Anamnese

Ein 72 Tage alter männlicher Säugling wurde uns mit wiederholtem Erbrechen seit dem Vortag, Trinkschwäche sowie Diarrhö seit 3 Tagen, die zuletzt auch blutig gewesen sei, zugewiesen. Immer wieder habe der Patient für wenige Minuten gequengelt. Diese Episoden seien teils stündlich, teils auch in deutlich engeren Zeitabständen aufgetreten. Fieber wurde verneint. Es handelte sich um ein Reifgeborenes der 40 + 2 Schwangerschaftswoche mit einem Geburtsgewicht von 4130 g. Die Schwangerschaft sei ohne Auffälligkeiten verlaufen.

Klinischer Befund

Bei der Untersuchung zeigte sich ein allgemein ruhiger Säugling. Die Fontanelle war leicht unter Niveau, die Schleimhäute eher trocken, die Rekapillarisierungszeit war unter 3 Sekunden. Das Abdomen war weich und ohne Abwehrspannung, jedoch zeigte sich ein diffuser Druckschmerz. Die Darmgeräusche waren normal, der Anus reizlos. Das aktuelle Gewicht war 6,75 kg, die Temperatur 36,5 °C, die Vitalparamter stabil (Herzfrequenz: 116/min, Blutdruck 105/71 mm Hg, SO2 100 %).

Diagnostik

Die Infektionsparameter waren normwertig (Leukozyten 9,5/nl [5–17/nl]), C‑reaktives Protein (2 mg/l [1–5 mg/l]), die Glutamat-Pyruvat-Transaminase war gering erhöht (75 U/l [10–56 U/l]), ansonsten bestanden keine Auffälligkeiten im Routinelabor. Die CoV-2-PCR („coronavirus 2 polymerase chain reaction“) im Analabstrich fiel positiv aus. Rotaviren oder Adenoviren konnten im Stuhl nicht nachgewiesen werden. Eine Ultraschalluntersuchung zeigte eine Kokarde im rechten Abdomen (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Ultraschalluntersuchung mit typischem „target sign“ und „pseudokidney sign“

Wie lautet Ihre Diagnose?

Weiteres Prozedere

Anhand der Befunde wurde die Diagnose einer ileokolischen Invagination gestellt und eine hydrostatische Desinvagination durchgeführt. Die erfolgreiche Desinvagination wurde in der Durchleuchtung kontrolliert (Abb. 2). Die Kontrollsonographie am Folgetag zeigte noch verdickte Darmschlingen sowie vergrößerte Lymphknoten im rechten Unterbauch, die pathophysiologisch als Ursache für die Invagination diskutiert werden können. Der weitere stationäre Verlauf war komplikationslos, der Kostaufbau gelang rasch. Der Patient konnte nach 3 Hospitalisationstagen in gutem Allgemeinzustand entlassen werden.

Abb. 2
figure 2

Durchleuchtung mit Kontrastmittel nach der hydrostatischen Desinvagination, bei der keine Invagination mehr nachweisbar ist

Invaginationen

Die Invagination oder auch Intussuszeption ist die Einstülpung eines Darmanteils in den aboral folgenden Darmabschnitt. Betroffen sind vor allem Säuglinge im Alter von 6 bis 36 Monaten, nach dem 3. Jahr sinkt die Inzidenz deutlich. Die Mehrheit der Fälle ist idiopathisch, wobei virale Infektionen wie beispielsweise Adenovirusinfektionen mit Invaginationen assoziiert sind. Daneben ist das Risiko für eine Invagination nach einer Rotavirusimpfung erhöht. Als Ursachen werden eine Motilitätssteigerung des Darms sowie Peyer-Plaques diskutiert. Vor allem mit höherem Alter kommen anatomische Strukturen wie Tumoren oder Meckel-Divertikel als Leitstrukturen in Betracht.

Leitsymptom der Darminvagination sind akut einsetzende kolikartige Schmerzen und Abwehrspannung mit schmerzfreien Intervallen. Im weiteren Verlauf der Erkrankung kann es zum Absetzen von charakteristisch blutig-schleimigem Stuhl („Himbeergelee“) als Spätfolge kommen. Klinisch zeigt sich das Bild eines akuten Abdomens mit Bauchschmerzen mit gegebenenfalls Abwehrspannung und Ileusgeräuschen. Unter Umständen ist eine walzenförmige Raumforderung bei der klinischen Untersuchung tastbar sowie eventuell Blut am Finger bei der rektalen Untersuchung sichtbar.

Die Diagnose kann sonographisch gestellt werden, es zeigt sich eine typische Kokarde, ein „target sign“ oder „pseudokidney sign“. Unkomplizierte Fälle können hydrostatisch oder pneumatisch unter Ultraschallkontrolle desinvaginiert werden, komplizierte Fälle wie beispielsweise bei Perforationsverdacht sollten operativ (laparoskopisch oder offen chirurgisch) desinvaginiert werden.

SARS-CoV-2-assoziierte ileokolische Invagination

SARS-CoV-2 („severe acute respiratory syndrome coronavirus type 2“)-Infektionen scheinen bei Kindern häufig milde Symptome wie Fieber, Husten, Diarrhö oder Pharyngitis zu verursachen. Die Symptomatik einer SARS-CoV-2-Infektion als akutes Abdomen wurde bereits beschrieben.

Die Inzidenz pädiatrischer Invaginationen scheint während der COVID-19(„coronavirus disease 2019“)-Pandemie eher abgenommen zu haben [1]. Nichtdestotrotz mehren sich Berichte einzelner SARS-CoV-2-assoziierter Invaginationen weltweit.

Von Januar bis Juli 2020 wurden 5 Fälle von Kindern mit Invagination im Alter von 4 bis 10 Monaten publiziert, die eine laborchemisch nachgewiesene SARS-CoV-2-Infektion hatten [2]. Die Invaginationen wurden hydrostatisch oder pneumatisch desinvaginiert, wobei einige auch operativ versorgt werden mussten.

Mercado-Martinez et al. [3] beschrieben zwei Fälle mit jeweils einem 8 Monate alten männlichen Patienten und einer 7 Monate alten weiblichen Patientin, die beide eine operative Desinvagination mit manueller Reduktion benötigten.

Osorno et al. [4] publizierten einen Fall eines 8 Monate alten männlichen Patienten mit SARS-CoV-2-assoziierter Invagination des Kolons, bei dem aufgrund einer Darmischämie sogar eine Darmresektion mit Anlage eines Ileostomas notwendig wurde.

Bazuaye-Ekwuyasi et al. [5] beschrieben den ersten Fall eines 9 Monate alten Säuglings mit SARS-CoV-2-assoziierter ileokolischer Invagination in den USA.

SARS-CoV-2-assoziierte Invaginationen scheinen insbesondere in Anbetracht der sehr hohen weltweiten Infektionszahlen eher eine Rarität darzustellen. Wir konnten keinen Bericht finden, bei dem eine SARS-CoV-2-assoziierte Invagination in den ersten Lebenswochen aufgetreten ist. In den publizierten Fällen sind die Patienten älter als 4 Monate, die Mehrheit der Patienten scheint beim Auftreten der Erkrankung etwa 7 Monate alt zu sein. In unserem Fall ist der Patient wesentlich jünger, sodass der vorliegende Fall belegt, dass auch wesentlich jüngere Patienten betroffen sein können. Bislang wurde keine SARS-CoV-2-assoziierte Invagination in Deutschland publiziert.

Diagnose: SARS-CoV-2-assoziierte ileokolische Invagination

Therapeutisch sind die bekannten konservativen (hydrostatische und pneumatische Desinvagination) sowie operativen (laparoskopische und offen chirurgische Reposition) Vorgehen nach entsprechender Indikationsstellung (siehe hierzu die aktuell gültige Leitlinie [6]) möglich.

Fazit für die Praxis

Weltweit mehren sich die Berichte von SARS-CoV-2-assoziierten Invaginationen bei Kindern. Bei gastrointestinalen Beschwerden sollte deshalb eine Ultraschalluntersuchung diese möglichst ausschließen.