Prüfungssimulation

Fallschilderung

Eigenanamnese

Eine 43-jährige Patientin stellte sich mit einem zervikalen Globusgefühl und Dysphagie in unserer interdisziplinären Sprechstunde vor. Darüber hinaus beklagte sie seit Monaten rezidivierende Schmerzen im Bereich der Schilddrüse, die auch in den Kiefer und in das Ohr ausstrahlten. Die zervikalen Beschwerden wurden als wandernd, teilweise rechts, teilweise links zervikal, beschrieben. Es bestanden keine relevanten Nebendiagnosen oder Voroperationen.

Laborwerte

  • Stoffwechsellage: euthyreot

  • Anti-TG (Antithyreoglobulin), Anti-TPO (Thyreoperoxidase-Antikörper) und TRAK (Thyreotropin-Rezeptor-Antikörper): negativ

  • Leukozyten: 7,5 G/l (3,9–10,2)

  • C‑reaktives Protein (CRP): 11,9 mg/l (< 5)

  • Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG): 52 mm/h

Prüfungsfragen

  • Wie interpretieren Sie die Klinik und Laborwerte der Patientin? Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?

  • Wie lautet der typische Ultraschallbefund in diesem Fall?

  • Wie würden Sie Ihre klinische Verdachtsdiagnose sichern?

  • Können Sie die typischen histomorphologischen Befunde in diesem Fall beschreiben?

  • Was wissen Sie über die Ätiologie der o. g. Erkrankung?

  • Woran ist differenzialdiagnostisch bei zervikalen Schmerzen im Bereich der Schilddrüse zu denken?

  • Wie wird die o. g. Erkrankung in der Regel therapiert?

  • Welche Form der Thyreoiditis ist typischerweise mit einer hypothyreoten Stoffwechsellage und erhöhten Anti-TPO assoziiert?

  • Was sind die typischen ultrasonographischen Charakteristika in diesem Fall?

  • Welche sind die typischen Symptome in diesem Fall?

  • Wie sollte die Therapie erfolgen?

Antworten

Wie interpretieren Sie die Klinik und Laborwerte der Patientin? Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?

Rezidivierende zervikale Schmerzen mit Ausstrahlung in den Kiefer und in das Ohr im Zusammenhang mit einer beschleunigten BSG ohne Leukozytose und diskreten CRP-Erhöhung sprechen in erster Linie für eine Thyreoiditis de Quervain.

Wie lautet der typische Ultraschallbefund in diesem Fall?

Normal großer Schilddrüsenlappen ohne abgrenzbare Knoten, partiell echoarm mit landkartenartiger, scharfer Abgrenzung befallener und normaler Areale (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Sonographie mit Volumetrie des rechten Schilddrüsenlappens. (Mit freundlicher Genehmigung von Frau Dr. med. Friederike Eilsberger, Universitätsklinikum Marburg – Nuklearmedizin)

Wie würden Sie Ihre klinische Verdachtsdiagnose sichern?

Neben Palpation, Ultraschall und Labor kann eine Feinnadelpunktion (FNP) zur Sicherung der Diagnose (Nachweis von Riesenzellen) herangezogen werden. Eine Szintigraphie ist in der Regel nicht erforderlich.

Merke.

Die Diagnose kann meistens basierend auf der typischen Klinik und charakteristischen laborchemischen Veränderungen gestellt werden.

Können Sie die typischen histomorphologischen Befunde in diesem Fall beschreiben?

In der floriden Phase zeigt sich eine granulomatöse Entzündungsreaktion mit fokaler Zerstörung der Follikelepithelzellen (Abb. 2) und Nachweis mehrkerniger Riesenzellen (Abb. 2b; [1]).

Abb. 2
figure 2

a Schilddrüsenparenchym mit herdförmigen Ansammlungen von Epitheloidzellgranulomen und fokalem lymphoidem Infiltrat (Pfeilspitzen). Beginnende Fibrosierung des Gewebes mit faserreichen Septen (Pfeile). (Mit freundlicher Genehmigung Frau Anika Pehl, Institut für Pathologie, Universitätsklinikum Marburg). b Epitheloidzellgranulom bestehend aus charakteristischen histiozytären Zellen mit länglichen Kernen (Pfeile), mehrkernigen Riesenzellen (Pfeilspitzen) und Lymphozyteninfiltraten (Sterne). (Mit freundlicher Genehmigung Frau Anika Pehl, Institut für Pathologie, Universitätsklinikum Marburg)

Merke.

Der Nachweis mehrkerniger Riesenzellen (Abb. 2b) ist typisch für eine Thyreoiditis de Quervain.

Was wissen Sie über die Ätiologie der o. g. Erkrankung?

Die genaue Ursache der Thyreoiditis de Quervain ist noch unklar. Es wird angenommen, dass es sich um eine postvirale zytokinvermittelte Entzündungsreaktion handelt. In vielen Fällen können erhöhte Titer gegen Influenza‑, Adeno‑, Coxsackie‑, Mumps- und Echoviren nachgewiesen werden. Zudem wird eine genetische Prädisposition angenommen, da einige Patienten HLABw35-positiv sind. In letzter Zeit konnte eine Assoziation der SARS-CoV-2(„severe acute respiratory syndrome coronavirus type 2“)-Infektion mit dem Auftreten einer Thyreoiditis de Quervain nachgewiesen werden [2].

Woran ist differenzialdiagnostisch bei zervikalen Schmerzen im Bereich der Schilddrüse zu denken?

  • Differenzialdiagnostisch ist an die seltene, allerdings potenziell lebensbedrohliche, eitrige akute Thyreoiditis zu denken. Diese äußert sich meist mit einer Rötung, Überwärmung und Schwellung der Schilddrüse sowie Fieber. Es findet sich zudem eine deutliche Leukozytose und ein Anstieg des Serum-CRP-Wertes.

  • Andere Thyreoiditiden (invasiv-sklerosierende Thyreoiditis, Postpartumthyreoiditis) können meistens klinisch ausgeschlossen werden, da die Thyreoiditis de Quervain im Gegensatz zu anderen Thyreoiditiden ein typisches klinisches Bild und charakteristische laborchemische Veränderungen (Erhöhung von BSG und CRP) aufweist.

  • Zudem dient die Bestimmung von Anti-TPO dem Ausschluss einer Hashimoto-Thyreoiditis, da diese bei der subakuten Thyreoiditis nicht erhöht sind [3].

  • Im Gegensatz dazu, kann die Differenzialdiagnose zwischen einer de Quervain-Thyreoiditis und einem M. Basedow, insbesondere während der akuten (thyreotoxischen) Phase, schwierig sein, da die Thyreoiditis de Quervain am Beginn der Erkrankung in zirka 40 % mit einer Hyperthyreose einhergehen kann.

Der Fall.

Die zugrunde liegende Symptomatik (ausgeprägte Schmerzsymptomatik) spricht für eine Thyreoiditis de Quervain.

  • Extrathyreoidale Manifestationen, z. B. endokrine Orbitopathie, sprechen für ein M. Basedow, und spielen bei der Diagnosestellung eine wichtige Rolle. Zudem können die gesteigerte Durchblutung in der Dopplersonographie und der Nachweis erhöhter TSH-Rezeptor-Antikörper die Diagnose eines M. Basedow sichern.

Wie wird die o. g. Erkrankung in der Regel therapiert?

  • Thyreoiditis de Quervain: Milder Verlauf

    • Die Therapie erfolgt bei mildem Verlauf durch nichtsteroidale Antiphlogistika (NSAR), worunter die durchschnittliche Zeit bis zur kompletten Schmerzlinderung bei ca. 5 Wochen liegt.

  • Thyreoiditis de Quervain: Schwerer Verlauf

    • Bei schwerem Verlauf ist eine Glukokortikoidmedikation in initial hohen Dosen (Prednisolon 15–20 mg/Tag) über 1 bis 4 Wochen mit anschließender Dosisreduktion [4, 5] zu verabreichen.

    • Eine antithyreoidale Medikation bei initialer Hyperthyreose ist wirkungslos, da die Hyperthyreose nicht auf eine gesteigerte Synthese, sondern auf die vermehrte Freisetzung aus dem destruierten Gewebe zurückzuführen ist. Bei entsprechender Symptomatik können zur Überbrückung Betablocker gegeben werden, was allerdings in der Regel nicht erforderlich ist. Da es im weiteren Verlauf zu einer manifesten Hypothyreose kommen kann, muss die Schilddrüsenfunktion etwa alle 3 Monate überprüft werden und ggf. eine Schilddrüsenhormonsubstitution eingeleitet werden.

  • Thyreoidektomie

    • Eine definitive Therapie im Sinne einer Thyreoidektomie kann in folgenden Fällen erwogen werden:

      1. a)

        rezidivierende Erkrankung nach initial erfolgreicher medikamentöser Therapie,

      2. b)

        Beschwerdepersistenz trotz Einleitung einer medikamentösen Therapie und

      3. c)

        begründeter Malignitätsverdacht [6].

    • Die Thyreoidektomie sollte durch erfahrene endokrine Chirurgen durchgeführt werden, da die entzündungsbedingte harte Parenchymkonsistenz die Präparation deutlich erschwert und somit mit einem erhöhten Risiko für klinisch relevante Komplikationen, wie z. B. permanenter Hypoparathyreoidismus oder Rekurrensparese, assoziiert ist.

Merke.

Die Thyreoiditis de Quervain wird in der Regel konservativ therapiert. Eine operative Therapie ist nur in seltenen Fällen (siehe auch Text a–c) indiziert.

Welche Form der Thyreoiditis ist typischerweise mit einer hypothyreoten Stoffwechsellage und erhöhten Anti-TPO assoziiert?

Der Nachweis von erhöhten Anti-TPO und das Vorliegen einer Hypothyreose sprechen meistens für eine Hashimoto-Thyreoiditis.

Was sind die typischen ultrasonographischen Charakteristika in diesem Fall?

Der abgebildete Schilddrüsenlappen ist inhomogen und echoarm (Abb. 3). Landkartenartige abgrenzbare befallene Areale finden sich in diesem Fall nicht.

Abb. 3
figure 3

a Sonographie mit Volumetrie des rechten Schilddrüsenlappens. b Sonographie des rechten Schilddrüsenlappens. (Mit freundlicher Genehmigung von Frau Dr. med. Friederike Eilsberger, Universitätsklinikum Marburg – Nuklearmedizin)

Welche sind die typischen Symptome in diesem Fall?

  • Meistens sind die Symptome der Hashimoto-Thyreoiditis unspezifisch und maßgeblich abhängig vom Erkrankungsstadium.

  • Initial tritt eine hyperthyreote Stoffwechsellage auf, im weiteren Verlauf kommt es aufgrund der Zerstörung von Schilddrüsengewebe zu einer latenten und schließlich manifesten Hypothyreose, sodass viele Patienten zum Zeitpunkt der Diagnose eine schmerzlose Struma mit Symptomen einer Hypothyreose (Antriebslosigkeit, Kälteempfindlichkeit, Müdigkeit, Obstipation, depressive Verstimmung) aufweisen.

Wie sollte die Therapie erfolgen?

  • Eine kausale Therapie der Hashimoto-Thyreoiditis ist nicht möglich, sodass die Behandlung sich an dem Erkrankungsstadium orientiert.

  • Bei einem akuten Schub mit lokalen Beschwerden kann eine Behandlung mit nichtsteroidalen oder seltener steroidalen Antiphlogistika notwendig sein.

  • Bei Symptomen einer Hypothyreose sollte immer eine Hormonsubstitution erfolgen.

  • Bei symptomatischen Patienten mit hohem Leidensdruck kann eine definitive Therapie im Sinne einer Thyreoidektomie in Betracht gezogen werden.

  • Für eine chirurgische Therapie spricht auch die Verbesserung der Lebensqualität nach Thyreoidektomie im Gegensatz zur fortgesetzten medikamentösen Therapie [7].

  • Darüber hinaus muss daran gedacht werden, dass bei der Hashimoto-Thyreoiditis häufiger inzidentelle papilläre Schilddrüsenkarzinome als bei der Struma multinodosa oder M. Basedow auftreten [8].

Merke.

Eine kausale Therapie ist weder bei der Thyreoiditis de Quervain noch bei der Hashimoto-Thyreoiditis möglich. Neben der konservativen Therapie kommt in beiden Fällen eine definitive Therapie im Sinne einer Thyreoidektomie nach Nutzen-Risiko-Abwägung in Betracht.