Nach Jahren intensiver immunologischer Forschungstätigkeit stießen Murray et al. mit der ersten erfolgreichen Nierentransplantation zwischen eineiigen Zwillingen 1954 das Tor zu einem der faszinierendsten Bereiche der modernen Medizin auf. Oftmals unbekannt ist allerdings, dass die Wurzeln der Transplantationsmedizin im Bereich der Dermatologie lagen. Inspiriert durch die dermatochirurgische Versorgung von Verbrennungspatienten des Zweiten Weltkrieges, verfolgte der britische Wissenschaftler Peter Medawar den unterschiedlichen Verlauf von Hauttransplantaten, die entweder vom Patienten selbst (Autograft) oder von einem fremden Spender (Allograft) gewonnen wurden. Dabei untersuchte er die Klinik der Abstoßungsreaktionen und bereitete den Weg zu einem umfassenden Verständnis der Transplantationsimmunologie.

Während in der Frühphase der Transplantationsmedizin Patienten noch mittels Ganzkörperbestrahlung „immunsupprimiert“ wurden, konnte durch die Entdeckung wirkungsvoller systemischer Immunsuppressiva wie Azathioprine (1962) und besonders Cyclosporin (1972) die moderne Transplantationsmedizin als lebensrettende und lebensverlängernde Therapieoption an vielen Transplantationszentren weltweit etabliert werden. Heutzutage leben weltweit geschätzte 1.000.000 organtransplantierte Patienten. Viele technische und medizinische Herausforderungen der Anfangszeit wurden inzwischen gelöst. So konnte von 1988 auf 1996 die durchschnittliche Transplantatüberlebenszeit von 7,9 auf 13,8 bei sog. „Leichenspenden“ und von 16,9 auf 35,9 bei Lebendspendern in den USA annähernd verdoppelt werden [1].

Hauttumorepidemie bei Immunsupprimierten als Herausforderung für die Dermatologie des 21. Jahrhunderts

Als neue, zentrale Herausforderung des langfristigen Überlebens nach Transplantation entwickelten sich die Folgen einer chronischen und auch derzeit noch weitgehend unselektiven Immunsuppression. Die zur Prävention von Abstoßungsreaktionen eingesetzten Immunsuppressiva inhibieren maßgeblich die zelluläre Immunüberwachung und sorgen – gerade an der Haut – für eine dramatische Zunahme von Neoplasien. Nach Untersuchungen an über 35.000 Nierentransplantierten in den USA lag die kumulative Inzidenz nichtmelanozytärer Hauttumoren nach 3 Jahren bei über 7%. Verglichen mit der immunkompetenten Allgemeinbevölkerung errechnete sich daraus eine Steigerung des Hautkrebsrisikos um den Faktor 20 [2]. Hauttumore und hier besonders invasive Plattenepithelkarzinome (PEC) sind die mit Abstand am häufigsten diagnostizierten Malignome bei Organtransplantierten. Durch ihr multifokales Auftreten sowie ein ungleich aggressiveres Wachstum stellen post transplantationem auftretende PEC eine vitale Bedrohung für immunsupprimierte Patienten dar. Klassische dermatochirurgische Therapieformen als alleiniger Behandlungsansatz sind nicht in der Lage, auch nur mittelfristig den beginnenden Circulus vitiosus aus immer rascher aufeinanderfolgenden De-novo-PEC zu durchbrechen. Seitens der Transplantationsmedizin wird versucht, diesem Trend durch eine maßgeschneiderte Immunsuppression entgegenzuwirken. Beispielhaft sei die Entwicklung neuartiger Immunsuppressiva aus der Gruppe der mTOR-Inhibitoren genannt. mTOR-Inhibitoren stellen einerseits vollwertige Immunsuppressiva dar, korrelieren jedoch durch ihren Anti-VEGF-Effekt und eine ergänzende, proliferationshemmende Wirkung in klinischen Studien und Tiermodellen negativ mit der Entwicklung von Plattenepithelkarzinomen.

Epidemiologische Analysen bekannter dermatologischer Risikofaktoren für die Hauttumorgenese bei Organtransplantierten erlauben mittlerweile eine individuell adaptierte Nachsorge der Patienten [3]. Inspiriert und unterstützt durch einen entsprechenden Arbeitskreis der Arbeitsgemeinschaft Dermato-Onkologie (ADO) wurden dermatologische Nachsorgeprogramme zwischenzeitlich an vielen interdisziplinären Transplantationszentren aufgebaut. Sie ermöglichen durch umfassende dermatologische Screening-Untersuchungen eine frühzeitige primär- und sekundärprophylaktische Versorgung dieser Hochrisikogruppen und belegen die wachsende Bedeutung der Dermatologie im Kontext der modernen Transplantationsmedizin [4, 5].

Das vorliegende Leitthemenheft soll einen Überblick über Hintergründe und aktuelle Konzepte zur dermatologischen Versorgung von Organtransplantierten geben. Gleichzeitig soll es Klinikärzte, Wissenschaftler und explizit auch niedergelassene Kolleginnen und Kollegen ermuntern, sich mit Hautinfektionen und Hauttumoren bei Immunsupprimierten proaktiv zu befassen und entsprechende Strukturen und Netzwerke in Österreich, der Schweiz und Deutschland zu unterstützen.

Ohne die hervorragenden Beiträge unserer Autoren wäre ein solches Leitthemenheft nicht möglich gewesen – ihnen sei an dieser Stelle ganz herzlich für ihre Mitarbeit gedankt!

Prof. Dr. K. Schäkel

Prof. Dr. E. Stockfleth

Dr. C. Ulrich