Neben den aktuellen akuten Krisen bleibt die Klimakrise die bedrohlichste Gefahr für die Bewohnbarkeit unseres Planeten [1]. Das Tückische für unsere Wahrnehmung ist ihr für menschliche Zeitdimensionen schleichender Charakter, sodass sich Dringlichkeit, Ausmaß und Unausweichlichkeit unserer Psychologie entziehen. Tatsächlich können Klimaforscher die bevorstehenden Veränderungen sehr genau modellieren. Die Dynamik der Klimakatastrophe gestattet mittlerweile sogar einen Vergleich der vorausgesagten Veränderungen mit den tatsächlich eingetretenen. Das vielgescholtene Intergovernmental Panel of Climate Change (IPCC) ist dabei mit seinen Einschätzungen immer an der Untergrenze dessen geblieben, was aktuell durch Messdaten bestätigt werden kann [2]. Die drohende Gefahr, dass die Aktivierung von Kipppunkten die Klimaveränderungen unumkehrbar macht, ist in greifbare Nähe gerückt [3].

Die Verantwortung der Ärzt*innenschaft in diesem Kontext ist dreifach: erstens unermüdlich darauf hinzuweisen, dass die Klimakrise eine massive Gefahr für die menschliche Gesundheit darstellt, zweitens vorbereitet zu sein auf die durch die Klimakrise jetzt schon erkennbaren Gesundheitsfolgen, hervorgerufen durch Hitze, Extremwetterfolgen und vieles andere mehr, und drittens den Treibhausgasfußabdruck des Gesundheitswesens schnell und spürbar zu reduzieren. Schon heute ist klar, dass der Ressourcenverbrauch nicht linear mit der Güte der Gesundheitsversorgung korreliert ist, sondern eine U‑förmige Kurve aufweist, die bei 500–600 kgCO2/Kopf ihr Optimum entfaltet. Eine darüber hinausgehende CO2-„Investition“ führt nicht zu einer Verbesserung des Health Development Index [4].

Für die Chirurgie ist die Problematik der Freisetzung von Treibhausgasen besonders relevant

Für die Chirurgie ist die Problematik der Freisetzung von Treibhausgasen aufgrund ihrer Materialintensität besonders relevant. Bei der Transformation des Gesundheitswesens hin zu „zero emission“ – für Deutschland bis 2030 avisiert [5] – wird sie einen immensen Beitrag leisten müssen. Das vorliegende Themenheft befasst sich mit der Frage der Ressourcenschonung als ersten, heute schon realisierbaren Schritt.

Im einleitenden Beitrag von Stelzner et al. wird der Kontext zwischen Klimawandel und Gesundheit dargestellt, spezifiziert auf die Relevanz für die Chirurgie. Im zweiten Beitrag analysieren Mezger et al. in einem umfassenden Review die Möglichkeiten, eine chirurgische Praxis nachhaltig zu gestalten. Viele der beschriebenen Maßnahmen lassen sich auch auf den stationären Betrieb übertragen. Dennoch, die Umwandlung des hochkomplexen stationären Operationsbetriebes in einen komplett klimaneutralen Ablauf scheint schier unmöglich. Diesem Thema stellen sich Jacob et al. und loten unter Bezugnahme auf die ambitionierten Ziele des englischen Gesundheitswesens die Potenziale aus. Ein konkretes Best-Practice-Beispiel zur Errichtung eines Stoffkreislaufes berichtet Herr Dr. Meierling aus der Klinik Hamburg-Harburg. Abgerundet werden die Erörterungen durch den Beitrag von Kolbe-Busch und Chaberny, der den Aspekt der Hygiene, die damit verknüpfte Evidenz und hieraus ableitbare Möglichkeiten der Einsparung betrachtet.

„People – Planet – Profit“ heißt das neue Dreigestirn, welches Entscheidungen im Gesundheitssektor leiten sollte [6]. Die Patientenversorgung muss sich innerhalb der planetaren Grenzen abspielen, ein darüber hinausgehender Ressourcenverbrauch raubt zukünftigen Generationen ihre Lebensgrundlage. Letztere zu erhalten, ist der ärztliche Berufsstand bereits per Berufsordnung verpflichtet [7]. In diesem Sinne sollte auch „Profit“ definiert werden – als Gewinn für alle, Patienten, Behandler und unser Lebensumfeld. Selbstverständlich sind für die Umsetzung eines klimaneutralen Gesundheitswesens politische Rahmenbedingungen gefragt, die eine Transformation ermöglichen. Das für den stationären Bereich verbindliche DRG-System führt zur Priorität der Ökonomie, der nur gar zu häufig Aspekte des klimaneutralen Handelns untergeordnet werden. Dieses Themenheft soll unseren chirurgischen Fachbereich sensibilisieren, ein wichtiges Thema näher an den Mittelpunkt unseres beruflichen Alltags zu rücken.

PD Dr. Sigmar Stelzner, Prof. Dr. Ines Gockel