Hintergrund

Der Roux-en-Y-Magenbypass (RYGB) und die Schlauchmagenanlage (SG) sind die häufigsten chirurgischen Behandlungsoptionen bei schwerer Adipositas. Komplikationen wie Anastomoseninsuffizienzen und postoperative Blutungen sind weiterhin die Hauptursachen für Morbidität und Mortalität. Das frühzeitige Erkennen von Insuffizienzen und Blutungen ist entscheidend und nicht immer trivial [1, 2]. Die intraabdominale Drainagenanlage im Rahmen des Eingriffs soll der frühen Detektion von Komplikationen wie Anastomoseninsuffizienzen und Blutungen dienen und wird in vielen chirurgischen Abteilungen weiterhin als Standard angesehen. Studien zeigten nicht nur keinen Vorteil, sondern identifizierten sogar durch Drainagen bedingte Komplikationen [3, 4]. Zu diesen zählen Infektionen, zurückgebliebene Drainagenfragmente, Schmerzen oder sogar schwerwiegende Ereignisse wie Ileusbildung oder Hernien [3]. Dass ein Verzicht auf Drainagen signifikant vorteilhaft ist, konnten randomisierte Studien für Cholezystektomien [5,6,7,8] und andere abdominalchirurgische Eingriffe bereits zeigen [9, 10].

In Bezug auf RYGB konnte gezeigt werden, dass eine Drainage nicht erforderlich ist [2]. Bei anderen bariatrischen Verfahren bleibt dies basierend auf der Datenlage noch unklar. Mangels randomisierter kontrollierter Studien kann keine Schlussfolgerung zu diesem Thema gezogen werden. Ziel der vorliegenden Studie war es, die Frage zu beantworten, ob eine Drainage im Gesamtkollektiv der Schlauchmagenresektion und Magenbypassanlagen (RYGB und SG) erforderlich ist oder ob sie nachteilige Effekte wie bakterielle Migration, Infektion oder verzögerte Mobilisation und verlängerte Hospitalisierung triggert.

Methoden

Die Studie ist eine retrospektive Auswertung prospektiv erfasster Daten von Patienten die durch das gleiche chirurgische Team operiert wurden. Die Studie wurde von der lokalen Ethikkommission (2012-215N-MA) genehmigt und entsprach den Bestimmungen der Deklaration von Helsinki (überarbeitet in Tokio 2008).

Alle Patienten haben ihre Einwilligung zur Teilnahme schriftlich hinterlegt. Postoperative Komplikationen wurden anhand der Clavien-Dindo-Klassifikation mit einem Follow-up von 30 Tagen bewertet [11]. Die Dauer des Krankenhausaufenthaltes wurde vom Tag der Aufnahme bis zum Tag der Entlassung berechnet. Es erfolgte keine Selektion der Patienten. Sofern die Patienten in die Datenverarbeitung eingewilligt haben, erfolgte der Einschluss in die Datenbank.

Patienten

Alle Patientendaten wurden retrospektiv anhand einer prospektiven Datenbank ausgewertet. Alle bariatrischen Operationen in diesem Zeitraum wurden von drei bariatrisch erfahrenen Chirurgen durchgeführt. Es wurden 361 Patienten eingeschlossen. Die Geschlechterverteilung zeigte 262 weibliche und 99 männliche Patienten, mit einem Durchschnittsalter von 42 Jahren und einem mittleren BMI von 49 kg/m2 (Tab. 1).

Tab. 1 Patientendaten

Chirurgische Technik

Die Operation wurde immer laparoskopisch durchgeführt. Im Falle einer Drainageanlage wurde ein 21-Ch-Silikonschlauch in der Nähe der Klammernahtreihe bei Sleeve-Gastrektomien oder im Bereich der Anastomose im Falle eines RYGB platziert. Es wurde kein Sog angelegt.

Postoperative Behandlung

Die prä- und postoperative Versorgung erfolgte entlang unseres etablierten klinischen Behandlungspfads, der im Jahr 2012 veröffentlicht wurde [12].

Die zentrale Venenkatheterisierung und die arterielle Überwachung wurden auf Fälle mit hohem Risiko beschränkt. Urinkatheter wurden direkt postoperativ entfernt.

Statistische Analyse

Quantitative Variablen werden als Mittelwerte ± Standardabweichung (für normalverteilte Daten) oder als Mittelwert und Bereich dargestellt. Für qualitative Parameter werden absolute und relative Häufigkeiten angegeben. Um zwei Gruppen hinsichtlich quantitativer Parameter zu vergleichen, wurde der Mann-Whitney-U-Test verwendet. Für annähernd normalverteilte Werte (z. B. Alter der Patienten) wurden stattdessen zwei Stichproben verwendet. Um die relativen Häufigkeiten zweier Gruppen zu vergleichen, wurde je nach Bedarf der χ2-Test oder der exakte Fisher-Test durchgeführt. Das Ergebnis eines statistischen Tests wurde als signifikant für p < 0,05 angesehen. Alle statistischen Berechnungen wurden mit der SAS-Software Version 9.3 (SAS Institute Inc., Cary, NC, USA) durchgeführt. Zur Analyse der Gruppen wurden die demografischen Daten mithilfe einer multiplen Regressionsanalyse statistisch angepasst. Aufgrund des retrospektiven (nichtrandomisierten) Designs der vorliegenden Studie haben wir den „propensity score matching“ verwendet, um das Verzerrungsrisiko anzupassen.

Ergebnisse

Von den 361 Patienten, die zwischen 2010 und 2016 operiert wurden, erhielten 166 Patienten eine Drainage und 195 nicht. Die Patientencharakteristika und -verteilung davon sind in Tab. 1 dargestellt. Es gab keinen signifikanten Unterschied zwischen den Gruppen in Bezug auf: BMI (49,1 gegenüber 48,9 kg/m2, p = 0,834), Edmonton Adipositas Staging System (EOSS) (p = 0,663) und Verfahrensart (RYGB/SG 55,4 %/44,6 % vs. 65,4 %/34,6 %, p = 0,052). Signifikante Unterschiede zeigten sich bei der Geschlechterverteilung (RYGB/SG m/w 34,9 %/65,1 % gegenüber 21 %/79 %, p = 0,031), Alter (43,3 Jahre gegenüber 40,6 Jahre, p = 0,024) und ASA-Score (Mittelwert 2,4 vs. 2,6, p < 0,001).

Die chirurgischen Ergebnisse sind in Abb. 1 dargestellt. Es gab 6 (5,6 %) Patienten mit Komplikationen in der Gruppe mit Drainage und 7 (4,2 %) Patienten mit Komplikationen in der Gruppe ohne Drainage (p = 0,54). Alle Komplikationen und die jeweilige Behandlung sind in Abb. 1 detailliert dargestellt. Patienten mit Drainage erhielten am 3. postoperativen Tag einen Methylenblau-Tee im Sinne einer Dichtigkeitskontrolle. Wenn keine Blautönung auftrat, wurde die Drainage am postoperativen Tag 3 ± 1 entfernt. In einer multivariaten Analyse war der Krankenhausaufenthalt in der Drainagegruppe signifikant länger (Mittelwert 4,21 Tage gegenüber 5,62 Tagen, p < 0,0001). Die Dauer des Krankenhausaufenthalts wurde durch Alter (p = 0,02), BMI (p = 0,0008) und Drainage (p < 0,0001) beeinflusst. In diesem Modell ist der Einfluss der Drainage am stärksten (Abb. 2 und 3).

Abb. 1
figure 1

Chirurgische Ergebnisse in den Gruppen a ohne Drainage und b mit Drainage. Hb Hämoglobin

Abb. 2
figure 2

Body-Mass-Index in den Gruppen mit und ohne Drainage

Abb. 3
figure 3

Krankenhausverweildauer in den Gruppen mit und ohne Drainage

Aus den vorhandenen statistischen Daten ließ sich folgende Formel generieren:

$$\text{Krankenhausaufenthaltsdauer}=0,78455+0,02448*\text{Alter}+0,04971*\mathrm{BMI}(+1,34068\,\text{Drainage})$$

Diskussion

Während einige chirurgische Schritte der bariatrischen Chirurgie gut untersucht und kontrovers diskutiert werden, ist die Platzierung einer Drainage in vielen chirurgischen Abteilungen immer noch Standard. Obwohl es kaum Evidenz für eine Drainage gibt, wird sie von einigen Chirurgen als unverzichtbar angesehen [13,14,15]. Der proklamierte Grund für das Einsetzen einer Drainage ist die rechtzeitige Erkennung von Blutungen oder Insuffizienzen. Mehrere systematische Reviews und randomisierte Studien haben gezeigt, dass die routinemäßige Verwendung von Drainagen die postoperative Morbidität, die Kosten und die Verweildauer bei verschiedenen Arten von Bauchoperationen erhöht [16,17,18,19,20,21]. In Bezug auf bariatrische Verfahren gibt es in der Literatur 5 Studien zu diesem Thema [1, 22,23,24], von denen 2 eine routinemäßige Drainagenanlage empfehlen, während die anderen 3 zeigten, dass eine Drainage nicht sinnvoll ist.

In einer retrospektiven Analyse von 755 Patienten, die sich einer Magenbypassoperation unterzogen, wurden in 483 Fällen keine Drainagen verwendet. In beiden Gruppen zusammen wurden 7 Insuffizienzen festgestellt. Bei einer Verteilung der Insuffizienzen von 3 in der Gruppe mit Drainage zu 4 in der Gruppe ohne Drainage bestand diesbezüglich kein signifikanter Unterschied. In unserem Kollektiv traten 3 Anastomoseninsuffizienzen in der Drainagen-Gruppe auf. Bemerkenswerterweise wurde keine dieser Insuffizienzen durch die Drainage detektiert. Stattdessen wurden diese durch Parameter wie Fieber oder Bluttests, gefolgt von einer Computertomographie, diagnostiziert. In der Gruppe ohne Drainage hatten 7 Patienten Komplikationen, einschließlich einer Anastomoseninsuffizienz, die später mittels einer interventionellen Drainagenanlage behandelt wurde. Die prospektive Studie von Gundogan et al. konnte nachweisen, dass die Drainage nach laparoskopischem RYGB vermehrt postoperative Schmerzen verursacht. In unserer Kohorte waren die meisten Komplikationen erst apparent, als die Drainage bereits entfernt worden war. In einem Fall dislozierte die Drainage nach intraabdominell, dies wurde auch in anderen Studien als mögliche Komplikation beschrieben [25]. Tierversuche haben bestätigt, dass aszendierende Infektionen über die Drainagen möglich sind [26, 27]. Beschwerden und Schmerzen sowie eine verzögerte Mobilisation sind die häufigsten Komplikationen bei Drainagen. In weiteren Kollektiven (hepatobiliäre oder gynäkologische Operationen) konnten Drainagen als mögliche Ursache für postoperative Schmerzen identifiziert werden [28,29,30]. Bei unseren Patienten erfolgte die postoperative Mobilisation anhand eines definierten Therapiepfades [12] und verzögerte sich nur, wenn sie durch Schmerzen oder Schwäche beeinträchtigt wurde.

Leckagen bei Patienten, die eine Drainage erhielten, wurden in unseren Fällen nicht durch Drainagen festgestellt (3 Patienten in der Drainagegruppe wiesen eine Leckage auf, die von der Drainage nicht festgestellt wurde). Blutungen bei Patienten ohne Drainage wurden durch frühe postoperative Blutuntersuchungen festgestellt. Daher ist die Platzierung der Drainage aus diagnostischen Gründen fraglich. Sie sollte nur in Betracht gezogen werden, wenn eine postoperative Überwachung, schnelle Blutuntersuchungen und Bildgebungsmodalitäten nicht routinemäßig verfügbar sind, was in einer Einrichtung, die bariatrische Operationen durchführt, niemals der Fall sein sollte [28].

Limitationen

Die Haupteinschränkung der vorliegenden Studie ist das nichtrandomisierte Design. Obwohl die Gruppen von Patienten mit und ohne Drainage statistisch adjustiert wurden, könnten strukturelle Unterschiede zwischen den beiden Gruppen bestehen. Darüber hinaus wurden die Patienten während des langen Untersuchungszeitraums von mehreren Chirurgen operiert. Dies kann zu einer Verzerrung geführt haben, die zu einer unterschiedlichen Häufigkeit von Komplikationen während des Untersuchungszeitraums führte. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass die Indikation für das Einsetzen einer Drainage vom klinischen/operativen Verlauf und nicht von den Vorlieben des einzelnen Chirurgen abhängen sollte. In der Auswertung der Komplikationsraten nach einzelnem Operateur zeigte sich kein Unterschied.

Aufgrund unserer Ergebnisse und der Literatur kann man argumentieren, dass auf Drainagen verzichtet werden kann. Wir konnten keine erhöhte Komplikationsrate bei Patienten ohne Drainage feststellen, aber es konnten mögliche Nachteile der Drainage wie erhöhte Schmerzen und längerer Krankenhausaufenthalt festgestellt werden. Mit der vorliegenden Arbeit soll die Drainagenanlage im Rahmen bariatrischer Eingriffe nicht generell abgewertet werden. Vielmehr geht es darum zu zeigen, dass das Verzichten auf Drainagen in unkomplizierten Fällen zu einer angenehmeren postoperativen Zeit für den Patienten sowie zu einem kürzeren Krankenhausaufenthalt und einer Verringerung der chirurgischen Morbidität führt. Folglich sollte die Drainage nach bariatrischen Eingriffen eine individuelle Überlegung sein und von ihrer routinemäßigen Verwendung abgeraten werden.