Die chirurgische Weiterbildung ist ein Schlüsselfaktor für sichere Patientinnen- und Patientenversorgung [1, 25]. Besonders in der Chirurgie hängt die Qualität von den Personen ab, die sie durchführen, und deren Fähigkeiten [3, 7, 11, 16, 18]. Um auch in Zukunft einen hohen Standard in der Gesundheitsversorgung zu gewährleisten, ist es unerlässlich, die Weiterbildung anzupassen und zu verbessern. Nur so kann gewährleistet werden, dass die Inhalte der Weiterbildung an aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse, die Erwartung von Patientinnen und Patienten und technische Fortschritte angepasst werden [20].

Hintergrund und Fragestellung

In den letzten Jahrzehnten haben mehr und mehr Länder die kompetenzbasierte Weiterbildung eingeführt [14]. Sie bewegen sich weg von einem stark zeitbasierten zu einem betont kompetenz- und leistungsbasierten Katalog. Der Ursprung der kompetenzbasierten Weiterbildung wurde durch das CanMEDS-Rahmenwerk beschrieben [22]. Dieses Rahmenwerk ist die Grundlage und definiert die Standards für die Weiterbildung von Chirurginnen und Chirurgen beginnend in Kanada und mittlerweile in anderen Ländern.

Die kompetenzbasierte Weiterbildung ist ein vielschichtiges, komplexes System, das stark kontext- und ressourcenabhängig ist. Um Kontexten und Ressourcen besser gerecht werden zu können, entwickelte das Royal College of England im Rahmen des Intercollegiate Surgical Curriculum Project eine Hierarchie von Elementen der Weiterbildung [9]:

  • Standards,

  • Systeme,

  • Bildungsressourcen,

  • Lehren und Lernen.

Die Standards in diesem Modell sind Werte, wie sie durch die Prinzipien im CanMEDS-Rahmenwerk [22] oder General Medical Boards [13] definiert sind. Die Systeme sind die Akkreditierung der Weiterbildung, Weiterbildungskriterien für Weiterbildungsbefugte, Fakultätsentwicklung, Ressourcen und Weiterbildungsausschüsse. Zu den Weiterbildungsressourcen gehören Prüfungen, (Online‑)Fortbildung, Simulation, Kurse und persönliche Entwicklung. An der Spitze der Pyramide der Elemente der Weiterbildung steht das Lehren und Lernen, das die Weiterbildung durch die Weiterbildungsbefugten abbildet.

Deutschland überarbeitet derzeit Weiterbildungsordnungen und Logbücher mit dem Ziel, die Weiterbildung auf eine kompetenzbasierte Weiterbildung umzustellen [4]. Um ein System zu verbessern oder zu verändern, ist es entscheidend, den aktuellen Status und die Herausforderungen des Systems zu kennen.

Diese Studie soll die Alltagsrealität in Deutschland am Beispiel der orthopädisch-unfallchirurgischen Weiterbildung illustrieren und den Status quo darstellen.

Die vorliegende Studie zielt daher auf die Beantwortung folgender Fragen ab:

  • Bildet die aktuelle orthopädisch-unfallchirurgische Weiterbildung alle Elemente des Weiterbildungskatalogs ab?

  • Wie gestaltet sich die orthopädisch-unfallchirurgische Weiterbildung in Deutschland aktuell im Alltag, fokussierend auf die Zeitverteilung krankenhausrelevanter administrativer Aufgaben und die Inhalte der Weiterbildungsordnung?

Studiendesign und Untersuchungsmethode

Onlinebefragungen haben sich als vorteilhaft zur Datenerhebung erwiesen, da sie einen einfachen Zugang zu den Teilnehmern ermöglichen, kostengünstig sind und die Anonymität der Teilnehmenden gewährleisten [10]. Daher wurde eine Onlinebefragung von Weiterzubildenden in der orthopädisch-unfallchirurgischen Weiterbildung in Deutschland gewählt, um den aktuellen Stand der Weiterbildung zu erheben. Hierbei wurde der Schwerpunkt auf die zeitliche Verteilung täglicher Aufgaben und auf die Durchführung der Weiterbildung basierend auf den Elementen der Weiterbildung gelegt. Es wurde eine Umfrage mit 44 Fragen plus einer offenen Frage erstellt, die sich auf die Weiterbildungsordnung, Weiterbildungsressourcen, Evaluation, Weiterbildungsbefugte und Arbeitszeitverteilung konzentriert. Um einen Vergleich mit bestehenden Daten zu ermöglichen, wurden die vom Royal College of Surgeons of England in einem „Proposal for a pilot surgical training program“ [26] verwendeten Fragen teilweise übernommen. Die offene Frage lautet: „Was würdest Du Dir für die Weiterbildung in Zukunft wünschen?“. Die Umfrage wurde vom 01.03.2020 bis zum 31.03.2020 durchgeführt.

Da die Bundesärztekammer und die Landesärztekammern keine Datenbanken über orthopädisch-unfallchirurgische Weiterzubildende führen, mussten die Weiterzubildenden über einen alternativen Ansatz erreicht werden. Die Weiterzubildenden wurden über E‑Mail und soziale Medien (Facebook, Instagram, LinkedIn) kontaktiert und dann per E‑Mail zur Teilnahme eingeladen. Als weiterer Kontaktansatz wurden die E‑Mail-Adressen der Weiterzubildenden aus den Kontakten der Autorin und E‑Mail-Adressen, die auf den Onlinehomepages der Krankenhäuser gefunden wurden, verwendet. Die Teilnahme war freiwillig und anonym.

Als Umfragetool wurde die SoSci Survey GmbH [23] verwendet, die ein hohes Maß an Datensicherheit gewährleistet, wie es die General Data Protection Regulation (GDPR) der EU-Verordnung verlangt. Die Durchführung der Studie wurde vom Ethikrat der Medical Sciences Interdivisional Research Ethics Committee (IDREC) der Universität Oxford genehmigt (Referenz R67932/RE001).

Die Analyse der Daten wurde mit SPSS®, Version 25 (IBM, Chicago, IL, USA) durchgeführt. Zur besseren Visualisierung wurden die Abbildungen mit Excel, Version 16.16.7 (Microsoft®, Redmond, WA, USA) erstellt. Die Darstellung erfolgte unter Berücksichtigung der Checkliste zur Darstellung von Online Umfragen (CHERRIES) (Tab. 3 im Anhang).

Die Antworten auf die offene Frage wurden kategorisiert und die Häufigkeiten analysiert.

Ergebnisse

Demografische Daten

Insgesamt wurden 823 Weiterzubildende per E‑Mail zur Teilnahme eingeladen. Die Anzahl der Weiterzubildenden, die eine Einladung über soziale Medien erhalten haben, ist nicht bekannt. Insgesamt haben 237 Personen die Umfrage beantwortet, davon 208 Weiterzubildende in der orthopädisch-unfallchirurgischen Weiterbildung in Deutschland. Das Vorgehen bei der Rekrutierung und die finale Verteilung sind in Abb. 1 dargestellt.

Abb. 1
figure 1

Flussdiagramm zur Rekrutierung der Teilnehmenden für die Befragung

Für die weitere Auswertung wurden nur die Antworten von Weiterzubildenden, die sich derzeit in der orthopädisch-unfallchirurgischen Weiterbildung befinden, berücksichtigt.

Die Verteilung der Weiterzubildenden in der Orthopädie/Unfallchirurgie nach der Größe der Weiterbildungsinstitution, in der sie beschäftigt sind, und dem Ausbildungsjahr ist in Tab. 1 und 2 dargestellt.

Tab. 1 Verteilung der Teilnehmenden bezogen auf die Größe der Weiterbildungsstätte gemessen an der Anzahl der Weiterzubildenden
Tab. 2 Verteilung der Teilnehmenden bezogen auf das Weiterbildungsjahra

Die Mehrheit der Befragten sind in einer sehr großen Weiterbildungsinstitution, mit mehr als 20 Weiterzubildenden (38 %), 28 % in einer Institution mit 11 bis 20 Weiterzubildenden, 20 % in einer kleinen Institution mit 6 bis 10 Weiterzubildenden und mit 14 % absolviert ein geringer Anteil die Weiterbildung in einer sehr kleinen Institution mit 5 und weniger Weiterzubildenden (Tab. 1).

Ein Viertel der Befragten befindet sich im 1. oder 2. Weiterbildungsjahr, 18 % im 3. oder 4. Weiterbildungsjahr (Tab. 2). Die große Mehrheit (41 %) befindet sich im 5. oder 6. Jahr der Weiterbildung, nur ein geringer Anteil (4 %) ist schon länger als 6 Jahr in Weiterbildung und 11 % haben die Facharztprüfung bereits abgeschlossen.

Standards der Weiterbildung

Die Wahrnehmung der Weiterzubildenden bezüglich der in der Weiterbildungsordnung aufgeführten Standards ist in Abb. 2 dargestellt. Insgesamt zeigt sich, dass die Weiterzubildenden die Weiterbildungsordnung als nicht eindeutig bezüglich der zu erwerbenden Fähigkeiten und Kenntnisse empfinden. Besonders unpräzise beurteilt wird die Information der Weiterbildungsordnung über das theoretisch zu vermittelnde Wissen, die zu erlernenden Fähigkeiten, das Urteilsvermögen und die persönlichen Anforderungen.

Abb. 2
figure 2

Verteilung der Wahrnehmung von Weiterzubildenden von Standards der Weiterbildung, dargestellt als Prozentsatz der Weiterzubildenden, die mit „ja“, „etwas“, „kaum“, „nein“ antworteten (n = 208)

In der offenen Frage wünschten sich 40 Befragte (19,2 %) mehr strukturierte Rotationen und Lernziele bezogen auf das Weiterbildungsjahr. Eine präzisere Weiterbildungsordnung und ein detailliertes Logbuch wurde von 14 Befragten (6,7 %) gefordert.

Weiterbildungsressourcen

Mit Blick auf die Möglichkeiten der strukturierten Wissensvermittlung im Rahmen der Weiterbildungsressourcen wurden die Teilnehmenden nach den in ihrer Weiterbildung eingesetzten Lehrmitteln und -techniken gefragt (Abb. 3).

Abb. 3
figure 3

Darstellung der strukturierten Bildungsressourcen, die den Teilnehmenden während der Weiterbildung zur Verfügung stehen. Mehrfachnennungen waren möglich (n = 208)

Die Daten zeigen, dass ein Viertel der in Weiterbildung befindlichen Teilnehmenden keine strukturierten Weiterbildungsressourcen in Form von Vorträgen, Simulationen oder Kursen erhält. Fast jeder fünfte Weiterzubildende gibt an, dass Kurse privat finanziert werden. Zudem zeigt sich, dass Simulationstechniken als Instrument der Weiterbildung sehr selten eingesetzt werden.

Zusätzlich wurden in der offenen Frage von 22 Teilnehmenden (10,6 %) mehr Vorlesungen in der Weiterbildungsinstitution gewünscht.

Evaluation und Supervision der Weiterbildung

Fragen zur Evaluation und Supervision im Rahmen der Weiterbildung ergaben, dass lediglich 58 % der Teilnehmenden jährliche Weiterbildungsgespräche erhalten (Abb. 4). Weniger als ein Drittel antwortete positiv, dass ihre Weiterbildungsinstitution Maßnahmen zur Sicherung der Qualität in der Weiterbildung ergreift. Ein Viertel der Befragten gab an, dass sie keinem Supervisor zugeordnet sind und keine definierten Lernziele haben, während nur jeder fünfte Weiterzubildende angab, ein Feedback zu erhalten, das zur Selbstreflexion und Verbesserung anregt.

Abb. 4
figure 4

Darstellung von Fragen zur Evaluation und Supervision. Dargestellt als Prozentsatz der Weiterzubildenden, die mit „ja“, „eher ja“, „unsicher“, „eher nein“, „nein“ antworteten (n = 208)

Weniger als 10 % gaben an, dass sie ihren Weiterbildenden evaluieren, während insgesamt nur 13 % antworteten, dass sie die Möglichkeit hatten, ihre Weiterbildungsinstitution zu bewerten.

Mehr und detailliertes Feedback zu erhalten, wurde von 20 Befragten (9,6 %) in der offenen Frage gewünscht. 11 Teilnehmende (5,3 %) wünschten sich eine genauere Evaluation der Weiterbildungsbefugten, 13 (6,3 %) formulierten den Wunsch nach unabhängigen Mentoren oder Mentorinnen.

Weiterbildungsbefugte

Die Wahrnehmung der Weiterzubildenden bezüglich der Kompetenz ihres Weiterbildungsbefugten im Fachgebiet und in der Lehre ist in Abb. 5 dargestellt. Sie zeigt, dass die meisten Weiterzubildenden die Kompetenz ihrer Weiterbildungsbefugten in der orthopädischen/unfallchirurgischen Chirurgie hoch schätzen, während sie die Kompetenz in der Erwachsenenbildung, der Supervision und dem Geben von Feedback unterdurchschnittlich bewerten. Jeder vierte Weiterzubildende schätzt die Kompetenz der jeweiligen Weiterbildenden im Bereich der Supervision als „unzureichend“ ein.

Abb. 5
figure 5

Einschätzung der Expertise der Weiterbildungsbefugten durch die Weiterzubildenden

In den Antworten auf die offene Frage wurde der Wunsch nach einer besseren Weiterbildungskultur geäußert (die Möglichkeit, Fragen ohne Angst zu stellen, n = 12, 5,8 %), weniger Frauenfeindlichkeit (n= 5, 2,5 %) und mehr Zeit für Weiterbildung im Krankenhaus (n= 15, 7,2 %).

Arbeitsverteilung

Basierend auf der Umfrage des Royal College of Surgeons of England in einem „Proposal for a pilot surgical training program“ antworteten die Teilnehmenden auf Fragen nach der täglichen Arbeitsverteilung basierend auf ihrem letzten Arbeitstag. Um ein detaillierteres Verständnis zu erhalten, wurde ein Durchschnitt der täglichen Arbeitsverteilung über die letzten sechs Monate abgefragt.

Die Daten zeigten, dass administrative Arbeiten mit 220–402 min (3,6–6,7 h) täglich die meiste Zeit beanspruchen, mit fast der Hälfte eines Arbeitstages. Wobei die Aufnahme 120 min am letzten Arbeitstag in Anspruch nimmt. In der Frage über die letzten sechs Monate wurden Aufnahmen nicht gesondert erhoben. Die Weiterbildung in Form von formaler Weiterbildung und Weiterbildung am Krankenbett (zusammen 54 min) entsprach am letzten Arbeitstag der Weiterzubildenden einer knappen Stunde. Allerdings gaben die Weiterzubildenden an, täglich eine Stunde zu operieren.

Ein strukturierteres Erlernen chirurgischer Fertigkeiten wurde in der offenen Frage von 43 Teilnehmenden (20,7 %) gewünscht. Ebenfalls wurde eine Reduzierung der administrativen Arbeit gefordert (n = 19, 9,1 %) und mehr Zeit für die Forschung (n = 6, 2,9 %; Abb. 6).

Abb. 6
figure 6

Verteilung der Arbeitsaktivitäten an einem durchschnittlichen Arbeitstag. Durchschnittlicher Zeitaufwand in Minuten pro Tag für Arbeitsaktivitäten in den letzten sechs Monaten von Weiterzubildenden und am letzten Arbeitstag vor der Befragung (n = 208). OP Operationssaal

Diskussion

Obwohl die orthopädisch-unfallchirurgische Weiterbildungsordnung und die Logbücher derzeit auf eine kompetenzbasierte Weiterbildung umgestellt werden [2], offenbart das Ergebnis dieser Studie große Mängel und eine Unzufriedenheit, die durch eine alleinige Änderung der Weiterbildungsordnung und der Logbücher nicht ausreichend verbessert werden kann. Darüber hinaus konnten in vielen Bereichen Inkonsistenzen mit den aktuellen Anforderungen aufgezeigt werden.

Der Inhalt der Weiterbildungsordnung ist für die Weiterzubildenden unklar. Die Weiterbildungsordnung sieht keine strukturiere Weiterbildung durch Kurse und Vorlesungen vor, der hohe Anteil an privat finanzierten Kursen lässt jedoch auf einen hohen Bedarf schließen.

Tägliche Arbeitsverteilung

Die zeitliche Verteilung der täglichen Tätigkeiten macht deutlich, dass ein erheblicher Teil der Zeit für administrative Aufgaben aufgewendet wird. Dieses Resultat zeigt Parallelen mit den Ergebnissen der Umfrage unter englischen Weiterzubildenden in der Chirurgie [26]. Unterschiede zeigen sich, da die englischen Weiterzubildenden angeben, mehr Zeit mit beruflicher Weiterbildung und weniger Zeit in der Ambulanz zu verbringen als die deutschen Weiterzubildenden.

Die Weiterzubildenden in beiden Ländern gaben in etwa zum gleichen Prozentsatz an, keine Art formalen Unterrichts zu erhalten [26].

Weiterbildungsbefugte

Die Weiterzubildenden gaben an, dass sie zwar die fachliche Kompetenz ihrer Weiterbildenden schätzen, aber die für die Weiterbildung erforderlichen Fähigkeiten (Supervision, Feedback und Erwachsenenbildung) nicht zufriedenstellend sind. Die derzeitige Akkreditierung deutscher Weiterbildungsbefugten erfordert keine Fakultätsentwicklung, außer Erfahrung (in Jahren). Allerdings ist die Ausbildung von Weiterbildungsbefugten als eine grundlegende Voraussetzung für die Durchführung qualitativ hochwertiger Weiterbildung empfohlen [6, 19, 21]. Die Antworten der Weiterzubildenden unterstützen die Ansicht, dass die Weiterbildenden grundlegende Kenntnisse und Fähigkeiten in Feedback und Supervision benötigen, um einen hohen Standard der Weiterbildung zu gewährleisten [19]. Jüngste Daten belegen, dass medizinische Weiterbildende neben inhaltlichem Fachwissen auch theoretische und praktische Grundkenntnisse der Erwachsenenbildung benötigen und ein Interesse an einer eigenen formalen Ausbildung zur effektiven Weiterbildung brauchen [15, 19]. Insbesondere die Fähigkeit, konstruktiv Feedback zu geben, ein gutes Weiterbildungsklima zu schaffen und die Lernbedürfnisse der Weiterzubildenden einzuschätzen, sind Schlüsselqualifikationen, die dem Weiterbildenden vermittelt werden müssen [27]. Die Tatsache, dass die Weiterzubildenden in der Umfrage die Fähigkeiten ihres Weiterbildenden in diesen Bereichen als gering einstuften, könnte auf die Notwendigkeit der Fortbildung von Weiterbildungsbefugten in Deutschland hinweisen.

Weiterbildungskultur

Die gefundenen Daten deuten darauf hin, dass die Weiterbildungskultur keine Priorität hat. Weiterbildungsgespräche werden nur bei der Hälfte der Weiterzubildenden durchgeführt, die Weiterzubildenden sehen die Kompetenz ihrer Weiterbildenden in Bezug auf Supervision und Feedback als wenig wertvoll an. Eine angemessene Lernkultur und konstruktive Einstellung sind nachweislich die einflussreichsten Faktoren, wenn es um Lernergebnisse in Bildungssituationen geht, wie eine Synthese von über 800 Metaanalysen von Hattie zeigt [17]. Eine solche Veränderung der Lern- und Arbeitskultur ist jedoch das am schwierigsten zu messende, zu analysierende oder zu vergleichende Weiterbildungselement. Ohne eine wertschätzende Weiterbildungskultur wird die Veränderung einzelner Weiterbildungselemente zu wenig Verbesserung führen [17].

Bei der Bewertung der Weiterbildungskultur bleibt zu beachten, dass Weiterbildung im Klinikalltag zu einer Diskussion von Hol- und Bringschuld zwischen Weiterbildungsbefugten und Weiterzubildenden führen kann. Insbesondere die Entwicklung des Arbeitsplatzangebotes für Ärztinnen und Ärzte von einem Arbeitsplatzmangel zu einem relativen Überschuss kann unterschiedliche Perspektiven und Erwartungshaltungen der Generationen bewirken.

Studien konnten zeigen, dass eine Arbeitskultur, in der Qualitätssicherung aktiv umgesetzt wird, ein Schlüsselfaktor für die Patientinnen- und Patientensicherheit ist [8, 12]. Die Priorisierung der Weiterbildung sollte ebenso Teil der Arbeitskultur in Weiterbildungsstätten werden. Um den Weiterbildungsbefugten die Etablierung einer erfolgreichen Weiterbildungskultur zu ermöglichen, ist es essentiell die dafür notwendigen zeitlichen und finanziellen Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Dies sicherzustellen wird zukünftig eine große Aufgabe der Ärztekammern und Gesundheitspolitik sein.

Limitationen

Die Onlineumfrage erreichte eine Rücklaufquote von 29 % [24], was 237 Teilnehmern nach 823 E‑Mails entspricht. Da die aktuelle Anzahl der Weiterzubildenden in der Orthopädie/Unfallchirurgie in Deutschland nicht bekannt ist, kann ihre genaue Anzahl nur geschätzt werden. Die verfügbaren nationalen Daten zeigen, dass 886 Personen im Jahr 2018 die Facharztausbildung zum/zur Orthopäden/in/Unfallchirurgen/in abgeschlossen haben [5]. Die Anzahl der Befragten kann daher auf etwa ein Sechstel der Gesamtzahl der orthopädisch-unfallchirurgisch Weiterzubildenden geschätzt werden, wenn man von einer sechsjährigen Weiterbildung ausgeht. Antwortverzerrungen, wie z. B. soziale Erwünschtheit oder eine eingeschränkte Reflexion könnten die Daten beeinflusst haben.

Mögliche Unterschiede in den Zuständigkeitsbereichen der einzelnen Landesärztekammern wurden nicht erhoben. Die Erhebung spiegelt so den deutschen Durchschnitt wider.

Schlussfolgerung

In der Umfrage wurde die Inkonsistenz der aktuellen Weiterbildungsordnung mit der tatsächlichen Weiterbildung aufgezeigt. Die Implementierung kompetenzbasierten Trainings sollte daher durch weitere Elemente ergänzt werden: Definition von Zielwerten und Struktur, Sicherstellung der Qualifikation von Weiterbildenden und Bildungsressourcen sowie Sicherstellung der Qualität durch regelmäßige Evaluation. Die Weiterbildung braucht eine höhere Priorisierung in den Weiterbildungsstätten und Ärztekammern, um eine Verbesserung der Weiterbildungskultur zu ermöglichen. Die Weiterbildung ist Schlüsselfaktor für eine gute Gesundheitsversorgung in der Zukunft.

Fazit für die Praxis

Um die Weiterbildung zu verbessern, ist es essenziell, …

  • klare Ziele zu definieren (in der Weiterbildungsordnung und in einzelnen Rotationen),

  • ein System der Evaluation, Kompetenzermittlung und Verbesserung zu etablieren,

  • Wissen und Fähigkeiten strukturiert, z. B. durch modulare und kurrikulare Strukturen, zu vermitteln,

  • Weiterbildende strukturiert in Erwachsenenbildung mit dem Fokus auf Feedback und Supervision auszubilden,

  • administrative Tätigkeiten, die durch Weiterzubildende ausgeführt werden, zu reduzieren,

  • Weiterbildung attraktiv und zur Priorität zu machen.