Etwa 20 % der europäischen Bevölkerung sind von einem Gallensteinleiden betroffen [1]. Dementsprechend führt in Deutschland die Cholelithiasis von allen viszeralmedizinischen Krankheitsbildern am häufigsten zu einer Krankenhauseinweisung und es werden mehr als 175.000 Cholezystektomien pro Jahr aufgrund einer Cholelithiasis durchgeführt [2]. Dementsprechend häufig ist jeder Allgemein- und Viszeralchirurg in seiner täglichen Arbeit mit diesem Krankheitsbild konfrontiert.

Die akute Cholezystitis führt in Deutschland zu über 63.500 stationär behandelten Fällen pro Jahr

In Deutschland existiert seit vielen Jahren eine interdisziplinäre evidenzbasierte S3-Leitlinie zur Prävention, Diagnostik und Behandlung von Gallensteinen (AWMF[Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften]-Register-Nr. 021/008), die zuletzt im Jahre 2018 aktualisiert wurde [2]. Diese Leitlinie setzt sich umfassend mit der publizierten Literatur zum Thema des Krankheitsbildes der Cholelithiasis auseinander und gibt dementsprechend einen guten Überblick zur Evidenz in der Behandlung des Gallensteinleidens. Nichtsdestotrotz ergeben sich in der täglichen Praxis immer wieder konkrete Probleme und Fragestellungen, die es sinnvoll erscheinen lassen, diese in einem aktuellen Schwerpunktheft von Der Chirurg zu adressieren.

Die akute Cholezystitis ist die häufigste Komplikation des Gallensteinleidens und führt in Deutschland zu über 63.500 stationär behandelten Fällen pro Jahr. Aktuelle Metaanalysen und Studien belegen, dass die ersten 24 h nach stationärer Aufnahme für die meisten Patienten der optimale Behandlungszeitraum für eine Operation darstellen [3]. Allerdings besteht eine kontroverse Diskussion darüber, wie strikt diese Regel einzuhalten ist und ob und wenn ja unter welchen Umständen es möglich oder sinnvoll sein kann, davon abzuweichen und den Eingriff auch ohne Patientengefährdung erst im nächsten Tagesprogramm durchzuführen. Die Kollegen C. Gutt und S. Schläfer der Arbeitsgruppe aus Memmingen, denen als federführende Autoren der bislang größten, multizentrischen und prospektiv randomisierten Studie (ACDC-Studie) große Verdienste in der Beantwortung der Frage nach dem optimalen Operationszeitpunkt bei akuter Cholezystitis zukommen [4], haben sich daher in ihrem Beitrag „Cholezystektomie bei akuter Cholezystitis – ein chirurgischer Notfall oder elektiv im nächsten Tagesprogramm?“ mit diesem wichtigen Aspekt auseinandergesetzt und speziell anhand der vorliegenden Literatur versucht, eine pragmatische Behandlungsempfehlung zur erarbeiten.

Bei etwa 10 % der Patienten mit einem symptomatischen Gallensteinleiden liegt eine simultane Cholezystocholedocholithiasis vor. Während sich in Deutschland das sog. therapeutische Splitting durch eine primäre endoskopische Gallengangsanierung und eine sich möglichst innerhalb von 72 h anschließende laparoskopische Cholezystektomie flächendeckend durchgesetzt hat, formuliert die SAGES (Society of American Gastrointestinal and Endoscopic Surgeons), dass die endoskopisch retrograden Cholangiographie (ERC) mit Steinextraktion sowohl selektiv vor, während oder auch nach der Cholezystektomie mit geringen Unterschieden in Morbidität und Mortalität sowie mit vergleichbaren Raten an erfolgreicher Steinextraktion im Vergleich zur laparoskopischen Gallengangsexploration durchgeführt werden kann [5]. A. Wiegering et al. aus der Würzburger Arbeitsgruppe haben sich daher in ihrem Beitrag mit der Sinnhaftigkeit der zeitlichen Sequenz der Gallengangssanierung bei simultaner Cholezystocholedocholithiasis auseinandergesetzt und anhand der Evidenz in der fallspezifischen Fachliteratur die Fragestellung beantwortet, ob eine solche Gallengangssanierung abweichend von der Routine auch intra- oder postoperativ erfolgen kann.

Während bis vor einigen Jahren die konventionelle Cholezystektomie als Behandlungsstandard der akuten Cholezystitis galt, sollte heute unabhängig vom Schweregrad der Entzündung primär eine laparoskopische Operation angestrebt werden, um intraoperativ anhand des Situs die weitere Strategie festlegen zu können. Allerdings kann die laparoskopische Cholezystektomie beim Vorliegen einer akuten Entzündung technisch äußerst anspruchsvoll sein, sodass der operierende Chirurg Ausweichstrategien kennen und beherrschen sollte, die es ihm ermöglichen, auch unter anatomisch schwierigen Situationen eine sichere und erfolgreiche Cholezystektomie durchzuführen. T. Morant et al. aus München beschäftigen sich daher mit den sog. sog. Bail-out-Prozeduren, die auch minimal-invasiv durchgeführt werden können und so die Möglichkeit bieten einerseits die Operation sicher und komplikationsfrei zu Ende zu führen und andererseits den Umstieg auf eine offene Operation zu vermeiden, denn bekanntermaßen wird allein durch den Wechsel auf den offenen Zugang die technisch schwierige laparoskopische Cholezystektomie nicht unbedingt leichter.

Gallengangsverletzungen im Rahmen einer Cholezystektomie stellen eine zwar seltene, aber sehr folgenschwere Komplikation dar. Auch wenn etwa die Hälfte aller Gallengangsverletzungen endoskopisch-interventionell therapiert werden kann, so steigt mit zunehmender Größe des Defekts, bei kompletter Okklusion des Gallengangs oder bei relevanten Durchblutungsstörungen der Leber die Wahrscheinlichkeit für die Notwendigkeit eines operativen Vorgehens. N. Nevermann et al. aus der Berliner Arbeitsgruppe haben sich daher in ihrem Beitrag mit den Problemen der Erkennung, Klassifikation und der befundadaptierten Reparation von Gallengangsverletzungen auseinandergesetzt.

Gallengangsverletzungen im Rahmen einer Cholezystektomie sind eine folgenschwere Komplikation

Sowohl die aktuelle deutsche S3-Leitlinien als auch andere internationale Leitlinien favorisieren die laparoskopische Cholezystektomie in einer 4‑Trokar-Technik, um ein erhöhtes operatives Risiko durch mögliche Komplikationen zu vermeiden. Dagegen haben sich alternative Zugangstechniken wie z. B. „single port“ oder NOTES („natural orifice transluminal endoscopic surgery“) nicht flächendeckend durchgesetzt. Nichtsdestotrotz finden diese alternativen Zugangstechniken vereinzelt Einsatz bei der Durchführung einer laparoskopischen Cholezystektomie. M. Berlet et al. aus der Münchner Arbeitsgruppe haben sich deshalb in ihrem Beitrag mit dem aktuellen klinischen Stellenwert der derzeitigen alternativen Technologien zur standardmäßigen laparoskopischen Cholezystektomie vor dem Hintergrund der aktuell publizierten Daten zu dieser Vorgehensweise auseinandergesetzt.

Wir hoffen, Ihnen mit diesem Schwerpunktheft einen interessanten Überblick zu den angeführten klinischen Problemen im Rahmen der Behandlung des Gallensteinleidens an die Hand gegeben zu haben und wünschen Ihnen bei der Lektüre viel Vergnügen und die ein oder andere neue Erkenntnis.

Univ.-Prof. Dr. med. Christoph-Thomas Germer