lebenden Einwanderer aus Afrika, wenn sie mit ihren Familien in die alte Heimat reisen, die mittlerweile hier nicht mehr als exotisch anzusehenden afrikanischen Dermatophyten – Tviolaceum, Tsoudanense, Microsporum (M.) audouinii und Mferrugineum – mit nach Deutschland. Passend zum Thema des veränderten Erregerspektrums, stellt Cornelia Wiegand aus der Klinik für Hautkrankheiten des Universitätsklinikums Jena, einer Hochburg der Dermatomykologie in Deutschland, in den Leitthemen eine eindrucksvolle Sammlung von seltenen Dermatophytosen vor. Zu diesen seltenen Erregern zählen altbekannte wie Epidermophyton floccosum und T. verrucosum, aber auch sog. Emerging Pathogens wie Nannizzia persicolor, T. erinacei und der Verursacher des „Mäusefavus“, T. quinckeanum.

Das Spektrum der Erreger von Dermatophytosen ist in den letzten Jahren immer breiter geworden

Jochen Brasch und Regine Gläser von der Universitätshautklinik Kiel legen einen Beitrag zur dynamischen Vielfalt der Dermatophyten vor. Das ist eine wichtige Arbeit zum Verständnis der alten und neuen Taxonomie der Dermatophyten. Es wird mit kritischem Blick die rein genetische Herangehensweise in der Phylogenie und Taxonomie der Dermatophyten erläutert, dadurch wird die neue Nomenklatur der Pilze verständlicher für den in der Praxis mykologisch tätigen Dermatologen. Und es wird nochmals darauf fokussiert, dass die klassische morphologische Differenzierung der Dermatophyten die Basis der mykologischen Diagnostik darstellt. Diese insgesamt fast schon philosophische und allgemeingültige Würdigung der Entwicklungen in der Dermatomykologie stellt eine echte Bereicherung für das Leitthemenheft dar.

Georg Daeschlein von der Universitätshautklinik Greifswald hat gemeinsam mit Kollegen des Institute for Community Medicine in Mecklenburg-Vorpommern eine regional landesweite flächendeckende Erhebung zum Einfluss der Ernährung, autoimmuner Volkskrankheiten und des Rauchens auf die Erkrankungshäufigkeit von Fußmykosen durchgeführt. Die bevölkerungsbasierte epidemiologische Studie liefert seit langer Zeit wieder sehr zuverlässige Daten zur Prävalenz der Tinea pedis und Onychomykose. Und es sind eben auch nicht nur Punktprävalenzen (in allgemeinmedizinischen und Hautarztpraxen) wie in älteren Studien aus Deutschland und Europa. Die Ergebnisse der Greifswalder Studie sind spektakulär! Und sicher kann manches auch kontrovers diskutiert werden. Ein Hauptergebnis ist letztlich, dass die westliche Ernährung (überwiegend Kohlenhydrate) eben nicht nur zu Fettsucht, Diabetes etc. führt, sondern assoziiert ist mit Tinea pedis und Onychomykose. Das hat besondere Bedeutung für die Industrieländer, aber heute wird ja auch in den Entwicklungs- und Schwellenländern immer mehr „westlich“ gegessen – mit gravierenden Folgen (Explosion der Diabetesprävalenz). Dort muss demzufolge auch bald mit mehr Fußpilz gerechnet werden. Die Frage ist, ob das ein direkter Effekt der Ernährung auf die Pilzinfektion ist oder eher eine indirekte Wirkung über Metabolismus und Adipositas etc. Der Zusammenhang von Rauchen und Onychomykose und Tinea pedis mit einer scheinbar protektiven Wirkung ist erst einmal interessant und sollte zur Kenntnis genommen werden. Wir denken, dass es sich hierbei um eine gute Diskussionsgrundlage handelt, weitere Untersuchungen sollten folgen, um diese Aussage zu stützen oder zu entkräften!

Peter Mayser weist auf die Wertigkeit der Bürstenmethode zur Diagnostik der Tinea capitis bei Einzelinfektionen und Ausbrüchen in Kindereinrichtungen hin. So erlaubt die Haarbürstenmethode im Gegensatz zu Abstrichuntersuchungen über die Zahl der positiven Zinkenabdrücke auch quantitative Aussagen. Anhand eines Ausbruchs mit 264 Beteiligten in einer Kindereinrichtung wird gezeigt, dass ein frühzeitiges und umfassendes Screening aller Kontaktpersonen, eine kombiniert topisch/systemische Therapie der Erkrankten und eine zumindest topische Therapie der asymptomatischen Überträger sowie Maßnahmen der Desinfektion ein erfolgreiches Ausbruchsmanagement ermöglichen.

Henriette Kirsten und Jennifer Haiduk aus der Universitätshautklinik Leipzig stellen eine Kerion-Celsi-artige Tinea barbae durch T. mentagrophytes vor. Diese abszedierende Infektion im Gesichtsbereich ist eine diagnostische und therapeutische Herausforderung. Die Diagnostik erfolgte kulturell und mit Polymerasekettenreaktion sowie Sequenzierung der Pilz-DNA (Desoxyribonukleinsäure). Der Erreger ist zoophil und wurde wahrscheinlich von Mäusen über die eigenen Hunde auf den Patienten übertragen.

Bartosz Malisiewicz, der für die dermatologische Infektiologie an der Universitätshautklinik in Frankfurt am Main steht, stellt die Probleme des Erregernachweises bei einem aus dem Sudan stammenden Patienten mit schon seit Jahrzehnten bestehendem Eumyzetom an beiden Füßen vor. Als Ursache des Myzetoms wurde hier erstmals der Schimmelpilz Fusarium chlamydosporum – bestätigt durch molekularen Erregernachweis – nachgewiesen. Der gewählte Therapieansatz war ungewöhnlich, jedoch gerechtfertigt. Der Patient wurde mit oraler Terbinafin-Gabe über eineinhalb Jahre geheilt.

Silke Uhrlaß aus dem Labor Mölbis hat 2 erst seit letztem Jahr verfügbare kommerzielle Testsysteme zum direkten molekularen Pilznachweis im klinischen Material hinsichtlich ihrer Spezifität zur Identifizierung von diversen Dermatophytenarten miteinander verglichen. Es handelte sich dabei um einen Microarray (Polymerasekettenreaktion [PCR] plus Mikrohybridisierungsmethode) und eine Multiplex-Realtime-PCR. Beide Methoden haben verschiedene diagnostische Ansätze. So hat der Microarray von vornherein ein sehr breites Spektrum an nachzuweisenden Erregern (und einige Hefe- und Schimmelpilze), dagegen wurde der Realtime-PCR-Test entwickelt, um die häufigen Dermatophyten (und Candida albicans) in der Hautarztpraxis und Klinik schnell nachzuweisen. Genau das ist mit beiden Testsystemen sehr gut möglich. Silke Uhrlaß arbeitet akribisch alle Vorteile, aber auch Schwachpunkte der Methoden heraus. Quintessenz ist, dass heute, im Jahr 2019, die konventionellen Methoden der mykologischen Diagnostik – Nativpräparat (Blankophor- oder Calcofluor-Fluoreszenzmikroskopie) und Pilzkultur – mit molekularbiologischen Testsystemen ergänzt werden sollten, wenn das nachgewiesene Erregerspektrum nicht umfassend ist. Die Kombination aus allen Ansätzen – konventionell und molekular – ermöglicht dann den empfindlichsten, schnellsten und sehr spezifischen Pilznachweis bei Verdacht auf eine Dermatomykose.

Dazu passt der Beitrag von Christiane Kupsch aus dem Nationalen Konsiliarlabor für Dermatophyten an der Berliner Charité in diesem Leitthemenheft. Mittlerweile wurde neben dem Ringversuch zur Qualitätssicherung in der kulturellen mykologischen Diagnostik von den Autorinnen des vorliegenden Beitrags auch ein Ringversuch zum Genomnachweis von Dermatophyten etabliert. Das ist notwendig und wichtig, weil auch die molekulare Diagnostik eine externe Qualitätssicherung erfordert. Neben Ergebnissen der bisherigen Genomringversuche seit ihrer Einführung 2016 werden alle aktuell auf dem Markt befindlichen molekularen Testsysteme zum molekularen Pilznachweis bewertet, und deren diagnostisches Potenzial wird klar dargestellt. Das zeigt einmal mehr, in welche Richtung sich die Dermatomykologie entwickelt. Der DNA-Nachweis von Pilzen, insbesondere Dermatophyten, ist schnell, spezifisch und sensitiv. Es wird nicht gelingen, die Mykologie als Bestandteil der Dermatologie zu erhalten und weiterzuentwickeln, wenn nicht in absehbarer Zeit auch die Dermatologen das Potenzial dieser modernen Diagnostik erkennen und v. a. selbst nutzen.

Dermatologen müssen das Potenzial der modernen Diagnostik erkennen und selbst nutzen

Es darf nicht versäumt werden, an dieser Stelle auch auf den Anstieg der Inzidenz ausgeprägter chronisch rezidivierender und therapierefraktärer Dermatophytosen in Indien hinzuweisen. Es handelt sich um eine mehr als „alarmierende Situation“, man muss von einer regelrechten Epidemie ausgehen. Haupterreger dieses landesweiten Ausbruchs in Indien ist ein neuer Genotyp (ITS [Internal Transcribed Spacer] VIII) von T. mentagrophytes [2]. Beunruhigend ist, dass 65 % dieser in Indien isolierten Dermatophyten in vitro und genetisch Terbinafin-resistent sind. Das klinische Therapieversagen von Terbinafin betrifft in Indien sogar mehr als 90 % der Patienten. Infolge der „Globalisierung von Menschen und Pilzen“ finden sich nun bereits erste Isolate dieses Terbinafin-resistenten Dermatophyten in arabischen Ländern, in den USA, Finnland und selbstverständlich auch in Deutschland [3].

Die Beschäftigung mit der Mykologie lohnt sich also mehr als je zuvor! Wir können nur dazu ermutigen, sich weiter und immer mehr den „Pilzen“ zuzuwenden, ganz im Sinne unseres Fachgebietes Dermatologie und v. a. allem natürlich zum Wohle unserer Patienten.

Prof. Dr. P. Nenoff

Prof. Dr. P. Mayser

Prof. Dr. Y. Gräser