FormalPara Originalpublikation

Sud et al (2020) Collateral damage: the impact on outcomes from cancer surgery of the COVID-19 pandemic. Annals of Oncology, https://doi.org/10.1016/j.annonc.2020.05.009, Journal Pre-proof

FormalPara Hintergrund.

Durch die COVID-19-Pandemie wurde die Diagnostik und Therapie maligner Erkrankungen beeinträchtigt. Wenn eine indizierte Krebsoperation nicht rechtzeitig durchgeführt wird, kann dies langfristige Auswirkungen auf die Lebensqualität und das Überleben eines Patienten haben. Die Autoren haben die Auswirkungen verschiedener Verzögerungsperioden bei Krebsoperationen mit Unterbrechungen über variable Zeiträume auf die Krebsergebnisse untersucht und die ressourcengewichteten Ergebnisse mit dem Krankenhausmanagement von COVID-19-Patienten verglichen.

FormalPara Methoden.

Aus englischen Beobachtungsstudien wurde das tägliche Risiko einer Krebsprogression von soliden Tumoren ermittelt. Folgende britische Quellen wurden für die Berechnung genutzt: 1. National Cancer Registration and Analysis Service (NCRAS), 2. National Health Service (NHS) und 3. Intensive Care National Audit & Research Centre (ICNARC). Unter Verwendung von chirurgischen Patientendaten aus den Jahren 2013 bis 2017 berechneten die Autoren für alle soliden Tumoren bei Erwachsenen die Gesamtzahl der Todesfälle und verlorenen Lebensjahre, die auf eine Verzögerung der Therapie zurückzuführen waren. Eine Verschiebung der operativen Therapie wurde für 3 und 6 Monate modelliert. Mithilfe einer Ressourcenkalkulation im Gesundheitswesen wurde die Anzahl der geretteten Patienten und der gewonnenen Lebensjahre durch eine onkologische Operation kalkuliert.

FormalPara Ergebnisse und Fazit des Reviews.

Aufgrund fehlender britischer Daten wurden Daten aus Wuhan (China) als Grundlage für die Altersverteilung von Infektionen, die altersspezifischen Wahrscheinlichkeiten für Krankenhausaufnahmen und die Sterblichkeitsraten für COVID-19-Patienten außerhalb von Intensivstationen verwendet [1]. Dies ist sicherlich eine Limitation der vorliegenden Studie. Andererseits gibt es momentan weltweit noch keine verlässlichen Daten zur Epidemiologie von COVID-19. Pro Jahr führten in England während eines Zeitraums von 5 Jahren 94.912 Operationen bei schweren Krebserkrankungen zu 80.406 Langzeitüberlebenden und 1,72 Mio. gewonnenen Lebensjahren. Eine Verzögerung von 3 Monaten würde zu einem Versterben von 4755 Patienten und einem Verlust von 92.214 Lebensjahren führen. Eine Verschiebung um 6 Monate steigert die Sterblichkeitsrate um 10.760 Patienten mit einem Verlust von 208.275 Lebensjahren. Für die Krebschirurgie betragen die durchschnittlich gewonnenen Lebensjahre pro Patient unter Standardbedingungen 18,1 Jahre. Eine Verschiebung um 3 Monate verringert die gewonnenen Lebensjahre auf 17,1 Jahre und 15,9 Jahre für eine 6‑monatige Verzögerung.

Die COVID-19-Pandemie hat die Gesundheitsversorgung in beispielloser Weise belastet. Verzögerungen bei der Diagnose und Operationen von malignen Erkrankungen verursachen eine exponentielle Belastung der Letalität. Chirurgen müssen die potenziellen Risiken einer Verschiebung von Operation bei malignen Erkrankungen in multidisziplinären Teams besprechen, um eine adäquate Priorisierung von Krebspatienten zu erzielen. Patienten im Stadium II und III eines Bronchial- oder Ösophaguskarzinoms werden durch eine Operationsverschiebung deutlich negativer beeinflusst als Stadium-I-Patienten. Um eine Krise mit vielen Krebstoten im Gesundheitswesen zu vermeiden, müssen die Diagnostik und Therapie von malignen, soliden Tumoren besondere Beachtung finden. Unter diesem Hintergrund sind Einsparungen im Gesundheitswesen, die zum Teil politisch gefordert werden, nicht zu akzeptieren.